Episode 243: Nordkurve – Ein Film über die Fußballbundesliga und den Ruhrpott in den 90ern
Samstag ist reserviert für Fußball, Samstag ist Bundesligazeit. Das gilt heute ebenso wie in den 90ern. Adolf Winkelmanns Drama Nordkurve aus dem Jahr 1993 erzählt rund um den fiktiven Ruhrpottverein Union Dortmund Geschichten von Menschen, deren ganzes Leben sich um das runde Leder dreht. Da sind die Funktionäre, die verzweifelt versuchen, den Konkurs des Vereins aufzuhalten, selbst wenn dies bedeutet, die Hilfe eines schmierigen Spieler-Agenten in Anspruch zu nehmen. Da ist der Ersatzspieler, der schon die ganze Saison auf seinen großen Einsatz wartet, und versucht, die Langeweile in der Affäre mit einer älteren Frau totzuschlagen. Da ist der Mann dieser Frau, ein Ex-Profispieler und jetzt Kneipenbesitzer, der sich zusätzlich mit dubiosen Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Und da sind natürlich die Ultra Fans, denen der Exzess und die Gewalt neben dem Platz ebenso viel bedeuten wie das Spiel auf dem Platz.
Eine lose Sammlung mal dramatischer, mal trivialer Geschichten, zusammengehalten durch einen rauen Pott-Charme und einen tiefschwarzen Humor… und nicht zuletzt durch eine ganze Riege von Leuten, die später eher in der Comedylandschaft berühmt werden sollten. Wenn ihr also schon immer mal Michael Kessler bei einer Beinahe-Vergewaltigung, Stefan Jürgens beim Zertrümmern einer Standiontoilette oder Piet Klocke beim Komasaufen zuschauen wolltet… ja, das gibt es hier zu sehen.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 243: Nordkurve – Ein Film über die Fußballbundesliga und den Ruhrpott in den 90ern Publishing Date: 2025-08-27T11:13:28+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2025/08/27/episode-243-nordkurve-ein-film-ueber-die-fussballbundesliga-und-den-ruhrpott-in-den-90ern/
Florian Bayer: Vom Spiel sehen wir ja nicht viel.
Johannes Franke: Eine der besten Entscheidungen des Films, oder? Ja. Wirklich zu sagen, ich zeige den Fußball gar nicht, darum geht es nicht. Und da kommen wir vielleicht in meine erste Fußballerfahrung.
Florian Bayer: Okay.
Johannes Franke: Ich habe... Finale! Oh, endlich mal wieder einen Film, wo wir den Fußball abfeiern, wie wir das gemacht haben. Hertha, Hertha.
Florian Bayer: Oh Gott, oh Gott. Johannes, möchtest du unserem Publikum sagen, warum du einen Fußballschal trägst?
Johannes Franke: Ich habe einen Fußballschal und zwar von Hertha, Hertha BSC und das ist ein kleines bisschen gecheatet, weil ich habe wirklich nichts mit Fußball zu tun. Es tut mir leid, ich bin wirklich kein Fußballfan.
Florian Bayer: Ich bin schockiert.
Johannes Franke: Bist du Fußballfan?
Florian Bayer: Nein.
Johannes Franke: Warum hast du uns diesen Film gegeben?
Florian Bayer: Weil ich diesen Film sehr mag. Wir reden heute über Fußball und wir reden über einen Fußballfilm und es gibt nicht sehr viele Fußballfilme da draußen.
Johannes Franke: Ja, okay, okay. Und du hast natürlich den einzigen gefunden, der Arzi-Farzi ist.
Florian Bayer: Genau. Wir reden über einen Film, der auch ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, glaube ich.
Johannes Franke: Ja, das stimmt.
Florian Bayer: Nordkurva aus dem Jahr 1993 von Adolf Winkelmann. Ein deutscher Fußballfilm über einen deutschen Verein und deutsche Vereinskultur in den 90ern. Im Ruhrpott. Voll unser Thema, voll unser Ding.
Johannes Franke: Als Berliner und als... Du kommst aus dem Saarland. Ja,
Florian Bayer: ich komme aus dem Saarland. Und ich bin tatsächlich, im Saarland wird man auch mit Fußballkultur groß. Und ich wohne ja jetzt in Berlin-Karlshorst, was wirklich nur ein Stück nördlich von Köpenick ist.
Johannes Franke: Das Saarland von Berlin.
Florian Bayer: Genau, das Saarland von Berlin. Vor allem Köpenick, wenn du irgendwie auch nur im Umfeld von Köpenick wohnst, wirst du ja quasi von Anfang an bombardiert mit Union-Berlin-Propaganda. Also bei uns war dieser Ritter zum Beispiel in der Kita und hat mit den Kindern Fußball gekriegt.
Johannes Franke: Nein, wirklich? Ja,
Florian Bayer: und es ist auch so, mit Hertha-Schall dürftest du bei uns nicht auftauchen.
Johannes Franke: Leute, Leute, ich weiß nicht,
Florian Bayer: was ihr habt. Also eine sehr tiefe Verbundenheit zu Union Berlin, die ich auch mal live gesehen habe.
Johannes Franke: Und der KSC. Eine Tee für Freude.
Florian Bayer: Wie in Bayern die Lederhose aus. Johannes, warst du mal beim Fußballspiel im Stadion?
Johannes Franke: Ich war einmal beim Fußballspiel. Geil,
Florian Bayer: müssen wir drüber reden.
Johannes Franke: Ich rede nachher darüber.
Florian Bayer: Ja, ich will auch meine Fußballfan-Erfahrungen raushauen. Ja, okay. Aber natürlich machen wir das Ganze im Rahmen von dem Film, über den wir sprechen, den ich Johannes gegeben habe. Und ich werde einfach mal kurz erzählen, worum es in dem Film geht. Samstag ist reserviert für Fußball. Samstag ist Bundesliga-Zeit. Das gilt heute ebenso wie in den 90ern. Adolf Winkelmanns Drama Nordkurve aus dem Jahr 1993 erzählt rund um den fiktiven Ruhrpott-Verein Union Dortmund Geschichten von Menschen, deren ganzes Leben sich um das runde Leder dreht. Das sind die Funktionäre, die verzweifelt versuchen, den Konkurs des Vereins aufzuhalten, selbst wenn dies bedeutet, die Hilfe eines schmierigen Spieleragenten in Anspruch zu nehmen. Da ist der Ersatzspieler, der schon die ganze Saison auf seinen großen Einsatz wartet und versucht, die Langeweile in der Affäre mit einer älteren Frau totzuschlagen. Da ist der Mann dieser Frau. Ein Ex-Profispieler und jetzt Kneipenbesitzer, der sich zusätzlich mit dubiosen Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Und das sind natürlich die Ultra-Fans, denen der Exzess und die Gewalt neben dem Platz ebenso viel bedeuten wie das Spiel auf dem Platz. Eine lose Sammlung mal dramatischer, mal trivialer Geschichten, zusammengehalten durch einen rauen Pottscharm und einen tiefschwarzen Humor. Und nicht zuletzt durch eine ganze Riege von Leuten, die später eher in der Comedy-Landschaft berühmt werden sollten. Wenn ihr also schon immer mal Michael Kessler bei einer Beinahe-Vergewaltigung, Stefan Jürgens beim Zertrümmern einer Stadiontoilette oder Piet Klocke beim Komasaufen zuschauen wolltet, ja, das gibt es hier zu sehen. Und damit übergebe ich an Johannes Franke, live aus dem Stadion. Johannes Franke, kannst du mich hören? Bist du bereit für die kommenden aufregenden 90 Minuten?
Johannes Franke: Ich darf natürlich nicht reagieren jetzt eine ganze Weile. Weil ich schäke ja noch mit anderen Leuten.
Florian Bayer: Aber jetzt mal ehrlich. Du hast echt überhaupt keinen Bezug zum Fußball?
Johannes Franke: Nein.
Florian Bayer: Vielleicht trotzdem zum Geschehen in diesem Film?
Johannes Franke: Uiuiui, das ist eine schwierige, große Frage, um den Einstieg zu... Ich habe eine Gegenfrage. Wer nennt sein Kind im April 1946 noch Adolf?
Florian Bayer: Herr Winkelmann wurde mehrmals in Interviews darauf angesprochen, auf diesen Namen. Ja,
Johannes Franke: würde ich auch sofort als Erachter.
Florian Bayer: Und seine Reaktion war eher so, naja, mein Vater war ziemlich trotzig.
Johannes Franke: Oh nein.
Florian Bayer: Und es gab einfach Familiennamen. Mein Onkel, aber der wurde in den 40ern geboren. Ne, in den 30ern. Der heißt auch Adolf, nach seinem Vater, nach meinem Großvater. Sie schwören alle drauf, dass es nichts mit Hitler zu tun hat, sondern dass sie einfach Adolf hießen, weil das halt so der Familienname war, der weitergegeben wurde.
Johannes Franke: Ja, es ist aber...
Florian Bayer: Gott sei Dank nicht an mich.
Johannes Franke: Ja, man muss dann schon so ein bisschen mit der Zeit vielleicht gehen. Also auch wenn es eine Familientradition ist, es ist vielleicht keine gute Idee, aber na gut.
Florian Bayer: Adolf Winkelmann, der als Kind im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Dortmund gezogen ist in den Pott. Und der war eine Zeit lang in Kassel, wo er studiert hat, aber ansonsten hat er einfach mal von seiner Kindheit an bis ins hohe Alter im Pott gelebt. Und hat im Ruhrpott Zeug gemacht, hat im Ruhrpott Filme gemacht und macht bis zum heutigen Tage im Ruhrpott auch Kunst.
Johannes Franke: Es war die große Ruhrpott Trilogie, dessen Abschluss wir hier auch vor uns haben. Die Abfahrer von 1978, Jede Menge Kohle 1981 und dann Nordkurve, den wir heute sprechen. Jede Menge Kohle,
Florian Bayer: der erste deutsche Film, der in Dolby Stereo gedreht wurde.
Johannes Franke: Ein innovativer.
Florian Bayer: Und um vielleicht nochmal, also viele Menschen, die an diesem Film beteiligt waren, leben leider nicht mehr. Adolf Winkelmann macht Kunst im Pott immer noch. Und zwar hat er seit 2010 eine Installation in Dortmund, die fliegenden Bilder. Und zwar ist es so, auf so einer Dachterrasse gibt es so verschiedene Videos von Bildern, die ablaufen von Clips, die auf LEDs, über LEDs gezeigt werden. Und 6000 Lamellen und in alle Himmelsrichtungen sichtbar. Und es entstehen wohl ständig... neue Filme. Der letzte ist von 2022. 161 einzelne Kurzfilme werden gezeigt. Also Winkelmann ist eng mit dem Pott verwurzelt, eng mit dem Pott verbunden und macht Kunst über den Pott und Kunst für den Pott im Pott. Mehr Ruhrpott geht nicht.
Johannes Franke: Und der Mann ist fast 80. Also der hat eigentlich auch allen Grund, sich zurückzulehnen und zu sagen, ach was soll's, ich muss den ganzen Zirkus nicht mehr machen. Aber der hat, glaube ich, auch eine Professur inne und so oder hatte die und hat also wirklich auch viel, viel, viel weitergearbeitet und nicht nur Kunst gemacht, sondern auch weitergegeben. Ja,
Florian Bayer: er hat, er sagt, er ist selbst kein Fußballspieler, aber er ist halt einfach dadurch, er ist einfach dadurch Fan, dass er halt im Pott lebt. Das heißt, er hat auch ein Borussia Dortmund Fanabzeichen. Er ist ein Fußballfan. Und ich glaube, wenn du im Gelsenkirchen. Ja.
Johannes Franke: Volker.
Florian Bayer: Oder Dortmund lebst, dann kommst du quasi da nicht drum herum. Dann wird dir das schon so ein bisschen in die Wiege gelegt.
Johannes Franke: Aber in Berlin schon auch mit Hertha und mit Union.
Florian Bayer: Es ist halt auch einfach ein deutsches Phänomen.
Johannes Franke: Ja, total.
Florian Bayer: Auf jeden Fall seine Aussage zu diesem Film war, er hat seine zwei Ruhrpott-Filme gemacht. Er wird noch einen dritten Ruhrpott-Film machen. Das Problem war in den 90ern, war Montanindustrie und Bergbau, die anderen großen Dinge, die es im Pott gibt. halt einfach nicht mehr so präsent. Gab es einfach nicht mehr in den frühen 90ern, weil das einfach veraltete Industrie war. Und dann hat er halt geguckt, was gibt es denn sonst, was man einem Pott erzählen kann.
Johannes Franke: Und dann hat er sich das aufregendste Thema genommen und es so deprimierend wie möglich gemacht.
Florian Bayer: Nicht nur deprimierend, auch aufregend. Auch interessant und auch vor allem lebensnah. Aber darauf werden wir zu sprechen kommen, weil er greift ja wirklich so, er greift... in alle Facetten rein. Er nimmt sowohl die obere Chefetage, die reichen Leute, die vom Fußball profitieren, er nimmt die dazwischen und er schaut sich aber auch die ganz einfachen kleinen Fans an. Und ich finde, er findet für alle natürlich auch so ein bisschen so ein distanziertes soziologisches Interesse.
Johannes Franke: Ja, und einen Gefährtenblick.
Florian Bayer: Ein gefärbten Blick, aber er hat auch für alle Figuren ein bisschen Liebe. Und manchmal ist sie sehr versteckt unter dem schwarzhumorigen, auch teilweise ätzenden Blick, den er drauf hat. Aber sie ist da. Er mag seine Figuren.
Johannes Franke: Ja, aber der Blick ist halt am Ende dann doch auch sehr kompromisslos und sehr unversöhnlich irgendwie.
Florian Bayer: Findest du?
Johannes Franke: Ich finde schon, aber das können wir uns erarbeiten jetzt mit der Zeit.
Florian Bayer: Ja, die Frage ist genau, wie düster ist dieser Film? Wie pessimistisch ist dieser Film? Was für ein Menschenbild hat dieser Film? Und ich finde, er ist... durchaus eine gewisse Ambivalenz. Auch wenn dieser Film voll mit unsympathischen Figuren. Ja,
Johannes Franke: total. Ach Gott. Es ist wirklich hart und schlimm und schwierig. Und es ist auch schwierig reinzukommen, weil, das muss ich von Anfang an sagen, ich hatte Schwierigkeiten. Und das wirst du wissen. Ich will immer jemanden haben, an dem ich mich festhalten kann. Und er hat mir ganz, ganz, ganz lange nicht gesagt, worum es geht. Der Film hat einfach echt, echt ganz lange gewartet. um mir irgendeinen roten Faden zu geben, an dem ich mich festhalten kann. Weil er mir so viele Schausplätze zeigt. Er zeigt mir am Anfang richtig, richtig viele Schauplätze. Übrigens, da ist was los, da ist was los, da ist was los. Und ich vergesse die Figuren schon wieder zwischendurch, weil so viele andere Figuren aufgetaucht sind. Und dann kommen wir dahin zurück und dann muss ich irgendwie selber im Kopf das Netz spinnen, was dieser Film mir nicht sehr gut visualisiert darlegt.
Florian Bayer: Es werden auch ganz viele Sachen nur so geschweift. Man muss sich schon konzentrieren, um mitzukriegen, was für Intrigen finden da gerade hinten. untenrum statt. Ja, total. Wer ist wie mit wem verbandelt, weil es gibt halt dann doch auch ständig diese Verknüpfungen zwischen den einfachen Leuten auf der Straße und den ganz hohen in der Chefetage. Der Kneipenbesitzer soll, also die Frau vom Kneipenbesitzer will eigentlich, dass er zum Präsidenten geht, damit sie diese Lizenz kriegen. Und dann dazwischen steht dieser schmierige Agent, der irgendwie beide kennt, der nach ganz oben Kontakt hat, aber auch offensichtlich nach unten. Und das ist so. Es hat so ein bisschen diesen TV-Film-Charme, ne? Das kann man nicht verleugnen. Es gibt einfach dieses Geflecht von Figuren und alle sind irgendwie miteinander bekannt und man fragt sich, okay, gibt es wirklich so dieses krasse Bindeglied zwischen den einfachen Leuten, die die Kneipe führen und denen da ganz oben in der Chefetage, ist das wirklich realistisch?
Johannes Franke: Und das ist für mich das zweite Problem, wo ich glaube, dass er so verdichtet, dass er die beiden Extreme ganz oben und ganz unten so nah aneinander bringt, durch diese Kettenglieder, die er hat. Diese Figuren, die beide kennen von oben und von unten. Und das so demokratisch erzählt zwischen den beiden Extremen, dass die auch eine Stärke gewinnen, weil sie eben beide gleich behandelt werden und beide die gleiche Qualität von Absurdität und Brutalität hat. Auch wenn das eine eher körperlich und das andere eher machttechnisch Gewalt ist. Aber für mich wird es dadurch auch ein bisschen unglaubwürdig. Weil ich nicht glauben kann, dass die miteinander zu tun haben. Und dass der eine genauso, der ist ja eine Lachnummer, der Chef da. Der will vor allem ins Sportstudio. Und das finde ich auch eine super geile Idee.
Florian Bayer: Und er will unter den Rock von der Journalistin.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Vor allem wegen seiner Frau, weil die gesagt hat, bringen Sie mit. Ja,
Johannes Franke: genau. Aber das wird nicht mit der nötigen Macht, mit dem nötigen Machtbewusstsein dieser Figur inszeniert. Das wird... Die Figur, vielleicht ist es auch eine Frage der Schauspielführung oder so, aber die Figur strahlt nicht das aus, was ich von dieser Figur erwarten würde. Und deswegen wird es für mich ein kleines bisschen sehr zur Karikatur und deswegen glaube ich dem nicht mehr ganz so.
Florian Bayer: Ich glaube, was eine ganz große Stärke von dem Film ist, dass er immer wieder bei diesen Figuren, die ja schon auch Extremfiguren sind, der notgeile Präsident, der machtgeile Manager und so weiter. Dass er immer wieder durch diese Schwächen, die du gerade genannt hast, und auch durch diese Verbindungen nach unten zeigt, letzten Endes stecken da auch irgendwie Menschen drin. Und das sind so ganz banale Menschen, die so ganz banale Bedürfnisse haben. Und es gibt dann diese Momente der Zärtlichkeit, wo man sie nicht erwartet. Selbst bei den krassen Hooligans, selbst bei den brutalen Typen, gibt es so Momente der Zärtlichkeit untereinander.
Johannes Franke: Ja, das finde ich auch total süß.
Florian Bayer: Total interessant ist, weil sie halt zeigt, okay, das sind auch alles irgendwie schwache Menschen. Und das sind vor allem... Menschen, die von ihren Ängsten getrieben sind, von ihren Sorgen und so weiter. Und ihre Schwäche macht sie sympathisch. Und das schafft der Film an vielen Stellen rauszukitzen bei diesen überzeichnenden Figuren. Diese Schwächen.
Johannes Franke: Wobei er da nicht sehr weit geht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das gut verstehen kann, wo der Hooligan, also wo Stefan Jürgens herkommt. Was so seine Triebfeder ist. und man hat so... soziologische Erklärungsmuster im Hintergrund. Man weiß so, ja, Perspektivlosigkeit, die ganzen Erklärungsmuster, die Psychologie heute aufzuwarten hat. Das kann man da alles überstülpen, aber dann muss man mit diesem Wissen in den Film gehen. Der Film selbst geht nicht sehr weit damit, das einzuhören. Nein,
Florian Bayer: überhaupt nicht. Der Film zeigt Menschen, die sich in so einem Mikrokosmos Samstag bewegen, in so einem Mikrokosmos Fußballsamstag. Wir erfahren wenig von der Vorgeschichte von den Leuten und wenn wir was erfahren, dann hängt sie auch mit dem Fußball zusammen. Zum Beispiel das Teddy, der Kneipenbesitzer, Oder vielleicht am... ehesten Identifikationsfigur ist oder Sympathieträger.
Johannes Franke: Dafür ist er zu selten zu sehen.
Florian Bayer: Zu selten zu sehen, dass der mal Profispieler war oder so, aber es dreht sich alles um diesen Samstag. Und dadurch, dass alles andere so rausgenommen ist, wird das natürlich stärker, dass dieser Samstag immer dasselbe ist. Eine von den Figuren, die meiner Meinung nach irgendwie witzigste, interessanteste, traurigste Figur des Films Gottschalk, der Säufer, der Angst vor seiner Mama hat, sagt, ganz am Ende des Films zu Teddy, nächste Woche machen wir das gleiche wieder, wie jeden Samstag. Und dann sagt er dann, erst die Tauben, dann unentschieden und dann wird gesungen oder dann wird gesoffen. Und das fasst ganz gut zusammen. Das ist so ein Stück kondensierte Lebensrealität in diesem Samstag, in diesem Prokosmos. Und dann spielt das außen auch gar nicht so eine wichtige Rolle, weil jeder nimmt seine Rolle ein an diesem Samstag. Und dieser Hubsi, der von Stefan Jürgens gespielt wird, der ist für einen Tag Gott. Also in seinem Relü. Und das macht die Figur auch irgendwie spannend, weil wir merken, wie er sein Gottsein auslebt. Weil er ist... der Held der Hooligans. Er ist offensichtlich der Chef.
Johannes Franke: Und er hat einen Heidenspaß daran. Man sieht ihn so oft grinsen. Bei der Provokation, bei dem, was er alles anstiftet an Sachen. Da gehe ich ja fast schon in die Figur mit einem Vergnügen rein, weil er so viel Vergnügen selber daran hat. Ich sehe zwar die Auswirkungen und denke mir, ach du Scheiße und das will ich niemals, aber ich komme in sein Vergnügen rein. Das finde ich interessant an ihm.
Florian Bayer: Und ich finde es so geil, er wird ja so inszeniert, also wir haben ja diesen Moment, wo die gegnerischen Fans ankommen am Bahnhof. Und dann stehen alle da und krölen und machen Lärm. Und er steht so ganz ruhig da. Und der andere Typ sieht so direkt, ah, das ist mein Gegenpart. Das ist der, der hier irgendwie das Sagen hat. Und seinen Namen kennen ja auch alle. Die Polizisten reden über ihn, gucken, ob er Stadionverbot hat und so weiter. Und er macht wieder Stress. Und Stefan Jürgens ist toll.
Johannes Franke: Ja, ja, er macht das super. Ich finde Stefan Jürgens sehr gut. Und ich finde tatsächlich auch Michael Kessler sehr, sehr gut. Bei den anderen muss ich sagen, was ich vorhin schon gesagt habe, dass die oft in Karikaturen ab... abdriften. Der Kneipenbesitzer ist noch okay und die Frau, aber bei der Frau geht es schon fast ein bisschen zu sehr in Richtung Karikatur streckenweise. Ich finde,
Florian Bayer: es geht bei allen immer mal wieder in Richtung Karikatur, auch bei Michael Kessler. Ich finde Michael Kessler, ich finde diese Fast-Vergewaltigungen, die dann passen, ich finde, es ist nicht schlüssig hingeleitet.
Johannes Franke: Ja, das stimmt, da hast du recht, ja.
Florian Bayer: Und also er ist ja schon Er ist ja auch irgendwie so ein unsympathischer Charakter am Anfang, wenn er den alten Typen in der Kneipe anmacht, wegen seiner Nazi-Vergangenheit, was auch wiederum witzig ist. Er sagt, okay, die elf Spieler standen stramm und dann macht er einmal den Hitler-Gruß. Und Stefan Jürgens sagt dann zu dem Alten, nee, ist egal, was du mit deinem Arm gemacht hast, was zählt, was du mit deinem Fuß gemacht hast. Er wird nicht sympathisch gezeigt, aber es gibt zu wenig, was logisch erklärt, warum er plötzlich so komplett ... durchdreht und sagt, und jetzt zu dem Mädchen, das mit ihm zum Fußballspiel geht und kein Wort sagen. Die wirklich einfach nur stumm ist und hin und wieder lächelt.
Johannes Franke: Wobei ich rauslesen, also glaube, rauszulesen, dass Michael Kessler das so spielt, dass man schon das Gefühl hat, dass er der Kleine aus der zweiten Reihe sozusagen ist. Also nicht Stefan Jürgens, sondern eben aus der zweiten Reihe. Und das ja auch mal, jetzt ist mein Moment, jetzt darf ich auch mal das, was die da die ganze Zeit sich mit Gewalt erkämpfen, was ich nie richtig abbekomme, will ich mir jetzt auch erkämpfen.
Florian Bayer: Er ist auf jeden Fall irgendwie eine traurige Figur. Also auch am Schluss, wenn er dann da sitzt und total fertig ist und von dem noch mal getröstet wird. Und er ist halt auch so ein Milchbubi. Also Michael Kessler war damals noch extrem jung. Ja. Stefan Jürgens war auch extrem jung.
Johannes Franke: Wahnsinn. Die haben noch nicht die Comedy-Karriere gehabt. Das war halt wirklich alles danach. Übrigens, möchtest du Tee, Plur? Ja,
Florian Bayer: bitte. Und was ich wirklich krass finde, weil ich bin mit Stefan Jürgens und Michael Kessler als Comedy-Leute groß geworden. Und ich liebe Michael Kessler. Ich finde, das ist ein unglaublich sympathischer Mensch. Ja. Ich habe vor allem tatsächlich seine Sachen, die er später gemacht hat, in den 2010ern, dieses wo er durch Brandenburg fährt und am Berliner Speckgürtel entlang. Er hat dieses Ding gemacht, dass er da einfach unterwegs war und mit Leuten geredet hat. Und Kesslers Expedition hieß das. Und da war er in Brandenburg unterwegs und in Brandenburg ist nichts los. Keine Ahnung, wie oft ihr in Brandenburg seid, aber in Brandenburg gibt es nicht so viel zu sehen.
Johannes Franke: Außer Wölfe.
Florian Bayer: Und er hat es aber geschafft, da hinzufahren, in einen komplett verschlafenen Ort. Und diese eine Sache zu finden, diesen einen Typen, der Modelleisenbahnen sammelt Ja, und ein kleines Museum eingerichtet hat. Er hat es geschafft, diese eine Sache zu finden, die lustig ist. Die skurril ist, die Spaß macht. Ich glaube,
Johannes Franke: das gibt es viel öfter, als man so denkt. Ich glaube, man muss vielleicht ein bisschen suchen, aber man kann schon auch in jedem Ort irgendeinen skurrilen Typen finden, den man irgendwie geil inszenierend, interessant zeigen kann. Und ja,
Florian Bayer: Kessler hat das vor allem geschafft, weil er halt auch sehr auf die Leute zugegangen ist. Der ist so ein sehr offener Typ und Ich habe auch so das Gefühl, also so ein Teil seiner Karriere ist immer so diese Anpassungsfähigkeit. Er hat ja auch bei Switch immer die verschiedensten Rollen gespielt. Und das macht es ihm sehr leicht, mit allen möglichen Leuten Kontakt zu finden.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Toller Typ. Ich mag Kessler.
Johannes Franke: Ich fand immer ein bisschen übertrieben, er hatte diese eine Sendung, wo er sich in den anderen verwandelt hat. Ja. Maske aufgesetzt hat und alles mögliche. Und er versucht dann, den zu spielen.
Florian Bayer: Ich fand irgendwie ganz geil auch.
Johannes Franke: Fand die Idee nett. Aber irgendwie merkte man dann, dass es zu einer Routine wurde, die irgendwie, ich weiß nicht, es hat, ja.
Florian Bayer: Vielleicht ein bisschen, ja.
Johannes Franke: Aber die Idee ist nett gewesen und ich habe viel Respekt vor ihm auf jeden Fall.
Florian Bayer: Nennen wir ganz kurz noch den dritten Comedian, der da ist, für den ich eine Menge Respekt gewonnen habe.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Seit diesem Film, Pete Klocke.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Den, den, das geht alles von ihrer Zeit ab. Pete Klocke, der Comedian Pete Klocke, der hier nicht nur einen merkwürdigen Typ, ...spielt, sondern auch die Filmmusik gemacht hat.
Johannes Franke: Die Filmmusik gemacht hat. Der hat vorher in irgendwelchen komischen Bands rumgehangen.
Florian Bayer: Nicht nur komische Bands. Ich hab mir das Zeug angehört. Echt?
Johannes Franke: Nein,
Florian Bayer: es gab drei Bands, in denen er Gitarre gespielt hat. Und zwar Gesundes Volksempfinden, Tanzdiele und die wurden dann später umbenannt in Tanzdiebe.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und zu Gesundes Volksempfinden findet man leider nix. Und zu Tanzdiele ist es auch ein bisschen schwer. Aber Tanzdiele und Tanzdiebe ist ja mal richtig... geil. Okay. Das ist wirklich, wirklich guter, jessiger, funkiger, irgendwie so neue deutsche Welle, Avantgarde-Pop.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Mit richtig, also einen Song kennt man wahrscheinlich sogar, der heißt Musik, Musik, Musik.
Johannes Franke: Ja, stimmt. Natürlich.
Florian Bayer: Das ist ein Hit von denen. Krass. So eigentlich die meisten neue deutsche Welle-Bands sind ja dann doch irgendwie One-Hit-Wonder, wenn sie nicht Nina heißen. Und die haben aber das eine Album, The Tanzstile. Ist von vorne bis hinten richtig geiler Pop, so ein bisschen avantgardistisch, so ein bisschen experimentell, so typisch Anfang 80er. Großartiges Zeug, hört euch das an.
Johannes Franke: Wie findest du denn die Musik hier im Film von Pete Glocke? Super. Ja, ich find sie ein bisschen chaotisch, muss ich sagen. Echt? Ja, ein kleines bisschen chaotisch. Nicht immer so auf den Punkt.
Florian Bayer: Ich find sie bringt den nötigen Pathos mit, um das ganze Geschehen so zu überhöhen, wie es überhöht werden muss. Das finde ich macht... Das funktioniert in diesem Film extrem gut, dass dieses Triviale, was wir hier haben. Wir haben Fußballsamstag und wir haben Hooligans, die sich prügeln und saufen. Sowohl die Bilder als auch die Musik heben das so ein bisschen auf so ein, fast schon so ein griechisches Tragödieniveau. Es ist alles so ein bisschen drüber. Wenn wir das Stadion sehen von weit und dann haben wir diese wirklich pathetische Musik, dieses Grün und dann denken wir, wow, hier findet gerade ein Kampf der Götter statt.
Johannes Franke: Ja gut, okay, das stimmt. Aber ja, ich habe so das Gefühl, dass er nicht immer genau auf dem Punkt ist und dass es entweder ein bisschen zu viel oder zu wenig oder vielleicht immer mal an den falschen Stellen zu chaotisch ist.
Florian Bayer: Ich versuche gerade zu überlegen, welche Stellen das sein könnten, weil ich war meistens von der Musik, mich hat die Musik immer so runtergehauen und auch reingezogen.
Johannes Franke: Man kann vielleicht auch nicht immer gleich Musik von Sounddesign unterscheiden in dem Fall, weil die Musik oft in Sounddesign so ein bisschen übergeht und so. Drones drin hat, so fast schon Nolan-artig zwischendurch.
Florian Bayer: Wir haben viel so Spiel mit Geräuschen und auch so mit dieser Mischung aus zu viel Geräusch und Stille. Und was ich wirklich eine Stärke finde, ist, dass diese Stille dann vor allem kommt, wenn das Spiel anfängt. Das Spiel wird angefiffen und dann sehen wir eine Zeit lang das Stadion erstmal nur aus der Distanz und es ist wirklich still. Und auch danach, vom Spiel sehen wir ja nicht viel.
Johannes Franke: Eine der besten Entscheidungen des Films, oder? Ja. Wirklich zu sagen, ich zeige den Fußball gar nicht, darum geht es nicht. Und da kommen wir vielleicht in meine erste Fußballerfahrung. Ich habe erst vor kurzem, ich habe vorher nie im Fußballstadion gestanden, habe keine Ahnung, wie das abläuft und wie die Stimmung ist und so. Ich habe aber ein Projekt gemacht, das ich ganz toll finde, wo ich einfach dabei war, weil sie mich gefragt haben, ob ich die Webseite machen möchte und ob ich Fotos dafür machen möchte. Und da geht es um Inklusion vor allem. Inklusion im Fußball und darum, dass man irgendwie als Fankultur nicht nur normal abled oder standard abled Menschen hat, sondern dass man alle möglichen Menschen mit verschiedensten Behinderungen auch mit inkludiert und mit reinbringt und dass jeder als Fan willkommen ist. Das ist übrigens etwas, was wir inzwischen dieser Zeit voraus haben, von dem wir jetzt reden. In den 90ern war das Ganze ein bisschen problematischer und schwieriger. Aber darüber reden wir auch noch.
Florian Bayer: Aber immerhin darf die Frau im Rollstuhl zum Fußballspiel.
Johannes Franke: Stimmt.
Florian Bayer: Die Fanta ist ja warm, ey. Entschuldigung, erzähl weiter.
Johannes Franke: Und ich hatte damit jetzt am Rande sozusagen zu tun und habe das ganze Konzept und so weiter mit begleitet. Nicht maßgeblich beeinflusst, aber ich habe zumindest herausgefunden, wie die so denken und was die so wollen und so weiter. Und dann gab es einmal die Möglichkeit für mich im Stadion zu sein auch und da mit Fotos zu machen und so. Und es war ganz beeindruckend, weil du hast unten... 22 Leute, die da einen Ball hinterherrennen und drumherum tausende von Leuten, die Zaungäste sind. Aber eigentlich nicht Zaungäste, man hat ja mehr das Gefühl, dass die 22 Leute unten die Zaungäste sind, weil die kleinere Gruppe und die machen auch ihr Zeug für sich. Man hat so das Gefühl, es ist vollkommen getrennt eigentlich. Da unten wird gespielt und die Fans drumherum, die machen ihre Party, die machen ihr Ding draus. Und eigentlich ist das total entkoppelt voneinander. Da unten wird gespielt, die machen ihre eigenen, haben ihr eigenes Ziel, führen ihren eigenen Kampf. Und draußen umrum, es ist eine andere Dynamik. Da geht es um, wer ist für wen, Fangesänge, wir haben wochenlang eine Choreo eingestudiert, die führen wir hier auf. Das ist wie so ein riesiges Treffen von Leuten, die dann zufälligerweise unten sind. noch Leute haben, die spielen. Also so vom Eindruck her.
Florian Bayer: Was mich immer fasziniert hat an Fankultur, ist dieses Ritualisierte. Das ist fast schon was von so einem Gottesdienst. Du hast die Vorbeter, du hast irgendwie die Typen, die wie auch immer in diese Rolle gekommen sind oder gewachsen sind, die halt wirklich den Rhythmus vorgeben, die Trommeln. Du hast die, die die Gesänge vorgeben und dann singen alle mit, die eine Laola-Welle starten und dann wird geboot, wenn die Laola-Welle abbricht. Ich war vor Ach, sagen wir mal so zwölf Jahre, elf, zwölf Jahre war ich beim Union-Fußballspiel tatsächlich. Weil meine Freundin hatte einen Schüler, der sich aufs Abitur vorbereitet hat. Und der ist nicht mehr auf die Schule gegangen. Der hatte verschiedene Probleme und ist deswegen nicht mehr zur Schule gegangen. Und sie hat ihn aufs Abitur vorbereitet und er hat das Abitur geschafft. Und zum Dank hat er uns beide dann zum Fußballspiel eingeladen, weil er war großer Union-Fan.
Johannes Franke: Das heißt,
Florian Bayer: wir hatten auch einen Experten, der uns dann gesagt hat, naja, und wenn angefangen wird zu singen, dann müsst ihr halt einfach mitmachen und so. Das heißt, wir standen auch im Fanblock.
Johannes Franke: Krass, okay.
Florian Bayer: Und ich kann natürlich nicht verallgemeinert reden, weil ich weiß, es gibt so viele unterschiedliche Fußballvereine. Ja. Und wenn ich Fan von einem Verein wäre, dann wahrscheinlich am ehesten die Antifa und den Fußballverein St. Pauli.
Johannes Franke: Okay, ist das so? Ja,
Florian Bayer: die haben eine ganz linke Fankultur.
Johannes Franke: Okay, schön.
Florian Bayer: Auf jeden Fall, ich fand die Stimmung richtig krass. Richtig angenehm krass. Ich habe keine Gewalt erlebt. Ja. Und ich hatte natürlich nur einen Ausstand. Das muss ich immer dazu sagen. Und ich habe auch gar nicht so viele Aggressionen erlebt, sondern wirklich so ein gemeinsames Feiern. Und ich hatte so das Gefühl, ich verstehe, was die Menschen zusammenhält. Einfach auch, du trägst deine Farbencoats, du hast die Kleidung von deinem Verein, du hast deinen Schal und so weiter. Und dann bist du für 90 Minuten irgendwie Teil von so einer Masse. Und es gibt ja diesen Spruch, Fußball ist Ersatzfaschismus. Und das ist es auch in ganz vielen Dingen. Und ich würde das aber auch ganz wertneutral sagen, weil du hast für 90 Minuten diese radikale Gruppenerfahrung, die irgendwie was Religiöses hat, die auf jeden Fall sowas Homogenes hat, sowas Vereinheitlichendes, wo man ganz viele problematische Sachen sehen kann. Aber ich sehe, was die Menschen daran begeistert und ich finde es ist auch nicht schwer, wenn man da mittendrin steht, von dieser Begeisterung mitgerissen zu werden. Ich habe gejubelt an diesem Tag, als Tore gefallen sind und ich habe keinen emotionalen Bezug zu Union Berlin, aber ich habe gejubelt.
Johannes Franke: Ich habe nicht gejubelt. Ich war auch nicht das komplette Spiel drin. Ich hatte dann Gott sei Dank noch andere Sachen zu tun. Und ich habe auch große Probleme mit Menschenmassen.
Florian Bayer: Ja, dann ist Fußball nichts für dich.
Johannes Franke: Dann ist Fußball nichts für mich. Aber ich fand es wahnsinnig interessant. Ich habe das eine Weile ausgehalten. Das war ganz gut. Aber das ist einfach für mich jetzt psychologisch. Es geht nicht darum, dass ich jetzt das verteufeln will oder sowas. Sondern es ist einfach nur eine psychologische Disposition, die ich habe. Dass ich mit Menschenmassen einfach Schwierigkeiten habe auf Dauer. Und dann vor allem Menschenmassen, die laut werden und so. Ich bin sensorisch einfach da ein bisschen empfindlich. Ja. Und ich fand es aber interessant, über dieses Projekt viel mehr Verständnis dafür zu entwickeln, weil ich vorher fast schon so eine Anti-Haltung entwickelt hatte, weil man sich dann doch abgrenzt auch. Was ich spannend finde, was mir jetzt erst aufgeht, weil ich immer Schwierigkeiten damit hatte und es irgendwie seltsam fand, dass Menschen, die Fußball mögen, sich untereinander wahnsinnig abgrenzen müssen und sich angreifen und dann körperlich auch noch richtig wehtun. Ihr liebt doch alle Fußball, was soll das? Was ist los? Und dann wird das alles nochmal unterteilt und dann ist mir aufgegangen, dass diese Abgrenzung, es ist eine urmenschliche Eigenschaft zu sagen, ich habe in Gruppen mich unterteilt. Fußball ist eine Gruppe, aber die ist leider sehr groß. Dadurch kann ich mich nicht mehr als Individuum fühlen. Und ich muss zu große Gruppen nochmal in Untergruppen unterteilen, damit ich mich wieder ein bisschen individuell fühlen kann in dieser großen Gruppe, aber trotzdem als Teil einer anderen Gruppe, einer kleineren Gruppe, nämlich eines Vereins zum Beispiel. Einfach identitätsstiftend etwas findet, was man gemein hat, was einen aber trotzdem abgrenzt von anderen, damit man nicht komplett sein Individuum verliert. Und das ist eine unmenschliche Sache und ich kann es total verstehen. Und ich habe es vorher eben nicht verstanden und habe genau das gleiche gemacht. Ich habe mich abgegrenzt von Fußballfans. Ich habe wiederum diese Gruppe aufgemacht, der Leute, die Fußballfans verachten. Das ist so seltsam.
Florian Bayer: Es ist ja tatsächlich so, dieses... Dieses Herabblicken auf Fußballkultur und Fußballfankultur hat natürlich voll diesen Standesdünkel. Ja,
Johannes Franke: na klar.
Florian Bayer: Es ist eigentlich das Bildungsbürgertum, was sich über dem Proletariat zieht.
Johannes Franke: Total.
Florian Bayer: Weil Fußballkultur ist halt ganz viel auch Proletariatkultur. Und das sehen wir ja ganz krass auch in diesem Film. Das sind halt die einfachen Arbeiter, die zum Spiel gehen, die die Woche geschuftet haben. Wie gesagt, Anfang der 90er wahrscheinlich nicht mehr so in der Montanindustrie. Aber es gibt genug zu schuften im Pott. Und die dann diesen Samstag haben, wo sie einmal wirklich sich lösen können. Ich bin grundsätzlich immer fasziniert von Menschen, die für eine Sache extrem brennen. Und dann spielt es vielleicht gar keine große Rolle, ob das jetzt ein bestimmtes Musikgenre ist oder ob das... Ein spezifischer Sport ist, den man selbst ausführt, ob das irgendwas mit Kunst zu tun hat oder ob es halt Fußball ist. Weil es ist einfach dieses zu sagen, ich gebe mich dieser Sache hin und wenn es einen Tag in der Woche ist, lebe diesen einen Tag für die Sache. Finde ich total faszinierend und finde ich, gibt den Menschen auch eine gewisse Sympathie. Und spüre ich im Film auch vom Film selbst den Protagonisten gegenüber. Echt? Gerade den Fans gegenüber.
Johannes Franke: Weil ich nämlich tatsächlich am Film, am Ende des Filmes. Und ich habe ihn gesehen, nachdem ich eben mit diesem Projekt zu tun hatte. Vorher hätte ich den Film wahrscheinlich anders gesehen, aber dadurch, dass ich so in den Fußball reingucken konnte in der Form und auch vor allem von der Seite, vom Aspekt der Inklusion im Fußball und auch einer offenen, weltoffeneren Ansicht und so einer Fankultur, die irgendwie cooler ist, die irgendwie auch besser ist als das, was im Film gezeigt wird, habe ich Schwierigkeiten mit dem Film gehabt, weil ich nicht... die Liebe gesehen habe, die ich bei den Leuten gesehen habe, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Und das fand ich fehlte mir dann im Film. Weil der wirklich sehr hart drauf drischt und ganz, ganz stark die ganzen Machtprobleme und so weiter. Ich soll ja alles ansprechen. Machtprobleme, Hooligans und alles dazwischen. Aber es wird sehr, sehr wenig der einfache Liebe-Fan gezeigt. Und den gibt es in der Kneipe ein bisschen, aber echt nicht viel.
Florian Bayer: Dieser einebärtige Typ. der am Ende nach dem Spiel da heulend steht und sagt, hey, die können doch nicht absteigen, die sind auch viel zu gut, auch mental. Das finde ich so einen Moment der Liebe und der Zärtlichkeit.
Johannes Franke: Aber das ist halt der eine Typ am Ende, weißt du. Aber auch Hubsi,
Florian Bayer: Stefan Jürgens, wenn er mit Teddy redet und wir merken, er macht sich tatsächlich Gedanken um Teddy. Und es ist auch so was, was wirklich nur so geschweift wird, aber offensichtlich weiß Hubsi, dass Teddys Frau fremd geht und redet so mit ihm. Und offensichtlich nimmt sie ihn auch in irgendeiner Form mit, sonst würde er nicht so mit Teddy reden.
Johannes Franke: Aber das ist nicht die Fußballkultur, um die ich mir gerade Sorgen mache. Das ist ja dann eher ein privater Moment, der dann vielleicht noch mit Fußball so am Rand zu tun hat. Aber eigentlich, was ich vermisse, sind ja nicht die persönlichen privaten Momente, sondern die Liebe zum Fußball.
Florian Bayer: Aber das ist die Gemeinschaft, die überhaupt dadurch erst entsteht. Ja. Diese Typen haben ja wahrscheinlich gar nicht viel Gemeinheit in ihrem sonstigen Privatleben oder Arbeitsleben. Die sind einfach zusammengehalten dadurch, dass sie... diese Fußballgemeinschaft bilden.
Johannes Franke: Ja, aber das ist wie, wenn du sagst, da sind doch zwei Frauen in dem Film, der kann doch gar nicht sexistisch sein, weil die reden doch auch über irgendwas.
Florian Bayer: Wenn wir Anfang der 90er von Frauen reden, die von Fußball reden, da finden Frauen einfach nicht statt.
Johannes Franke: Aber weißt du, was ich meine? Das ist ja nicht, das ist kein Indiz dafür, dass es um Liebe für den Fußball geht, sondern es geht darum, dass zwei Menschen, die zufälligerweise auch Fußballfans sind und vielleicht auch genau zufälligerweise deswegen zusammenkommen, über private Sachen reden. Nein,
Florian Bayer: der Fußball ist dabei auch gar nicht mehr so wichtig. Es ist einfach diese Gemeinschaft. Dieses Gefühl der Gemeinschaft, man gehört einfach zusammen und man hält auch irgendwie zusammen.
Johannes Franke: Da sagst du aber einen Punkt, den der Film tatsächlich ganz, ganz stark nach vorne stellt und den finde ich auch stark, aber hört halt an 80 Prozent des Films auf zu funktionieren, dass der komplett den Fußball ausblendet. Er zeigt ja die Spiele nicht, er zeigt nur alles drumherum, die ganze Machtscheiße drumherum, die ganze Gewaltscheiße drumherum. Der Fußball... wird von allen konsequent ausgeblendet. Außer von den ein, zwei Leuten in der Kneipe, die das gerne hören wollen wirklich. Und die gerne mehr wollen, als nur sich besaufen und prügeln.
Florian Bayer: Nur bei sich die Fahne raus. Nur bei sich.
Johannes Franke: Ja, das ist total süß. Aber das ist halt sehr, sehr wenig. Das ist so wenig zu sehen, dass ich denke, dass er so unversöhnlich mit dem Ganzen ist und so auf Kriegsfuß. Mit diesem Problem. Was ich auch verstehen kann, weil es musste einiges passieren, damit das nicht mehr so schlimm gelaufen ist. Und da können wir auch drüber reden, was die alles gemacht haben, damit es heute so ist, wie es heute ist.
Florian Bayer: Wir haben ja eine sportliche Geschichte quasi in dem Film. Und das ist die von dem Ersatzspieler Nibiru. Der am Anfang mit Uschi, mit der Frau von Teddy, von dem Wirt,
Johannes Franke: Sex hat. Was ich nicht mehr zusammenbekommen habe irgendwann, weil so viele Figuren zwischendurch und so viele andere Geschichten aufgemacht wurden. Dass ich nicht mehr verstanden habe, ach, das war der Typ, das ist der Ersatzspieler, der vorher mit der Frau zusammen ist. Das habe ich überhaupt nicht mehr zusammenbekommen, weil zu viel passiert ist zwischendurch.
Florian Bayer: Ich finde, man muss auch erstmal checken, was überhaupt seine Rolle ist und wie er überhaupt im Verein steht. Weil offensichtlich ist er irgendwie ein hoffnungsvolles Nachwuchstalent, aber stand nie auf dem Platz. Nee. Er sitzt die ganze Zeit auf der Ersatzbank. Das ist was, wo mein Verständnis für den Sport so ein bisschen aufhört. Weil es ist ja wirklich Realität. Vereine kaufen sich Spieler und es gibt einfach Spieler, die sitzen ein Jahr lang auf der Bank.
Johannes Franke: Das ist super seltsam.
Florian Bayer: Was für ein schreckliches Leben. Du musst doch selbst irgendwann so tiefst frustriert sein. Also ich meine, du trainierst halt mit den anderen und so. Und du bist dabei, wenn es Mannschaftsbesprechungen gibt. Aber dein Job ist es dann in den entscheidenden 90 Minuten da zu sitzen und zu gucken und nichts machen zu können.
Johannes Franke: Ja. totaler Scheiß. Und das in dem Alter, wo man aber wirklich was will, wo du wirklich nach vorne preschen willst und was verändern willst und machen willst und
Florian Bayer: Und man merkt ja auch, dass er was will. Er hat tatsächlich diesen Ansporn und er redet dann ja auch relativ ruppig mit seinen Teamkameraden und sagt, heute stehst du mir nicht im Weg, heute komme ich auf den Platz und heute mache ich mein Tor. Ich finde, es ist die schwächste Geschichte in diesem ganzen Konglomerat. Weil dieses am Schluss, dass er kneift dann, mir fehlt so ein bisschen die Erklärung dafür.
Johannes Franke: Ist der Vater. Der Druck. Der Druck ist zu hoch. Also ich finde die Szene tatsächlich auch gut inszeniert in dem Moment. Ich weiß nicht genau, wie er darauf kommt. Der Film arbeitet nicht gut drauf zu, finde ich, weil der Vater nicht gut genug eingeführt wird. Er macht zwar Druck, aber ich habe ihn ja schon wieder vergessen, wie gesagt. Der kommt ja am Anfang, um ihn abzuholen von seiner Affäre da.
Florian Bayer: Der ganz empört vom Haus steht und dann sagt, hier gehe ich nicht rein.
Johannes Franke: Aber ich kann die Geschichte nicht verfolgen, weil zu viele andere Sachen passieren. Und deswegen wird mir das nicht gut genug hergeleitet, dass der Vater derjenige ist, der den ganzen Druck aufbaut. Aber in dem Moment, kurz bevor der das Stadion wirklich verlässt, werde ich sensorisch so überfordert mit allem, wie der Spieler eben auch in dem Moment, sodass ich voll emotional mitgehen kann und verstehen kann, wieso der abhaut. Das kriege ich hin.
Florian Bayer: Das Ganze drumherum kriegt ja wirklich so was Bedrohliches, wenn wir diese Fans haben, die aus dem Spielfeld treten. Ja, ja. diese Massen und die schreien und die die ganze Zeit singen. Ich fand halt, ich glaube, ich fand ihn als, ich hatte so das Gefühl, er könnte, weil er so ein bisschen sensibel ist, er könnte so ein bisschen, er könnte irgendwie sowas wie eine Identifikationsfigur sein.
Johannes Franke: Aber darauf verzichtet der Film ja komplett.
Florian Bayer: Aber dann wird er auch einfach zu sehr in seiner Schwäche gezeigt. Also er ist, er kneift einfach. Es gibt auch, es gibt keine tiefere Überlegung dahinter, sondern er kneift einfach. Er haut einfach ab, weil er sich jetzt nicht traut, diese Verantwortung zu übernehmen.
Johannes Franke: Und es tut mir schon wirklich leid, weil ich dann natürlich den Vater sehe und danach verstehe, ach so, das ist wegen des Vaters, der da so einen riesen Heckmeck macht. Der
Florian Bayer: Vater haukt ja mit ihm Italienisch. Im Auto hören sie sich diese Sprachkarte an. Weil das Ding Anfang der 90er ist, du willst eigentlich einen Verein irgendwo in Europa, du willst nach Spanien oder Italien.
Johannes Franke: Verstehe ich aber gar nicht. Warum? Also die Bundesliga, also wir haben Unsere Ligen in Deutschland waren zu der Zeit in Europa richtig, richtig groß.
Florian Bayer: Ja, aber die Nationalspieler, die richtig starken Nationalspieler, die Weltmeister von 1990, die haben in Italien gespielt. Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann.
Johannes Franke: Aber warum?
Florian Bayer: Weil die mehr bezahlt haben, glaube ich. Ach,
Johannes Franke: scheiße. Okay, verstehe.
Florian Bayer: Ich habe ganz gerne ein bisschen Bundesliga-Geschichte gebraucht, um mich hier vorzubereiten. Und die Bundesliga war nicht so alt wie andere. europäische Ligen. Die Bundesliga wurde relativ spät gegründet und zwar erst in den 60ern. Anfang der 60er, weil die ganzen Landesverbände und die Vereine Angst hatten, dass das Ganze zu marktwirtschaftlich wird und dass sie das nicht leisten können finanziell. Deswegen wurde die Bundesliga erst in den 60ern gegründet und zwar, weil die deutsche Nationalmannschaft einige harte Niederlagen erlebt hatte gegen Italien und Spanien oder andere europäische Vereine, die andere europäische Länder, die schon deutlich professionalisierter waren in ihren Ligen. Und dadurch wurde die, genau, und dann wurde sie erst gegründet. Das heißt, die Bundesliga ist nicht so alt und die Bundesliga ist dann immer so ein bisschen hinterher gedackelt, was das Geld betrifft. Die waren, die Millionen, die geflossen sind, das kam dann noch später, das kam dann zehn Jahre später. Das erste Mal eine Ablösesumme von einer Million war Mitte der 70er Jahre.
Johannes Franke: Eine Million, meine Güte. Es wird ja immer schlimmer, ne? Also es ist ja nicht so, dass wir da irgendwie...
Florian Bayer: Das ist total krass, was jetzt mittlerweile für Spieler bezahlt wird und wie das überhaupt funktioniert. Wenn man sagt Menschenhandel, dann ist das so, macht das tatsächlich Sklaverei.
Johannes Franke: Zu klein.
Florian Bayer: Zu klein, genau. Das ist es nicht, aber es ist halt schon irgendwie krass, wie da mit Menschen gefeilscht wird und hantiert wird und wie Vereine da Gelder hin und her schieben und Menschen hin und her schieben. Na, auf jeden Fall war es so, dass das Geld lag einfach auch Anfang der 90er noch eher bei den ausländischen Vereinen. Das große Geld. Und vielleicht auch das große Renommee. Und wie gesagt, es hat ja funktioniert. Also die großen Spieler, die haben vor allem in Italien gespielt. Und die waren dann in der deutschen Nationalmannschaft. Und die deutsche Nationalmannschaft ist 1990 Weltmeister geworden. Ja,
Johannes Franke: na die Entwicklung ist ja tatsächlich auch vom Film nicht schlecht getroffen, weil die Ligen sich mit dem Geld tatsächlich ziemlich verzettelt haben und auch echt Probleme hatten und echt immer Angst hatten, dass sie zumachen müssen, weil sie... weil sie einfach mit dem Geld nicht richtig haushalten konnten. Ich weiß nicht, ob das vielleicht auch einfach damit zusammenhängt, dass sich irgendwelche Manager irgendwie einen Haufen Geld in die Tasche gesteckt haben. Aber das sind alles Sachen, da habe ich nicht tiefer reingeschaut. Da wollte ich mich nicht frustrieren lassen. Aber es war wirklich ein Problem und wirklich schwierig.
Florian Bayer: Ja, Vereine, die Konkurs anmelden mussten oder liegen runtersteigen mussten, weil sie kein Geld mehr hatten. Das gibt es einfach in der Geschichte der Bundesliga. Und das ist auch sowas, was hier immer nur so angerissen wird. Wir verstehen nicht genau, warum Union Dortmund jetzt... in Geldschwierigkeiten.
Johannes Franke: Das ist übrigens ein erfundener Verein, es gibt ihn nicht, nur zur Info kurz.
Florian Bayer: Borussia Dortmund, also der am ehesten da dran läge, war auch Anfang der 90er deutlich erfolgreicher und hatte deutlich weniger Probleme als dieser Verein, der kurz vorm Abstieg steht, offensichtlich tief in den miesen roten Zahlen steckt und wo sich alle gegenseitig hassen. Es wird ja nicht so genau erklärt, was die Probleme sind und wir haben dann immer nur so diesen Versuch der Lösung. Und das ist vielleicht auch was ganz Spannendes, was hier so angedeutet wird, was in den 90ern, 2000ern immer krasser wurde, so dieses nach außen schauen, so sich diese Hilfe aus der Wirtschaft holen und wir sind noch nicht an dem Punkt, wo dann ein Verein quasi zum Red Bull gehört, aber so weit sind wir nicht davon weg, wenn sie sagen, wir wollen die Investoren und oh, aber das sind komische Leute und wollen wir wirklich mit denen zusammenarbeiten. und es zeigt so ein bisschen, wie dieser Kapitalismus auf den Verein wirkt und naja, wie die Moral flöten geht und vor allem wie auch das Naja, die Leidenschaft für den Verein flöten geht, weil dann nimmt man sie den Verein vor allem als Zahlen und sagt dann, naja, wir haben den Spieler und den Spieler und den Spieler, die können wir verkaufen, wir können ganze Garten an jungen Nachwuchsspielern, können wir dahin verscheuern.
Johannes Franke: Ja, ja, ja, das ist krass. Also dieser eine Typ, der da als Menschenhändler ja quasi auch bezeichnet wird.
Florian Bayer: Roland Bayer.
Johannes Franke: Der Roland Bayer. Der schmierige Typ. Der schmierige Typ. Was ist das ekelhaft. Vor allem, wenn er mit der Frau dann noch zu dem Fußballspiel geht und sie noch angräbt und ihr versucht irgendwie noch. Es ist Zeit. Er redet ja nicht über Fußball, es geht ihm wirklich nur um Sex. Sex und Geld, das sind die beiden Sachen, an die er denkt.
Florian Bayer: Er guckt ja auch das Spiel überhaupt nicht. Er geht mit ihr irgendwann ins Stadion während des Spiels und sagt dann, ja, Zeit, wollen wir nachher noch ficken?
Johannes Franke: Ja, das ist so krass. Mann, Mann, Mann. Also ich meine, insofern ist es gut inszeniert, aber auch er ist eine Karikatur.
Florian Bayer: Also er ist tatsächlich eine krasse Karikatur. Bernd Stegemann heißt der Schauspieler.
Johannes Franke: Ja, ja, der bis heute sehr erfolgreich im deutschen Fernsehen ist. Also ein guter, guter Kollege.
Florian Bayer: Und es ist einfach, du siehst diesen Typen und denkst, ah, Zuhälter.
Johannes Franke: Ja, total.
Florian Bayer: Es ist wirklich so ein bisschen, male mir das Bild eines Zuhälters. Ich fand, es war vor allem eine witzige Figur. Ich fand, es war eine von den Figuren, denen man keine Sympathie entgegenbringen muss und die auch keine Menschlichkeit... zeigen muss, sondern die einfach nur schmierig und widerlich sind. Und wo man sich auch so ein bisschen freut, sie zu hassen. Und dann auch der Optimismus am Schluss, dass der auf die Fresse kriegt.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Ich meine, er erreicht zwar wirtschaftlich, was er will, weil er hat den Verein fest in seiner Hand. Und offensichtlich kriegt er auch einen Posten im Verein, weil die sich sehr leicht brechen lassen, der Vorstand, für ein bisschen Geld. Ja,
Johannes Franke: was schon ein bisschen crazy ist. Also wo ich auch ein bisschen glaubwürdigkeitsprobleme habe. Ja. Also.
Florian Bayer: Das ist ein bisschen too much. Aber er kriegt auf die Fresse und das ist echt so ein Stückchen Nuketung, wenn Teddy ihm dann am Schluss aufs Maul hauen darf.
Johannes Franke: Aber das ist die nächste problematische Szene, finde ich. Der Film versucht ja sehr viel so männliche, so toxische Männlichkeit zu thematisieren und die Probleme damit zu klären und so. Ich finde allerdings, dass das nicht 100% rauskommt, dass er so weit denkt, dass das vielleicht nicht die beste Methode ist, da jetzt auf die Fresse zu hauen und den Typen ins Taxi zurück zu... lagen. Und dann sagt die Frau, ach Schatz, das ist aber schön, dass du das gemacht hast.
Florian Bayer: Das ist ein bisschen plump. Aber Teddy ist immer noch derselbe, weil er immer noch ein Bier ausgibt. Ich mag das total, wenn er am Schluss, wenn er Michael Kessler einmal zurückdrückt, weil jetzt ist er voll in seiner Männlichkeitsphase, er hat den einfach in sich entdeckt.
Johannes Franke: Ganz toll.
Florian Bayer: Aber dann sagt er, willst du ein Bier haben? Und ich mag das auch, dass er, weil offensichtlich ist dieser Teddy jemand, der Dem ist schwer, vielleicht jemandem einen Gefallen abzuschlagen. Und es gibt einfach diesen süßen Momente, wo man merkt, jetzt versucht er, den Kerl raushängen zu lassen. Aber im nächsten Moment gibt dir ein Bier aus. Und hupsi, nochmal, um auf unseren Hooligan zurückzukommen, auf unseren Stefan-Jürgens-Hooligan. Ist ziemlich clever, der durchschaut das nämlich und sagt so, ey, wow, du bist ja voll mutig jetzt auf einmal, ey, jetzt hab ich voll Angst vor dir. Aber gibst mir ja noch ein Bier aus, oder? Und damit ist die Situation gelöst. Das finde ich ist auch wieder so ein niedlicher Moment, weil wir merken, dass dieser Hubsi cleverer ist als das, was er da macht. Ja,
Johannes Franke: ja, na klar.
Florian Bayer: Und das ist natürlich schon ein netter Moment zwischen den beiden.
Johannes Franke: Das ist gut, dass er nicht in diese Falle tritt, dass er den Hooligan nun als strunzdoof darstellt, nur alle. Gibt's auch. Aber er ist halt nicht umsonst vielleicht derjenige, der ganz vorne an der Spitze steht. Aber trotzdem nochmal zurück, Entschuldigung. Aber ich finde, dass der Kneipenbesitzer von Anfang an das Problem an die Seite gestellt bekommt, dass er nicht männlich genug ist, um sich durchzusetzen gegen alle Leute, die da kommen. Nicht mal gegen seine Frau sich durchsetzen. Was schon so eine Formulierung, weißt du, um Gottes Willen, gegen seine Frau sich durchsetzen, was soll das? Was ist überhaupt so eine Denke? Das geht doch nicht, was soll das? Und ich glaube, das ist einfach eine Denke aus den 90ern, die, die, er hat versucht, das irgendwie, diese toxische Männlichkeit der Fans und so weiter und der Führungsriege und so irgendwie darzustellen, aber da ist es ihm irgendwie echt entglitten habe ich.
Florian Bayer: Das ist ihm vor allem in diesem Happy End entglitten. Also ich stimme dir voll zu, dass er den Typen schlägt und dann die Frau nochmal sagt, jetzt habe ich plötzlich meine Liebe wieder für dich gefunden.
Johannes Franke: Total.
Florian Bayer: Oh, Gewalt ist das Ziel.
Johannes Franke: Toll. Und sie ist auch herausfordernd. Sie arbeitet ja darauf hin die ganze Zeit. Total. Sie provoziert das ja mit... wie sie ihm fremd geht und so weiter. Das sind ja alles Sachen, da versucht sie eine Reaktion von ihm zu fordern. Und mit dieser Methode, die dieser Film nicht im geringsten hinterfragt, hat sie Erfolg. Und das finde ich nicht gut.
Florian Bayer: Ich hätte tatsächlich gerne mehr von dieser Uschi gesehen, weil ich fand die Schauspielerin ziemlich gut.
Johannes Franke: Die hat ja auch einen Preis dafür bekommen, oder? Hat die nicht auch einen Preis dafür bekommen?
Florian Bayer: Weiß ich nicht genau, die ist auf jeden Fall 2020 gestorben. Renate Krössner. Und die war mit dem Schauspieler von dem Bayer, von dem schmierigen Zuhälter. zusammen. Ich glaube nicht verheiratet, aber die haben einen Sohn gemeinsam. Ah,
Johannes Franke: okay. Ja, ja, ja, ja. Deutscher Filmpreis hat sie bekommen. Ah, ja, ja.
Florian Bayer: Und sie ist ein DDR-Flüchtling. Sie ist 1985 zusammen mit dem Bernd Stegemann aus der DDR raus.
Johannes Franke: In die DDR geflüchtet.
Florian Bayer: Aus der DDR raus. Schade. Sie hat in Solo Sunny von Konrad Wolff mitgespielt, was offensichtlich ein relativ bekannter DEFA-Film ist. Da hat sie eine Schlagersängerin gespielt. Okay. Und ich glaube unter anderem, das war auch ein Grund, Und ich... Aber ich krieg's nicht mehr so ganz zusammen, warum sie mit der DDR-Führung aneinandergeraten ist. Sie hat dann sehr lange dafür gekämpft, dass sie ausreisen kann und 1985 konnte sie ausreisen. Krass. Ich find, sie spielt das gut. Ja. Ich find die Rolle auch interessant, weil sie so eine Rolle der unausgesprochenen Konflikte ist. Wir haben öfter diese Szenen mit ihrem Mann zusammen, sowohl in der Kneipe als auch zu Hause, wo wir merken, das ist ganz viel unausgesprochener Konflikt.
Johannes Franke: Ja, voll.
Florian Bayer: Und sie trägt das. Also die Schauspielerin trägt auch, dass die Rolle das in sich trägt. Sie ist halt einfach ein bisschen zu wenig präsent. Sie kriegt einfach zu wenig Leinwandzeit. Also dass man dann mehr damit machen könnte. Auch dass sie zu diesem Bayer offensichtlich irgendeine Art von Beziehung hat, die vor allem darin besteht, dass er sie flachlegen will und sie eigentlich keinen Bock hat.
Johannes Franke: Ja, genau. Aber es hat offensichtlich schon mal geklappt. Also es wirkt die ganze Zeit durch, dass die schon mal was hatten.
Florian Bayer: Ja. Na, sie scheint auf jeden Fall sehr, sehr freizügig, freigebig zu sein mit Sex. Ja. Es wird ja auch überhaupt nicht erzählt, warum sie mit diesem Fußballer was hat. Also ich finde diese Vorstellung, dass die Frau eines Kneipenbesitzers, die selbst den ganzen Tag offensichtlich in der Kneipe steht, wie kommt sie an diesen Ersatzspieler ran?
Johannes Franke: Das ist doch die Fußballkneipe. Da sind doch auch Fußballspieler, weil der ehemalige Spielspieler da der Chef ist.
Florian Bayer: Ja, wahrscheinlich ist das irgendwie. Ja, aber ich finde es so.
Johannes Franke: Nein, es ist aber genau das, was wir am Anfang hatten. Das kondensiert den ganzen Kosmos, die ganze gesellschaftliche Struktur, die aufgebaut wird im Film. Das komprimiert das so alles auf so eine fast schon hierarchiefreie Sache. Ja. Weil alle mit allen irgendwie was zu tun haben. Und man sich dann fragt, ja, wie kommt das denn jetzt zustande?
Florian Bayer: Ich würde gerne noch kurz über zwei Figuren reden, weil ich die interessant finde und weil ich die schwer greifbar finde. Und zwar, die offensichtlich auch irgendwie miteinander befreundet sind. Gottschalk und Geier. Also Geier, Piet Glocke und Gottschalk, der Säufer.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Vor allem, der vor allem als Alkoholiker gezeigt wird. Wer ist dieser Geier? Was ist das für eine Rolle, die Piet Klocke da spielt? Offensichtlich jemand, der sich einschließen lässt in einer Kneipe, um einen Schlafplatz zu haben?
Johannes Franke: Ja, ja. Ich glaube, der ist eine der abgehängten Personen, die irgendwie keinen richtigen Anschluss finden. Ich weiß nicht mal, ob der irgendwas mit Fußball zu tun hat. Er wirkt,
Florian Bayer: als ob er irgendeine psychische Erkrankung hätte, die nicht mehr definiert ist.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Also auch so, wie er redet. Und ja, hat er eine Art Familie da einfach gefunden, wo er sich wohlfühlt?
Johannes Franke: Ich glaube, dass, also vielleicht ist es ein bisschen romantisiert, aber ich glaube, dass Menschen, die vielleicht auch eine mit psychischen Krankheiten oder mit Besonderheiten, wenn es selbst keine Krankheiten sind, es gibt ja auch viele psychische Besonderheiten, die keine Krankheiten, sondern einfach so halt eine andere Form von Wahrnehmung der Welt ist.
Florian Bayer: Oh, harter Themenwechsel. Im neuen ICD haben sie Persönlichkeitsstörung, haben sie geändert und zwar wollen sie jetzt das mehr anerkennen, dass das auf dem Spektrum ist. Und davor gab es ja diese Unterteilung in... Angststörungen und narzisstische Störungen und so weiter. Und das nehmen sie alles komplett weg und sagen, ey, jeder Mensch hat ein bisschen Narzissmus in sich, jeder Mensch hat ein bisschen Ängste in sich und so weiter. Und wir schauen, wir akzeptieren mehr, dass dieses, dass das ein Spektrum ist und dass du nicht einfach sagen kannst, ab dem Punkt ist es Persönlichkeitsstörung und versuchen das ein bisschen differenzierter zu sehen, vor allem den Leidensdruck des Patienten mehr mit einzubeziehen.
Johannes Franke: Wird schwieriger mit der Krankenkasse.
Florian Bayer: Aber ist wahrscheinlich näher an der Realität des menschlichen Geistes.
Johannes Franke: Definitiv. Ah, super. Also an sich ein guter Schritt. Ich bin gespannt, wie die Krankenkasse das auslegt. Dann wird die öfter mal sagen, nein, das ist jetzt aber auch noch nicht so schlimm, dass wir jetzt was bezahlen müssen.
Florian Bayer: Und damit zurück zu Geier.
Johannes Franke: Ich glaube, dass Fußball oder vor allem Fußball, jetzt fällt mir ein, vielleicht gibt es noch andere Sachen, aber Fußball so eine Form von Gemeinschaft gebildet hat, dass sie oft schon in der Lage war, Menschen Die sonstigen... nirgendwo Anschluss finden, Anschluss finden. Und das ist ein ganz, ganz großes Pfund von diesen Gemeinschaften, dass sie sagen, nö, du gehörst dazu, alles gut. Also du hast für das und das Problem oder wir haben immer mal Schwierigkeiten mit dir, aber du wirst mitgenommen. Zu den Spielen mitgenommen, wir drücken dir eine Fahne in die Hand und alles mögliche. Ich finde das gut.
Florian Bayer: Und dann haben wir doch wieder das Thema Inklusion, ohne große Reflexion, ohne großen akademischen Hintergrund und so weiter.
Johannes Franke: Das stimmt.
Florian Bayer: Aber sowohl Gottschalk als auch Geier, wie die da drin rumhängen, wie die da dabei sind,
Johannes Franke: Die sehen schon auch ein bisschen verloren aus die ganze Zeit.
Florian Bayer: Und es geht ja auch nicht ohne Brutalität, aber es gibt ja diese wirklich harte Szene, wo Hubsi Gottschalk den Ball einmal voll ins Gesicht wirft. Und eben einmal auch so komplett grundlos. Also er hat ihn davor schon so ein bisschen gefoppt, weil Gottschalk irgendwas erzählt von irgendeinem Verein, bei dem er wohl war. Und er sagt, das ist Quatsch, denkst dir das aus oder so. Und dann kommt diese Gewalt wie aus dem Nichts. Das finde ich echt eine krasse Szene, weil er sieht, Er muss ja sehen, dass das eine Konsequenz hat. Er pfeffert ihm den Ball einfach voll ins Gesicht und er fängt auch direkt an zu bluten. Und danach haben wir aber auch fast wieder diese zärtliche Szene, wo er ihm das Blut abtrocknet und das Hemd zumacht und ihn dann auch mit in seine Arme nimmt. Also diese Brutalität spielt da mit rein. Das ist also irgendwie eine schräge Art von Inklusion. Aber sie ist da, sie ist filmpräsent. Und ich finde, der Film zeigt das auch nicht einfach nur so von außen abwertend, sondern halt auch mit einer gewissen Sympathie. Gerade für diesen Gottschalk, der halt sich, wenn es losgeht, betrinkt er sich irgendwann. Es gibt diesen Moment, wo er da einfach steht, er hat diese Gläser vor sich und sagt einen für die Mama. Nee, er sagt einmal auf die Mama rauf, dann wieder von der Mama runter und trinkt einen kurzen nach dem anderen. Wir merken, das ist einfach nur Komasaufen. Kein anderes Ziel, als sich jetzt vor dem Stadion ordentlich zu betrinken. Ja, krass. Aber er hat irgendwie so eine gewisse Sympathie für diese Figur und ich finde diese Figur auch faszinierend. Ich will mehr über ihn wissen. Warum hat er Angst vor seiner Mama? Was ist das? Wie lebt er? Was macht er, wenn er nicht diesen Samstag hat?
Johannes Franke: Ich finde es auch interessant. Das ist tatsächlich etwas, was der Film wirklich gut macht, ist den Figuren eine Welt zu geben, die wir nicht komplett durchdringen, aber wir wissen, sie ist da. Oft wirken ja in Filmen, die so, also gerade Figuren, die so Nebenfiguren sind, wie so Pappaufsteller. Man weiß genau, der hat genau diesen einen Satz und dann hat er keine Welt dahinter. Da ist nichts. Drehbuchautor hat sich keine Gedanken gemacht, warum diese Figur da ist und was seine Geschichte ist. Für ihn ist es ein Pappaufsteller und für uns dann im Film beim Gucken auch. Und hier hat man das Gefühl, das ist eine sehr reiche Welt. Jeder hat eine Geschichte hinter sich, auch wenn ich sie nicht kenne und nicht erzählt bekomme. Oh mein Gott, Flo, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir?
Johannes Franke: Oh mein Gott, ich glaube, oh nein, wir sind in einer Self-Homo.
Florian Bayer: Nein, shit. Ganz schnell, damit wir zurückfinden.
Johannes Franke: Ihr da draußen, es gibt wahnsinnig viele Wege, wie ihr uns unterstützen könnt. Und wir brauchen Unterstützung, glaubt ihr.
Florian Bayer: Wenn ihr uns ein bisschen Trinkgeld dalassen wollt, macht das doch bitte über buymeacoffee.com. Den Link findet ihr auch in der Episodenbeschreibung.
Johannes Franke: Könnt ihr uns gerne ein paar Euro geben, gerne auch gleich monatlich einstellen, nicht wahr? Denn Kosten haben wir genug.
Florian Bayer: Wenn ihr uns mit Geld zwingen wollt, einen bestimmten Film zu besprechen... Ist das eure Chance? Das könnt ihr nämlich über dieses Formular auch machen.
Johannes Franke: Oder ihr schickt uns einfach so einen Filmvorschlag, ohne Geld. Und Feedback gerne an johannes.at muss man sehen.de und florian.at muss man sehen.de.
Florian Bayer: Außerdem freuen wir uns natürlich über jedes Abonnement, egal ob bei Spotify, Apple Podcast, Deezer, Amazon Music, whatever.
Johannes Franke: Was uns total helfen würde, ist, wenn ihr uns so fünf Sterne oder Herzchen oder sonst irgendwas, was auch immer euer Podcatcher anbietet, gebt. Und am besten auch noch gleich eine Review dazu schreiben.
Florian Bayer: Ah super, fehlt noch irgendwas?
Johannes Franke: Ne, ich glaube, wir haben alles, wa?
Florian Bayer: Okay, dann ganz schnell zurück in die Episode. Man hat immer das Gefühl, es sind so Klischee-Figuren. Also gerade auch so dieser Reporter, dieser Kommentator. Allein schon, dass er Bernd Tschitschinski, Manni, Manni Tschitschinski. Er ist so ein Abziehbild von einem Fußball-Kommentator. Ja,
Johannes Franke: total.
Florian Bayer: Und dann auch dieser Richie, der beim Trainer dabei ist, dieser Assistent vom Trainer, keine Ahnung. Der ist so ein Abziehbild. Abziehbild von so einem Trainerassistenten, der irgendwie dabei ist, der die ganzen alten Geschichten kennt.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Am schlimmsten finde ich es, muss ich sagen, beim Trainer selbst.
Florian Bayer: Beim Trainer selbst.
Johannes Franke: Der ist totaler Abziehbild, ein totaler Sticker von so einem Trainer.
Florian Bayer: 90er Jahre Trainer.
Johannes Franke: Ich glaube ihm leider überhaupt nicht so richtig. Keine Emotionen glaube ich ihm so richtig.
Florian Bayer: Das ist der größte Schauspieler in dem Film, ne? Das ist der, der die meisten Kinofilme gedreht hat. Der hat fucking Schindlers Liste gespielt und Stalingrad und Comedian Harmonist, Jochen Nickel.
Johannes Franke: Scheiße. Und es tut mir so leid, aber ich muss ihm sagen, nein, in diesem Film nicht. Nein, wirklich nicht. Ich finde die nicht richtig.
Florian Bayer: Ich stimme dir zu, dass er voll das Abziehbild ist. Und ich finde, da sind noch mehr so Abziehbilder. Ich finde die toll. Ich finde, das ist der Moment, wo der Humor in diesen Film reinkommt.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: aber auch für mich als Außenstehender, der wenig Bezug zur Fußballkultur hat. Vielleicht ist das ein sehr hartes Urteil, dass es ein Fußballfilm für Leute, die keinen Fußball mögen ist. Weil diese Abziehbilder helfen mir reinzukommen, weil ich direkt verstehe, ah, das ist so der Klischee-Trainer, ah, das ist so der Klischee-Assistent. Ich verstehe, dass das der Manager ist, einfach weil er sich so verhält, wie ich mir einen Manager vorstelle.
Johannes Franke: Wobei ich auch das Gefühl habe, wenn ich einen Film gucke, ich... An mir gehen so 80% der Anspielungen vorbei. Ja,
Florian Bayer: bestimmt.
Johannes Franke: Weil der Film halt wirklich voll von solchen Sachen ist, wo man dann denkt, ah, okay, hier erkennt jemand anders bestimmt irgendwas und an mir geht's vorbei.
Florian Bayer: Winkelmann hat gesagt, es war unser Ziel, jede Figur bis auf die Haut nackt auszufliehen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und wenn ich mit Leuten geredet habe, die waren immer total begeistert davon, wie die Leute dargestellt wurden. Ich hab mit Fans geredet und die haben gesagt, geil, wie du den Trainer dargestellt hast. Genauso ist es geil, wie du die Spieler dargestellt hast. Genauso ist es geil. Aber wie du die Fans dargestellt hast, so sind wir nicht. Und er hat mit Fußballern geredet und die haben gesagt, geil, wie du die Fans dargestellt hast. Genau so sind sie. Geil, wie du den Manager dargestellt hast. Genau so sind sie. Aber in der Mannschaft, das ist nicht so. Das ist total falsch, was du da gezeigt hast. Und das muss ich wohl wie ein roter Faden durch die Rezeption von diesem Film gezogen haben.
Johannes Franke: Borussia Dortmund war überhaupt nicht zufrieden. Die Fans waren so, die waren echt, oh. gönnen mich alle mal.
Florian Bayer: Aber das ist für mich ein Zeichen, dass er hier irgendwie was richtig macht. Aber die Leute, die nicht gemeint sind, sagen, genau so ist es.
Johannes Franke: Ja, aber das zeigt auch, dass die Karikatur entsprechend groß ist. Es ist halt tatsächlich, der Film kommt sehr sozialstudig daher. Man hat so das Gefühl, also, der eigentliche Untertitel war Menschen am Samstag.
Florian Bayer: Ja, ja. Und der eigentliche Untertitel, der ist nicht mehr drin. Wenn wir das festhalten. Voll Sozialstudie ist nicht mehr drin.
Johannes Franke: Aber trotzdem, das ist genau, damit ist er gestartet. Er wollte eine Sozialstudie. Nur ganz kurz, Menschen am Sonntag ist die Anspielung. Menschen am Sonntag ist ein Film gewesen aus den 20ern. Moment, ich habe es hier, 1930. Und zwar ist es ein dokumentarischer oder eher semidokumentarischer Film. Ein Sonntag im Leben junger Berliner. Da hat das Drehbuch Billy Wilder geschrieben.
Florian Bayer: Uh,
Johannes Franke: Billy Wilder, der später groß werden sollte und hier war es noch nicht. Und die sind einfach losgezogen und haben vier Leute am Nikolassee in Berlin beobachtet und gefilmt. Es waren Laiendarsteller und die haben echte Aufnahmen von Berliner Alltag irgendwie gemacht. Und das ist wohl sehr gut zusammengeschnitten und sehr gute Kamera auch und gilt so ein bisschen als der Vorläufer des italienischen Neorealismus. Einfach durch die realistischen Alltagsdarstellungen und die kleinen Leute und die Sehnsüchte und die Glücksmomente von Ur-Berlinern. Und irgendwie auch eben eine soziologische Studie, mehr oder weniger. Und sich da ranzuhängen, also hat er in Endkonsequenz nicht gemacht. Ich gebe zu, der Film heißt nicht so.
Florian Bayer: Er heißt nicht so.
Johannes Franke: Aber das war in seinem Kopf. Das ist sein ursprüngliches Ding.
Florian Bayer: Ich sehe deutlich weniger Soziologie in dem Film als du offensichtlich.
Johannes Franke: Ich finde,
Florian Bayer: er wartet zu sehr in der Menge, um Soziologe zu sein. Dafür ist er dann doch nicht distanziert genug. Er ist vielleicht distanziert, wenn er auf die Mannschaft guckt und vielleicht distanziert, wenn er auf das Management guckt. Aber wenn er in diesem Fanpulk drin ist, wenn er sich da irgendwie so durchwühlt durch die Leute und wenn du das Gefühl hast, du stehst mittendrin und du kriegst Bier ab und du tanzt da mit, ich finde, dann ist er viel zu nah und viel zu wenig distanziert, um Soziologie zu sein.
Johannes Franke: Vielleicht hat er es geschafft, das ein bisschen zu entschärfen. Aber ich spüre total durch, was er ursprünglich mal im Kopf hatte oder wie das so bei ihm gereift ist. Und dann kommt es mir irgendwie so sehr akademisch drunterliegend vor. Und irgendwie wirkt er mir dann auch zu sehr judgmental. Und vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass die Zeit anders ist, dass wir diesen Fußball nicht erkennen, weil Fankultur heute was anderes ist als das damals. Und ich deswegen vielleicht damals den Film auch ganz anders gesehen hätte und viel mehr erkannt hätte, als ich heute erkenne. Ich würde gerne mal ein bisschen reingehen und erzählen, was gemacht wurde, um von dem, was damals abgebildet wurde und was damals wirklich auch so war, wie wir zu dem heute gekommen sind. Die Hooligan-Kultur damals hat sich ja abgeleitet von den britischen Hooligans, berühmtermaßen, die kennt man ja. Und dann hat sich das natürlich zu uns vorgerobbt. Und es war fast so, dass man sagte, die dritte Halbzeit ist die Schlägerei. Die haben sich getroffen in irgendwelchen Industriegebieten, auf dem Parkplatz draußen gegenüber oder so und haben sich einfach zum Kloppen verabredet, mehr oder weniger. Also klar war das so, es ist wie so ein Krieg. Mannschaften gegen Mannschaft, was mit der Mannschaft an sich schon gar nichts mehr zu tun hat, sondern einfach nur mit den Leuten, die sich kloppen wollen.
Florian Bayer: Komplett losgelöst vom Fußball einfach. Ich meine, du hast deine Insignien deiner Mannschaft, um dich zu identifizieren und um den Gegner zu identifizieren, aber es hat nichts mit Stadion zu tun. Es ist einfach draußen irgendwo im Wald.
Johannes Franke: Und dann heißen die irgendwie Borussenfront? Ja, oder Gelsenszene oder so. Und dann geht es aber nicht nur gegeneinander, sondern bei Hooligans ganz schlimm auch gegen Passanten, gegen Leute, die nichts damit zu tun haben, gegen die Polizei und irgendwelche Leute, die bestimmen, wer Hausverbot bekommt im Stadion und so.
Florian Bayer: Haben wir hier ja auch ein, zwei Momente, wo wir sehen, wie die Fans durch die Innenstadt ziehen und dann irgendwelche Passanten dumm anmachen und rumschubsen.
Johannes Franke: Das ist Hooligan-Kultur gewesen, also Unkultur. Ja. Also es ist schon wirklich krass. Und dann kam noch das Problem dazu in den 90ern, dass Ost und West, die sind aufeinander getroffen, die Ossis hatten auch ihre Hooligan-Kultur, die wurden stark unterdrückt in der DDR. Also natürlich gab es auch in der BRD Repressalien und so und man durfte nicht einfach Straftaten begehen, aber in der DDR gab es andere Mittel, um sowas zu unterdrücken. Das heißt, die hatten auch mehr Druck dahinter und die waren wesentlich gewaltbereiter noch als der Westen. Die sind aufeinander getroffen und die Spiele zwischen Ost und West waren in den 90ern. Die Polizei musste sich richtig gut vorbereiten auf diese Spiele. Das war richtig hart.
Florian Bayer: Hansa Rostock und Dynamo Dresden waren die Vereine aus der DDR-Oberliga, die 1991, 1992 in der Bundesliga gelandet sind. Und seitdem haben es, glaube ich, Ostvereine auch immer ziemlich schwer gehabt. Also es gab eine Zeit, wo dann gar kein ostdeutscher Verein in der Bundesliga vertreten war, einfach weil die abgestiegen sind. Und das ist dann ja auch wieder so ein Zweitliga-Phänomen. Also es wird ja oft gesagt, dass die Gewalt auch in der zweiten Liga noch mal deutlich krasser ist in der Fankultur.
Johannes Franke: Jedenfalls hat sich das dann natürlich irgendwie ändern müssen. Der DFB war total überfordert damals. Die haben das irgendwie nicht hingekriegt. Das hat auch lange gedauert, bis die richtig reagiert haben. Und dann haben sie versucht, die Fankultur zu stärken. Also eine vernünftige Fankultur zu stärken. Es gab Maßnahmen, dass man richtig sozialpädagogische Fanprojekte anstößt und sagt, Ihr braucht einen... Fanbeauftragten, der die Kommunikation zwischen Fans und Vereinen steuert, der Problemfelder identifiziert und der als Ansprechpartner da ist und reden kann und mit denen sozialpädagogische Arbeit leistet, mit jungen Fans, aber auch mit den älteren. Und dann hat die Polizei sich richtig eine eigene Gruppe gefunden, dass szenekundige Beamte es gab. Es waren also nicht nur einfach Hundertschaften im Stadion, sondern es gab einfach Leute in Zivil. Die kannten sich aus in der Szene und die konnten schneller so Konfliktherde identifizieren. Und dann gab es eine zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze bei der Polizei. Also sie haben viel, viel Zeug gemacht. Und es gab dann auch richtig, richtig dolle Stadionverbote, was vorher auch schon gab als Mittel. Aber das haben sie viel, viel stärker eingesetzt als Mittel, um Leute davor zuzubringen, sich ordentlich zu verhalten, weil sonst kommen sie nie wieder rein. Ja. Und dann hat sich mit der Zeit auch... eine andere Kultur entwickelt. Aus Italien kam dann die Ultrakultur. Die Ultras haben sich viel mehr darauf versteift, ihre Mannschaft im Spiel selbst durch Gesänge, durchgehende Gesänge, die haben wirklich von Anpfiff bis Ende oder noch vor Anpfiff haben die durchgesungen und Choreos gemacht. Die haben sich wochenlang vorher vorbereitet und Choreos gemacht und sich so sehr auf die Verteidigung ihrer eigenen Mannschaft konzentriert. Und es gibt es auch heute noch, dass die da irgendwie in Konflikte, auch körperlicherweise, geraten. Das ist immer noch ein Problem. Aber der eigentliche ursprüngliche Gedanke der Ultras geht sehr weit weg von den Hooligans. Und denen haben wir so ein bisschen zu verdanken, auch dass sich das weiterentwickelt hat. Auch dass die Fanprojekte angenommen wurden und dass man da viel mehr auffangen kann und kanalisieren kann, was da an Energie kommt.
Florian Bayer: Ich habe das Gefühl, es ist auch so sehr, also wir leben noch nicht in der idealen Fußball-Neinwelt.
Johannes Franke: Nein, nein. gar nicht.
Florian Bayer: Es ist noch so sehr auch von Verein zu Verein unterschiedlich. Es gibt zum Beispiel auch die Vereine, die eine sehr, sehr krass rechtsgeprägte Fankultur haben. Also was Dynamo Dresden wird, glaube ich, immer als Negativbeispiel genommen. Wahrscheinlich auch zu Recht. Aber dann gibt es halt auch wirklich Vereine, wo die Fankultur ja links ist, wie St. Pauli. Oder auch irgendwie auch tatsächlich Solidarität ausdrückt und Sachen macht, wo du denkst, wow, Respekt, Fußballfans, Ultras, krass, dass ihr das könnt. Einfach so auch zu gesellschaftlichen Themenstellungen nehmen und einfach sagen, ey, wir wollen keine fucking Homophobie mehr im Fußball haben. Wir wollen keinen scheiß Rassismus mehr im Fußball haben. Und das finde ich immer total toll. Wenn du mal sowas mitkriegst, dass es sowas gibt und auch so banale Dinge wie Fanfreundschaften, es gibt ja diese auch, die man überhaupt nicht erklären kann, warum ist jetzt der Verein mit dem Verein befreundet, aber die Fans halten irgendwie zusammen. Da gibt es sogar einen Schal, wo zwei Vereine nebeneinander drauf sind, einfach weil sie eine Fanfreundschaft haben.
Johannes Franke: Hertha und der KSC.
Florian Bayer: Ah, das siehst du, wüsste ich nicht. Aber warum Karlsruhe? Was verbindet Berlin mit Karlsruhe?
Johannes Franke: Ich hab keine Ahnung. Es ist einfach, man kann es gut singen. Herr Dau, Herr Östel.
Florian Bayer: Aber das Witzige ist ja, dass tatsächlich Fußball-Fankultur sowieso so randomisiert wirkt. Weil einfach, ich meine, du bist Fan von einem Verein. Ja. Das heißt, du magst ihn, weil du die Spieler magst und den Trainer, die werden doch sowieso in zwei Saisons ausgewechselt und es sind komplett andere Leute auf dem Platz als davor.
Johannes Franke: Da kommen wir wieder zu dieser Gruppierung, die du brauchst als Mensch. Du willst dich abgrenzen und du brauchst im Grunde einen Verein oder du brauchst einen Grund, warum du dich als Gruppe zusammenfinden kannst. Und dann sind das nicht wirklich die Spieler, sondern es ist halt die Identifikation des Vereins an sich.
Florian Bayer: Das sind die Farmen. Es ist total abstrakt. Du sagst ja auch nicht, ich werde jetzt Fan von dem Verein, weil er diese Geschichte hat oder so. In den meisten Fällen sagst du, ich bin Fan von dem Verein, weil ich hier geboren wurde.
Johannes Franke: Ja, oder weil ich hier meine Freunde habe.
Florian Bayer: Und es ist also, ja, Fußball-Fandom ist schon Lokalpatriotismus vor allem. Wenn du in Kaiserslautern wohnst, bist du Fan vom FC Kaiserslautern. Wenn du in Berlin wohnst, bist du Fan von Union,
Johannes Franke: Hertha.
Florian Bayer: Und wie ich gehört habe, wenn du in München wohnst, magst du 1860. Und nur wenn du am Speckgürtel von München oder in einem Dorf drumherum liegst, magst du Bayern München.
Johannes Franke: Okay, ich habe keine Ahnung.
Florian Bayer: Wurde mir von einem Fußballfan erzählt.
Johannes Franke: Du hast also Interviews geführt.
Florian Bayer: Genau. Nein, ich kenne durchaus Menschen, die Fußball mögen. Und ich mag auch durchaus Menschen, die Fußball mögen. Und ich habe in meinem Leben auch, glaube ich, mehr als fünf Spiele gesehen. Mehr als zehn?
Johannes Franke: Echt, wirklich?
Florian Bayer: In meiner Jugend war ich oft beim FC Saarbrücken. Krass. Und das hat Spaß gemacht. Ich war nicht in der Fantribüne und ich hatte nie einen Schal an oder ein Trikot, aber das war einfach, es war halt günstig auch und es war ein netter Samstag. War günstig? Ja.
Johannes Franke: Fußball ist wahnsinnig teuer. Ja,
Florian Bayer: ich weiß, aber FC Saarbrücken war so Zweite Liga oder damals glaube ich sogar Regionalliga. Und da bist du... relativ günstig weggekommen. Und ja, als ich beim Unionsspiel war, war ich schockiert, wie teuer Fußball ist.
Johannes Franke: Ja, krass.
Florian Bayer: Das ist ja auch was, was von Fanseite oft kritisiert wird, dass Fußball so zum Geschäft geworden ist und dass du richtig lächeln musst.
Johannes Franke: Das zeigt natürlich auch dieser Film ein bisschen. Du willst ja in der Chefetage, kriegst du ja mit, was da an Geschacher geschieht und natürlich überspitzt und vielleicht auf eine, vielleicht nicht mal überspitzt, aber einfach auf eine karikatureske Art und Weise, die ich nicht mehr ganz abnehme. Aber... Aber an sich, dieses Geschacher existiert einfach. Und dieses Hin- und Herschieben von Leuten und von Geld und wer kriegt was und wo. Das ist auch wirklich ein großer Kritikpunkt, den einfach Fans heute haben, dass das zu sehr kommerzialisiert alles ist.
Florian Bayer: Und da wurden sie auch wirklich Angst. Deswegen wurde die Bundesliga so spät gegründet, weil je mehr Fußball zum Geschäft wird, umso mehr Schattenseiten, die einfach zu Kapitalismus ganz allgemein dazugehören, zeigen sich.
Johannes Franke: Ja. Wollen wir einfach mal in unsere Top 3 hinweg wechseln?
Florian Bayer: Ja, lass uns in unsere Top 3 springen.
Johannes Franke: Unsere Top 3.
Florian Bayer: Top 3, oh, diese Person hätte ich in einer solchen Rolle aber nicht erwartet. War das dein Gefühl, als du Stefan Jürgens plötzlich als Hooligan Dress Build hast stolpern sehen und Michael Kessler?
Johannes Franke: Bei Stefan Jürgens nicht so sehr. Weil Stefan Jürgens ja auch als Schauspieler wieder gearbeitet hat. Ich glaube in Tatort Wien, wo ich auch mal war, also ich habe sozusagen ihn als Schauspieler durchaus kennengelernt. Insofern hat mich das nicht irritiert, mich hat Kessler irritiert. Ja. Da hatte ich wirklich Schwierigkeiten und Piet Klocke natürlich, weil ich ihn wirklich auch nicht als Schauspieler wahrgenommen habe. Und dann habe ich bei Piet Klocke... Das so angenommen, weil seine Figur vielleicht auch nicht ganz so weit weg ist von seiner Person, die auf der Bühne ist. Ja. Bei Kessler natürlich eine andere Nummer. Ja. Und der hat mich überzeugt. Und ich fand es wirklich beeindruckend.
Florian Bayer: Ich finde, Stefan Jürgens ist ein total unterschätzter Schauspieler. Ich finde, also unterschätzt ist, er spielt halt TV-Filme, ne? Und er spielt Tatort-Kommissare und sowas. Als ich diesen Film gesehen habe, kannte ich Stefan Jürgens schon aus RTL Samstag Nacht. Aber dann war es das erste Mal, dass ich ihn als Schauspieler wahrgenommen habe. und seitdem, immer wenn ich ihn gesehen habe, habe ich gedacht, Mann, Der könnte eigentlich weit. Der könnte weiterspringen. Der ist wirklich gut.
Johannes Franke: Okay. Kann ich so nicht sagen. In dem Film finde ich ihn tatsächlich sehr gut.
Florian Bayer: Pete Klocke spielt irgendwie so durchgetreten in diesem Film. Ich finde es passend. Aber tatsächlich war ich auch einfach weggeblasen von der Musik, die ich von Pete Klocke gehört habe. Hört euch die Tanzstile an. Es ist wirklich gut. Wirklich, wirklich guter neuer deutscher Welle-Rock.
Johannes Franke: Wir haben eine Top 3. Wollen wir den Namen der Top 3 nochmal sagen?
Florian Bayer: Top 3 Leute, die man in einer solchen Rolle nicht erwartet.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und Michael Kessler hätte ich nicht in dieser Rolle erwartet, um das noch dazu zu sagen.
Johannes Franke: Okay, wer muss denn anfangen? Ich muss anfangen, oder? Ja. Ach, fuck. Ich gehe mal ein kleines bisschen in ein paar Jahre zurück und zwar zu Bryan Cranston, als der noch Comedy gemacht hat und dann plötzlich bei Breaking Bad auftauchte. What the fuck? Was ist hier los? Das war krass, oder?
Florian Bayer: Ich hab Breaking Bad angefangen zu gucken. Mir hat jemand erzählt, man muss Breaking Bad gucken, das ist geil, da kocht ein Lehrer mit seinem Schüler Drogen und macht der... Vater aus Malcolm mit. Ich hab das angefangen mit dem festen Glauben, ich guck jetzt was Lustiges. Und wenn du, ich geh davon aus, dass viele Breaking Bad gesehen haben, nach einer gewissen Zeit, wenn du auf Comedy eingestellt bist und Breaking Bad so eine halbe Stunde oder eine Stunde geguckt hast, denkst du, what?
Johannes Franke: Es ist wirklich krass.
Florian Bayer: Ja, und großartig. Also ich mein, mittlerweile ist er allgemein als hervorragender Schauspieler akzeptiert.
Johannes Franke: Ja, ja, die wollten irgendwann mal in der Mitte nochmal eine Folge machen oder sowas. Die haben doch ein paar Re-Shoots nochmal gemacht.
Florian Bayer: Die machen was.
Johannes Franke: Sie machen gerade richtig was.
Florian Bayer: Sie machen was und das soll jetzt, glaube ich, auch bald rauskommen. Ich weiß nicht, ob sie es schon gedreht haben. Die verstehen sich alle voll gut. Der Schauspieler, Manns heißt der, glaube ich, der Malcolm gespielt hat. Der hat gesagt, offensichtlich trifft er sich regelmäßig mit Bryan Cranston. Ach,
Johannes Franke: wie schön.
Florian Bayer: Die verstehen sich einfach gut. Und es gab auch irgendwann mal so, als Breaking Bad Peak war, haben sie so ein... Comedy-Bit gemacht, wo Bryan Cranston wach wird als Malcolms Vater und mit Lois im Bett liegt und sagt, ich hab geträumt, dass ich Drogendiener wäre.
Johannes Franke: Das ist sehr gut, ja.
Florian Bayer: Und sie sind alle mit dabei, bis auf den, der den jüngsten gespielt hat, weil der einfach seitdem nichts mehr gedreht hat, weil der keine Schauspielkarriere gemacht hat. Aber die mögen sich alle noch und die freuen sich alle drauf und es wird irgendwie ein Revival geben. Ach,
Johannes Franke: wie geil.
Florian Bayer: Ich bin sehr gespannt drauf. Das letzte Revival, das ich gesehen habe, war Gilmore Girls und das war sehr, sehr enttäuschend. Wirklich?
Johannes Franke: Ich fand das ganz nett.
Florian Bayer: Nein.
Johannes Franke: Ich fand das ganz nett. Es war jetzt nicht das beste TV, aber es war ganz nett.
Florian Bayer: Eine der besten Comedy-Drama-Serien der frühen 2000er Jahre, Skidmore Girls.
Johannes Franke: Ja, bist großer Fan.
Florian Bayer: Riesiger Fan. Und das Revival war so meh. Ich war, glaube ich, aber auch einfach nicht zufrieden, wie sie die Geschichte der Charaktere weiterschreiben.
Johannes Franke: Ja, okay. Ach, vielleicht war ich nicht genug drin, um zu sehen, wie sie off-road gegangen sind. Ich habe auf Platz ... Hast du?
Florian Bayer: Mein Platz 3, Heath Ledger. Er hat sehr viele Rollen gespielt und sehr unterschiedliche Sachen. Und am Anfang war er so ein Sunnyboy mit Rädien und so. Und dann hat er plötzlich Dramen gespielt. Und dann hat er sowas gespielt wie Brokeback Mountain und so. Und was es aber alles gemeinsam hatte, er sah immer verdammt gut aus. Und dann kam The Dark Knight. Und dann kam The Joker. Und dann hast du gedacht, Moment. Moment.
Johannes Franke: Du erkennst ihn ja in der Maske nicht. Du weißt ja nicht, wer er ist.
Florian Bayer: Es ist total krass, einen Heath Ledger zu sehen, der nicht gut aussieht und der einfach wirklich alles, was er an Hässlichkeit aus sich rausholen kann, aus sich rausholt.
Johannes Franke: Das war so krass. Ich habe echt im Kino gesessen und habe gedacht, was spielt der da? Wie krass ist das? Ich war wirklich so, man sieht ja bei vielen Schauspielern so, auch einfach als Kollege. Man hat die Palette an Schauspieltechniken und so. Und man hat so ein bisschen ein Gefühl dafür, was der da macht und was er sich so nimmt aus der Palette. Und bei ihm, als er den Joker gespielt hat und der auftaucht, ich war so blown away. Ich wusste überhaupt nicht, wo nimmt der das her? Krass. Das war wirklich toll.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Auf Platz 2 habe ich Seth Rogen in dieser Steve Jobs Biografie, Dingens da, diesem Film.
Florian Bayer: Oh krass, ja.
Johannes Franke: Seth Rogen kennt man als Comedy-Typen.
Florian Bayer: Als Kiffer vor allem.
Johannes Franke: Als Kiffer vor allem. Und er macht gerade eine ganz tolle Serie, The Studio. Kann ich auch nur empfehlen, ganz toll. Aber hier spielt er diesen, wie hieß der, wie spricht man den aus?
Florian Bayer: Steve Wozniak.
Johannes Franke: Wozniak, Steve Wozniak.
Florian Bayer: Das ist eigentlich das technische Genie hinter diesen ganzen Apple-Sachen, während vielleicht Steve Jobs eher das Design und
Johannes Franke: Kommunikation. Vor allem, ich glaube, Communication Design ist er wirklich richtig gut, also Steve Jobs. Und Seth Rogen? Spielt das wirklich wahnsinnig gut. Und ich war total baff, als das kam. Weil das hat man nicht von ihm erwartet. Nee, stimmt.
Florian Bayer: Ja, cool.
Johannes Franke: Fand ich krass.
Florian Bayer: Mein Platz 2. Adam Sandler in Punch Drunk Love. Der Waterboy Adam Sandler, der Big Daddy Adam Sandler, der Happy Gilmore und Billy Madison Adam Sandler, der wirklich nur einfach alberne Komödien gedreht hat.
Johannes Franke: Aber war Punch Drunk Love gut?
Florian Bayer: Punch Drunk Love ist ein Meisterwerk. Echt? Ja. Paul Thomas Anderson.
Johannes Franke: Ich hab ihn nicht gesehen. Deswegen, ich hab immer so ein bisschen... gehört, dass der dann halt auch nicht wirklich gut ist, der Film. Obwohl er so eine tolle Wandlung macht in dem Film. Es ist als Schauspieler ein guter Film.
Florian Bayer: Also es ist natürlich, ich mag es auch. Paul Thomas Anderson ist meiner Meinung nach einer der besten amerikanischen Regisseure unserer Zeit. Magnolia, Boogie Nights, There Will Be Blood und so weiter. Er hat großartige Filme gedreht. Punchdown Club gehört einfach in diese Reihe. Es ist wirklich Adam Sandler in einer dramatischen Rolle, die man so von ihm nicht erwartet hat. Und ein merkwürdiger Film und auch kein typischer Paul Thomas Anderson Film, weil er hat schon mehr Comedy drin. Ja. Wirklich sehenswert. Vielleicht gebe ich den irgendwann mal.
Johannes Franke: Auf Platz 1 bei mir. Wer könnte Bob Dylan spielen? Lass uns kurz überlegen. Und dann taucht plötzlich Cate Blanchett auf. Ja. Und spielt Bob Dylan. Krasse Scheiße.
Florian Bayer: Und sie ist der coolste Dylan in diesem Film.
Johannes Franke: Sie ist wirklich die beste Darstellung von Bob Dylan in diesem Film. Ich bin wahnsinnig beeindruckt. Ja, wirklich toll. Guckt euch I'm Not There an und hört euch unsere Episode zum Filmern. Ja,
Florian Bayer: und müssen wir was sagen über den neuen Bob Dylan Film, der jetzt rauskommt? Ist der schon draus?
Johannes Franke: Timothy Chalamet als Bob Dylan, ich habe ihn noch nicht gesehen.
Florian Bayer: Aber ist er schon veröffentlicht?
Johannes Franke: Ich glaube, ja, klar.
Florian Bayer: Timothy Chalamet, ich habe ein paar Szenen gesehen. Ich glaube, er passt. Ich finde, er ist auch ein guter Schauspieler. Ja, ich finde so. Er ist ein guter Schauspieler und ich kann es mir vorstellen, aber ich habe es noch nicht gesehen. Und es wird sehr schwer, in Cat Blanchetts Fußstapfen zu treten.
Johannes Franke: Definitiv. Na, mal gucken.
Florian Bayer: Mein Platz 1, every Nicolas Cage movie ever. Weil Nicolas Cage spielt immer, wenn Nicolas... Also man erwartet jetzt einfach nicht, was er da spielt. Er spielt immer was Schräges. Es ist immer merkwürdig, es ist immer komisch und er spielt...
Johannes Franke: Aber dann erwartet man doch schon, dass Nicolas Cage was Merkwürdiges spielt.
Florian Bayer: Und selbst das macht er dann, schafft er dann irgendwie nochmal zu übertreffen. Keine Ahnung. Nicolas Cage ist krass. Meine Alternative wäre Chandra Waltham, Pulp Fiction, aber nein.
Johannes Franke: Stimmt.
Florian Bayer: Nicolas Cage. Ja. fucking Nicolas Cage in irgendeinem absurden Film, den er halt in den letzten Jahren rausgebracht hat, in euch aus.
Johannes Franke: Er hat auch so viele Sachen gemacht. So seltsam viele Sachen, wo man denkt, hä? Wann hast du das denn alles geschafft? Und dann sind die alle so unterschiedlich.
Florian Bayer: Nicolas Cage kann einfach alles spielen. Ja, er ist immer so ein bisschen Nicolas Cage, immer der Schräge, immer der Laute, aber, ach, toller Typ.
Johannes Franke: Super seltsam. Ich hätte eine Honorable Mention. Leslie Nielsen. Der mit 54 Jahren, mit einer Karriere, die ganz normale, dramatische Rollen hat, plötzlich in diesem einen komischen Airplane auftaucht. Und die absurdeste Rolle überhaupt hat. Und plötzlich darf der nur noch Comedy machen. Und zwar, weil er eben diese Deadpan Delivery hat. Er verzieht keine Miene, während er das Absurdeste sagt. Ist großartig. Ganz toll.
Florian Bayer: Fantastisch. Jetzt müssen wir schon wieder über die nächste Fortsetzung reden. Liam Neeson.
Johannes Franke: Stimmt.
Florian Bayer: Geht jetzt in Naked Gun in der Fortsetzung. Und das ist auch überraschend. Ich meine, den haben wir wahrscheinlich beide noch nicht gesehen. Deswegen können wir nichts dazu sagen.
Johannes Franke: Liam Neeson war ja vor Taken jetzt nicht unbedingt der Actionstar. Das war ja schon ein seltsamer Wurf. Ja,
Florian Bayer: aber dann hat er plötzlich ganz viele von den Dingern gemacht.
Johannes Franke: Genau. Das heißt, er hat jetzt den zweiten U-Turn, den er macht.
Florian Bayer: Full Circle. Und am Schluss landet er bei einer Tragikomödie und alle sagen, Moment, er kann Drama spielen? Und da muss man sich erinnern, Moment, das war doch der Typ, der Oskar Schindler gespielt hat.
Johannes Franke: Krass, ne? Also ich glaube Liam Neeson hat ein echt geiles Leben mit seinen ganzen unterschiedlichen Sachen, die er machen darf und sich dann für Naked ganz so entscheiden. Ich glaube, der hat richtig Spaß.
Florian Bayer: Da muss man auf jeden Fall eine gehörige Portion Selbstironie haben, sowas zu machen.
Johannes Franke: Sehr gut. Ey, das war eine tolle Liste.
Florian Bayer: Großartig. Schön. Zurück zur Nordkurve.
Johannes Franke: Zurück zur Nordkurve. Das war... unsere Top 3. Weißt du, warum heißt der überhaupt Nordkurve, der Film? Es macht keinen Sinn. Das Radium, in dem sie da sind, das hat keine Nordkurve. Vor allem hat es keine Kurve.
Florian Bayer: Sie sind vor allem auf der Südtribüne, die Fans. Ja,
Johannes Franke: genau. Es wäre eigentlich eine Nordkurve gewesen in der ursprünglichen Geschichte. Es gab nämlich eine Geschichte. Es gab eine literarische Vorlage. Und da war es die Nordkurve von einem echten Verein. Der hatte nämlich wirklich eine Nordkurve, wo die Fans standen. Aber dann haben sie den Verein geändert, haben aber den Titel belassen. Ja,
Florian Bayer: und sie haben sich einen Verein ausgedacht. Aber sie sind nach Dortmund, sie haben es im Dortmunder Stadion gedreht.
Johannes Franke: Genau. Und da gibt es nicht diese Nordkurve, vor allem weil es keine Kurve gibt. Das haben sie ja auch übrigens geändert. Sie haben ganz viele Stadien umgebaut mit Kurven und haben das Ganze weniger gefährliche Architektur umgebaut. Ah. Also die Architektur war auch so, dass man so gewaltbereiten Leuten nicht unbedingt gut ausweichen konnte und dass man oft in so schlechten Situationen gelangt ist, wenn man so als Masse in der Gegend rumgerannt ist. Und jetzt haben sie sozusagen alles so ein bisschen umgebaut und das Stadion, was wir im Film sehen, ist so in der Form nicht mehr existent. Es ist also auch ein historisches Dokument, muss man sagen.
Florian Bayer: Einer anderen Fußballzeit.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Und wenn wir gerade dann schon bei Kontexten sind, es gibt tatsächlich eine Theaterumsetzung. Der Gottschalk-Figur des Seufers. Und zwar geschrieben von Rolf Dennemann, der den Gottschalk spielt in diesem Film. Und gespielt von Rolf Dennemann, der einfach die Figur so geil fand, dass er gesagt hat, na, der will ich noch ein bisschen mehr machen. Krass. Und dann hat er offensichtlich so ein Solostück auf der Bühne gemacht, wo er halt da rumsitzt und über seine Mama redet und wird Bier trinken. Und kann man sich leider nicht mehr anschauen, weil Rolf Dennemann vor gar nicht so langer Zeit gestorben ist. Nämlich 2024. Oh, okay. Wenn man sich... Wenn man sich online ein bisschen umschaut, findet man Nachrufe auf ihn. Und er scheint ein toller Mensch gewesen zu sein. Vor allem ein toller Theatermensch. Es gibt mehrere Nachrufe über ihn. Er war Vorstandsmitglied im Landesbüro Freie Künste in Nordrhein-Westfalen, ganz lang. Und er hat als Theaterregisseur gearbeitet, als Schauspieler und so weiter. Und er hat dann unter anderem auch dieses Gottschalk-Tip gemacht. Zitat, um noch was zu ihm zu sagen. So hat er in seinen 40 Jahren als Regisseur aus einem Nachruf So hat er in seinen 40 Jahren als Regisseur neben Bühnen auch Friedhöfe, Schrebergärten, Hinterhöfe, Industriebrachen, Einkaufspassagen, einen Erotik-Club und vieles mehr bespielt. Und dies immer in Kollaboration mit vielen lokalen bis internationalen KünstlerInnen.
Johannes Franke: Aber geil, wenn man so eine Rolle findet und das auch weiterführen darf. Also es ist ja nicht seine Intellectual Property. Also da muss er schon den Regisseur fragen, ob das okay ist. Und wenn das okay war, das ist doch toll.
Florian Bayer: Ich glaube, diese Ruhrpott-Künstler und die sind da. Die wuseln alle in diesem Film um. Das sind alles Ruhrpott-Typen. Das ist, glaube ich, auch eine große Familie. Adolf Winkelmann hat mit vielen von denen auch noch weitere Sachen gemacht. Die haben in verschiedensten Projekten miteinander gearbeitet. Und wenn man sich anschaut, was so die einzelnen SchauspielerInnen aus diesem Film gemacht haben, das sind alles Theatergrößen aus dem Pott.
Johannes Franke: Sag mal, warum ist der Film nicht genau 90 Minuten? Was ist da los? Der hat zu viel Nachspielzeit.
Florian Bayer: Das wäre, ja, vielleicht. Ich finde es gut, dass das Spiel beginnt genau zur Halbzeit des Films. Nach 50 Minuten, 100 Minuten dauert der Film. Ja, Nachspielzeit und Halbzeitpause, passt doch. Einigermaßen. Naja. 15 Minuten, der müsste eigentlich ein bisschen länger sein, er ist zu kurz.
Johannes Franke: Was? Was? Naja.
Florian Bayer: Hat er sich für dich zu lang angefühlt?
Johannes Franke: Nein, das nicht. Das muss man sagen. Also wirklich nicht zu lang. Ich hätte dieses Konzept geil gefunden, wenn er halt wirklich 90 Minuten lang wäre. Aber gut, okay. Und wenn es am Ende einen Pfiff gegeben hätte und dann aus. Aber das hat er sich nicht gegönnt. Ich verstehe es, ist okay.
Florian Bayer: Ich finde es cool, dass er tatsächlich im Fangesang und in dem Tanzen ausfadet. Und du weißt genau das, was Gottschalk zu Teddy sagt.
Johannes Franke: Ja, nächsten Tag geht es wieder los.
Florian Bayer: Es geht wieder los. Und Teddy sagt, ich mache das nicht mehr mit. Und Gottschalk sagt, nee, nee. Fahren Sie wirklich Hunde zum Kosmetikkonzern für Tierversuche? Habe ich das richtig mitgekriegt? Das wird nur so am Anfang ganz kurz gesagt.
Johannes Franke: Es gibt da irgendein illegales Verschiebeding.
Florian Bayer: Und dann irgendwann sagt nämlich jemand zu Teddy, ich glaube, Pupsi sagt es zu ihm, hast du mal wieder diesen komischen Kosmetikkonzern beliefert. Und dann zähle ich eins und eins zusammen, weil sie hatten verdammt viele Tiere da hinten drin.
Johannes Franke: Oh, fuck, Alter.
Florian Bayer: Genau, aber erst die Tauben, dann unentschieden und dann das Saufen. Ja, was sagst du dazu, zu diesem Trott? In Filmen gepresst.
Johannes Franke: Das Wurzeln. Ich glaube, ich habe ganz gut meine ganzen Punkte im Gespräch unterbringen können. Ich fand es schwierig, dem zu folgen. am Anfang, weil er einfach sehr, sehr lange braucht, um mir zu sagen, worum es geht im Film. Ich gucke wirklich lange, lange immer nochmal auf die Uhr und gucke, okay, jetzt läuft der Film, aber auch echt 50 Minuten. Jetzt wird es langsam Zeit, dass ich rausfinde, wo dein Fokus ist, lieber Film. Und es gibt den Fokus einfach nie. Es gibt keinen Fokus in der Form, sondern es gibt einfach einen Haufen kleine Schauplätze. Und irgendwann kennt man die Schauplätze und weiß, aha, okay, jetzt kommt dieser Typ wieder und jetzt kommt dieser Typ wieder. Das hilft einem dann gegen Ende, aber man hat Schwierigkeiten reinzukommen. Ich fand es jedenfalls schwierig. Und ich finde, dass er eben für meine Begriffe ein bisschen zu unversöhnlich ist, weil ich den Fuß mal, so wie ich ihn kennengelernt habe, jetzt anders wahrnehme. Und natürlich war das damals anders. Es gab diese Fanbeauftragten und so weiter, die das Ganze echt, das Ruder rumgerissen haben mit der Zeit. Und die ganzen Sachen gab es damals noch nicht. Und das ist vielleicht wirklich ein Zeitzeugnis. Aber... Als heutiger Zuschauer habe ich damit ein bisschen Schwierigkeiten, weil es mir zu düster ist am Ende.
Florian Bayer: Ich finde, und ich kann es nicht 100% erklären, dass es dem Film gelingt, durch die Art der Inszenierung, durch die Musik und durch das Spiel und vor allem auch durch die Art, wie er drin ist, eine Schönheit in dem ganzen Wahnsinn zu finden. Und es ist natürlich viel Wahnsinn, was er da darstellt. Aber er findet irgendwie eine sehr eigene und sehr raue und sehr harte Art von Schönheit. Ja. Ja, und... Ich finde, er macht es geschickt und er schafft es dabei auch, die Balance zu halten zwischen dem mit Sicherheit manchmal ätzenden Blick mit sehr viel schwarzem Humor, aber auch der Liebe zu der Schönheit, die dahinter steckt, hinter dem Düsteren. Er zeigt, dass es alles total albern und trivial ist, aber er gibt ihm manchmal auch einen extremen Pathos und überhöht das Ganze, sowohl als Karikatur als auch als Tragödie. Und dadurch reißt mich dieser Film voll mit. Ich finde, das ist ein richtig guter Film und auch ein meiner Meinung nach zu Unrecht vergessener Film, der wirklich toll kondensiertes Leben darstellt und so einen Mikrokosmos zeichnet und sagt, naja, was wir hier haben ist deutsche Gesellschaft, bundesrepublikanische Gesellschaft.
Johannes Franke: Aber was passiert,
Florian Bayer: wenn man das auf so einen Mikrokosmos verdichtet und man findet diese Archetypen, die man im Großen findet, findet man auch hier im Kleinen und auch von oben bis nach unten. Und wie die miteinander interagieren, ich finde, das gelingt dem Film richtig gut. Also meiner Meinung nach ein absoluter Muss-man-sehen-Film und ein Film, der meiner Meinung nach auch zu Unrecht ein bisschen vergessen ist und den wenige Menschen kennen. Ich glaube, es ist ein extrem starker Film.
Johannes Franke: Der wurde damals nicht gut aufgenommen. Von der Kritik schon sehr gut, das muss man sagen. Er hat Preise gewonnen und die Kritiker waren sehr angetan davon. Im Kino hat er versagt, mehr oder weniger leider. Die Leute haben es nicht angenommen. Die Leute fanden es zu chaotisch erzählt, zu undurchsichtig von der Story, zu hart auf Fußball draufgeschissen und so. Also die Fans waren nicht begeistert.
Florian Bayer: Aber die Fans waren nicht begeistert davon, wie sie dargestellt wurden. Die Fans waren begeistert davon, wie die Mannschaft dargestellt wurde, wie das Management dargestellt wurde. Ich glaube es war auch, Adolf Winkelmann hat offensichtlich davor auch schon sehr spröde Filme gemacht. Und hat aber offensichtlich ein bisschen mehr Sympathie für den Pott gezeigt in diesem Film. Und viele sind wahrscheinlich in diesen Film gegangen mit der Erwartung, dass sie hier nochmal so einen dritten Film sehen, der das auch so macht. Und dafür war es dann vielleicht doch ein bisschen zu viel Pathos, ein bisschen zu viel Humor und ein bisschen zu viel Arbeit mit Karikaturen.
Johannes Franke: Ja, Adolf Winkelmann hat als sehr junger Mensch einen ganz, ganz süßen Selfie-Film gemacht. Er ist durch Kassel gelaufen. 9.12.1967, denn genau so heißt der Film, ist er durch Kassel gelaufen, hat sich irgendwie mitten im Stativ eine Kamera auf sich selbst gerichtet, angeschnallt und ist durch Kassel gelaufen. Und man sieht ein historisches Kassel irgendwie im Hintergrund. Und er geht irgendwo noch so eine Wurst essen und so. Und als junger Mensch sieht er total studentisch sympathisch aus. Ich mag es total. Also guckt euch dieses Teil an. Das ist nur ein paar Minuten lang. Es ist aber total süß und ich mag es sehr.
Florian Bayer: Ich glaube, ein bisschen hat er das versucht, ohne sich selbst zu zeigen, aber von sich als Fußballfan.
Johannes Franke: Also hast du das Gefühl, dass da schon noch Liebe fürs Fußball drinsteckt? Weil die suche ich ein bisschen. Das ist halt das Ding.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Vielleicht auch eher, also implizit schon, weil er beschwert sich ja nicht, weil es ihm egal ist. Er beschwert sich ja, weil der Fußball ihm vielleicht wichtig ist. Ja,
Florian Bayer: dieser Film ist von jemandem, dem Fußball wichtig ist. Ja. Oder dem die Fankultur vor allem wichtig ist. Vielleicht gar nicht das Spiel selbst,
Johannes Franke: sondern das,
Florian Bayer: was außerhalb des Rasens stattfindet. Ihr Lieben, schaut euch diesen Film an und sagt uns... was ihr denkt. Ist es ein Film, der Fußball mag? Ist es ein Film, der trotz der düsteren Seiten irgendwie eine gewisse Liebe für das Drumherum findet? Oder ist es ein Film, der einen sehr düster pessimistischen Blick auf die Fankultur und auf das Ganze Drumherum hat?
Johannes Franke: Und schreibt uns, wie wichtig ihr Call to Action findet am Ende.
Florian Bayer: Ja, ganz wichtig. Und wenn ihr Call to Action wichtig findet, dann hinterlasst uns ein Like und wenn ihr Call to Action nicht wichtig findet, müsst ihr das jetzt teilen.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: So funktioniert es, ne?
Johannes Franke: Sehr gut.
Florian Bayer: Mann, lass mich doch versuchen, meine Social-Media-Gedönse irgendwie unterzubringen. Vielen Dank fürs Zuhören. Wir freuen uns, wie immer, dass ihr da seid. Wenn ihr wissen wollt, was nächste Woche drankommt von dem Typ, der sich da hinten mit seinem doofen Hertha-Schal kaputtgekackt hat.
Johannes Franke: Böhertha und der Böher.
Florian Bayer: Union. Dann bleibt noch kurz dran. Das erfahrt ihr nämlich nach dem Abpfiff. Ansonsten euch eine wunderschöne Woche. Danke fürs Zuhören.
Johannes Franke: Bis dann. Ciao.
Florian Bayer: So,
Johannes Franke: wir haben noch was.
Florian Bayer: Ja, was haben wir denn, Johannes? Ah,
Johannes Franke: gute Frage. Wir haben einen Publikumswunsch.
Florian Bayer: Endlich mal wieder einen Publikumswunsch, der uns direkt via Spotify, via Spotify Kommentarsektion erreicht hat. Und zwar von Dennis Münte.
Johannes Franke: Hallo Dennis, schöne Grüße geht raus. Danke für den wundervollen Tipp. Wir sollen nämlich deinetwegen Interstellar machen. Und ich weiß gar nicht mehr, wie ich den fand, ehrlich gesagt.
Florian Bayer: Ich habe, glaube ich, eine starke Meinung zu diesem Film. Aber es kann sein, dass sie sich auch geändert hat in den letzten Jahren. Es ist schon etwas länger her, dass ich den gesehen habe.
Johannes Franke: Irgendwas war da mit einem esoterischen Ende, glaube ich.
Florian Bayer: Ja. Und es ist unser dritter Nolan-Film? Nee, unser vierter Nolan-Film.
Johannes Franke: Oh mein Gott.
Florian Bayer: Wir haben über Dark Knight gesprochen. Wir haben über Oppenheimer gesprochen. Wir haben über Memento gesprochen.
Johannes Franke: Warum haben wir Nolan viermal drin und Jacques Tati nur ein einziges Mal? Was ist los?
Florian Bayer: Nolan ist einer der wichtigsten Blog- Blockbuster-Regisseur. Kann man drehen und wenden, wie man will. Man muss auch kein großer Fan von ihm sein, aber er ist extrem bedeutend für das heutige Blockbuster-Kino.
Johannes Franke: Interstellar ist tatsächlich, wenn ich mich zurückerinnere, durchaus ein sehr interessanter Film.
Florian Bayer: Auf jeden Fall interessant. Wir werden viel über Wissenschaftlichkeit des Films diskutieren. Ja, wahrscheinlich. Wir werden vorher einmal ein Quantenphysikstudium ablegen müssen. Astroforscht eigentlich auch noch.
Johannes Franke: Okay, ich erwarte nichts Geringeres von dir, Flor.
Florian Bayer: Und just for the record, der Wunsch kommt sowohl von Dennis als auch von Florian Imprecht. Und zwar von Florian via YouTube. Unser erster YouTube-Publikumswunsch.
Johannes Franke: Aha. Okay, das heißt, wir haben nicht nur einen Grund, sondern zwei Gründe, den Film zu behandeln. Haben wir.
Florian Bayer: Und ich bin sehr gespannt, wo er im Oeuvre von... Nolan London wird und wie wir ihn einschätzen.
Johannes Franke: Irgendwann müssen wir so Abstimmungs- Pouls machen. Welchen Film sollen wir als nächstes besprechen?
Florian Bayer: Tierlist. Es sind immer Tierlists.
Johannes Franke: Oh, okay. Ja, ich glaube, da müssen wir noch ein bisschen warten. Wir sind zwar gewachsen massiv in letzter Zeit, aber so groß sind wir dann auch noch nicht.
Florian Bayer: Bald. Ich freue mich auf jeden Fall nächste Woche mit dir über Interstellar zu reden. Wenn ihr was dazu hören wollt, guckt euch vorher den Film an. Wir werden nämlich die Hölle aus ihm spoilern. Und dann hört einfach nächste Woche Mittwoch rein. Ja,
Johannes Franke: sehr schön. Dann bis nächste Woche. Ciao. Ciao.
