Episode 259: Charles Dickens – Der Mann der Weihnachten erfand
Charles Dickens hat Probleme: Seine letzten Veröffentlichungen waren ziemliche Flops, seine Reise nach Amerika war alles andere als erholsam und sein üppiger Lebensstil sorgt dafür, dass die Rücklagen sinken. Keine Frage: Ein neues Buch muss her. Dank der Unterstützung seines Freundes und Agenten John und den Gute-Nacht-Geschichten des neuen irischen Kindermädchens der Familie kommt er schließlich zu der passenden Idee: Eine Weihnachtsgeschichte, ein komisches Buch… vielleicht auch mit ein bisschen Tragik… und… Schreibblockade: Das schlimmste, was einem Autoren passieren kann.
Gott sei Dank hat sich Dickens bereits den Protagonisten Ebenezer Scrooge zurechtgelegt und so kann er mit diesem gemeinsam die Stationen seines kommenden Romans bereisen: Von den drei weihnachtlichen Geistern bis zum Schicksal des kleinen Timmy.
Aber die Deadline – immerhin ist es Oktober und das Buch muss vor Weihnachten erscheinen – sitzt ihm im Nacken. Und zu allem Überfluss schaut dann auch noch sein Vater vorbei, mit dem Charles einige der schlimmsten Momente seiner Kindheit verbindet. Schnell wird klar: Nicht nur Scrooge muss sich zu diesem Weihnachtsfest den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellen.
The Man Who Invented Christmas aus dem Jahr 2017 zeichnet den kreativen Prozess bei der Entstehung einer der großen Weihnachtsklassiker nach: Teils als Komödie, teils als Drama, teils als fantastisches Lehrstück.
Johannes, hat dich der Film in vorweihnachtliche Stimmung gebracht?
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 259: Charles Dickens – Der Mann der Weihnachten erfand Publishing Date: 2025-12-17T07:37:33+01:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2025/12/17/episode-259-charles-dickens-der-mann-der-weihnachten-erfand/
Johannes Franke: Natürlich ist die eigentliche Antwort nein, aber ich möchte gerne die Antwort verteidigen, ja. Ja, er hat tatsächlich Weihnachten erfunden. Aber natürlich nicht richtig komplett, weil natürlich gab es Weihnachten vorher schon. Weihnachten kommt immer näher, Plor. Weihnachten kommt immer näher. Und ich habe keine Lust mehr auf diesen Jingle. Der muss sein.
Florian Bayer: Genau wie dieses Jahr zu Weihnachten auch Weihnachtswünsche aus unserem Publikum sein müssen.
Johannes Franke: Ja, ich finde, dieses Jahr kann ich es viel besser ertragen. Letztes Jahr musste ich dir die ganze Zeit in die begeisterten Augen schauen, weil du den Film ausgesucht hast und dich nicht allzu arg enttäuschen wollte. Oh ja. Und sind wir ehrlich. Eigentlich mochte ich die Weihnachtsfilme viel mehr, als ich das eigentlich sollte.
Florian Bayer: Vor allem mochtest du die teilweise mehr als ich. Ich erinnere dich nochmal an Ist das Leben nicht schön?
Johannes Franke: Oh, es war so großartig. Toller Film. Ich kann mit dem ganzen Schmalz gut umgehen. Aber wir haben Wünsche von euch da draußen und auch die darf ich natürlich nicht zu schlimm finden.
Florian Bayer: Das sind traurige Augen, die Augen unseres Publikums. In diesem Fall die traurigen Augen von Silke.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: die uns via Spotify geschrieben hat, macht... doch zu Weihnachten Charles Dickens, der Mann der Weihnachten, erfand.
Johannes Franke: Ja, vielen Dank für diesen wundervollen Tipp. Ja,
Florian Bayer: vielen Dank. Vor allem eine gute Ergänzung zu unserem Weihnachtsfest vor zwei Jahren oder vor drei Jahren, wo wir Scrooge-Filme besprochen haben und zwar wirklich ausgiebig alles, was wir an A Christmas Carol finden konnten.
Johannes Franke: Außer diesen Film.
Florian Bayer: Der war seltsamerweise nicht dabei. Den hatte keiner von uns auf der Liste.
Johannes Franke: Den hatten wir irgendwie nicht auf dem Schirm.
Florian Bayer: Und wir hatten trotzdem, wir haben echt viele Scrooge-Filme geguckt und über viele Scrooge-Filme geredet, auch wirklich bis ins Jahr 2017. Aber dieser Film aus dem Jahre 2017, der war nicht dabei. Aber das können wir ja jetzt nachholen. Das heißt, wir machen nochmal ein kleines Christmas Carol Revival. Reden über diesen Film, der sich mit der Entstehung von A Christmas Carol auseinandersetzt. Und schauen mal, wo der steht in unserem Scrooge-Kanon und wie wir ihn gefunden haben.
Johannes Franke: Ja, du hast einen kleinen Text vorbereitet.
Florian Bayer: Damit starten wir jetzt.
Johannes Franke: Okay, sehr schön.
Florian Bayer: Charles Dickens hat Probleme. Seine letzten Veröffentlichungen waren ziemliche Flops. Seine Reise nach Amerika war alles andere als erholsam und sein üppiger Lebensstil sorgt dafür, dass die Rücklagen sinken. Keine Frage, ein neues Buch muss her. Dank der Unterstützung seines Freundes und Agenten John und den Gute-Nacht-Geschichten des neuen irischen Kindermädchens der Familie kommt er schließlich auf die passende Idee. Eine Weihnachtsgeschichte. Ein komisches Buch. Vielleicht auch mit ein bisschen Tragik. Und Schreibblockade. Das Schlimmste, was einem Autoren passieren kann. Gott sei Dank hat sich Dickens bereits den Protagonisten Ebeneezer Scrooge zurechtgelegt und so kann er mit diesem gemeinsam die Stationen seines kommenden Romans bereisen. Von den drei weihnachtlichen Geistern bis zum Schicksal des kleinen Timmy. Aber die Deadline, immerhin ist es Oktober und das Buch muss vor Weihnachten erscheinen, sitzt ihm im Nacken. Und zu allem Überfluss schaut dann auch noch sein Vater vorbei, mit dem Charles einige der schlimmsten Momente seiner Kindheit verbindet. Schnell wird klar, nicht nur Scrooge muss sich zu diesem Weihnachtsfest den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellen. The Man Who Invented Christmas aus dem Jahr 2017 zeichnet den kreativen Prozess bei der Entstehung einer der großen Weihnachtsklassiker nach. Teils als Komödie, teils als Drama, teils als fantastisches Lehrstück. Johannes, hat dich der Film in vorweihnachtliche Stimmung gebracht?
Johannes Franke: Da muss schon einiges passieren, damit ich in vorweihnachtliche Stimmung komme. Also da müssen Maschinen kommen, keine Ersatzteile. Also Film hin oder her, aber ich glaube, der einzige Weihnachtsfilm, der das sofort schafft, ist sehr eng verbunden mit diesem Film, aber die Muppets-Version von A Christmas Carol.
Florian Bayer: Was für eine schöne Version davon. Ja.
Johannes Franke: Und ich mich daran immer wieder erinnere, wie wir darüber geredet haben und ich feststellen musste, dass ich über einen fucking Frosch weinen muss. Tiny Tim wird von einem kleinen Frosch gespielt. Das ist so traurig. Und man sitzt da und heult wegen dieser Handpuppe.
Florian Bayer: Es ist ja schon ein bisschen länger her, dass wir über Christmas Carol geredet haben, deswegen weiß ich gar nicht mehr so wirklich, wie dein Take auf die Geschichte allgemein war, um die es ja in diesem Film geht. Also nicht um die Verfilmung, sondern um das Buch selbst. Hast du einen harten Take da drauf?
Johannes Franke: Ich habe keinen harten Take darauf, außer, ja, fucking zu Recht irgendwie eines der besten, bestverkauften Bücher dieser Zeit und zu Weihnachten allgemein und so. Der hat es schon wirklich clever und gut geschrieben und er ist auch ein wirklich verdammt guter Schriftsteller, muss man schon sagen. Oliver Twist ist wirklich richtig gut und so.
Florian Bayer: Also meiner Meinung nach wirklich die schönste Weihnachtsgeschichte, die es gibt. Wirklich auch der passende Titel und es gibt Es gibt einfach keinen besseren Christmas-Content da draußen.
Johannes Franke: Tut mir leid, ihr da draußen, ihr hört von uns da keine kontroverse Meinung oder sowas. Wir springen eigentlich auf einen fahrenden Zug auf. Ja,
Florian Bayer: um vielleicht ein bisschen kontroverse Meinung mit reinzubringen. Ich höre gerade wieder Oliver Twist. Ich höre ein Hörbuch in einer klassischen deutschen Übersetzung. Und ich glaube, ich bin eigentlich gar nicht der größte Charles Dickens-Fan. Und ich glaube, Oliver Twist ist mir manchmal ein bisschen zu viel Elends-Porn.
Johannes Franke: Es ist so viel. Elend. Es stimmt schon. Und man denkt sich auch irgendwann, ach komm, jetzt gib dem doch mal wenigstens zwei Seiten lang Pause und Freude.
Florian Bayer: Und wenn der jüdische Gauner am Feuer steht und seinen Jungs die Suppe gibt und ihnen zeigt, wie sie Leute ausrauben, dann haut der Antisemitismus schon ganz schön rein.
Johannes Franke: Okay, ja, okay, okay, das ignorieren wir heute.
Florian Bayer: Ich bin vielleicht nicht der größte Charles Dickens Fan. Ich bin auch kein Charles Dickens Experte. Ich habe nicht viel von ihm gelesen. Oliver Twist kenne ich. Und David Copperfield zum Beispiel kenne ich überhaupt nicht.
Johannes Franke: Habe ich auch nicht richtig gelesen. Ich habe mal eine Verfilmung davon gesehen. Aber ja.
Florian Bayer: Ich kenne auch große Erwartungen. Und dann hört es auch schon so ziemlich auf, was mein Charles Dickens Wissen betrifft. Aber ich liebe A Christmas Carol. Und ich liebe sehr viele Verfilmungen von A Christmas Carol. Wir haben festgestellt damals, dass es sehr viele gute Filme gibt. Wir hatten unterschiedliche Filme, die wir favorisiert haben.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Aber wir haben aus sehr vielen Verfilmungen viel rausziehen können. Das heißt, ein Film, der sich mit diesen Verfilmungen und mit dieser Novelle misst, hat es natürlich erstmal schwer.
Johannes Franke: Weil er ja auch irgendwie eine Art Christmas Carol daraus macht. Also er versucht die Struktur und die Dramaturgie und die Wendepunkte von A Christmas Carol irgendwie auf diese Biografie zu stülpen. Also nicht sklavisch, aber er versucht so Wendepunkte irgendwie zu finden und irgendwie zu finden, dass... Dickens irgendwie auch eine Art Scrooge-Moment für sich hat und so solche Sachen.
Florian Bayer: Susan Coyne ist für das Drehbuch verantwortlich. Eine vor allem in Kanada ausgezeichnete Autorin, die mehrmals mit dem Writers Guild of Canada Awards ausgezeichnet wurde. Und sie nimmt als Inspiration, versucht sie halt wirklich das Leben von... Charles Dickens und die Geschichte von Scrooge irgendwie zusammenzubringen, was auch nahe liegt, weil wir wissen, Charles Dickens war für seine Geschichten inspiriert von seiner Kindheit und von seinen Erlebnissen und auch von seinen Begegnungen als erwachsener Mensch im viktorianischen England mit der Armut, die damals geherrscht hat, mit den Klassenkonflikten, die damals geherrscht haben, mit der Arroganz, die armen Menschen gegenübergebracht wurde. Das heißt, es macht schon alles Sinn, das zusammen zu mischen. Aber natürlich denke ich... schauen da Leute drauf, die sich sehr mit Charles Dickens Biografie auskennen und sagen, da ist aber ganz schön viel dazu gedichtet.
Johannes Franke: Ja, oder umgeschrieben für die Dramaturgie und so, ne? So ein paar kleine... Aber er kriegt auch viele Sachen gut hin. Also so ist nicht... Also jetzt biografisch gesehen.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Also er hat auch ein paar Treffer, wo man sagt, okay, das ist natürlich... Das ist da und das sind vielleicht auch nicht die Sachen, wo man sagen würde, ja gut, okay, Haken dahinter, sondern auch Sachen, wo man sagt, Achso, war das wirklich so? Krass.
Florian Bayer: Und dann schaut man nochmal nach und stellt fest, das war wirklich so. Und es war wirklich so, dass wenn dein Vater in Schuldenhaft kam, wie es Charles Dickens passiert ist, dann ist die ganze Familie mit. Und wenn es dann noch einen Jungen gab, der einigermaßen im arbeitsfähigen Alter war, wie Charles Dickens damals, ist der draußen geblieben und musste einfach mal im Workerhaus arbeiten. Der hat das Geld verdient dafür. Der hat einfach die Bürde auf sich genommen, wie ein Erwachsener zu schuften. Hat darunter ganz schön gelitten und dass Charles Dickens deswegen einen Groll gegen seinen Vater mit sich getragen hat, ist auch bekannt.
Johannes Franke: Insoweit ist es historisch korrekt. Also für mich ist es tatsächlich interessant, merkwürdig, dass es damals sehr üblich war, wenn jemand im Knast gelandet ist, dass die Frau einfach hinterhergezogen ist. Die ist mit eingezogen im Knast.
Florian Bayer: Die ganze Familie hat im Knast gelebt.
Johannes Franke: Wie krass. Die waren damit ganz kleinen Kindern. Wie krass. Also ich finde es wirklich sehr, sehr seltsam.
Florian Bayer: Wie krass traumatisierend muss das für ein Kind sein?
Johannes Franke: Aber es war, glaube ich, nicht Pflicht.
Florian Bayer: Nee,
Johannes Franke: die haben sich aus freien Stücken oder weil es üblich war oder so, da mit hineinbegeben.
Florian Bayer: Genau.
Johannes Franke: Die Kinder brauchten ihren Vater, die beiden Eltern wollten zusammenbleiben und so weiter. Also es gibt gute Gründe dafür. Es gibt aber auch gute Gründe dafür, das nicht zu tun. Nämlich zum Beispiel, dass das Kind, was draußen bleibt und arbeiten gehen muss, nicht alleine zu lassen.
Florian Bayer: Das ist so krass. Also zum einen diese Verantwortung, die du hast als Kind plötzlich. Dann, dass dir der Boden so unter den Füßen weggezogen wird. Und dass du natürlich konfrontiert bist, damit das alle auf dich herabblicken. Du bist der Sohn eines Verbrechers. Du bist der Sohn eines Schuldners. Deine ganze Familie sitzt im Knast und du bist hier draußen und machst die Drecksarbeit.
Johannes Franke: Wobei Verbrecher wahrscheinlich echt ein bisschen zu viel ist als Wort für den Vater. Der hat einfach zu viel Geld ausgegeben und Schulden angehäuft.
Florian Bayer: Aber das war natürlich auch das christlich geprägte England. Also es ist nicht zu Unrecht, ist das der Begriff Schulden für finanzielle Schulden, ist halt einfach verwandt mit dem biblischen Begriff der Schuld. Und es gibt ja auch viele, die darüber geschrieben haben und viele Soziologen und Philosophen, die sich darüber Gedanken gemacht haben, wie unsere moderne kapitalistische Welt mit dem Thema Schulden umgeht, finanziellen Schulden. Ach komm, es ist kurz vor Weihnachten, lass mich ein bisschen Juck scheißen. Und da ist einfach ganz... Spannend, dass da wirklich einfach dieser direkte Link gesetzt wird. Und jeder hätte gesagt, sein Vater ist ein Verbrecher.
Johannes Franke: Ja, aber die Schwester war viel mehr Verbrecher, glaube ich. Die hat ja auch irgendwie kriminelle Sachen. Ich weiß es aber nicht ganz genau.
Florian Bayer: Es waren arme Leute im England des 19.
Johannes Franke: Jahrhunderts.
Florian Bayer: Es war in London. Es war wirklich ein Kampf ums Überleben. Und es war eine wirklich harte Zeit. Und Charles Dickens hat davon auf jeden Fall auch einen kleinen Knacks mitgenommen.
Johannes Franke: Definitiv. Und man muss das E-Tüpfelchen davon noch erwähnen. Die kommen wieder raus aus dem... Knast quasi und nehmen ihn nicht sofort von der Arbeitsstelle wieder weg. Die Mutter und auch der Vater haben gedacht, komm, er hat einen Job, ist doch super, er hat einen Job, also lass ihn doch da irgendwie arbeiten und er musste weiter da arbeiten und war wirklich sowieso von vorne bis hinten traumatisiert von dieser Arbeitsstelle und von diesem, von dieser Pflicht und von diesem überhaupt der Situation, dass die Eltern in den Knast gehen und so und Und dann holen die dann nicht raus und sagen, okay, komm, wir fangen wieder von vorne an, wir machen was Schönes, wir machen uns Schönes zu Hause, sondern die haben ihn da weiter arbeiten lassen. Und irgendwann hat der Vater ihn dann, so heißt es zumindest, da in dieser Fabrik durch ein Fenster traurig sitzen sehen und hat dann ihn wieder rausgeholt aus der Nummer.
Florian Bayer: Ja, es ist auf jeden Fall total krass, was mit ihm passiert ist und umso krasser ist die Geschichte von Charles Dickens, die dann eine Geschichte wäre, wo jeder Kapitalist draufgucken würde und sagen würde, ey guck. guck doch mal, das ist eine Erfolgsgeschichte. Der hat den Aufstieg geschafft. Der kommt aus der Armut, der veröffentlicht als jemand, der praktisch keine Schulbildung hatte. Anfang der 1830er Jahre ein paar Texte in Zeitungen, schreibt dann Kurzgeschichten und fängt dann irgendwann an, größere fiktionale Texte zu schreiben und hat mit Oliver Twist einen Welthit. Nichts anderes hatte Charles Dickens mit diesem Buch.
Johannes Franke: Und man muss dazu sagen, Dickens hat, bis er David Copperfield geschrieben hat, quasi geheim gehalten, was in seiner Vergangenheit passiert ist, als Kind, was ihm passiert ist. Er wollte immer dazugehören und er hat sein Leben lang Angst gehabt, wieder zurückzufallen in diese Armut. Das sehen wir später bei Chaplin auch wieder. Chaplin hat zwar das nicht so geheim gehalten, aber sein Leben war auch ganz ganz maßgeblich davon bestimmt, nicht wieder in die Armut zurückzufallen.
Florian Bayer: In David Copperfield hat Charles Dickens quasi autobiografisch geschrieben.
Johannes Franke: Ja, das ist ein bisschen aufgearbeitet.
Florian Bayer: Hat quasi eine Lebensgeschichte von einer fiktiven Person geschrieben, aber hat die Dinge, die er als Kind erlebt hat, verarbeitet. Und das hat er natürlich auch schon in Oliver Twist. Und das hat er zu einem sehr eingeschränkten Teil auch mit Scrooge, mit der Weihnachtsgeschichte. Aber das war eigentlich sein großes Coming Out. Mein Leben war richtig kacke.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: und Und dieser Film jetzt, der steigt ein natürlich vor der Weihnachtsgeschichte. Und zwar mit dem großen Charles Dickens, der seinen ersten richtig krassen Erfolg hatte. Und was heißt seinen ersten? Seinen krassen Erfolg hatte mit Oliver Twist. Und der international gefeiert wird. Das vergisst man ja gerne, weil Charles Dickens halt so der große britische Autor des 19. Jahrhunderts. Nein, die haben den alle geliebt. Das Ding wurde übersetzt in alle möglichen Sprachen. Das Ding war ein Riesenhit in Amerika.
Johannes Franke: Total krass. Allerdings muss man dazu sagen, dass es die Copyright-Sachen von heute in der Form noch nicht gab. Das heißt... Wenn jemand in England einen Erfolg hatte und in Amerika irgendjemand den Text gelesen hat, hat er den einfach so abgedruckt und ein Buch draus gemacht, ohne überhaupt irgendjemanden zu informieren, der irgendwie Geld davon haben könnte. Also Charles Dickens hatte ganz, ganz große Probleme mit so Copyright-Problemen.
Florian Bayer: Bei der Weihnachtsgeschichte kommt das ja auch nochmal. Ja, genau. Ich finde es ganz cool, dass es am Anfang relativ früh in diesem Film auch schon thematisiert wird. Dass es einfach mal diese Copyright-Geschichten gab. Und dann zitieren sie Oliver Twisted. Ich will unbedingt wissen, was das für ein Buch ist. Oliver Twisted. Das klingt so wie eine Porno-Version, oder? Wenn heute ein Film erscheinen würde, der Oliver Twisted heißt, wäre irgendein billiges Porno-Produktionsstudio ganz schnell dabei und würde Oliver Twisted rausbringen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Oder BDSM wahrscheinlich. Ja, ich dachte vielleicht auch Gay-Porn, aber auf jeden Fall so irgendwie. Mit Twisted kann man sich sehr viel vorstellen. Da kann man sehr viele lustige und anregende Sachen machen, je nachdem wie der eigene Geschmack ist. Und dann ist natürlich dieser Moment tatsächlich am Anfang, wird sehr komödiant, dass er so ein bisschen erzählt, wie Charles Dickens mit den Amerikanern fremdelt. Fand ich einen sehr witzigen Moment, wenn er auf der Bühne landet und sagt, hey, die Amerikaner sind so nett und so extrovertiert und so. Laut und ich freue mich so nach Hause zu kommen.
Johannes Franke: War ein schöner Anfang, finde ich eigentlich auch. Er ist ja tatsächlich auch sehr, hat sehr gehadert mit den Amis. Der war nicht unbedingt der größte Fan, aber vor allem eben nach seiner Erfahrung mit dieser Tour. Er ist ja rumgetourt in Amerika und das war ja auch das, was ihn am Ende richtig, richtig bekannt und berühmt gemacht hat. ihn zementiert hat als den großen ehrwürdigen Autor, was wir hier im Film ja gar nicht sehen. Der ist ja eigentlich immer so mit Bart abgebildet und als der ehrwürdige Literat. Das ist ja in diesem Film nicht und ich finde es total gut, dass es auch so aufgebrochen ist. Weil das klassische Bild von Dickens einfach nicht das ist, was er war, als er dieses Buch geschrieben hat.
Florian Bayer: Und es stimmt natürlich viel mehr als... Bild, weil der Mann war damals 30 Jahre alt. Ja,
Johannes Franke: 31. Das war ein junger Mann. Der hatte ja vorher seinen großen Erfolg, da war er irgendwie, weiß ich nicht, wie alt war er da, Mitte 20 und dann ist es natürlich schon krass.
Florian Bayer: Es ist krass, wie jung er Erfolg hatte, gerade weil er aus diesen armen Verhältnissen kam. Und das war einfach ein junger, aufstrebender Autor und der ist mehr oder weniger über Nacht zum Weltstar geworden und hatte dann aber, und das ist auch, wo der Film quasi einsteigt, seine Flops und natürlich auch seine Naja, Schreibblockade ist halt so ein klassisches Ding. Aber auch vor allem seine finanziellen Sorgen. Der musste für Nachschub sorgen, der musste weiterschreiben, um seine Familie zu versorgen, um genug Geld zu haben für den sehr, sehr, sehr dekadenten Lebensstil, den er sich dann geleistet hat mit verschiedenen Bediensteten in einem wirklich großen Haus.
Johannes Franke: Ja, also der musste sich schon einiges dann auch leisten können, beziehungsweise er wollte sich auch nicht verkleinern, weil er auch immer die Angst hatte, wie gesagt, irgendwann wieder in einer Unterschicht zu landen. Das war der größte Horror für ihn. Und er wollte immer allen zeigen und sagen, dass er es geschafft hat. Das zeigt sich halt auch in dem Film und das ist wahrscheinlich recht akkurat, dass er seiner Frau auch nicht so richtig sagen kann, dass sie Geldprobleme haben und so. Und ich weiß nicht, wie übertrieben diese Geldprobleme im Film dargestellt werden. Das ist natürlich ein gutes dramaturgisches Mittel, aber es gab diese Flops. Und es waren nicht nur drei, es waren sogar noch irgendwie, ich glaube vier oder so. Texte, die nicht so den großen Erfolg gebracht haben und tatsächlich auch seine Verleger ihm gedroht haben mit, die waren irgendwie anders angestellt damals. Er hat irgendwie anders Geld bekommen. Ich habe nicht ganz verstanden, wie das Konzept war damals. Aber sie haben gedroht, sein monatliches Geld zu kürzen.
Florian Bayer: Dan Stevens spielt diesen.
Johannes Franke: Charles Dickens, der in einer Krise steckt, wie macht er das? Wie Dr. Who im Grunde. Ja, sehe ich auch voll. Sehr energetisch, sehr rastlos, sehr viel hin und her und so ein bisschen ADHS. Und, turns out, dieser Typ, Charles Dickens, könnte tatsächlich ADHS gehabt haben. Oh. Ja, es gibt jemanden, der das genauer untersucht hat. Miriam Margles hat das gesagt, dass sie... Sie hatte sogar gesagt, dass er bipolar gewesen sein muss. Also es oszilliert zwischen bipolar und anderen Quellen, die ich auch noch gefunden habe, ADHS. Da weiß ich jetzt nicht mehr genau, wer es war. Aber er muss irgendwie eine dieser psychischen Besonderheiten mit sich herumgetragen haben. Was sich in dem Film auch so ein bisschen äußert und ich glaube, dass der Schauspieler eine sehr gute Entscheidung getroffen hat, darin diese Figur so rastlos zu spielen.
Florian Bayer: Er schafft es tatsächlich, dass die Figur gerade am Anfang sympathisch wirkt. Wir sind voll bei ihm, weil wir hoffen, wir sehen seine Schreibblockade und wir hoffen, dass er da irgendwie rauskommt. Wir hoffen, dass er es schafft, das zu finden. Wir sehen ihn in diesem erotischen Verhalten. Wir sehen auch, dass es seine positiven Seiten hat. Zum Beispiel gibt es so ein, zwei Momente, wo er gezeigt wird, wie er mit den Kindern spielt. Und den Kindern Geschichten erzählen und du denkst so, wow, ist das schön.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Total cool. Und wir sehen aber auch die düsteren Momente davon, weil wir ihn einfach mal erleben, dass er voll ausrastet und Leute anschreit, weil er das Gefühl hat,
Johannes Franke: sie stören ihn bei seinen Arbeiten. Und einfach feuert und am nächsten Morgen fragt, wieso habt ihr sie weggeschickt?
Florian Bayer: Ich finde, es ist manchmal ein bisschen zu exaltiert, auch wenn das natürlich auch so ist, dass man denkt, okay, es macht Sinn. Einen britischen Gentleman, vor allem einer, der aus der Gosse kommt, so zu inszenieren, dass der sich quasi selbst auch so inszeniert hat und gesagt hat, jetzt muss ich besonders fein wirken und jetzt muss ich besonders erhaben wirken.
Johannes Franke: Ja, was auch tatsächlich so wohl war.
Florian Bayer: Es sorgt ein bisschen dafür, dass Charles Dickens in diesem Film nicht der Sympathieträger ist. Du schaust dir diesen Film an, du rootest auch für ihn, aber die Sympathieträger finde ich woanders und es ist natürlich ein bisschen schwierig, wenn du einen Protagonisten hast, der emotional so viel tragen muss. Und du sagst so, mag ich den überhaupt? Überleg mal weiter und ich gebe dir derweil Tee. Gib mir mal deine Tasse. Ich finde, der Film, der macht es mir teilweise schwierig, ihn sympathisch zu finden. Vor allem, weil ich auch das Gefühl habe, er soll ja sympathisch dastehen. Er soll ja unsere Identifikationsfigur sein. Wir sollen ja mit ihm mitleiden. Gott sei Dank stellt er ihm sehr früh schon diesen John Forster zur Seite, der ja ein Freund und auch Agent von Dickens war und auch selbst Autor. und der auch so einen ganz kleinen Subplot in diesem Film kriegt, der vielleicht ein bisschen wenig Platz hat, aber er kriegt diesen Subplot, dass er sich in eine junge Frau verliebt hat und der Vater will auf keinen Fall, dass er als Sohn eines Metzgers mit ihr zusammen ist. Dieser John Forster, gespielt von Justin Edwards, bringt so viel Herz in diesen Film. Und wenn wir ihn am Anfang sehen als Agenten, denken wir noch, ah, okay, ist das jetzt so ein bisschen der Nervige, der ihn drängt und so. Und dann sehen wir, das ist ein Herz. Herz und eine Seele und wirklich der beste Freund, den man sich vorstellen kann.
Johannes Franke: Ich glaube dafür, für diesen wurde das Wort Busenfreund erfunden. Ja, absolut. Der macht echt alles für ihn. Und zwischendurch sagt er tatsächlich im Film, und ich glaube das war auch so, dass er gar kein Geld dafür bekommt.
Florian Bayer: Nein, er kriegt kein Geld, er ist wirklich als Freund dabei.
Johannes Franke: Er ist einfach nur ein guter Freund und versucht ihm da irgendwie durchzuhelfen.
Florian Bayer: Und es ist so gut, dass diese Person da ist, weil ich glaube sonst würde ich so oft über dieses skurrile Verhalten von... Dickens stolpern und sagen, ich kann nicht mitfiebern, weil es einfach, weil mir fehlt einfach so diese Spiegelung, dass wir hier einen sympathischen Menschen vor uns haben. Es gibt diese 1, 2, 10 mit den Kindern, wo wir das sehen und auch mit der Frau, aber es ist zu wenig, um ihn wirklich sympathisch zu machen. Der John Forster spiegelt das aber so gut, dass ich dann sage, okay, ich bin dabei, nimm mich mit.
Johannes Franke: Und ich habe auch das Gefühl, dass es jemanden braucht und auch mir das vermittelt, dass Dickens jemanden braucht, der ihn erdet. Der immer wieder da ist und sagt, komm, überleg nochmal oder jetzt feuer nicht jeden sofort oder solche Sachen. Das irgendwie ein bisschen zu managen auch und da so reinzugehen. Ich weiß gar nicht, wie viele Agenten es damals schon gab. Ob es diese Form von Agent irgendwie für Künstler gab in der Form, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall macht er einen Höllenjob darin. Also zumindest in meiner Fantasie dann auch, weil so viel kriegt er gar nicht an Screentime. Aber ich habe sofort eine Welt vor meinen Augen, wenn der auftaucht. Eine Welt dieser Figur. Nämlich derjenige zu sein, der irgendwie Charles Dickens ins Haum hält. Oder Charles Dickens den Weg mit zeigt. Ja, geh doch mal hier lieber lang. Sonst machst du alles wieder kaputt. Reiß mir im Arsch wieder rein, was du aufgebaut hast.
Florian Bayer: Und tatsächlich eine echte historische Figur. Also John Forster hat wirklich existiert. War ein guter Freund von Dickens. Hat ihm sehr viel geholfen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Hat sehr viel mit ihm zusammengearbeitet, hat dann auch nachdem Dickens von der Daily News zurückgetreten ist. John Forster quasi die Arbeit von Dickens weitergemacht, 1846. Ach du Scheiße. Es war ein cooler Typ und er wird hier wirklich als wirklich guten Widerpart und vor allem Freund von Dickens inszeniert und er macht es mir leicht, dann auch irgendwie emotional anzudocken. Auch wenn ich denke so, okay, Autor mit Schreibblockade, leh. Ja,
Johannes Franke: natürlich, natürlich. Aber Forster ist auch Journalist gewesen und hat auch viele eigene Texte und hat auch eine eigene Karriere. So ist es nicht. Nein, nein,
Florian Bayer: er ist ein gestandener Autor.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Ein großer Mann, Kunstsammler und auch Kunstförderer. Ganz wichtige Person im 19. Jahrhundert, der vielleicht ein bisschen unter Dickens Schatten stand.
Johannes Franke: Aber warum? Er hat sich auch selbst rein manövriert, wenn man so den Film anschaut. Aber man weiß nicht genau, ob das so stimmt.
Florian Bayer: Auf jeden Fall komme ich hier emotional rein und dann kann ich auch mit dieser Grundidee mitgehen und finde diese Grundidee auch total sympathisch, dass irgendwann Dickens über seine Fiktion stolpert in diesem Schreibprozess. Dass er quasi seine Figuren da hat und die arrangiert und diese Figuren mitgehen. Am Anfang ist es nur Scrooge, die Bande wird irgendwann noch erweitert. und ich finde diesen grundsätzlichen Ansatz, die Figuren aus seinem Buch zum einen zwischen Akteuren, zum anderen zwischen passiven Figuren, die von ihm rumgeschubst werden und zum dritten aber auch als Publikum zu inszenieren, die das kommentieren und sagen, ja, das war lustig und so. Finde ich eine super Entscheidung. Finde ich eine ganz grandios gute Entscheidung. Und ich war überrascht. Wirklich. Also als ich den Titel gelesen habe, dachte ich ai, ai, ai, ai. TV-Special. Genau, TV-Special. Okay, du hattest offensichtlich denselben Gedanken. Natürlich. Jetzt wird ein Autor gezeigt, der Schreibblockade hat und so ein bisschen und wir sehen ja TV-Special. Und ich war überrascht, wie gut das cineastisch umgesetzt ist und wie krass er da eintaucht und nicht nur fantastische Bilder findet, sondern auch surreale Bilder. Auch wirklich experimentelle und experimentierfreudige Bilder.
Johannes Franke: Und teilweise in Horror abstriftet, hier und da so ein kleines bisschen zumindest in Anleihen. Ich finde es total schön. Ich war wirklich begeistert von dieser Idee. Und man muss sagen, es ist historisch einigermaßen akkurat, weil Dickens beschrieben wird als jemand, der tatsächlich vorm Spiegel stand. in Grimassen seiner Figuren gezogen hat und versucht hat, mit der Stimme dieser Figuren zu reden. Wirklich laut gesprochen hat und mit sich selbst gesprochen hat, mit den Figuren gesprochen hat und darüber sich den Figuren angenähert hat.
Florian Bayer: Ich glaube, die größte Stärke des Films dabei ist die Inkonsistenz. Dass er wirklich verschiedene Arten hat, wie er die Fiktion in die Realität einbettet. Mal platziert Dickens wirklich Scrooge und die anderen Leute da, um die Geschichte weiter voranzutreiben. Mal wird er überrascht von seinen Figuren. Mal kommen sie nicht, obwohl er es gerne hätte. Es sind so viele Momente, so unterschiedlich, wie die Fantasie in die Wirklichkeit einbricht. Mal ändert sich das gesamte Szenario. Mal ist es wirklich einfach nur, der Typ steht nebendran und kommentiert was. Es ist wirklich stark.
Johannes Franke: dass du das wirklich auch so gut fandest. Weil ich dachte so, ja, ach, und du hast vielleicht auch Ich hatte Angst, dass du einfach dieses TV-Special zu sehr siehst und die Aspekte dieses, weil es bleibt, man muss es sagen, es ist im Kino gelaufen, aber nur in so ausgewählten Kinos, 500 Kinos glaube ich und dann ist es, naja, straight to TV oder sowas gegangen oder was auch immer man 2017. Ja,
Florian Bayer: TV gab es 2017 nicht mehr, straight to Netflix. Wie wir heute sagen.
Johannes Franke: Also es war eben, ja. Aber ich fand die Idee toll und das zeigt mal wieder, dass selbst wenn das... Geld dafür gar nicht da ist oder diese, weiß nicht, die Umgebung nicht dafür da ist, weil jemand das schon so angedacht hat als TV-Special. Dass eine gute Idee echt viel ausmachen kann.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Gerade weil der Film hat ja in seinem Einstieg, hat ja ja diese TV-Special-Charakter. Total, ja. Wir haben am Anfang einfach den leidenden Autor. Klar, das ist witzig inszeniert, das ist auch temporär inszeniert, das ist wirklich eine gute Inszenierung. Ja. Barad Naluri ist unser Regisseur und der hat... offensichtlich nur Mist produziert bisher. Nein, ganz ehrlich, in seiner Filmografie steht The Crow 3, tödliche Erlösung aus dem Jahr 2000 und Tsunami, die Killerwelle aus dem Jahr 2006. Was soll ich dazu sagen?
Johannes Franke: Und nach 2017? Gibt es nach 2017 irgendwas Tolles?
Florian Bayer: 2020 Professionals ist bei Wikipedia nicht blau unterlegt. Das ist kein gutes Zeichen. Der macht es temporeich. Es ist am Anfang alles, solange es in diesem realistischen Rahmen ist, ist es alles ein bisschen TV-Special-Charakter, aber es ist temporeich. Witz und es hat genug Witz, um mich über diese Schwächen, wie zum Beispiel, dass Scrooge nicht unbedingt der Sympathischste ist und dass das alles so ein bisschen hölzern wirkt, noch hinweg zu treiben. Aber spätestens dann, wenn Scrooge kommt, wenn er anfängt, Scrooge da reinzubauen, nach 20 Minuten ungefähr, nach 30 Minuten, dann nimmt der Film richtig Fahrt auf. Und dann hat er wirklich geile Ideen irgendwie so zwischen Kostüm-Drama, also wirklich auch guter Kostüm, Film ist okay und fantastisch und wirklich schöne Bilder. Ich bin angetan.
Johannes Franke: Stell dir einmal vor, die hätten diese Idee nicht gehabt und die hätten einfach nur einen Schriftsteller stumm beim Denken abgelehnt und beim Schreiben und dann hat der irgendwie vielleicht noch so ein Voice-Over oder sowas, wie er sich Dialoge ausdenkt. Oh, sterbenslangweilig. Ich finde es so eine schöne Entscheidung.
Florian Bayer: Was die Alternative gewesen wäre, und die haben sie auch einfach noch zusätzlich mit reingepackt in den Film, wäre halt diese Rück... Rückblenden und so und zu zeigen, wie er damit hadert.
Johannes Franke: Stimmt.
Florian Bayer: Und die Rückblenden werden Gott sei Dank immer relativ kurz gehalten. Zum Beispiel, wie sein Vater in den Knast kommt, wie er in dem Arbeitshaus ist und so weiter. Es wird relativ kurz gehalten zugunsten von diesen fantastischen Elementen. Ich glaube, hätten sie den braven Weg gewählt, dann hätten sie halt einfach konsequent auf diese Rückblenden gesetzt und hätten, wie auch immer, den Scrooge da noch mit reingepackt. Scrooge wird gespielt von Christopher Plummer. Ja! Wahnsinn. Und ich liebe ihn von der ersten Sekunde an. Scrooge, meine Güte, was für eine tolle Figur. Es ist ein toller Scrooge und natürlich jeder, ich weiß gar nicht, ich bin da noch nicht drauf gekommen, aber Christopher Plummer ist ja sowas von prädestiniert, um Scrooge zu spielen.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Dieser Mann ist Scrooge.
Johannes Franke: Und er ist so der geile Gegenspieler oft in den Szenen, zu sagen, ah. Hamburg, völliger Blödsinn, denk mal nochmal drüber nach, so wird das nie jemand machen und wirklich der innere Zensor, der sagt, nee, so kannst du das nicht schreiben, du bist überhaupt nicht kreativ, lass es lieber. Weißt du, ich finde es so eine gute Visualisierung und Verbalisierung dieses Problems, dass man als Autor einfach wirklich hat, dass man sich die ganze Zeit selbst zensiert und sagt. nee, das ist schlecht, das funktioniert so nicht mehr.
Florian Bayer: Was halt wirklich geil ist, ist auch, sie verzichten dabei bei diesem Hamburg-Ding ziemlich konsequent drauf, Scrooge einfach nur zum Antagonisten zu machen. Und stattdessen ist Scrooge in einigen Momenten fast die weise Figur, die halt klar macht, ey Alter, du hast hier Probleme. Schreib nicht deine Probleme auf mich drauf. Komm du mal klar. Und er macht das so, dass er die ganze Zeit über Scrooge bleibt. Er ist immer Scrooge, aber er hat ganz oft einen Punkt.
Johannes Franke: Ja, absolut. Er ist so richtig als Psychoanalytiker quasi, der dann da steht und sagt, ich weiß genau, warum du das schreibst. Jetzt komm mal klar. Und auch dieser Twist, den halt dieser Film versucht da drauf zu propfen, dass er mit seinem Vater erstmal klarkommen muss, um überhaupt ein positives Ende schreiben zu können. Er muss selber den Scrooge-Moment haben, dass er dieses weihnachtliche Vergeben, dieses weihnachtliche... Liebe für andere und so, seinem Vater zu vergeben und sowas. Und das führt natürlich Scrooge so ein bisschen an.
Florian Bayer: Womit wir den zweiten großen Charakterdarsteller in diesem Film vor uns haben, nämlich
Johannes Franke: Jonathan Pryce ist der Wahnsinn. Jonathan Pryce ist unglaublich. Überall, wo er mitspielt, ist er der Hammer.
Florian Bayer: Was für ein großartiges Casting. Also mal ganz ehrlich, das Casting ist nicht komplett großartig in diesem Film, aber... Christopher Plummer als Scrooge und Jonathan Pryce als Vater John Dickens.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Super besetzt und Jonathan Pryce spielt das natürlich toll. Genau die richtige Mischung aus Comedy und Ratchet Deal. Genau die richtige Mischung aus, hier haben wir einen geschlagenen Mann vor uns, aber auch einen verschlagenen Mann, der halt einfach gelernt hat im Leben, sich mit Gaunereien durchzuschlagen. Und manchmal lacht man darüber, manchmal schmunzelt man darüber. Oft bleibt es einem im Halse stecken, weil man merkt, was er damit aus seiner Familie an... getan hat und antut und das ist wirklich großartig und er verliert trotzdem nicht die Sympathien.
Johannes Franke: Gar nicht, gar nicht. Wie der mit den Kindern da umgeht und mit den Kindern da irgendwelche Spiele spielt und fantasievoll einfach Bilder aufmacht für die Kinder. Es ist ja wirklich unglaublich gut. Der hat das so drauf. Weißt du, du bist sofort in seiner Welt. Sobald Jonathan Pryce die Leinwand betritt, ist man an ihm dran. Aber das ist in jedem Film so,
Florian Bayer: muss man sagen. Jonathan Pryce ist einfach, der kann es einfach und der macht es. Ich finde, der Film gibt ihm wirklich genug Raum, um zu zeigen, was er kann. Und vor allem, um ihn zu einer sympathischen Figur zu machen. Es gibt diese unglaublich traurige Szene, relativ gegen Ende, wo wir sehen, wie er den Müll durchwühlt von Charles, um noch irgendwie an irgendwas zu kommen, was er verkaufen kann. Und dann gibt es ja dieses Gespräch von Charles mit ihm, wo er wirklich fies zu ihm ist. Und wir sehen die Traurigkeit im Gesicht des Vaters stehen, dass sein Sohn so mit ihm spricht. Und das tut richtig weh. Vor allem, weil er ja auch so jemand ist, der sehr viel runtergeschluckt hat und der sehr viel überspielt hat, weil es das seine Art ist, mit Problemen umzugehen. Und da sehen wir dann diese Traurigkeit durchkommen. Es ist wirklich stark gespielt und gut inszeniert.
Johannes Franke: Ja, das tut einem so weh. Gerade die Szene, die du ansprichst. Und er versucht dann immer noch zu sagen, something will come up.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Und das ist manchmal devastating, weil du genau weißt, nee, da kommt nichts mehr.
Florian Bayer: Es ist halt echt ein plausibler Charakter, in dieser Traurigkeit, in diesem verzweifelten Gefühl, irgendwie einen Optimismus nach außen zu transportieren und andere davon zu überzeugen und anzustecken. Es macht einfach Sinn, dieser Charakter ist... Unglaublich plausibel, hat an der richtigen Stelle die richtige Portion Ambivalenz und hat trotzdem immer genug Herz, dass man mit ihm mitleidet, mitfühlt und auch über ihn lacht und sich mit ihm freut, wenn er irgendwas, so ein kleines Ganovenstück gemacht hat, um irgendwas von seinem Sohn zu verkaufen.
Johannes Franke: Können wir damit mitgehen? Sind wir genug auch bei Dickens irgendwie zwischendurch, dass wir verstehen, warum Dickens mit seinem Vater so sehr große Probleme hat? Ist das genug ausgespielt?
Florian Bayer: Ich finde den Charles Dickens Charakter halt dafür vielleicht nicht stark genug in dem Film. Also ich meine, es ist absolut okay gespielt, was Dan Stevens an der Stelle macht. Es ist aber auch keine besonders große Leistung. Es funktioniert in so weit, dass es genug Szenen gibt, die uns noch einmal zeigen, was da passiert ist. Und die uns noch einmal schlucken lassen. Und wir leiden halt einfach, also ich leide einfach mit dem Kind Charles Dickens mit. Es gibt diese Szene, wenn sie den Truthahn essen und dann kommt die Polizei vorbei und entführt den Vater und er läuft. Läuft dem Wagen hinterher und es gibt diese Szene im Arbeiterhaus, wo er dann sagt, ich bin ein Mensch, ich bin Charles Dickens und darauf besteht, dass er mehr wert ist als das. Reicht für mich aber auch einfach, weil es halt ein Kind ist, das leidet. Dann bin ich da so weit reingezogen.
Johannes Franke: Das finde ich sogar, muss ich sagen, noch halbwegs die schwächeren Sachen. Das muss ich schon, weil das so ein kleines bisschen. Der Stereotyp ist, wie er da in der Fabrik dann sitzt und sagt, I'm a gentleman und alle lachen. Wir brauchen jetzt noch eine Szene, wo er ausgelacht wird, damit er uns leid tut.
Florian Bayer: Das ist halt einfach ein Kind, das leidet im Film. Aber ja natürlich, das sind diese Momente, wo man halt diese, ja TV-Ästhetik ist zu viel gesagt, ist ein bisschen zu böse, aber wo man halt diesen, ja wo es einfach ein bisschen generisch ist. Das hat man gesehen in Traben und gerade Traben. Geschichten von Erwachsenen, die sich mit ihrer Kindheit auseinandersetzen und Flashbacks kriegen. Das ist der Stil und den hat man mehr als einmal gesehen.
Johannes Franke: Und dafür schafft es der Film aber, sich auf die Flashbacks nicht zu sehr zu verlassen, sondern das halt so ab und zu einzubauen. Und jedes Mal, wenn die kommen, denke ich so, ja gut, das ist jetzt das Konzept des Films. Wenn er träumt, nachts erinnert er sich an seine Kindheit, damit wir seine Kindheit kennenlernen. Das ist so, ja, okay.
Florian Bayer: Sie machen es Gott sei Dank wenig. Genau. Der Fokus liegt dann einfach auf unseren Geistern. Wir haben das gemacht, als wir über Scrooge-Filme gesprochen haben, haben wir Geister bewertet, weißt du noch? Und haben Geister sortiert und gesagt, wer ist unser liebster Geist der gegenwärtigen, vergangenen und zukünftigen Weihnachten und so weiter. Also die Geister haben ja keine große prominente Rolle hier. Die werden ja eher so als Stand-ins reingebracht und wir wissen die Geschichte, die wird jetzt weitergetrieben. Aber wir sehen sie, es gibt eine Visualisierung. Warst du glücklich mit unseren Geistern?
Johannes Franke: Ja, vor allem mit dem Christmas Present, weil das halt der Freund ist. und... Und ich mich frage, ist das wirklich sein Vorbild? Man weiß das immer. Natürlich weiß man es bei kreativen Leuten nicht. Wo kommt die Inspiration wirklich her? Und dann gibt es, dieser Film gibt wahnsinnig viele Angebote. Hier könnte das herkommen. Hier könnte der Name herkommen. Hier könnte dieser Tiny Tim herkommen. Und das scheint bei Tiny Tim einigermaßen zu stimmen. Es gab diesen Henry, der da wirklich krank war und auch gestorben ist. Tatsächlich.
Florian Bayer: So traurig. Das Vorbild für alle kranken, hustenden Kinder von Christmas Carol bis zu den Simpsons. Der kleine Tim.
Johannes Franke: Ja, der Tiny Tim.
Florian Bayer: Beziehungsweise in dem Fall der kleine Henry.
Johannes Franke: Ja. Und zwischendurch habe ich noch gedacht, sie inszenieren vielleicht auch Dickens selbst als Kind als eine Variante von Tiny Tim. Also vielleicht teilt sich das auch so ein bisschen auf. Aber natürlich wissen wir nicht, wo kommen Marley und die ganzen anderen Namen her. Ja. Und dann hat er plötzlich den Door-Knocker in der Hand, weil der abgeht. Und dann liegt der auf seinem Schreibtisch und wir wissen, okay, das ist ein kleiner Hinweis auf die Geschichte und so. Es gibt viele, viele, viele solcher Hinweise.
Florian Bayer: Ganz viel eingestreut. Und ich finde es sympathisch, also auch schon, wenn wir in der Realität sind, läuft ja halt jemand über den Weg, der sagt, gibt es denn keine Armenhäuser und so. Dieses Kruge-Zitate. Und die werden ständig wieder eingebaut. Und wir sehen, wo Inspiration kommt. Das ist ganz putzig gemacht.
Johannes Franke: Ja, aber putzig. Man muss schon sagen... Das Wort ist putzig.
Florian Bayer: Das Wort ist putzig, definitiv. Ich finde bei den Geistern, also der Geist der vergangenen Weihnacht ist nicht viel. Da haben wir eine Frau im Bettlaken gehüllt. Das ist nichts Besonderes. Aber dass er so einen großen Fokus auf den Geist der gegenwärtigen Weihnacht setzt. Zum einen, dass er ihn als John nimmt. Und dann zum anderen, dass er immer wieder sagt, nein. Das ist ein freundlicher Geist. Das ist ein fröhlicher Geist.
Johannes Franke: Ich weiß doch nichts mit Geistern anzufangen. Wie soll ich den darstellen? Das geht doch nicht.
Florian Bayer: Der Illustrator, mit dem er dann wirklich kämpft und sagt, Alter, das soll nicht gruselig sein. Das soll schön sein. Alles, was schön ist. Und es macht mir so das Herz auf, dass er seinen Freund nimmt und sagt, das ist einfach nur pure Freude und pures Glück. Hier, mein Freund, ich packe ihm einen künstlichen Bart an, dann hast du deine Vorlage.
Johannes Franke: Es ist super süß. Das mag ich auch total gerne. Da steckt viel Liebe drin und da steckt auch an diesen Stellen die Liebe drin, die ich eben bei Dickens tatsächlich sehe. Insofern schafft der Film etwas, was ich eben in der Geschichte ursprünglich sehe. Und das ist im Idealfall von solchen Biografien tatsächlich auch der Fall, dass das Feeling von der ursprünglichen Geschichte auch in der biografischen Aufarbeitung steckt. Und das schafft der Film an vielen Stellen. An manchen Stellen nicht so sehr und insgesamt vielleicht auch nicht unbedingt so viel, wie ich es mir wünschen würde. Aber... An vielen kleinen Momenten schon durchaus.
Florian Bayer: Ich glaube ja für so einen Weihnachtsfilm grundsätzlich, ob ein Film für Weihnachten taugt, ist natürlich die Frage ganz wesentlich, ob er uns in Weihnachtsstimmung bringt. Und das Besondere an Christmas Carol ist halt, dass er es schafft, uns in Weihnachtsstimmung zu bringen, ohne im Kitsch zu baden. Christmas Carol erzählt einfach mal eine Horrorgeschichte. Da kommen drei Geister und besuchen diesen armen Typen. Und natürlich gibt es dazwischen auch so ein bisschen weihnachtliche Freude und so weiter. Aber eigentlich haben wir die Geschichte von diesem wirklich, wirklich, wirklich bösen Menschen. Und das Buch versucht eigentlich das Unmögliche, diesen wirklich, wirklich, wirklich schlimmen Menschen mit einer Redemption-Arc auszustatten, die wir abkaufen, um am Schluss zu sagen, ey, wir haben jetzt wirklich krasse Sachen gesehen, aber wir können uns trotzdem wohlig warm einkuscheln und sagen, ja, go Scrooge, go! Rette den kleinen Timmy, rette Weihnachten. Und das ist das, was dieser Film auch schaffen muss.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Was ihm vielleicht, weil er öfter mal so sehr an den Kitschrand geht, was ihm vielleicht nicht 100% gelingt, aber was ihm an den wichtigen Stellen gelingt, weil er halt auch dieses Konzept hat, weil er genau diese Problematik thematisiert, indem er sagt, okay, es gibt dieses Ende noch nicht. Und es gibt die Idee von Charles Dickens, Tim sterben zu lassen. Und es gibt diese Idee von Charles Dickens, dass das alles ganz schrecklich endet.
Johannes Franke: Aber ich habe das Gefühl, dass Charles Dickens es schafft mit seinen Horrorgeschichten. Oliver Twist ist quasi auch eine Horrorgeschichte. Ja. Und trotzdem schafft er es, da... unglaublich viel Sentimentalität reinzustecken. Hebt sich das gegenseitig auf oder was ist das Ding? Warum funktioniert das?
Florian Bayer: Bei Oliver Twist funktioniert es nicht 100 Prozent, weil es bei Oliver Twist einfach irgendwann zu viel Traurigkeit und Melancholie und Sentimentalität ist. Bei Christmas Carol funktioniert es, weil es wirklich gewaltige Sprünge macht. Wir haben den Geist der vergangenen Weihnacht, wo es voll melancholisch ist und voll sentimental. Und dann haben wir den Geist der gegenwärtigen Weihnacht, wo es einfach mal Puraedonismus ist, wo wir diesen saufenden Riesen und sie gehen auf... Partys und dann gibt es aber so den richtig harten Downer, weil wir dann den Geist der zukünftigen Weihnacht haben, wo alles nur noch Tod und Verderben und Dystopie ist.
Johannes Franke: Und Tiny Tim.
Florian Bayer: Und diese krassen Sprünge machen ganz viel aus, dass du irgendwie so, dass du wirklich komplett rausgerissen wirst aus dieser Melancholie in die größte Party, die du dir vorstellen kannst und rausgerissen wirst aus dieser Party in den schlimmsten Albtraum, den du dir vorstellen kannst.
Johannes Franke: Einfach actionreich. Es ist ja auch kein dickes Buch. Es ist ja wirklich recht kurz. Und was kann man in fucking sechs Wochen schreiben?
Florian Bayer: Er hatte wirklich wenig Zeit. Das wird in dem Film auch thematisiert. Er hat im Oktober geschrieben und das sollte vor Dezember veröffentlicht werden. Und dann hatte er natürlich den Illustrator, der die Bilder noch malen musste und teilweise nicht wusste, was er malen soll, weil er nicht wusste,
Johannes Franke: wie die Geschichte weitergeht. Und das Ding ist, die haben ja wirklich jedes einzelne Buch handillustriert.
Florian Bayer: Ja,
Johannes Franke: es gab. keine Industrie dahinter, sondern sie haben wirklich diese Exemplare handillustriert. Sie haben dann Leute dafür eingestellt und so. Also es gab jetzt sozusagen keinen, nicht der Illustrator hat das alles selbst gemacht, der hat die Vorlagen gemacht, aber sie brauchten einfach diese Zeit, um diese wirklich sehr aufwendigen Bücher überhaupt herzustellen, die sie dann verkauft haben. Und sie haben es tatsächlich innerhalb von wenigen Tagen komplett ausverkauft.
Florian Bayer: Ja, also ein riesiger Erfolg war dieses Wahnsinn.
Johannes Franke: Und dieser Kritiker, der in diesem Film vorkommt, Der wirklich fast schon so ein Comic Relief geworden ist. Der hat tatsächlich, also den gab es tatsächlich, es gab so einen Kritiker. Und der hat so eine unglaublich positive Review geschrieben. Was auch kaum zu erwarten war damals, weil der doch ein bisschen kritischer war.
Florian Bayer: Vor allem, weil sie davor wurde es so ein bisschen unter dem Feuilletonisten zum Volkssport auf Charles Dickens zu kacken. Und zu sagen, okay, der hat seine beste Zeit hinter sich.
Johannes Franke: Und dann hat der so eine... begeisterte Review geschrieben und ist auch voll in diese Sentimentalität reingegangen und auch so ein bisschen in dieses Appell an die Moral und an die Liebe und das, was das Buch ja im Grunde auch macht, hat er auch nochmal volle Kanne reingehauen und die ganze Welt hat sich dann auf dieses Buch gestürzt. Und es war ein riesiger Erfolg. Natürlich hat er dann die nächste Auflage nicht mehr so aufwendig gemacht, aber, und das wurde auch graub kopiert, Aber ein riesiger Erfolg. Unglaublich. Bis heute.
Florian Bayer: Da kann man sich wirklich auch die Frage stellen, wie viel sind dann, ist vielleicht ganz gut, dass so politische Kunst, bissige Kunst, gesellschaftliche Kunst auch mal mit so einem Haufen Sentimentalität, Sahne und Zuckerguss ausgestattet wird, einfach weil es dann die Leute essen. Ich meine... Klar, Christmas Carol ist ein Märchen, aber ein Christmas Carol ist auch eine Satire auf ein extrem reiches, extrem geiziges Besitzbürgertum. Und Christmas Carol ist auch eine Anklage an den Umgang der englischen Gesellschaft mit Armut.
Johannes Franke: Es gab auch tatsächlich ein Vorbild für diesen Scrooge so ein bisschen. Da gab es jemanden, der besonders berühmt dafür war, dass er sehr, sehr geizig war.
Florian Bayer: Und das verkauft sich als Weihnachtsgeschichte und die Leute lesen das. Die Leute sind natürlich am Schluss glücklich und zufrieden, weil da kleine... Timmy nicht sterben muss und weil Scrooge seine Redemption-Arke liebt. Aber vielleicht kommt auf diesem Weg ein bisschen mehr an, ah, vielleicht sollte ich doch nochmal über meine Weltsicht nachdenken mit, als bei Büchern, die einfach nur deprimierend enden und der Protagonist stirbt am Schluss in Armut.
Johannes Franke: Oh mein Gott, Flo, was ist das für eine Musik? Was war das? Wo sind wir? Oh mein Gott, ich glaube, oh nein, wir sind in einer Self-Promo. Nein, shit. Ganz schnell, damit wir zurückfinden. Ihr da draußen, es gibt wahnsinnig viele Wege, wie ihr uns unterstützen könnt. Und wir brauchen Unterstützung, glaubt uns.
Florian Bayer: Wenn ihr uns ein bisschen Trinkgeld dalassen wollt, macht das doch bitte über bei-mir-coffee.com. Den Link findet ihr auch in der Episodenbeschreibung.
Johannes Franke: Dann könnt ihr uns gerne ein paar Euro geben, gerne auch gleich monatlich einstellen, nicht wahr? Denn Kosten haben wir genug.
Florian Bayer: Wenn ihr uns mit Geld zwingen wollt, einen bestimmten Film zu besprechen, ist das eure Chance. Das könnt ihr nämlich über dieses Formular auch machen.
Johannes Franke: Oder ihr schickt uns einfach so einen Filmvorschlag, ohne Geld. Und Feedback gerne an johannes.mussmansehen.de und florian.mussmansehen.de.
Florian Bayer: Außerdem freuen wir uns natürlich über jedes Abonnement, egal ob bei Spotify, Apple Podcast, Deezer, Amazon Music, whatever.
Johannes Franke: Was uns total helfen würde, ist, wenn ihr uns so fünf... Sterne oder Herzchen oder sonst irgendwas, was auch immer euer Podcatcher anbietet, gebt. Und am besten auch noch gleich eine Review dazu schreiben.
Florian Bayer: Ah, super. Fehlt noch irgendwas? Nee, ich glaube, wir haben alles, wa? Okay, dann ganz schnell zurück in die Episode. Yes.
Johannes Franke: Wir wollen ja die Frage eigentlich auch so ein bisschen aufgreifen, die dir der Titel des Films mitbringt, automatisch. Hat Charles Dickens Weihnachten erfunden? Und... Natürlich ist die eigentliche Antwort nein, aber ich möchte gerne die Antwort verteidigen, ja. Ja, er hat tatsächlich Weihnachten erfunden, aber natürlich nicht richtig komplett, weil natürlich gab es Weihnachten vorher schon. Und wir haben OG Jesus und wir haben dann, was die Leute daraus gemacht haben und dann dieser Bischof und dieses Ganze. Ihr wisst es alles oder ihr findet es in einem anderen Podcast raus. Wir müssen nicht die komplette Geschichte von Weihnachten hier aufbauen. Aber zu dieser Zeit... War Weihnachten halt eines dieser Traditionen, die es irgendwie gab, die vor allem aber im royalen Bereich existierten? Ich bin so froh,
Florian Bayer: dass dieser Film dieses kleine Partywissen zitiert, das ich habe, dass nämlich ein Tannenbaum in England durch die Königsfamilie berühmt wurde. Tannenbäume wurden erst im 19. Jahrhundert populär und zwar, weil die ganzen Bürger dem Königshaus nachgeeifert haben. Da gab es ein paar Bilder von der königlichen Familie, die vom Baum feiert und dann haben die Leute gesagt, oh, das können wir doch auch. Wir können auch royal sein. Und ich finde es schön, dass der Film das kurz zitiert.
Johannes Franke: Und es war halt damals auch wirklich so, es gab nicht frei an Weihnachten oder sowas. Es war einfach nur so einer der Tage, ja okay, hat an Bedeutung ziemlich verloren. Und dann hat sich das so ein bisschen durchgezogen noch bei den Royals und so. Aber so richtig wie heute natürlich nicht. Und es gab vorher schon vor Charles Dickens, muss man dazu sagen, das Washington Eye Ring. Schon vorher in einem Sketchbook hieß das Ding, 1820 eine sehr idealisierte englische Weihnachtstradition beschrieben hat.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Aber eher so die Architektur davon, also Äußerlichkeiten. Was macht man für Spiele an dem Tag? Was hat man für kleine Traditionen? Wie muss geschmückt werden? Solche Sachen.
Florian Bayer: Du zwingst mich ja geradezu ein bisschen Sand in dein Getriebe zu werfen. Hat Charles Dickens die Art von Weihnachten erfunden, die du schrecklich findest? Mit den ganzen Sentimentalitäten, mit dem Kitsch und so weiter?
Johannes Franke: Ganz genau das.
Florian Bayer: Das heißt, du bist eigentlich Fan von, wie hast du gesagt, OG Jesus? Und dann kam dieser blöde Charles Dickens und hat gesagt, nee, nee, nee, wir machen hier ein sentimentales Fest mit Baum und wir geben den Armen und wir schenken uns ganz vielen Essen fetten Truthahn.
Johannes Franke: Ja, also ich weiß nicht, inwiefern er an den Geschenken, ja natürlich doch, er ist an den Geschenken auch schuld. Und der scheiß Kapitalismus hat das natürlich genommen und wunderbar aufgefressen. Aber dafür kann Charles Dickens vielleicht auch nicht wirklich was. Aber er hat volle Kanne diese Sentimentalität reingebracht, die heute in jedem fucking Weihnachtsfilm zu spüren ist. Darum geht es. Es geht um, wir kommen alle zusammen und wir sind füreinander da. Und Leute, die sonst nie was miteinander zu tun hätten, die helfen sich gegenseitig über die Straße und klopfen sich auf die Schulter und sagen, morgen erschieße ich dich. Aber heute ist Weihnachten.
Florian Bayer: Und nicht zuletzt auch dieses fantastische Element. Wenn wir heute von Weihnachten reden, wenn wir drüber nachdenken, Was für Medien zu Weihnachten passen, das haben wir auch sehr in unseren vorherigen Weihnachtsepisoden festgestellt, denken wir an märchenhafte Geschichten. Die Gebrüder Grimm haben keine Weihnachtsgeschichten geschrieben und trotzdem würde jeder sagen, natürlich guckst du drei Haselnüsse für Aschenbrödel und Frau Holle zu Weihnachten. Und das letzte Einhorn, wir haben es kurz thematisiert, das ist natürlich kein Weihnachtsfilm, aber der passt perfekt in die Weihnachtszeit, genauso wie E.T. Und dass Weihnachten eine fantastische Komponente hat, daran hat glaube ich vor Charles Dickens auch niemand gedacht. Gar nicht.
Johannes Franke: Und deswegen, ich glaube, Weihnachten hin und her geschenkt, es gibt eine Geschichte, eine Historie dahinter, aber ich glaube, Charles Dickens ist tatsächlich derjenige, der Weihnachten die Seele gegeben hat.
Florian Bayer: Oh, das finde ich gut. Da bin ich dabei. Das ist extrem pathetisch und extrem kitschig. Und ich liebe es, zu Weihnachten sowas Kitschiges zu sagen. Okay, ich muss unbedingt irgendwas truppeln. mit so einem Tannenzapfen daneben und dann in Anführungszeichen Charles Dickens, der Mann, der Weihnachten die Seele gegeben hat. Johannes Frank in Klammern unten drunter.
Johannes Franke: Das ist so ein Schild, was man so an die Küchentür oder an so einen Kühlschrank oder sowas als Magnet dran macht.
Florian Bayer: Und es ist wahr, weil es ist ein Anführungszeichen. Also muss es wahr sein. Es hat jemand gesagt und es ist einfach die Wahrheit. Großartig. Charles Dickens hat Weihnachten die Seele gegeben und schafft es, dieser Film zu zeigen, dass Charles Dickens Weihnachten die Seele gegeben hat.
Johannes Franke: Ich fürchte nicht so richtig.
Florian Bayer: Oh Gott, nach all der Freude? Ich weiß nicht. Nach dem Kitsch, nachdem wir uns in den Armen gelegen haben mit heißem Kakao?
Johannes Franke: Ja, ich weiß. Ich weiß nicht. Dafür ist es irgendwie dann doch nicht eindrücklich genug. Also die Sentimentalität ist nicht eindrücklich genug. Ich weiß es nicht ganz genau. Ich finde ganz toll, wie er auf die kreativen Prozesse und so weiter schaut. Ich finde, dass die Schauspieler teilweise wahnsinnig gut sind. Ich finde... Es ist interessant, da die ein oder andere Figur zu erfinden, die dem Ganzen ein bisschen auf den Weg hilft. Aber es ist auch viel formelhaft.
Florian Bayer: Ich stimme dir vollkommen zu. Vor allem ist es so, der Titel ist einfach komplett irreführend, weil es wird nicht erzählt, wie Charles Dickens Weihnachten erfand, weil da wäre die Rezeption wichtig. Da müssen wir was von der Rezeption haben. Und abgesehen davon, dass es ein Erfolg ist und ihm das Buch gefällt, was am Schluss rauskommt, erfahren wir nicht viel darüber. Stattdessen wird eher erzählt, wie Weihnachten zu Charles Dickens gebracht wurde. und wie Charles Dickens Weihnachten für sich entdeckt hat. Es ist keine Geschichte eines großen Weihnachtserfolges und alle feiern und liegen sich in den Armen, sondern es ist die Geschichte eines persönlichen Erfolges. Charles Dickens schafft es mit den Dämonen seiner Kindheit, sich auseinanderzusetzen und schafft es sogar, seinen Vater irgendwie zu verzeihen. Und dafür ist der Titel dann ein bisschen zu großspurig. Es ist eher eine... Wenn wir auf den Kern gehen, ist es eher eine kleine persönliche Geschichte. Und trotzdem ist das eine schöne persönliche Geschichte, weil es natürlich total toll ist, dass er sich versöhnt mit seinem Vater, dass er es schafft, seine Schreibblockade zu überwinden. Dass er es schafft, sich mit sich selbst und mit seiner krassen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die eigentliche Person, die Weihnachten erfunden hat in diesem Film, ist Tara. Weil ohne Tara hätte Charles Dickens nicht zu Weihnachten gefunden. Weil sie ist die, die den Kindern die Märchengeschichten erzählt.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Sie ist die, die ihn... in den wichtigsten Punkten berät und vor allem in dem allerwichtigsten Punkt von allen.
Johannes Franke: Tiny Tim.
Florian Bayer: Der darf nicht sterben.
Johannes Franke: Ja, natürlich gab es sie nicht. Das ist eine erfundene Figur. Nun fragt man sich, gibt es eine Entsprechung dafür? Gab es jemanden, der Charles Dickens tatsächlich beraten hat und gesagt hat, du darfst das Kind nicht sterben lassen? Hatte Charles Dickens überhaupt je vor, Tiny Tim sterben zu lassen? Und so ein bisschen auf die Spur kommt man, wenn man weiß, dass diese Geschichten von Charles Dickens oft... in Etappen, wie das damals üblich war, in Zeitungen veröffentlicht wurden. Und dass er deshalb auch ganz viel auf Publikum-Feedback auch hingeschrieben hat. Weil das eine war veröffentlicht und dann gab es so Leute, die es gelesen haben und ihm geschrieben haben oder ihn auf der Straße angesprochen haben und gesagt haben, ah, aber das muss doch so enden und ich weiß jetzt gar nicht wie. Und ich warte schon sehnsüchtig und dann irgendwie alle plappern ihre eigene Meinung raus. Und er hat ein Füllhorn an Empfehlungen und weiß auch, wo muss ich denn den Leuten so ein bisschen, naja, entsprechen, ein bisschen Fanservice betreiben, wie man das heute so sagt. Könnte, hätte bei Christmas Carol vielleicht auch so sein können, aber ich weiß nicht, ob der das, gerade das irgendwie auch vorher schon in Etappen veröffentlicht hat. Da bin ich mir nicht sicher. Nee, das glaube ich nicht.
Florian Bayer: Ich glaube, ich habe so das Quill-Terror, also das Kindermädchen. Sie wird so ganz klar als die Inspirationsquelle gebracht, weil wir sehen sehr früh, dass sie den Kindern die Märchen erzählt und Charles Dickens so ein bisschen reinlugt. Sie ist Stand-In für all die Leser und all die Leute, die... tatsächlich Interesse dran haben, wie sieht eigentlich eine gute Weihnachtsgeschichte aus? Was macht eine gute Weihnachtsgeschichte aus? Und deswegen finde ich den Gedanken auch so stark, dass sie, dass wenn der Film erzählt, wie jemand Weihnachten erfindet, dass es dann sie ist, weil Charles Dickens ist ganz, Charles Dickens ist ganz klar, nicht nur, weil er historisch verbürgt ist, sondern auch, weil der Film ihn so präsentiert, eine sehr spezifische, einzelne, existierende Person. Während Tara halt größer ist und zeigt, dass es halt mehr ist. mehr dahinter steckt, Weihnachten zu erfinden, als so ein oller Schriftsteller, der eine Schreibblockade hat. Nämlich die Leute, die all das schätzen, was an Weihnachten so toll ist. Die Freude, die Sentimentalitäten, das Gruselige, das Spannende. Alles, was einfach schön ist. Von Vanille Kipferl bis zum Stern oben auf dem Baum.
Johannes Franke: Am Ende ist die Frage, ob Tiny Tim stirbt oder nicht, ja auch eine Frage der Konnotation des Buches, der Geschichte. Ist irgendwie so ein bisschen Sentimentalität versus Realität. Wobei natürlich das magische Element mit den Geistern und so weiter schon die ganze Zeit da ist. Also komplett von Realität können wir nicht reden. Aber wenn Tiny Tim stirbt, dann ist das Buch eine Tragödie des Realismus, weil er einfach nicht darüber hinauskommt, dass die Welt scheiße ist und so ist, wie sie ist. Und wenn er lebt, dann ist es ein Manifest der Hoffnung. Ich weiß nicht, ob... Charles Dickens in der Lebenssituation war, was er irgendwann mal gesagt hat, okay, jetzt will ich diesen scheiß Realismus da drin haben und sich dann hat umstimmen lassen. Ich weiß es nicht.
Florian Bayer: Ich glaube nicht. Weil das war einfach Charles Dickens Ding. Charles Dickens hat immer diese schrecklichen Geschichten genommen und hat dann gesagt, okay, und jetzt machen wir Schmalz drauf. Und die enden ja auch alle positiv. Charles Dickens schreibt Happy Ends. hat ein fucking Happy End, das man sich niemals vorstellen könnte, wenn man auf den ersten 100 Seiten ist oder so, weil alles schrecklich ist. Und dann am Schluss, oh, und dann ist da noch ein Verwandter, oh, und jetzt hast du plötzlich alles gut. Und große Erwartungen, so, hey, und jetzt bist du reich. Und Charles Dickens schreibt Happy Ends. Und deswegen glaube ich auch nicht, dass Charles Dickens jemals vorhatte, Tiny Tim sterben zu lassen.
Johannes Franke: Überhaupt nicht. Und das ist eine kleine Schwäche des Films, weil die nämlich auch noch was anderes macht. Die sagt mir, dass... Charles Dickens seine eigene Dramaturgie nicht im Griff hat. Weil natürlich, wozu schreibst du denn den ganzen Scheiß von einem alten Mann, der von Geistern heimgesucht wird, wenn der sich nicht am Ende ändern soll? Das ist ja bescheuert.
Florian Bayer: Es ist kompletter Bullshit. Es ist auch überhaupt nicht glaubwürdig, weil das ist eine Redemption-Geschichte.
Johannes Franke: Darum geht's doch.
Florian Bayer: Das Buch wäre so schlecht, wenn Scrooge sich nicht zum Positiven entwickelt. Und tatsächlich, was will uns der Film erzählen, wäre passiert, wenn Terra nicht eingeschritten wäre.
Johannes Franke: Wie hätte dieses Buch ausgesehen?
Florian Bayer: Und wie hätten die Kritiken ausgesehen?
Johannes Franke: Und wie hätten die Figuren in seinem Raum geflucht? Hör auf damit! Du musst nicht! Ach Gott. Ich freue mich über dieses Ensemble von den ganzen kleinen Figuren, die da in seinem Raum stehen und ihm dazu beizuschauen und ihm sagen, nein, nein, du musst das so machen, nein, mach das so. Das ist geil, weil es irgendwann so eine Party ist, die ihm voll auf die Nerven geht. Ja,
Florian Bayer: toll.
Johannes Franke: Ich finde auch die erste Begegnung mit Marley sehr schön, wie er darauf kommt. Noah Scrooge ist ja erstmal da und dann gibt es diese Geräusche aus der Tür und er fragt sich, aha, okay, da sind Geräusche, aber warum sind da Geräusche? Das ist so der Prozess, der Gedankenprozess. Und dann kommt er da rein und man sieht die Ketten noch nicht. Und er denkt so, irgendwas ist da, warum geht denn das so komisch? Ah, natürlich, da hängt was an seinem Bein. Und diese Entwicklung ist super schön dargestellt. Dass er nach und nach die Figur entdeckt und entdeckt, was da hinten dran hängt. Ja.
Florian Bayer: Ich find's super. Ich find's ein bisschen cheap, dass wir echt mehrmals diese Szene haben, wo er einen Namen sagt und dann erscheint die Person neben ihm. Ja, ja, ja. Beim zweiten oder dritten Mal denkst du,
Johannes Franke: ja,
Florian Bayer: jetzt habt ihr den Trick dreimal durchgespielt, es reicht. Genau, genau. Aber dieses, langsame, diese Genese der Geschichte. Das ist schon geil, auf jeden Fall. Und ich finde es vor allem gut, dass die Genese auch immer wieder in die Richtung geht, das ist deine Geschichte. Weil da sagt dann Marley oder Scrooge sagt ja, you're chains. Und so ganz natürlich, ach, okay, shit, Moment.
Johannes Franke: Da kommt der Psychoanalytiker wieder durch.
Florian Bayer: Nein, nein, das ist schon gut gemacht. Und auch wenn es dann am Schluss düster wird und alle so ein bisschen Angst haben, wenn wir diesen Ghost of the Christmas Future sehen. Es ist kompletter Bullshit, aber es bringt diese Stimmung, die ich irgendwie brauche, dass wirklich dieser Moment ist, oh Gott, er will Tim sterben lassen, dass wir Terror haben wieder, als die gute Seele sagt, Scrooge can't change. Es ist großartig, ich krieg ne Gänsehaut. Das ist einfach Weihnachtskitsch, der bei mir voll funktioniert. Und dann gibt's halt einfach dieses Düster und dann gibt es, dass da irgendwo noch Hoffnung ist und Ja, es wird wirklich düster. Also auch gerade diese, dass er ins Workhouse geht, dass er da alleine ist mit Scrooge.
Johannes Franke: Das ist aber wieder so eine rückblendende Geschichte, die so ein bisschen zu diesem TV-Charakter Aber dieses Allein-im-Workhouse-Sein,
Florian Bayer: in diesem verlassenen Arbeitshaus. Ja, ich finde, das findet im richtigen Moment diese Verknüpfung zu der Christmas-Future-Geschichte aus A Christmas Carol. und gibt auch kurz so einen Moment der Hoffnungslosigkeit, auch wenn wir wissen, es wird gut ausgehen.
Johannes Franke: Ich finde da in der Szene vor allem Scrooge irgendwie noch gut, weil er so wirklich stark ist. Ja. Obwohl er gar nicht so viel in der Szene ist, aber irgendwie.
Florian Bayer: Naja, ich finde Scrooge vor allem spannend, weil er beerdigt dann ja Scrooge. Also er schaufelt ja dieses Grab für Scrooge. Ich finde, es hat genug Gravitas, dass ich sage, ja, da gehe ich ab mit.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: dann sogar so weit, dass ich sage, okay, wenn dann diese Epiphanie kommt und die Euphorie und das ist noch nicht zu spät und dann Charles Dickens feststellt, ich bin nicht tot und feststellt, dass er ganz viel korrigieren kann noch, wo ich denke, ah, da ist ein bisschen viel jetzt.
Johannes Franke: Ja, das ist halt die Geschichte. Aber das ist ein Christmas Carol, genau. Das ist der Christmas Carol. Und dann sein Vater hinterher rennt. Und dann muss man auch sagen, Da Dolle drauf gedrückt wird, vor allem durch die Mutter dann auch nochmal, die dann, wo die beiden sich dann umdrehen, gerade so aufgehalten werden, nicht in den Zug steigen und er sagt, nein, komm mit. Und sie sagt, ich wusste noch, du wirst wieder zu uns kommen. Das ist so, ach komm schon.
Florian Bayer: Es ist sehr zuckersüß,
Johannes Franke: aber es ist auch schön.
Florian Bayer: Es ist vor allem tatsächlich bei allem, was wir über diesen Film gerade sagen, es ist alles so viel besser als das, was ich erwartet habe. Ja,
Johannes Franke: das stimmt schon.
Florian Bayer: Ich habe den Titel gelesen, ich habe das Plakat gesehen und ich dachte, au weia. Und es ist wirklich viel, viel, viel, viel, viel besser als was ich erwartet habe.
Johannes Franke: Und wenn du richtig viel erwartet hättest, wie hättest du den anderen gefunden, den Film?
Florian Bayer: Der ist gut. Das ist ein guter Film. Ich bin wirklich zufrieden mit diesem Film. Er hat richtig große Momente. Er hat ein bisschen schwächere Momente. Man muss manchmal ein bisschen arg in Suspension of Disbelief reinspringen. Aber er funktioniert und er ist gut. Und vor allem das Kernstück ist wirklich konsequent. Scrooge und Dickens stolpern zusammen durch die Überlegung, wie sie diese Geschichte schreiben können. Das nimmt den größten Teil des Films ein und das ist super.
Johannes Franke: Wie kommst du mit der Frau klar? Die Frau von Dickens und der Darstellung von der Frau.
Florian Bayer: Es gibt ein, zwei süße Szenen zwischen den beiden im Ehebett.
Johannes Franke: Recht am Anfang, ne?
Florian Bayer: Genau, relativ früh am Anfang.
Johannes Franke: Da finde ich nämlich, habe ich noch aufgeschrieben, dass die Schauspielerin da einen guten Ton drauf hat und eine Stärke, eine eigene Stärke hat, die vielleicht nicht unbedingt im Drehbuch ist, die Schauspielerin einfach spielt. Und später verliert sich das für mich so.
Florian Bayer: Sie spielt halt später keine Rolle mehr. Morfett Clark, es wird kurz angedeutet, dass so eine Eifersuchtsgeschichte erzählt werden könnte, weil er Terra so viel als Inspiration nimmt.
Johannes Franke: Ja, man muss sagen, dass Charles Dickens tatsächlich eine minderjährige Frau irgendwann mal, ja.
Florian Bayer: Charles Dickens hat diese Frau, Catherine, mit der er zehn Kinder hatte, viele Kinder, wie man es halt damals gemacht hat in England, das waren alles Hasen, hat er verlassen. Und zwar, als sie schon älter waren, Ende der 50er Jahre hat er sie verlassen für eine jüngere Frau.
Johannes Franke: Eine sehr viel jüngere Frau.
Florian Bayer: Ja, also ihre mögliche Eifersucht ist berechtigt und es wird so ein bisschen der Bogen geschlagen. Das funktioniert am Schluss, dass sie auch es ist, die ihn so zur Sau macht, weil er Terra gefeuert hat und dass sie dann dabei ist bei dem ganzen Verdünnungsgedöns und so, aber sie ist relativ blass. Also es gibt dieses ein, zwei nette Szenen zwischen ihnen, ansonsten bleibt sie sehr blass.
Johannes Franke: Also es ist ja nicht nur so, dass er sie verlassen hat, also die wahre Geschichte jetzt von Dickens. Dickens hatte ja einen Ruf, einen moralisch sehr integeren Ruf durch seine Art und Weise zu schreiben und seine recht moralischen. Botschaften in seinen Büchern. Sodass er, kann man so interpretieren, sich gezwungen gesehen hat, auch so ein bisschen sie richtig an Prange zu stellen. Er war nicht gut mit ihr. Er hat sie wirklich schlecht dastehen lassen in dieser Trennungsphase. Und das ist nicht schön gewesen für die arme Frau.
Florian Bayer: Nicht cool.
Johannes Franke: Er war nicht gut. Nee.
Florian Bayer: Und dann haben wir wieder so ein Problem mit Künstler-Werk-Ding. Und wenn so ein Film dann so den Künstler mit dem Werk vermengt und sagt, ey, das ist ein tolles Werk, weil das ein toller Künstler ist, weil das ein toller Mensch ist, dieser Künstler. Genau. Und dann schaust du auf das wahre Leben von diesem Künstler und sagst... Nein, das war ein Arschloch. Wie so viele Künstler im 19. und 20. Jahrhundert, die wir abfeiern, war das ein Arschloch. Er hat ein großartiges Buch geschrieben oder meinetwegen auch mehrere großartige Bücher, aber er war trotzdem ein Wichser.
Johannes Franke: Also ich weiß nicht, wie viel Wichser und wie viel, also wir sind alle, wir haben eine gewisse Ambiguitätstoleranz. Wir können sagen, er hatte bestimmte Werte, die irgendwie vielleicht geil waren, aber er war nicht der Beste daran. sich an seine Werte zu halten. Vor allem, wenn es um seine Frau ging und seine Kinder, die er selber nicht erzogen hat. Er hat ihr vorgeworfen, dass er die Kinder falsch erzieht. Hat absurde Sachen gesagt.
Florian Bayer: Du hast gerade die Definition von Arschloch genannt. Er hatte gewisse Werte und hat sich nicht an diese Werte gehalten. Das steht unter Arschloch im Lexikon.
Johannes Franke: Naja, aber es gibt ja auch noch die Sorte Arschloch, ich habe nicht mal die besten Werte. Er kann ja sonst auch... ein sehr angenehmer Mensch gewesen sein und so. Und das war er offenbar auch. Und er war, hatte wirklich, er war sehr eng mit seinen Freunden auch. Er hat tatsächlich auch für viele Leute viele Sachen gemacht und ihm geholfen und so weiter. Es gab halt dieses eine Feld mit seiner Frau, wo er echt nicht gut drauf war.
Florian Bayer: Wie wahrscheinlich viele Männer im 19. Jahrhundert, weil es auch einfach ein anderes Frauenbild war in der Gesellschaft.
Johannes Franke: Aber er meinte auch, und das macht ihn wieder sympathisch als Reflexionsebene, Sein Leben hätte ganz anders verlaufen können, wenn er nicht ein paar glückliche Dinge gehabt hätte, wo wirklich einfach der richtige Mensch zur richtigen Zeit ihm zugehört hat oder seine Geschichte gelesen hat oder sonst irgendwas. Und das war ihm 100 Prozent bewusst. Und so hat er sich eben auch immer darum gekümmert, eben auch in seinen Geschichten lesbar, dass Menschen, die nicht so viel Glück hatten wie er, nach oben kommen oder eine Chance bekommen. Und das finde ich schon toll und wichtig.
Florian Bayer: Ja, das ist eine voll wichtige Botschaft. Das ist ja auch, das ist eine ganz wichtige Botschaft, die in allen seinen Büchern drinsteckt, egal wie kritisch man sie sieht. Und auch in diesem Film mit drinsteckt, dass halt einfach Menschen sind auch ganz viel Ergebnisse der Umstände, in denen sie leben. Und wenn du so viel Scheiße durchmachst als kleines Kind, dann macht das was mit dir und du wirst nicht als Verbrecher geboren.
Johannes Franke: Und ich glaube, durch diese Geschichte und die Beschäftigung damit, habe ich eine andere Perspektive auf Weihnachten nochmal bekommen. C.S. Lewis, der Autor von Narnia, der hat später das Fehlen eines echten religiösen Interesses an Weihnachten in Dickens Werk kritisiert. Ja,
Florian Bayer: natürlich hat er das, unser christlicher Hardliner, der gesagt hat, okay, Lord of the Rings ist großartig, aber was das alles braucht, ist noch viel mehr Jesus.
Johannes Franke: Ja, aber das finde ich interessant und ich finde, das ist eine Art von... Eine aufklärerische und demokratischere und viel bodenständigere Version von Weihnachten.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Und wenn man es weiter treibt, kann man sagen, da steckt viel mehr Christentum drin als in irgendwelchen christlichen Weihnachtsgeschichten. Einfach, weil es um sowas wie Nächstenliebe geht und Solidarität, Güte.
Johannes Franke: Ja, genau. Und das finde ich wahnsinnig spannend. Und irgendwie kriegt man dann nochmal einen anderen Dreh mit Weihnachten. Ja,
Florian Bayer: Charles Dickens war kein Sozialist, aber dass man dieses... diese Geschichte liest und sieht und denkt, ja, der Sozialismus hat wahrscheinlich an vielen Punkten doch recht. Ist jetzt nicht total fernliegend.
Johannes Franke: Spannend. Ich find's spannend, dass du den Film so viel besser findest, als ich gedacht hätte. Weil ich so viel TV-Special dann doch auch drin gesehen habe und gedacht habe, ja, schöne, sehr viele schöne Momente, die das komplett aufbrechen und die da was ganz eigenes machen, was ein TV-Special niemals hätte leisten können. Aber trotzdem gibt's... Gibt es dieses Feeling zwischendurch? Es war halt für mich,
Florian Bayer: war dieser große Block in der Mitte, war einfach überraschend, experimentell genug und fantastisch genug, dass ich darüber hinwegsehen kann. Und ich glaube, es ist aber auch so ein Erwartungsmanagement-Ding. Du hast mich gefragt, wie ich ihn gefunden hätte, wenn ich nicht mit diesen niedrigen Erwartungen reingegangen wäre. Und die ehrliche Antwort ist wahrscheinlich schlechter. Wahrscheinlich habe ich ihn auch so gut gefunden, weil ich nicht mit sowas Gutem gerechnet habe.
Johannes Franke: Insofern würde ich mich wahnsinnig freuen, wenn ihr uns schreibt und mal sagt, wie ihr den Film gesehen habt und vor allem auch eben unter welchem Vorzeichen. Habt ihr den gesehen, ohne irgendwas darüber zu wissen, einfach weil ihr den Fernseher eingeschaltet habt oder habt ihr ihn gesehen, weil jemand gesagt hat, der ist gut oder habt ihr ihn gesehen, obwohl jemand gesagt hat, der ist schlecht? Was nimmt man da mit und was sieht man in diesem Film dann?
Florian Bayer: Ich glaube, es ist tatsächlich ein Film, über den man durch Zufall stolpert, weil Netflix oder Amazon sagen. Wir haben eine Reihe von Weihnachtsfilmen gekauft. Das ist Weihnachtszeit, guck mal hier, Top-Weihnachtsfilme und so eine 10er-Reihe. Und dann hast du ganz links wahrscheinlich E.T. hängen, sag ich mal. Nee, ganz links hast du Harry Potter hängen, den ersten Teil. Dann rechts daneben hast du, Disney geht ja nicht, weil das bei Disney Plus ist, rechts daneben hast du vielleicht E.T. Dann kommt ein wirklicher weihnachtsthematischer Film, sowas wie Kevin Allein zu Haus. Und dann kommt der hier. Und je weiter man nach rechts scrollt, umso wilder wird es. aber der ist so zwischen diesen Filmen Und den billig produzierten Zeichentrickfilm Rudolf the Red-Nosed Reindeer, die Version von 2008, die eine französisch-italienische Koproduktion ist mit Zeichnungen,
Johannes Franke: die aus Polen importiert wurden. Mich würde wahnsinnig interessieren, wie man den Film sieht, wenn man A Christmas Carol nicht kennt. Also auch das schreibt uns gerne, wenn ihr A Christmas Carol nicht gesehen habt, weil hier sind so wahnsinnig viele Sachen drin, die eigentlich nur Sinn ergeben, wenn man das weiß, was da in dem Ding passiert. Schlingel. Wow, wir haben eine Top 3. Ja, Darstellung des kreativen Prozesses. Yes. Ich bin total neugierig, was du hast. Ich fange jetzt einfach mal an. Ich habe auf Platz 3 Exit through the Gift Shop. Das ist mein Platz 2. Nein, wirklich nicht. Ja, natürlich. Das gibt's doch wohl nicht. Scheiße. Was für ein toller Film. Wir werden auch Platz 1 gemeinsam das gleiche haben. Ja,
Florian Bayer: glaube ich auch. Und was für ein zynischer Blick auf Kreativität. Ja,
Johannes Franke: total. Weil der Blick auf Fehlen von kreativen Prozessen da ist.
Florian Bayer: Und vor allem genau dieses, oh, ich muss Kunst machen. Genau.
Johannes Franke: Und dann einfach was hinschmeißen.
Florian Bayer: Aber ein toller Blick drauf und vor allem, weil es halt aus dieser Banksy-Perspektive ist. Sehr witziger Film.
Johannes Franke: Sehr, sehr witziger Film. Wir haben darüber gesprochen. In unserer Frühzeit, glaube ich. Oh, ja, das ist schon lange her. Ja,
Florian Bayer: aber es war zumindest schon zu der Zeit, als wir nur einen Film pro Episode gemacht haben.
Johannes Franke: Ja, das kann sein, ja.
Florian Bayer: Es gibt eine düstere Frühzeit unseres Podcasts, so die ersten 30 Episoden, würde ich behaupten, wo wir zwei Filme pro Episode besprochen haben.
Johannes Franke: Ja, wir waren mitten in Corona, wir hatten Zeit, Flo.
Florian Bayer: Wir hatten Zeit und wir haben so lange Episoden produziert. Und es ist so pain in the ass, wenn du diese Episoden hörst und du willst da eigentlich nur den zweiten Film hören und musst dann irgendwie die richtige Mitte finden. Ich möchte mich...
Johannes Franke: In aller Form entschuldigen.
Florian Bayer: Beim Publikum entschuldigen, bei allen Leuten, die da mal reingehört haben, versucht haben, zum zweiten Film zu skippen. Wir tun das nicht mehr.
Johannes Franke: Liz hat mir neulich geschrieben, dass sie die alten Episoden durchhört. Sie tut mir so leid. Aber irgendwie scheint sie es ganz gut zu finden.
Florian Bayer: Es ist auch noch zu frisch, als dass es uns peinlich sein könnte. Das ist keine zehn Jahre her, du kannst dich nicht dafür schämen, was du vor vier Jahren produziert hast. Echt nicht. Mein Platz drei ist The Fall. Der den kreativen Prozess zeigt, tatsächlich als... Geschichte, als Kindergeschichte, die erzählt wird von einem suizidalen Trunkenbold und von einem kleinen Mädchen, das versucht, diese Kindergeschichte zu retten, während er sie düster machen will. Großartiger Film. Wirklich fantastisch.
Johannes Franke: Ist das On the Spot? Ich weiß gar nicht mehr genau. Ist das so geklärt, ob der das vorher schon im Kopf hatte, die Geschichte, oder ob er die On the Spot für sie erfindet?
Florian Bayer: Er erfindet sie. Sie ist komplett improvisiert. Von 2006 von Tarsem Singh.
Johannes Franke: Ich habe auf Platz 2, weil ich ihn gerade eben erst gesehen habe, Barton Fink. Oh ja, so ein Noir 1991, glaube ich, von Coens.
Florian Bayer: Coens,
Johannes Franke: yes! Ganz krasser Film. Ein gefeierter Autor fürs Theater wird nach Hollywood eingeladen von einem überschwänglichen Produzenten, der ihm echt Honig ums Maul schmiert. Und dann ist er aber in so einer Vorhölle. John Goodman. Ja, mit John Goodman. Supergeil. Ich find's so... gut gemacht. Auch seine Schreibblockade, er weiß nicht, wie er da einen Film schreiben soll für dieses furchtbare Hollywood Gedöns und soll da irgendwie über einen Ringer schreiben und er kriegt es einfach nicht hin. Am Schluss gibt es einen abgetrennten Kopf und ich habe gerade festgestellt,
Florian Bayer: dass ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe, aber irgendwas war mit einem abgetrennten Kopf im Schluß. Ja,
Johannes Franke: aber den sehen wir nicht. Der bleibt in der Box. What's in the box?
Florian Bayer: Aber es ist ziemlich eindeutig, dass es ein abgetrennter Kopf ist, oder?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Eigentlich einer meiner liebsten Cone-Filme.
Johannes Franke: Richtig gut. Ich glaube, den besprechen wir mal demnächst.
Florian Bayer: Das müssen wir auf jeden Fall mal machen. Eigentlich gäbe es so einen Pile of Shame von Cones, die ich gerne mit dir besprechen würde. Aber wir können nicht jede Woche Cones machen.
Johannes Franke: Das stimmt. Wir können aber auch nicht jede Woche Chaplin machen. Und wir können auch nicht jede Woche Ausmein machen.
Florian Bayer: Jetzt ist ja Gott sei Dank Weihnachten. Wir müssen unseren Platz 1 bei 3 nennen. 1, 2, 3. Adaptation.
Johannes Franke: Geil.
Florian Bayer: Fantastisch. Das ist es, worum es an Weihnachten geht. Dass man gemeinsam Filme findet, an denen man Freude hat.
Johannes Franke: Ja, schön.
Florian Bayer: Das ist toll einfach.
Johannes Franke: Adaptation. Du musst was dazu sagen.
Florian Bayer: Ja, Nicolas Cage spielt Charlie Kaufman, der das Drehbuch zu diesem Film geschrieben hat, wie er das Drehbuch zu diesem Film schreibt.
Johannes Franke: Er soll eigentlich was über Orchideen schreiben.
Florian Bayer: Er soll ein Buch verfilmen, das es tatsächlich gab, nämlich der Orchideen-Dieb von, ich weiß nicht mehr, wie die Autorin hieß. Und er versucht das als Drehbuch zu adaptieren und hat damit Probleme und deswegen schreibt er sich selbst in diesen Film. Und wir sehen diesen Film, in den er sich selbst reingeschrieben hat, wie er sich in diesen Film selbst reinschreibt. Und es gibt sehr viele Metaebenen.
Johannes Franke: Und einen Zwillingsbruder, den es nie gab.
Florian Bayer: Und einen Zwillingsbruder, den es nie gab, der als Co-Autor des Drehbuchs mit für den Oscar nominiert war und quasi mit den Oscar gewonnen hat.
Johannes Franke: Ach, wie schön.
Florian Bayer: Nicolas Cage in einer fantastischen Doppelrolle. Großartiger Film von Spike Jonze. Charlie Kaufman hat das Drehbuch geschrieben.
Johannes Franke: Offensichtlich. Ja. Ach, wie schön. Das war eine tolle Top 3. Ja, war's. Dann ab zurück nach Narnia. Nein, wohin? Zu Dickens.
Florian Bayer: Zu Charles Dickens und zu unserer Weihnachtsstimmung. Dieser Film hat mich in fucking Weihnachtsstimmung gebracht. Echt? Ja? Okay. So richtig. Und ich finde es schön, dass der jetzt als dritter Film gekommen ist für unsere Weihnachtsepisoden einfach, weil ja, das ist Weihnachtsstimmung. Und ich kann auch diese ganzen kleinen Flaws, die da drin stecken, kann ich komplett ignorieren,
Johannes Franke: weil ich am Schluss da sitze und denke, ja, darum geht es an Weihnachten. Ich bin glücklich. Okay, es geht also in Weihnachten darum, Filme zu akzeptieren, die eigentlich große Flaws haben. Du hast es erfasst. Nein, ich muss sagen, ich finde den Film tatsächlich auch ziemlich gut, weil er wirklich... drei oder vier große wirklich filmentscheidende Ideen hat, die tatsächlich den Film so in eine Form bringen, dass ich immer wieder Freude daran habe. Aber ich komme eben, wie gesagt, nicht gänzlich davon weg, dass es so einen TV-Special-Charakter hat, wo man nicht genau weiß, wo ich noch nicht immer genau sagen kann, woran es liegt. Aber manchmal so eine Formelhaftigkeit und ein Abhaken von so Sachen. die in sowas reingehören, irgendwie kann man auch ein Bullshit-Bingo draus machen.
Florian Bayer: Es ist gerade so dieses Exposition. Ja,
Johannes Franke: genau. Und Epilog. Und er hat eine Schreibblockade und er hat Geldprobleme. Ich meine, es ist alles nicht fernab von der Realität. Er hatte tatsächlich so Geldprobleme. Aber ob er eine Schreibblockade hatte oder was, das ist alles so dramaturgischer Zauber, den man darin sieht, wo man sagt, ja, okay, na gut. Silke.
Florian Bayer: Vielen Dank, dass du uns diesen Film vorgeschlagen hast und es ist wirklich ein kleines Fundstück, weil ich hätte diesen Film nicht auf dem Schirm gehabt und hätte ich drüber gescrollt bei Netflix oder Amazon, ich hätte den niemals angemacht.
Johannes Franke: Aber ich hoffe, dass da draußen tatsächlich jemand noch einen Film macht über die eigentliche Sache, nämlich wie Charles Dickens Weihnachten erfand, weil das ist jetzt tatsächlich, wie du vorhin gesagt hast, eigentlich geht der Film ja um, es handelt sich an anderen Sachen. entlang und zeigt gar nicht so sehr seine eigene intrinsische Motivation, genau dieses Thema und Weihnachten auf diese Art und Weise darzustellen und zu shapen irgendwie.
Florian Bayer: Ich hätte gerne einen Film Susan Coyne oder Bharat Naluri, How They Invented the Man Who Invented Christmas. Und es wird gezeigt, wie Regisseur und Autorin vom Drehbuch zusammen überlegen, wie sie Charles Dickens Geschichte erzählen können, wie er Weihnachten erfand. taucht der tatsächliche Charles Dickens auf. Und geschrieben von Charlie Kaufmann. Ja, bitte. Das will ich sehen, denn darum geht's an Weihnachten. Wir haben tatsächlich eine Weihnachts-, eine Heiligabend-Episode dieses Jahr. Nächste Woche, wenn wir veröffentlichen, Mittwoch, wird's der 24. Dezember sein. Und ich warne euch, wehe jemand von euch hört an Heiligabend dieser Episode. Tut es nicht. Feiert Heiligabend, feiert den ersten Weihnachtsfeiertag, feiert den zweiten Weihnachtsfeiertag Und dann, wenn ihr euch erholt habt von dem geilen Essen, von den tollen Geschenken, von der tollen Gesellschaft, die ihr hoffentlich hattet oder auch nicht hattet, von dem Glück, das jeder an Weihnachten haben solltet, dann könnt ihr euch meinetwegen hinsetzen und die Folge anhören und wir sagen euch gleich auch noch, worüber wir besprechen werden.
Johannes Franke: Du musst die Antithese dazu noch bringen, Plur. Das tut mir leid. Du hast jetzt versucht, das alles hochzureißen und zu sagen, wir sind alle glücklich zu Weihnachten. Aber es gibt genug Leute, die Weihnachten überfordert sind und sagen, ich brauche mal ein bisschen Auszeit. Und ich will bei diesen Menschen vielleicht nicht sein oder ich mag die Menschen, aber ich kann die nicht drei Tage lang aushalten. Ihr könnt euch auch zurückziehen und diesen Podcast anmachen. Vollkommen in Ordnung. Nehmt euch eure Me-Time oder You-Time, ihr wisst schon, und hört euch einfach ein paar schöne Podcasts an. Wir haben sehr viele davon zu bieten, aber wir sind euch auch nicht böse, wenn ihr woanders reinhört.
Florian Bayer: Einmal ein Herz an alle Menschen, die an Weihnachten einfach nur ihre Ruhe haben wollen. Macht es.
Johannes Franke: Ja, genau. Nehmt euch auch die Zeit und lasst euch nicht einreden, dass ihr schlechte Kinder oder schlechte Eltern seid, weil ihr mal Pause braucht.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Da stimme ich dir voll und ganz zu. Wenn ihr wissen wollt, worüber wir dann reden werden, bleibt dran. Bis dahin, wie immer, euch vielen Dank fürs Zuhören. Ja, kommt gut durch die Vorweihnachtszeit, wie auch immer ihr das gestaltet. Genießt die letzten Adventstage.
Johannes Franke: Gerade zur Weihnachtszeit bin ich wahnsinnig dankbar, dass ich diesen Podcast habe und dass ich euch da draußen habe, auch wenn ich euch nicht kenne. Aber ich stelle mir so ein riesiges Auditorium vor. Ich als Schauspieler mag das natürlich. 800.000 Leute im Stadion, die alle, die muss man sehen, Family. Genau, ihr gehört alle zur Family. Und ich wirklich ganz ernsthaft, ich freue mich wahnsinnig, auch dass wir angefangen haben, mit euch über Social Media und sowas in Kontakt zu treten und über Dinge zu reden und jeder hat seine Perspektive auf Filme und so. Ich finde es ganz, ganz, ganz toll. Machen wir weiter so. Ich freue mich aufs nächste Jahr.
Florian Bayer: Ja, ich mich auch. Und wie immer, danke. Es war ein Fest mit dir und ich freue mich auf die nächsten Episoden. Sehr schön. Bis dahin. Ciao. Ciao.
Johannes Franke: So, Plur, ich habe diesen Film, den wir jetzt ankündigen werden, noch nicht gesehen, aber der Titel sagt mir... Warum hast du den auf den 24. terminiert, Plor?
Florian Bayer: Weil er Christmas im Titel hat.
Johannes Franke: Aber Carnage for Christmas? Das klingt total böse.
Florian Bayer: Ich weiß es ja auch nicht.
Johannes Franke: Du hast ihn auch nicht gesehen. Nee,
Florian Bayer: ich hab ihn nicht gesehen, aber wenn man den Titel googelt, findet man ein Plakat und zwei Stills aus dem Film, die danach schreien, guckt ihr nicht an Weihnachten, sondern an Halloween. Ich bin sehr gespannt. Vorgeschlagen wurde er uns von Samira S. über Instagram. Und ich habe das gelesen und dachte, ja, okay, den packe ich Johannes auf den 24.
Johannes Franke: Das ist so gemein. Vor allem, weil ich kein Horrorfilm-Fan bin, aber der Titel macht das schon sehr deutlich. Und das klingt auch ein bisschen nach B-Movie, muss man sagen.
Florian Bayer: Es klingt auch ein bisschen nach B-Movie. Er ist schlanke 70 Minuten lang.
Johannes Franke: Ach, schön.
Florian Bayer: Und relativ jung, aus dem Jahre 2024. Carnage for Christmas. Ich habe keine Ahnung, worauf ich mich einstellen soll. Und ich bin wirklich gespannt und ich hoffe, man findet diesen Film leicht. Weil es ist ja wirklich offensichtlich eher was etwas Wilderes. Ich bin voll gespannt, aber damit werden wir unsere schöne, beschauliche Weihnachtszeit abschließen.
Johannes Franke: Ja. Oh man, Plor, ich wünsche dir jetzt schon mal, weil am 24. werden wir uns nicht sehen. Wir werden hier nicht sitzen und auf den veröffentlichten Button drücken oder so feierlich. Ich wünsche dir jetzt schon schöne Weihnachten.
Florian Bayer: Oh, danke schön, das wünsche ich dir auch.
Johannes Franke: Ich wünsche dir... bedeutungsvollsten Geschenke der Welt. Nicht die wertvollsten, nicht die schönsten, sondern die bedeutungsvollsten.
Florian Bayer: Das wünsche ich dir auch.
Johannes Franke: Und kommen gut übers... Treffen wir uns zwischen den Jahren? Haben wir da Zeit? Kriegen wir das hin? Ich denke schon.
Florian Bayer: Wir werden ja sehen, aber ich hoffe es doch zumindest. Also es wäre auf jeden Fall sehr schön, um ein bisschen weihnachtlich auszukatern.
Johannes Franke: Wir haben ja Ende des Jahres noch einen Special Guest.
Florian Bayer: Stimmt. Am 31.12. Also nächste Woche kommt erstmal Carnage for Christmas. Aber, das ist schon mal vorgeteasert, am 31.12. haben wir Matthias von Filmszene zu Gast. Wow,
Johannes Franke: du bist so ein kleiner Fanboy von der Filmszene. Ja, bin ich.
Florian Bayer: Ich glaube, jeder, der Anfang der 2000er Online-Filmrezensionen gelesen hat, ist ein bisschen Fanboy von Filmszene, weil das ist ja wirklich ein großes Alter.
Johannes Franke: Umso schöner, dass Matthias kommt, um mit uns zu reden.
Florian Bayer: Genau, Matthias schreibt... da über Oscar-Filme und er wird uns irgendein Academy Award Klassiker geben, weil er schreibt über Filme, die Oscar nominiert waren.
Johannes Franke: Okay, jetzt aber erstmal Weihnachten und dann kriegen wir das hin, zwischen den Jahren über Oscar-Filme zu reden. Sehr schön. Wir hören uns nächste Woche wieder oder dann eben wann auch immer ihr Zeit habt und ja, habt eine schöne Weihnachtszeit, ihr da draußen. Bis dahin, ciao.
