Episode 169: I’m a Cyborg, But That’s OK – Liebe und andere Verrücktheiten
Nach seinem Mysterythriller-Hit Oldboy legte Park Chan-wook 2006 einen Film nach, mit dem in dieser Form niemand gerechnet hatte: Den bizarren Liebesfilm I’m a Cyborg, But That’s OK. Mal sehen, wie sehr diese Kuriosität heute noch unterhalten und verzaubern kann.
Und so sprechen wir über die Darstellung von psychischen Erkrankungen, die Elektrokonvulsionstherapie, die Vielfalt von Perspektiven und menschlichen Beziehungen, sowie über das wichtigste überhaupt: Die Liebe in all ihren wahnwitzigen Ausprägungen.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 169: I’m a Cyborg, But That’s OK – Liebe und andere Verrücktheiten Publishing Date: 2024-03-27T17:27:15+01:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/03/27/episode-169-im-a-cyborg-but-thats-ok-liebe-und-andere-verruecktheiten/
Florian Bayer: Plötzlich fängt das Jodeln an und dann fliegen sie durch den Himmel. Und dann sind sie auf dieser Wiese und ihre Oma kommt mit einem Gummiband. Ich kann schon verstehen, dass manche Leute sagen, ich verliere mich in diesem Film. Weil what the fuck passiert? Also die Szene ist toll, aber what the fuck, was passiert da?
Johannes Franke: Okay, dann fangen wir von Anfang an. Flor?
Florian Bayer: Johannes?
Johannes Franke: Ich möchte, dass du ganz tief in deiner Psyche kramst und rausfindest, wenn du delusional wärst, wenn du irgendwas hättest, wo du sagen würdest, das würde meine Psyche hervorkramen, um mich zu retten. Was würdest du dir vorstellen, was du wärst?
Florian Bayer: Ich hab die Frage, glaube ich, nicht verstanden. Das war ein Dreher zu viel. Wenn ich verrückt wäre und eine Einbildung hätte, wie würde diese Einbildung aussehen?
Johannes Franke: Ja, ungefähr sowas.
Florian Bayer: Okay. Ich glaube, ich würde mich dafür entscheiden, zu glauben, dass ich ein Charakter aus einem Rollenspiel bin. Also beziehungsweise eine Figur, die in einer Rollenspielwelt lebt und würde alles so fantastisch mittelalterlich angehaucht sehen.
Johannes Franke: Das heißt, jedes Mal, wenn du in einen Raum kommst, wirst du erstmal nach Fallen suchen, ja?
Florian Bayer: Zum Beispiel, genau. Und nach Schätzen natürlich auch. Man muss ja beides machen. Und ich würde, wenn ich irgendwas erfolgreich gemacht habe, sagen, ja, jetzt kann ich das steigern. Vielleicht hätte ich auch einen Würfel die ganze Zeit mit und würde ständig würfeln. Also wenn ich irgendwas machen muss, würde ich halt irgendwelche Würfelproben machen. Aber ich muss die Frage jetzt natürlich auch nicht zurückschmeißen.
Johannes Franke: Warum habe ich das nicht geahnt, dass das ein Bumerang wird? Ich glaube, ich wäre Chaplin.
Florian Bayer: Natürlich, was sonst?
Johannes Franke: Ich glaube, mein Kopf würde sagen, du lebst in einer Slapstick-Komödie und es ist einfach nur alles lustig und keine Gewalt hat irgendwelche Konsequenzen.
Florian Bayer: Wir reden heute über I'm a Cyborg, but that's okay aus dem Jahr 2006, den Johannes vorgeschlagen hat. Ja. Unser zweiter Park Chan-wook-Film.
Johannes Franke: Ja, und der erste könnte nicht anderer sein als dieser Film.
Florian Bayer: Wir haben vor ewigen Zeiten in einem unserer ersten Episoden über Oldboy gesprochen. Und ich glaube, trotz der Gewalt und trotz der düsteren Grundstimmung konntest du Oldboy einiges abgewinnen. Das war mein Vorschlag damals.
Johannes Franke: Ja, durchaus. Ich hatte natürlich Punkte, wo ich gedacht habe... Ah, muss ich das sehen? Oh, okay, das rüttelt ganz schön an mir als Zuschauer. Ich bin ganz schön reingezogen und es tut vieles weh.
Florian Bayer: Jetzt war Oldboy ja Teil einer Trilogie, einer inoffiziellen Trilogie, die Park Chan-wook 2002 mit Sympathy for Mr. Vengeance angefangen hat und 2005 mit Lady Vengeance beendet hat. Und ungefähr zu diesem Zeitpunkt, vor allem dank Oldboy, war er der heißeste koreanische Exportschlager in der Filmwelt. Die haben sich alle um ihn gerissen. Die waren auch alle total neugierig, was macht er als nächstes? Wann wird er mal anfangen, Filme in Hollywood zu produzieren? Was er dann auch später gemacht hat, also zumindest in Amerika.
Johannes Franke: Wann wird er endlich seine Tochter endgültig alleine lassen und nie wieder nach Hause kommen?
Florian Bayer: Was können wir von diesem Mann Großartiges erwarten? Und der Mann, der davor eben viele Thriller gedreht hat, auch schon vor Oldboy, vor seinem großen Durchbruch, hat dann gesagt, nö. Ich muss jetzt einen Film für meine Tochter machen. Ich mache einen Film für eine Zwölfjährige.
Johannes Franke: Ich weiß nicht genau, ob er wirklich einen Film für Zwölfjährige gemacht hat. Also beziehungsweise, ich weiß es schon, er hat es nicht getan.
Florian Bayer: Wir wissen nicht, wie seine Tochter drauf ist. Vielleicht ist sie eine Zwölfjährige, die auf genau so einen Scheiß abfährt.
Johannes Franke: Wenn du diesen Menschen als Vater hast, natürlich bist du so drauf. Ich kann mir das voll vorstellen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Aber auch wenn der Film an und für sich jetzt nicht... nicht unbedingt für eine Zwölfjährige gemacht ist, hat er doch so Züge von was Kindlichem. Man merkt irgendwie dieses Kindliche Verspielte im Hintergrund, das auch immer wieder hervortritt, obwohl es auch, es ist ein Liebesfilm und trotzdem gibt es die Szenen, für die Park Chan-wook bekannt ist, nämlich ziemlich brutale Szenen. Es gibt ein sehr zentrales Gemetzel, in dem wirklich erstaunlich lange einfach mal KrankenpflegerInnen und ÄrztInnen niedergeballert werden.
Johannes Franke: Weißt du was, ich kann mir trotzdem vorstellen, dass selbst... wenn Kinder nicht so drauf sind wie sie oder vielleicht wie dein Kind, das könnte ich mir nicht auch vorstellen, dass du das ganz problemlos wegsteckst, dass Kinder da in dieser Art der Inszenierung durchaus okay damit sind, mit diesen Szenen.
Florian Bayer: Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Kinder vielen Momenten oder aufs Ganze betrachten mit der Art der Inszenierung deutlich besser klarkommen als Erwachsene. Ja. Der Film war ja... Es ist nicht so gut angekommen bei Pressevorführungen und vor allem die Amerikaner waren irgendwie so...
Johannes Franke: Aber liegt das nur daran, dass er andere Sachen vorher gemacht hat oder ist das wirklich dem Film zu schulden? Ich bin mir so unsicher.
Florian Bayer: Die wollten allen Tarantino sehen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Nach Oldboy war Park Chan-wook der neue Tarantino. Und I'm a Cyborg, but that's okay. ganz weit weg von dem, was Tarantino gemacht hat und was so diese coolen Filme der 90er und 2000er Jahre ausgemacht haben, weil er ist einfach quietschbunt, er ist naiv, er ist kindlich, er hat überhaupt keine Coolness, also vielleicht ein bisschen, der Rain, der bringt vielleicht so ein bisschen Coolness rein, der koreanische Popsänger, der den Ilson Park spielt, aber ansonsten hat der Film wenig Coolness und ist einfach schräg und ich glaube, was er hat, womit Kinder besser klarkommen als Erwachsene, ist diese absolute Kohärenzlosigkeit. Dieses permanente Rumspringen zwischen Erlebnissen, zwischen Geschichten, auch zwischen Figuren. Weil ständig eine andere Figur im Mittelpunkt steht und auch ständig eine andere Perspektive im Mittelpunkt steht, sodass dir wirklich schwindelig wird. Und ich glaube, Kinder kommen mit sowas besser klar, weil Kinder auch so ticken.
Johannes Franke: Das ist interessant. Ich habe nämlich in der Recherche ganz viele Leute entdeckt, die gesagt haben, um Gottes Willen, ich kann nichts damit anfangen. Ich weiß überhaupt nicht, wo ich bin und was das alles soll. Und ich habe die Hälfte des Films nicht verstanden. Und die andere Hälfte wollte ich nicht mehr verstehen. Ich als Zuschauer komme voll gut mit. Vielleicht bin ich das Kind, was du ansprichst. Ich weiß es nicht, aber ich fühle mich da total gut aufgehoben und durchgeführt. Aus irgendwelchen komischen Gründen geht das voll gegen das, was ich die ganze Zeit von irgendwelchen Leuten lese. Wie kann das sein?
Florian Bayer: Ich glaube, es ist weniger ein Verständnisding, weil der Film ist ja echt geschwätzig. Also es wird sehr viel erzählt und es wird auch sehr viel erklärt. Und aus verschiedenen Perspektiven. Sodass es ziemlich schnell möglich ist, sich so ein umfassendes Bild zu machen. Was allerdings merkwürdig ist, und es ist auch wirklich eine schräge Mischung, finde ich. Zum einen so ein bisschen dieses Slowpacing, das man aus dem kino-Kino kennt, einfach weil wenig passiert. Und dann gleichzeitig aber diese... Hektik, diese bedingungslose Hektik, die die ganze Zeit im Raum ist, weil wir ständig irgendwelchen Leuten durch die Gänge dieser quietschbunten Anstalt folgen, die wirklich nicht so aussieht, wie eine Psychiatrie aussieht und dann aber ständig hin-und hergerissen werden.
Johannes Franke: Es wurde in der geschlossenen Abteilung gedreht. Ja,
Florian Bayer: aber eine Psychiatrie ist nicht so bunt. Diese Möbel, die da stehen und es wirkt auch alles so merkwürdig dimensioniert und dann steht mal so eine riesige Wanduhr. irgendwo in der Ecke und das sind so bunte Sessel. Ich finde, das hatte wirklich so ein bisschen was von einer Kita eigentlich. Also diese übertriebenen Möbel und diese bunten Farben. dann hüpfen ja auch die Insassen, hüpfen ja auch alle so ein bisschen rum, wie Kinder. Wie Kinder in der Kita, die irgendwie spielen und sich irgendwie miteinander beschäftigen und mal streiten und so weiter.
Johannes Franke: Keine Sorge, wir werden noch erzählen, worum es im Film geht. Aber ich muss kurz auf den Kita-Gedanken noch eingehen. Ich find's großartig, weil nämlich Park selbst auch gesagt hat, dass Toy Story irgendwie auch eine kleine Inspiration war. Nämlich der Gedanke, was passiert in dieser Abteilung? Wenn die ganzen Patienten quasi allein sind. Also wie Spielfiguren zum Leben erweckt werden, die dann ohne Aufsicht lebendig Zeug miteinander machen. Und sobald irgendwie Aufsicht da ist, passiert das Wesentliche eigentlich gar nicht. Und das wollte er gerne zeigen. Was passiert, wenn die Aufsicht nicht da ist und der theoretische Bau einer geschlossenen Abteilung ohne Aufsicht. Das fand ich total spannend.
Florian Bayer: Ja, und... Das zieht er ja wirklich konsequent durch. Wir sind hier im Innenleben einer Psychiatrie und vor allem auch im Innenleben der Insassen dieser Psychiatrie. Vor allem von zwei Protagonisten, die im Mittelpunkt stehen und zwar zum einen... Yangun, die sich für einen Cyborg hält, ohne dass das die, die sie behandeln, wissen. Ich glaube nämlich einfach, sie hätte versucht, sich umzubringen. Was aber dazu führt, dass sie zum einen sagt, sie kann keine Nahrung zu sich nehmen, weil sie natürlich Elektrizität braucht, um Energie zu kriegen.
Johannes Franke: Ja, sie leckt ständig an irgendwelchen Batterien.
Florian Bayer: Genau, und ist nicht das, was ihr gegeben wird. Und zum anderen verarbeitet sie damit offensichtlich ein Trauma, das sie hat, weil ihre Großmutter...
Johannes Franke: Die hat sich für eine Ratte gehalten.
Florian Bayer: Die hat sich für eine Ratte gehalten und die wurde irgendwann abgeholt von den Männern in den weißen Kippeln. Das sind auch so ihre Feinde. Und sie hat es nicht geschafft, sie zu retten. Sie ist ja hinterher gefahren mit dem Fahrrad. Und dann hat das Fahrrad gesagt, ey, natürlich kannst du das gerade nicht. Deine Batterie ist leer, du musst dich aufladen.
Johannes Franke: Nein, nein, das Fahrrad hat gesagt, natürlich hat ein Fahrrad keine Chance gegen einen Krankenwagen. Ein Cyborg schon. Und in dem Moment wird irgendwie geboren, dass sie die Idee hat, okay, ich bin ein Cyborg, damit ich irgendeine Chance gegen diese Weizgitter habe.
Florian Bayer: Aber keine Energie, ich muss irgendwie an Energie kommen, ich muss mich irgendwie aufladen. Und die Geschichte dreht sich darum, dass sie neu ist in dieser Psychiatrie. Und ein Mitpatient, nämlich Park Il-Soon, der eine unglaublich niedliche Störung hat, nämlich eine Art von Kleptomanie, die aber eine besondere Kleptomanie ist. Er stiehlt nämlich nicht einfach nur Gegenstände, sondern er stiehlt... Eigenschaften. Er stiehlt Wochentage.
Johannes Franke: Wochentage, den Donnerstag zum Beispiel. Eigentlich hat er nur ein Höschen geklaut, sind wir ehrlich.
Florian Bayer: Er stiehlt Gefühle. Auf jeden Fall ist er ein notorischer Dieb und alle wissen, dass er alles geklaut hat. Das heißt, wenn irgendwas verloren geht, dann ist er verantwortlich. Und woraufhin er sich dann öfter mal hinter eine große Hasenmaske zurückzieht. wird aufmerksam auf sie und es entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte. Das ist eigentlich so das große Ganze, was in diesem Film passiert. Und es geht darum, wie Park Il-sung versucht zum einen Yang-Gun aus ihrer selbst auferlegten Magersucht zu befreien. Und zum anderen geht es aber auch darum, wie er gleichzeitig den Verlust seiner Mutter verarbeitet, der als Hauptgrund erzählt wird, warum er so ist, wie er ist. Und drumherum haben wir ein... wirklich buntes Potpourri an Insassen dieser Psychiatrie, die die unterschiedlichsten Störungen haben. Und es sind fast alles so, irgendwie was so in den Bereich Schizophrenie waren, Vorstellungen.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Und es ist eine interessanter als die andere.
Johannes Franke: Aber auch eine unrealistischere.
Florian Bayer: Und eine auch unrealistischer als die andere. Wir werden auf jeden Fall über Realismus in der Darstellung von Psychiatrie reden. Und wie du schon gesagt hast, So der Kern ist, was passiert, wenn sich nicht um die Leute gekümmert wird, weil um die Leute wird sich meistens nicht gekümmert.
Johannes Franke: Nein.
Florian Bayer: Wir haben hier eine Psychiatrie, die nicht dargestellt wird, was ja oft gemacht wurde in der Filmgeschichte, dass es diese große Autoritätsfigur gibt. Vor allem bei Einer flog über das Kuckucksnest, die alles unterbrutt hat und die bösen Ärzte, denen die Patienten eigentlich egal sind, die nur ruhigstellen wollen. Das haben wir nicht, die Ärztinnen und Ärzte, die da rumlaufen. versuchen irgendwie so ein bisschen Ordnung reinzubringen, machen auch ein paar Behandlungsmaßnahmen. Aber tatsächlich sind die PatientInnen meistens sich selbst überlassen. Die Behandlungen spielen auch in dem, was wir in dem Film sehen, nur eine sehr untergeordnete Rolle. Also abgesehen von ein paar Gruppentherapiesitzungen und von der...
Johannes Franke: Und der Schocktherapie.
Florian Bayer: Und von der Elektrokonvulsionstherapie.
Johannes Franke: Ja so, okay.
Florian Bayer: Zu der ich noch ein bisschen was recherchiert habe, weil ich das spannend finde, weil es ein wirklich interessantes Thema ist. Da wird wenig gezeigt, was es an Behandlungen gibt. Und stattdessen wird halt einfach dieses quietschbunte Treiben gezeigt. Mal aus der... viel, viel, viel aus der Perspektive von Yangun. aber auch mal aus der Perspektive von ihrer Mutter, mal aus der Perspektive von Ilson Park, mal aus der Perspektive von einer Ärztin, die plötzlich anfängt, darüber zu reden, was sie macht und was sie vermutet, was bei Yang Gu nicht stimmt. Und es gibt ein sehr munteres Perspektiven-Gespringe und man weiß nie so genau. In wessen Wahnvorstellung sind wir denn jetzt gerade?
Johannes Franke: Genau, ja. Es ist wirklich toll, vor allem weil wir nicht das haben, was oft in solchen Filmen gemacht wird, wo irgendwelche Wahnvorstellungen die große Rolle spielen, dass wir immer wieder den großen Kontrast haben zwischen, wir sehen die Wahnvorstellungen und dann gehen wir raus aus der Perspektive der Wahnvorstellungen und sehen, wie jemand im Leeren nichts steht und in der Gegend rumschießt. Das sehen wir gar nicht so oft. Wir haben ganz oft wirklich... Ihre Perspektive und Ihre Wahrheit und es wird uns nicht unbedingt gesagt, wie es wirklich ist.
Florian Bayer: Was wirklich geil ist und das finde ich ist ein ganz wichtiges Thema von dem Film. Oder beziehungsweise...
Johannes Franke: Ich trinke mir Oh ja,
Florian Bayer: bitte, sehr gerne, danke. Das ist ganz wichtig für das Hauptthema des Films, wie umgegangen wird mit diesen Wahnvorstellungen und wie die Wahnvorstellungen übergehen in andere Perspektiven. Wir haben nämlich ganz oft Momente, wo... andere Personen ihre Wahnvorstellungen adaptieren. Also vor allem die Liebesgeschichte zwischen Ilson Park und Yangun wird eben auch dadurch erzählt, dass er weiß, dass sie eine Wahnvorstellung hat. Er denkt sich, die kommt etwas später eine ganz abstruse Behandlungsmethode aus, um ihr zu helfen, dass sie jetzt endlich wieder anfangen kann zu essen. Aber wir sehen nicht nur, wie er ihr was vorspielt dabei, sondern auch so ein bisschen ihre Wahnvorstellung übernimmt. Wie er sie sieht als Maschine, als Cyborg. Wie sie sich vorstellt. Und das haben wir ganz viel in diesem Film, dass Wahnvorstellungen weitergegeben werden an andere. Und in diesem geschützten Raum, in diesem Safe Space, hat jeder die Möglichkeit, seinen Wahn auszuleben und gleichzeitig seinen Wahn an andere zu übergeben. Alle wissen, Ilson Park ist ein Dieb, weil das sein Wahn ist und alle akzeptieren das und nehmen das hin. Und dann gibt es eben den Choleriker, der sich furchtbar darüber aufregt, dass seine Tischtennis-Anspielmethode von Ilson Park gestohlen wurde. Also er hat seine Wahnvorstellung übernommen, er akzeptiert die und baut die in seinen Narrativ mit ein.
Johannes Franke: Obwohl ich oft das Gefühl habe, dass allen irgendwie subconscious klar ist, dass jeder andere... ja, eine Wahnvorstellung hat. Ja,
Florian Bayer: sie reden auch ganz viel drüber, ne?
Johannes Franke: Also es ist sozusagen nicht so, dass das nur 100% in die Realität übergeht, sondern sie haben irgendeine dritte Ebene drin, in denen das alles allen eigentlich irgendwie klar ist. Das finde ich schon gut auch.
Florian Bayer: Auf jeden Fall ist viel reflektiert. Gerade Ilson Park macht das ja ganz viel, dass er auch die Leute vorstellt. Oder auch die ganz am Anfang. Wir werden eingeführt in die Psychiatrie. Nicht durch eine Ärztin, sondern durch die Frau, die Mythomanie hat. Das heißt, wir werden erstmal mit dem ganzen Mythomanie, sie muss Lügen erzählen. Sie kann nicht aufhören, Lügen zu erzählen. Kriegt dafür auch eine Schocktherapie, die das behandeln soll und hat deswegen Gedächtnisverlust.
Johannes Franke: Und deswegen macht sie es wiederum. Da wird ein Kreisschluss erzählt übrigens.
Florian Bayer: Und sie ist die, die uns die Psychiatrie vorstellt und ganz viel erzählt von Patienten. Und dann noch die Geschichte einwirft, dass da ja diese Uhr ist, wo der Typ mit Schluck auftritt. ...gestorben ist und deswegen gibt es den Schluck auf da drin immer noch. Und das heißt, von Anfang an wird uns der Boden unter den Füßen weggezogen. Ey, du darfst hier nichts glauben, weil du hast gerade, einmal du hast gerade das komplette Set aber erzählt bekommen von einer Person, die notorische Lügnerin ist.
Johannes Franke: Vor allem hast du am Anfang wirklich geglaubt, dass es die Ärztin ist. Ja, das ist so geil. Weil die ja wirklich im Kittel sie dann in der Gegend rumführt und sagt, also folgendes, das ist das, das ist das, das ist das, da musst du dich auch vorsehen. Und ich wusste es nur beim zweiten Gucken schon, aber... Aber ich erinnere mich daran, dass ich gedacht habe, wirklich die ganze Zeit gedacht habe, okay, das ist jetzt die Ärztin, die sie rumführt. Und dann stellt sich das heraus, das ist keine Ärztin, sondern das ist auch Patientin. Und Park macht hier ein Statement, der sagt, glaube das alles nicht. Wir bewegen uns so viel zwischen Realitäten, du kannst dich eigentlich nicht darauf verlassen.
Florian Bayer: Und die purzen wir durcheinander. Wir haben dann ja auch das Narrativ von Yanguns Mutter, die weiß, dass Yangun sich für einen... Cyborg hält. Die weiß, was in ihrem Kopf vorgeht, weil sie sie erzählt hat, aber die zu Yangun gesagt hat, halt das geheim, sag das nicht, sonst wirst du für verrückt gehalten.
Johannes Franke: Aber sie geht auch nicht dagegen. Sie sagt auch nicht, du bist kein Cyborg.
Florian Bayer: Genau, sie will ihre Ruhe haben. Und es ist ja wirklich so auf letzte Sekunde, dass das Yangun dann eingewiesen wird, weil sie hätte sich ja wirklich fast umgebracht mit diesen Elektroschocks, die sie sich verpasst hat, um sich aufzuladen. Das wären wichtige Informationen für die Ärztin, mit der sie redet. Dass sie dann mal sagt, ey, pass auf, ich weiß, warum die das gemacht hat. Oder ich kann es mir vorstellen, die hält sich für einen Cyborg. Das ist vielleicht ein Ansatz, wo man behandeln könnte. Aber genau, wir werden quasi eingeführt von dieser Perspektive der Mutter, die aber auch nicht ganz die Wahrheit sagt. Und sehen gleichzeitig, während die Mutter erzählt aus dem Off, wie Yangun die Realität wahrnimmt. Nämlich, dass sie halt diese typischen Cyborg-Trademarks hat, dass sie eigentlich einen Körper hat, der reagiert auf Elektrizität. Dass sie sich unterhalten kann mit einem Getränkeautomaten. Und da ist es ja eigentlich schon passiert, da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Du weißt, hier fliegen Wahrnehmungen durcheinander und du musst dir ja gar keine Realität aussuchen, weil es gar keine richtige Realität mehr gibt.
Johannes Franke: So wie du es jetzt formulierst, ahne ich ein bisschen, warum manche Leute im Internet sagen, dass sie den Film nicht verstehen. Aber auch nur, weil du es jetzt so verwirrend erzählst, oder? Ich weiß nicht, der Film zieht einen doch ganz gut mit. Oder hast du das Gefühl, dass man da wirklich nicht wissen kann, wo man ist?
Florian Bayer: Also ich lasse mich da total gerne reinfallen. Und es ist chaotisch und es ist auch ein bisschen hektisch. Aber es ist ja auch gleichzeitig unglaublich lebendig. Das ist ja auch... Ein Film, der obwohl er so sehr düstere, harte Themen hat, ich meine es geht um Selbstmord, es geht um irgendwie so eine Art von, es ist nicht Magersucht, aber es geht um jemanden, der sich zu Tode gehungert hat. Es geht um Leute, die wirklich schwere psychische Erkrankungen haben und die komplett aus der Gesellschaft rausgefallen sind und irgendwie versuchen ihren Platz oder ihren Sinn im Leben zu finden. Aber erzählt wird das Ganze ja bunt und lebendig und quietschig und auch bis zur Naivität hin kittig und albern.
Johannes Franke: Aber man muss schon sagen... Und um dem so ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen, der sagt, das ist aber keine realistische Darstellung und so, es geht ihm ganz offensichtlich nicht darum, eine realistische Darstellung von einer psychiatrischen Abteilung zu bringen. Hoffen wir es. Ja, also ich glaube, er hat es auch gesagt so eindeutig, dass er das nicht wollte. Es geht nicht um ein medizinisches Doku-Drama, sondern es ist eher so eine Fabel vom Gefühl her.
Florian Bayer: Ja, würde ich auch sagen. Und die Wahnvorstellungen, die wir hier haben, sind ja auch bis zum Grotesken hin übersteigert. Also es gibt ja harte Schizophrenie mit Wahnvorstellungen, mit Halluzinationen, wo sowas auch eine Rolle spielt. Aber wie es hier erzählt wird... Das ist einfach, das ist die, das ist eine Fantastereien-Version davon.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Es ist auch immer, die Geschichte ist wichtiger als die Diagnose. Ja. Also die Einzelgeschichte. Die Geschichte von jedem Einzelnen ist viel wichtiger als die Diagnose, die ihm eventuell gestellt werden könnte. Und nicht ohne Grund ist es auch wirklich, haben wir... nur ganz wenige Momente, wo diagnostiziert wird, wenn mal eine Ärztin zum Arzt sagt, ich habe keine Ahnung, was mit dir los ist, aber sie ist nicht und ich versuche, das rauszufinden, versuche an sie ranzukommen. Und in dieser Diagnose wissen wir deutlich weniger als das, was die Mitpatienten von Yangun mitkriegen. Die sehen nämlich, dass sie sich für einen Cyborg hält. Die Ärzte und Ärztinnen sind die, die da im Unklaren sind.
Johannes Franke: Mal zur Ergänzung, trotz... All dieser Fabel-Ebene, die da drin steckt. Also der Regisseur verzichtet nicht vollkommen darauf, eine Psychologie hinterzusetzen. Er bringt schon ordentliche Erklärungen für ihren Cyborg-Gedanken und was da alles so drin steckt. Es wird schon auch gesagt, es wird sogar ziemlich deutlich ausgesprochen, was sie alles für sich als Motivation hat. Sie hat diese sieben Todsünden, die sie loswerden muss, damit sie dann die Weißkittel umbringen kann, damit sie ihre Oma wieder kriegt. Ne, solche Sachen. Das ist schon ein sehr deutlicher Pfad, der da psychologisch nachgezogen wird.
Florian Bayer: Es wird halt nicht so wirklich pathologisiert, ne? Es wird nicht, es kriegt auf jeden Fall eine Motivation und es wird auch klar, warum sie sich für einen Cyborg hält. Aber es ist nicht Teil von einer Pathologie, sondern Teil von einer Motivationsgeschichte.
Johannes Franke: Ja, was ich aber auch stärker finde noch, weil du dann wieder auf der Ebene des Menschlichen bist und nicht des Pathologisierten. Weil du dann auch dich viel wieder, viel mehr damit identifizieren kannst. Was ja so viel auch gesagt wird von, also es gibt ja viele Leute, die dann sagen, man kann sich so schlecht mit den Figuren identifizieren, was ich auch wieder nicht finde.
Florian Bayer: Also ich konnte mich mit keiner von diesen Figuren identifizieren, aber ich finde auch Identifikation wird vollkommen überschätzt bei Filmen.
Johannes Franke: Nein, es geht ja um eine emotionale Identifikation. Es geht nicht darum, dass ich mich identifiziere, weil ich das Gefühl habe, okay, ich halte mich auch für ein Cyborg. Das ist ja nicht die Ebene, auf der ich anspiele, sondern es geht ja um die emotionale Motivationsebene.
Florian Bayer: Aber dafür sind die emotionalen Reaktionen doch auch viel zu sehr all over the place, weil wie sie auf Dinge reagieren, wie sie Dinge... wie sie Dingen eine extreme Relevanz geben, die gar keine Relevanz haben und gleichzeitig Dinge, die unfassbar wichtig sind, einfach zur Seite wegschieben, um in ihrer Welt zu bleiben. Da gibt es ja keine Konsistenz im Emotionalen, sondern das ist auch einfach total wild, auch diese Wechsel zwischen fröhlich und traurig, die permanent stattfinden.
Johannes Franke: Aber da sind wir wieder beim Kind. Das sind wir wieder beim Kind. ...meine Einstellung.
Florian Bayer: Verdammt. Es ist was total Kindliches, wie diese Menschen sich verhalten und wie diese Menschen fühlen und aufeinander reagieren. Deswegen haben die auch ständig Streit. Die schreien sich die ganze Zeit an. alles wird groß gemacht und es ist egal was. Und dann haben sie ihre Gruppensitzungen, die grundsätzlich irgendwann eskalieren. Dann reiht jeder jeden an. Es ist wie in der Kita. Vor allem, wenn dann dieser eine Typ da sitzt und sich die Hasenmaske überzieht und sagt, ich habe jetzt keinen Bock mehr. Genauso verhalten sich kleine Kinder in der Kita, wenn es zu solchen Situationen kommt.
Johannes Franke: Aber ich finde es großartig. Ich finde es toll, weil mich das wieder zurückversetzt in ein kindliches... staunend einfach nur auf einem Prime-Level zugucken, ohne das zu sehr immer zu intellektualisieren, obwohl ich dem auch natürlich eine intellektualisierte Ebene gebe, weil ich eben auch versuche zu Motivationen zu verstehen und so.
Florian Bayer: Was es halt wirklich ganz stark macht, ist, dass es einmal sagt, so, die Ratio hat jetzt Feierabend. Ihr werdet jetzt hier reingeworfen und das ist auch das, was mich so reinwirft da. Ihr werdet hier jetzt reingeworfen es gibt keine richtige Realität mehr. Es gibt nur noch Realitäten, die irgendwie miteinander entweder kollidieren oder auch mal kooperieren. Und versuch nicht, dich darin zurechtzufinden. Sondern lass das jetzt erstmal einfach auf dich wirken. Du wirst schon sehen, wo das hinläuft. Und es läuft dann ja auch irgendwo hin. Wir haben ja diese sich ahnbarenden Romanze zwischen Ilson Park und Jong-Gun. Wir haben diese Entwicklung. Wir wissen, wo sie raus muss, dass sie raus muss aus dieser Essstörung. Dass sie irgendwie überlebt. Und wir haben irgendwie was... wo wir hinausfiebern können und uns werden auch immer wieder Rätsel auf den Weg gestellt. Wir wollen wissen, was ihre Großmutter zu ihr gesagt hat, als sie den Sinn des Lebens sagen wollte.
Johannes Franke: Aber wollte sie wirklich den Sinn des Lebens sagen oder ist das nur etwas, was Yong-Gun sich dann zusammen reimt?
Florian Bayer: Das spielt halt keine Rolle.
Johannes Franke: Ja, das spielt schon eine Rolle, weil, also nicht, dass sie das vielleicht sich nur ausdenkt, aber... Das Wichtige ist ja für Jung-Gun anscheinend, dass sie einen Sinn im Leben hat. Deswegen ist sie ja der Cyborg, weil der Cyborg ja eine gewisse Aufgabe hat. Sie weiß zwar noch nicht, welche Aufgabe, aber sie sieht darin die Möglichkeit, relativ klare Instruktionen zu erhalten, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, wie sie ihr Leben gestalten soll.
Florian Bayer: Und scheitert sie am Schluss dann da drin? Weil dann wäre es ja eigentlich ziemlich tragisch, weil diesen Sinn, den sie findet. Den kann sie ja nicht erfüllen, sonst würde sie explodieren.
Johannes Franke: Ja, also natürlich scheitert sie am Ende damit. Aber wir als Zuschauer sind erleichtert, dass sie damit scheitert, weil sie dann nicht explodiert.
Florian Bayer: Ja, zumal sie ja auch irgendwie was gewinnt. Weil sie gewinnt ja tatsächlich zum ersten Mal offensichtlich in ihrem Leben einen echten Freund. Und jemanden, der sich wirklich Gedanken darüber macht, wie es ihr geht und ihr helfen will. Und auf diesem Weg gibt es dann ja auch. Und das auch wieder, das sind ja eigentlich nur Visionen. Aber das sind unglaublich niedliche Visionen und die sind so wichtig für diese Liebe. Also wie sie sich vorstellt, wie sie in diesem Jetpack dann ist und vom Boden abhebt, wenn sie sich zum ersten Mal küssen. Das ist einfach total süß.
Johannes Franke: Ja, wirklich.
Florian Bayer: Oder auch diese Operationsszene, also zum einen, was er sich alles ausgedacht hat, um ihr weiß zu machen, dass er jetzt ihren Rücken operiert, um dieses Teil einzusetzen. Aber dann auch diese zärtliche Inszenierung, die ja fast schon wie so eine Sexszene ist, wenn er vorsichtig an ihrem Rücken herumdoktert. Sie muss sich auch vorher entkleiden. Ja, und diese, diese, diese... halluzinatorischen Romanzen, die die ganze Zeit da reingeworfen werden, die sind unglaublich stimmungsvoll und unglaublich schön. Und ich will die nicht kaputt machen, dadurch sage ich, das ist ja nur eine Illusion, sondern das muss so stehen bleiben.
Johannes Franke: Ich glaube, die werden dadurch, dass sie eben nicht intellektualisiert begreifbar sind, sondern auf einer emotionalen Ebene begreifbar sein müssen, weil sie eben so traumwandlerisch sind, haben die eine Chance, stärker... stärker zu sein beim Gucken, stärker dich emotional anzusprechen. Vielen Oh mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber, aber, woher?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes. Ja? Ich befürchte, wir befinden uns in einer Self-Promo.
Johannes Franke: Oh no,
Florian Bayer: shit. Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind. Also auf Spotify oder Apple oder so was.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren sollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt. Gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannesnetmusmannsehen.de oder florianettmusmannsehen.de.
Johannes Franke: Genau, schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah, das ist schnell durchgekommen.
Florian Bayer: Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch.
Florian Bayer: Was ist denn das für eine merkwürdige Liste von Todsünden?
Johannes Franke: Die sind alle cat-related. Ich liebe es.
Florian Bayer: Es sieht so ein bisschen aus, als wäre das Erinnerung an irgendein Kinderbuch, das Sie mal gelesen haben.
Johannes Franke: Das kann gut sein.
Florian Bayer: Es gibt ja diese Bilder dazu auch. Wir haben Mitgefühl, Traurigkeit, Sehnsucht. Ganz wichtig, weil sie die Sehnsucht empfindet, wenn sie in Ilson Park verliebt ist. Was ihr das schwerer macht. Das Hinauszögern, die sinnlose Tagträumerei. Schuldgefühle und als letztes Dankbarkeit. Und es wird dann auch ganz klar gesagt, die Todsünden sind nach ihrer Wichtigkeit sortiert. Wobei nicht genau gesagt wird, ob mit dem Wichtigsten angefangen oder aufgehört wird.
Johannes Franke: Ich glaube, das sind alles Traits, die man als Kind hat.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall. Aber auch die man als Hund hat?
Johannes Franke: Ja, okay. Aber sie war nie ein Hund. Also ich glaube, sie muss aus ihrer Kindheit raus. Es ist auch ein bisschen Coming of Age. Sie sagt sich selbst, ich muss aus all dem raus, wo ich nicht in der Lage war, Oma zu retten. Und das ist ja auch großteils Kindheit.
Florian Bayer: Ich habe das Gefühl, es ist so viel die Moral ihrer Mutter. Also wir lernen relativ wenig von ihrer Mutter kennen. Aber die ist ja total... Die... will ja unbedingt verhindern, dass das Yangun so wird wie die Großmutter. Die will die ganze Zeit die Ordnung behalten. Sie hat das Restaurant, sie kümmert sich um die Kinder, sie muss irgendwie alles in Ordnung halten. Und dann sind so Sachen wie Takträumereien, sind total hinderlich. Die sorgen nur für Chaos. Aber auch so was wie hinauszögern. Wir können uns vorstellen, dass die eine harte Arbeitsmoral hat und auch ihre Tochter von Anfang an angetrieben hat. Das stimmt. Du musst deine Sachen erledigen, damit es weitergeht für dich. Und da haben halt auch so Gefühle wie Dankbarkeit oder auch Schuldgefühle nicht so wirklich Platz darin.
Johannes Franke: Wobei ich mir bei der Mutter vorstellen kann, dass die ihre Kinder zu Dankbarkeit erziehen, auch in dem Kulturkreis.
Florian Bayer: Zu Höflichkeit vielleicht eher. Ich glaube, da ist Höflichkeit wichtiger als ehrlich empfundene Dankbarkeit oder ehrlich geäußerte Dankbarkeit. Die Mutter hat doch die ganze Zeit dieses, was sollen die Nachbarn denken.
Johannes Franke: Aber kannst du dir nicht vorstellen, so eine Mutter, die sagt, wenn das Kind mal wieder rebelliert, sei gefälligst dankbar für das... Dach überm Kopf für das Essen, was ich dir auf den Tisch stelle und so weiter. Ja,
Florian Bayer: aber ob es da um ehrliche Gedankbarkeit geht, was eingefordert wird?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Also wir haben auf jeden Fall das Gefühl, also ich habe das Gefühl, sie muss diese sieben Todsünden nicht überwinden, sondern vielmehr muss sie eigentlich überwinden, dass sie die als Todsünden wahrnimmt.
Johannes Franke: Ja, das am Ende auf jeden Fall, das stimmt. Aber ihr Objective, das erklärt wird von ihr, ist natürlich diese Todsünden in sich stillzulegen.
Florian Bayer: Natürlich, sonst kann sie die Weißkittel nicht ermorden, weil die Weißkittel können ja auch Großmütter haben und dann hätte man ja Mitleid mit ihnen und dann wären das zu viele Gedanken und dann kann man nicht auf diesen tollen Rachefeldzug gehen, den sie sich zweimal vorstellt. Einmal relativ kurz und einmal richtig,
Johannes Franke: richtig heftig lang.
Florian Bayer: Und auch hier wieder mit Is und Park als Teil ihrer Fantasie, der da auch mitmacht, der dann geschockt dasteht, nachdem sie alle niedergeballert hat mit guten Special Effects, finde ich. Total. Dafür, dass es ein Low-Budget-Film ist, also drei Millionen hat der ja gekostet.
Johannes Franke: Krass, ne?
Florian Bayer: Mit Fingerkuppen, die sich öffnen und die dann als Läufe von Pistolen fungieren und einmal wirklich fies in die Menge ballern. Ja,
Johannes Franke: total gut gemacht, also Special Effects-mäßig sehr gut gemacht und ich finde, dass die... inszenatorisch total gut reinpassen. Ich glaube, dem Film würde viel fehlen, wenn dieser düstere Unterbau nicht wäre. Wenn das Thema nicht so ernst drunter wäre. Wenn diese Szenen nicht drin wären, die es wirklich teilweise verstörend machen. Ich finde die Kombi total wichtig.
Florian Bayer: Das ist so krass, weil wir sind Anfang der 2000er Jahre. Damals war Amoklauf ja so ein sehr starkes Thema, vor allem in der westlichen Welt. Durch dieses Littleton-Ding, das war irgendwie kurz davor. Und es war wieder so ein großes Thema, auch diese Killerspiel-Debatte, die da mithing. Und was sie hier inszenieren, ist ja so dieser Wunsch nach einem Amoklauf. Also sie will genau das machen. Sie will einfach wild um sich schießen und dabei einfach mal alles, was irgendwie aus dem Bereich Medizin, Psychiatrie kommt, niederballern, weil die alle schuld daran sind, dass ihre Oma weg musste. Und das wird auch als Empowerment erzählt. Sie auch, wenn wir, ja, hegen während des gesamten Films keinen Kroll gegen die Ärztinnen, die sie behandeln.
Johannes Franke: Gar nicht.
Florian Bayer: Aber in dem Moment hat es natürlich was krass Befreiendes, wenn sie einfach plötzlich ihre Finger ziehen kann und dann zehn Schüsse auf einmal losfeuern und alle, die einen weißen Kittel tragen, werden durchs Sieb von Kugeln.
Johannes Franke: Ich finde es total krass, dass man das hinkriegt, die Ärzte nicht als Antagonisten zu erzählen und trotzdem solche Szenen haben zu können, ohne dass wir von ihr wegrücken. Ja. Wir verstehen sie trotzdem noch und wir wollen auch immer noch, dass sie eine Gnugtuung bekommt. Wir wollen natürlich nicht, dass sie die wirklich umbringt, aber wir wissen ja in dem Moment, die hat zu viel Mitgefühl, die hat die sieben Todsünden nicht überwunden und das wird sie auch nicht. Das ist alles, wir freuen uns über ihre Fantasie, die sie in dem Moment für sich ausleben kann, ohne dass es wirklich passiert.
Florian Bayer: Ja. Werden die behandelnden Ärztinnen zu Antagonisten, wenn es zu der Elektroschocktherapie kommt?
Johannes Franke: irgendwie nicht so richtig dolle Aber ich glaube, wir haben ein Gefühl für diese Elektroschocktherapie durch einen Flug übers Kokosnetz und so weiter, wo man diese Therapieform antagonisiert.
Florian Bayer: Jingle.
Johannes Franke: Klugscheißen mit Plor.
Florian Bayer: Elektrokonvulsionstherapie wird das Ding genannt. Und die ist international im Einsatz. Und die ist evidenzbasiert. Mittlerweile ziemlich eindeutig und ziemlich klar. Also soweit, dass die Fachwelt sich wirklich einig ist. Ja, das hilft bei bestimmten psychischen Erkrankungen. Sie wird besonders eingesetzt bei starken Depressionen. Und vor allem, wenn diese Depressionen einhergehen mit so einer naja, mit so einer Katatonie, die hier auch erzählt wird, wenn du nicht mal mehr bereit bist zu essen. Und zusätzlich wird sie auch bei Schizophrenie eingesetzt. Auch in Deutschland. Relativ häufig. Also nicht relativ häufig. So viele psychiatrische Fälle haben wir in Deutschland nicht, aber sie wird eingesetzt.
Johannes Franke: Wie sieht die aus? Sieht die auch so aus wie im Film?
Florian Bayer: Natürlich sieht die nicht aus.
Johannes Franke: Zittern die dann vor sich hin und fallen unter Umständen aus dem Bett, wenn sie nicht festgeschnallt werden?
Florian Bayer: Es gibt Studien, die untersucht haben, wie diese Elektrokonvulsionstherapie im Film dargestellt wird oder grundsätzlich in fiktionalen Medien. Und das Ergebnis ist... Nicht sonderlich überraschend. Shit. Die zeigen das alle falsch und deswegen hat das Ding so einen schlechten Ruf. Man muss natürlich dazu sagen, die Behandlung mit Elektroschocks hat eine weitreichende Geschichte. Und vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts, Ende des 19. Jahrhunderts, als das angefangen hat, als damit experimentiert wurde, wurde damit auch sehr viel Schindluder getrieben. Und das war auch ganz lange, es gab einfach keine Evidenzbasiertheit, sondern es wurde einfach mal drauf geschockt. Aber die Psychiatrie hat das tatsächlich ziemlich... gut untersucht und mittlerweile wissen wir, dass das hilft. Und es ist noch nicht 100% erklärt, wie es hilft, aber offensichtlich ist es so, dass es sowohl Wahnvorstellungen bekämpfen kann, als auch so die typischen Symptome von einer starken Depression.
Johannes Franke: Wenn auf mich ein Arzt zukommt und mir sagt, also wir müssen jetzt folgendes machen, dass ich weiß, Wir werden in den Medien völlig falsch dargestellt. Wenn der diesen Satz sagt, denke ich schon, oh, vielleicht suche ich mir einen anderen Arzt. Das ist doch der Bond-Bösewicht, der dir versucht, was zu verkaufen.
Florian Bayer: Also natürlich werden Patienten, bei denen das gemacht wird, narkotisiert. Und es ist auch nicht so, dass du dann diese riesigen Wattebäuche hast, die an einen drauf... auf einen draufgelegt werden und dann werden 10 Sekunden, 15 Sekunden Schocks durchgejagt, der ganze Körper zittert und so weiter. Das ist wohl eine sehr vorsichtige Behandlung, die sehr sachte gemacht wird und so genau beobachtet wird. Es gibt natürlich auch Kontraindikationen, du machst es nicht, wenn jemand schwanger ist oder du machst es nicht, wenn jemand Herz-Kreislauf-Probleme hat und so weiter. Und ganz wichtig, also es ist von Land zu Land unterschiedlich, es ist natürlich so, dass die die... Einstimmung des Patienten vorausgesetzt ist, dass das gemacht werden kann. Aber wenn es gemacht wird, soll die Wirksamkeit bei über 90% liegen, bei den besonders schweren Fällen, bei denen es eingesetzt wird. Die Bunde Ärztekammer hat als das mal wieder in der Diskussion war, was immer wieder passiert, 2003, ein paar Jahre bevor der Film entstanden ist, geschrieben, ein Verzicht auf die EKD, die Elektro-Krampf-Therapie, so wird sie genannt, würde eine ethische, nicht vertretbare Einschränkung des Rechts... von häufig suizidal gefährdeten schwerstkranken Patienten auf bestmögliche Behandlung bedeuten. Oh,
Johannes Franke: okay.
Florian Bayer: Zumal die EKT von den Patienten retrospektiv gut bis sehr gut beurteilt wird.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und natürlich gibt es auch Gegenstimmen auch in der Wissenschaft, die sagen, äh. Und die sind aber vor allem, zum einen gibt es die Nebenwirkungen. Und die sind tatsächlich, wie in dem Film geschildert, Gedächtnisverlust.
Johannes Franke: Okay, ja.
Florian Bayer: so kurzfristiger Gedächtnisverlust und Störungen von der Wahrnehmung und vom Denken. Und dann zum Zweiten wird immer wieder gesagt, naja. es hilft, aber es hilft eher kurzfristig. Und es hat nicht diese längerfristige Wirkung. Und ja, vielleicht macht es dann keinen Sinn, das zu machen, weil dann hast du jemanden in der Psychiatrie und solange er diese Therapie kriegt, geht es ihm gut. Aber wenn er dann draußen ist, du kannst ihn ja nicht sein Leben lang mit Elektroschocks behandeln. Das kann ja nicht richtig sein. Und genau, dadurch gibt es durchaus auch Kritik. Aber es ist eigentlich in der Fachwelt unumstritten, dass das eine gute Therapie ist, die extrem wirksam ist. Und die man nicht den Patienten wegnehmen will. Insbesondere eben den Patienten, die suizidgefährdet sind, die schwere Depressionen haben, die schwere Schizophrenie haben, die katatonisch sind und so weiter.
Johannes Franke: Und die eine ordentliche Akkuaufladung brauchen.
Florian Bayer: Und die eine ordentliche Akkuaufladung brauchen. Nämlich das haben wir hier in diesem Film. Ihr kommt diese Therapie voll gelegen. Ja.
Johannes Franke: Wir haben so ein bisschen Angst um sie, weil wir wissen, dass die eine Patientin ihr Gedächtnis immer wieder verliert dadurch. Aber scheint ihr keine so großen Probleme zu machen? sie denkt nur einfach, dass sie jetzt wieder aufgeladen ist, was ja nicht ganz stimmt in der Realität. Sie fällt dann gleich wieder um, nachdem sie ihre Fantasie da ausgelebt hat mit den Maschinenpistolen aus ihren Fingern, fällt sie halt wieder um und muss zwangsernährt werden.
Florian Bayer: Sie macht das großartig. Sie wirkt so zerbrechlich. Sie hat diese Kindlichkeit, ebenso jung. Sie hat diese kindliche Niedlichkeit, diese Naivität. Und dann gleichzeitig so was unglaublich Zerbrechliches. Und es gibt ja auch den Moment, wir haben über Identifikation geredet, ist gar nicht notwendig. Es gibt diesen Moment, wo du einfach mitfieberst, weil sie spielt das wirklich gut, dass sie am Rande des Todes steht. Sie hungert sich zu Tode. Und wir fiebern dann halt auch irgendwann mit und hoffen, dass sie da irgendwie rauskommt, dass sie es irgendwie schafft, was zu essen.
Johannes Franke: Ja, die Schauspielerin hat auch abgenommen dafür,
Florian Bayer: für diese Rolle. Ja, ganz schön ordentlich. Also ich habe sie nicht wiedererkannt, aber sie hat in... Tale of Two Sisters mitgespielt 2003 und das ist ein großartiger koreanischer Horrorfilm, der so auf dieser Welle der asiatischen Horrorfilme mitgeritten ist, aber zu den stärksten davon gehört. Also das ist ja ein sehr großer Teil des Plots wie... wie Ilson Parks sie dazu bringt, wieder was zu essen und diese wirklich wunderschöne Cafeteria-Szene, wo er sie anweist, wie sie jetzt was essen kann, nachdem sie dieses Gerät eingepflanzt bekommen hat.
Johannes Franke: Und alle anderen sitzen drumrum und sind gespannt und machen mit. Es ist so süß. Es ist wirklich sweet.
Florian Bayer: Alle fiebern mit.
Johannes Franke: Alle hauen sich gleichzeitig vor die Stirn, glaube ich, wo es nicht ganz klappt. Und dann ist es wirklich sehr, sehr, sehr sweet. Wollen wir mal kurz über die Methode reden, die er benutzt? Weil das, was der Film aufmacht als Methode, ist ja, sich in die Welt des Patienten zu begeben. Um zu gucken, okay, ich versuche nicht erstmal sie davon zu überzeugen, dass sie kein Cyborg ist, sondern ich versuche innerhalb dieser Cyborg-Realität sie wenigstens zum Essen zu bringen. Und lasse mich auf diese Welt erstmal ein. Das sehen wir ja bei Alzheimer-Patienten tatsächlich, dass das immer wieder empfohlen wird, dass Verwandte und Pflegepersonal und so weiter sich größtenteils erstmal auf die Welt einlassen sollen, weil wirklich behandelbar ist es ja nicht in der Form.
Florian Bayer: Was aber auch teilweise kritisch gesehen wird, ich kann mich erinnern an sehr große Debatten darüber, dass sie eine Bushaltestelle vor eine Psychiatrie gestellt haben, damit die Leute sich da hinsetzen können, um auf den Bus zu warten.
Johannes Franke: Aber es kam kein Bus.
Florian Bayer: Es kam natürlich kein Bus, weil sie haben einfach eine Bushaltestelle dahin gebaut. Und dann wurde halt gesagt, ey Leute, das ist echt hart. Ihr bringt die alten Leute dazu, die sowieso verwirrt sind, sich da hinzusetzen und stundenlang auf den Bus zu warten. Und für euch ist das natürlich so leichter, dann müsst ihr euch nicht weiter kümmern. Aber das ist schon ziemlich böse,
Johannes Franke: ne? Ja.
Florian Bayer: Wenn du dir vorstellst, dass dann eine 80-Jährige da sitzt, die Alzheimer hat und wartet.
Johannes Franke: Und wartet und wartet, ja. Die erfriert doch auch, wenn sie... Hat er jetzt wahrscheinlich drauf geachtet. Naja, wird drauf geachtet, aber... Du weißt ja, Pflegenotstand, wer achtet denn da wirklich drauf und wie lange? Und dann sitzt sie vielleicht, weil sie dann doch vergessen wird, dann doch ein bisschen zu lange da. Ja. Also sind wir ehrlich. Naja, und ich weiß auch nicht, das ist halt das, was ich mich den Film über gefragt habe. Das ist aus der Perspektive des Films, als der rausgekommen ist, finde ich voll nachvollziehbar und auch ein richtig guter Schritt, das einmal zu sagen, lass dich lieber erstmal auf den Patienten ein und auf seine Welt ein. Aber... Ich habe auch das Gefühl, dass wir heute ein kleines bisschen differenzierter darauf gucken.
Florian Bayer: Ich würde ganz doll davon abraten, diesen Film als medizinische, psychiatrische, psychologische Empfehlung zu lesen. Auf keinen Fall machst du das mit den Patienten, was hier passiert. Und das funktioniert auch nicht so, wie es hier passiert.
Johannes Franke: Das ist es halt.
Florian Bayer: Und deswegen würde ich dieses medizinische, ich würde das wirklich ausklammern bei dem Film. Weil sonst stolperst du über ganz viele Sachen, wo du sagst, ah, das ist nicht richtig.
Johannes Franke: Aber das muss ich dir jetzt sagen, ich habe den Film gesehen vor... Weiß ich nicht genau. Vielleicht, ich glaube mich jetzt inzwischen daran zu erinnern, dass du mir den sogar empfohlen hast vor 20 Jahren.
Florian Bayer: Das kann gut sein. Vielleicht.
Johannes Franke: Und... Ich habe aufgrund dieser Entwicklung, das was Sie jetzt sagen, dass man sich auf den Patienten einlassen soll, habe ich das als Methode für mich übernommen. Ich habe im Laufe des Lebens, ich weiß nicht genau warum, manche Menschen haben da nicht so viel Kontakt mit, ich habe sehr viel Kontakt mit Menschen gehabt, die psychische Besonderheiten hatten oder besondere Ausgangslagen hatten. Und das war für mich immer... die Methode.
Florian Bayer: Aber du bist ja auch kein Psychologe und kein Psychiater. Du hast die Leute nicht behandelt, sondern warst mit ihnen befreundet.
Johannes Franke: Das ist richtig, aber man kommt ja doch immer mal in Situationen, wo man nicht anders kann, als sich eine Taktik zu überlegen.
Florian Bayer: Ja, natürlich, aber das ist ja keine Behandlung.
Johannes Franke: Natürlich ist es keine Behandlung, auf gar keinen Fall. Aber trotzdem ist es sozusagen die Frage dessen, welche Taktiken überlegt man sich und wo ist das sinnvoll und wo ist das eigentlich gar nicht so richtig sinnvoll. Aber das kann ich nicht abschließend beurteilen. Nee. Ich will bloß sagen, dass dieser Film mich damals dazu tatsächlich gebracht hat, das als Methode zu übernehmen.
Florian Bayer: Ich glaube, du kannst da auch einfach unterscheiden, es ist einfach was anderes, was du als Freund machst und was jemand macht, der das behandelt. Ja. Und dieser Film hat natürlich eine gewisse Naivität da drin, wenn er sagt, das funktioniert. Guck mal, wie die ganzen Ärztinnen und Ärzte versagt haben. Und dieser Ilson Park setzt sich hin und sagt, ich habe eine kleine Maschine für dich, die mache ich jetzt in deinen Rücken rein. und macht dann so, als würde er den Rücken aufschneiden, setzt das ein und sagt, so und jetzt wird dein Reis, den du isst, in Energie umgewandelt, jetzt kannst du wieder essen. Dass das funktioniert, dass das der Film erzählt, ist natürlich vollkommen naiv. Ja, ja, genau. Und in der Realität sind einfach die Ärztinnen und Ärzte, die Psychologinnen und Psychologen, viel besser darin geschult, ihr zu helfen und sie da rauszuholen. Aber wieder, dieser Film ist... Erzählt nicht Realität. Dieser Film erzählt nicht psychiatrische Realität und nicht psychologische Realität, sondern der Film erzählt Ich bin froh,
Johannes Franke: dass wir kurz darüber geredet haben, weil das ist schon wichtig, finde ich, für den Film, dass man wenigstens einmal kurz darüber nachdenkt.
Florian Bayer: Und ich sage auch nicht, dass das komplett falsch ist, aber wie gesagt, ich bin kein Psychologe. Aber wenn du mit jemandem zu tun hast, der eine Schizophrenie hat, als Freund oder als Familienangehöriger, klar gehst du dann auch anders damit um, als wie ein Psychologe damit umgeht.
Johannes Franke: Ja, aber man sollte sich schon auch mal mit Leuten unterhalten, die das beruflich machen. Also man sollte sozusagen nicht wie ich damals seine Tipps aus Filmen holen, sondern dann vielleicht doch mal mit Leuten sich unterhalten, die einem sagen, das ist vielleicht als Freund eine angemessene Reaktion.
Florian Bayer: Definitiv. Also ich habe ja immer, wenn es so Psychiatriefilme und Psychotherapiefilme... Film ist meistens Bullshit. Wenn es darum geht, sich damit auseinanderzusetzen, wie sieht eine Psychiatrie aus? Und meistens halt vor allem auch in diese Richtung, diese Psychiatrie-Kritik, und ich mache gerade Anführungszeichen mit meinen Fingern, weil das ja oft ganz fiese Klischees sind und wird total falsch dargestellt. einfach mal um eine Lanze für die Psychiatrie zu brechen. Wir können total froh sein, dass wir Leute haben, die sich damit wissenschaftlich auseinandersetzen, die sich damit pflegerisch und medizinisch auseinandersetzen, um Menschen zu helfen, die unter was auch immer leiden.
Johannes Franke: Ja, absolut.
Florian Bayer: Und ja, Einer flog über das Kuckucksnest ist ein toller Film, aber auch ein Arschloch.
Johannes Franke: Ja, absolut. Ihr habt ihn neulich wieder gesehen und ich habe aber das stärker in Erinnerung gehabt, dass die Psychiatrie so wahnsinnig arschlochig ist. Aber das... Das ist ja über weite Teile nur relativ subtil. Und erst am Ende wird es wirklich eskaliert, das dann halt, ne?
Florian Bayer: Aber diese Oberpflegerin, ich weiß nicht mehr, wie sie hieß, die wird doch von Anfang an als der Antichrist schlechthin dargestellt.
Johannes Franke: Eigentlich nicht so dolle. Also sie ist unbarmherzig in ihrer Art und Weise zu sagen, nee, wir machen jetzt zum Beispiel nicht das Spiel an, was du unbedingt gucken willst. Wir lassen das mal abstimmen und dann... dann weiß sie ganz genau, dass die, die nicht abstimmen können... Das ist böse. Also wirklich böse.
Florian Bayer: Das ist böse.
Johannes Franke: Aber das ist nicht die absolute Grundlage des Films. Das habe ich in meinem Kopf immer vergrößert.
Florian Bayer: Okay, vielleicht habe ich das auch vergrößert. Ich habe den auch schon länger nicht mehr gesehen. Ich mag den Film, um das dazu zu sagen. Ich finde, das ist ein richtig guter Film. Ich liebe das Ende. Ich finde, Jack Nicholson ist richtig stark. Er ist sowieso insgesamt total gut gespielt. Und es gibt echt schöne Szenen. Aber er hat halt das Problem, was fast alle Filme haben, die in der Psychiatrie spielen, dass er eben, und das ist natürlich so naheliegend, dass er das darstellt als so ein Setup, in dem jemand Macht hat, über jemanden, der sehr schwach ist, und das vollkommen... ausnutzt. Und Psychiatrien sind immer so Fegefeuer, in denen fiese Ärzte Patienten quälen und ihre Macht ausspielen. Ich bin froh, dass das in diesem Film nicht so ist. Ja,
Johannes Franke: absolut. Aber es ist natürlich in die andere Richtung jetzt, auch unrealistisch.
Florian Bayer: Total!
Johannes Franke: Und ich warte noch auf den Moment, wo wir mal realistische Filme haben, die das irgendwie realistisch darstellen. 12 Monkeys hat es ja auch nicht geschafft. Oh Gott,
Florian Bayer: 12 Monkeys war ja genauso. Also 12 Monkeys war ein toller Film und da ist es ja auch so fantastisch übersteigert. Da ist die Psychiatrie eher sowas wie ein Zoo. stimmt. Ja, Wie ist dieser Film mit Winona Ryder und... Girl Interrupted. Ach. Angelina, doch es ist Angelina Jolie aus dem Jahr 1999. Ich glaube, der hat es ganz gut hingekriegt. Zumindest so, wie ich ihn in Erinnerung habe.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Da war es wirklich okay, auch so ein bisschen Klischees und das war auch so ein Coming-of-Age-Film, wo es darum geht, dieser Fuchtel der Psychiatrie zu entwachsen und seine eigene Persönlichkeit zu finden. Aber da war es, glaube ich, ganz okay. Aber ansonsten würde ich auch behaupten, wenn Psychiatrie in Filmen dargestellt wird, wird meistens dieses Scientology-Narrativ übernommen. Psychiatrie ist ein böser Ort, die wollen dich unterdrücken. Hör nicht auf diesen Scheiß, kümmere dich. Das ist genau dieses Alternativmedizinische. Alles, was evidenzbasiert ist, was es an Medizin gibt, wird verteufelt. Und hey, alternative Behandlungsmethoden. Und dass diese alternativen Behandlungsmethoden dazu in der Lage sind, Patienten zu töten oder zumindest sehr leiden zu lassen, wird dabei gerne unter den Teppich gekehrt.
Johannes Franke: Wie sehr ist sie eigentlich ein Manic Pixie Dream Girl? Und wie sehr ist er Manic Pixie Dream Boy?
Florian Bayer: Er ist voll Manic Pixie Dream Boy. Rain.
Johannes Franke: Rain. Es ist ja krass, was der in seinem Leben alles gemacht hat. Der ist 42 oder sowas inzwischen und hat ein krasses Leben als K-Pop-Star. Und hat ganz viele TV-Shows gemacht und Filme gedreht und Zeug. Ist ja unglaublich.
Florian Bayer: Er ist sieben Tage vor mir geboren. 1982 ist er geboren.
Johannes Franke: Und hat drei deiner Leben gelebt.
Florian Bayer: Und? Eigentlich, das war seine erste Rolle als Schauspieler. Und davor hat er als Sänger und als Popstar und als Model, hat er schon eine riesige Karriere. Er wurde zu den einflussreichsten Menschen des Jahres gewählt, mehrmals in Folge, weil ihn halt wirklich sehr viele Leute kennen. Ich habe ein bisschen reingehört, was mich dann doch interessiert hat. Ich habe ein bisschen Rain gehört. Nee, ist nicht meine Musik. Ich kann mit diesem... Ich bin nicht in dem K-Pop-Game drin. Ich auch nicht. Ich höre auch nicht, was K-Pop von J-Pop unterscheidet.
Johannes Franke: Oh Gott, was ist J-Pop jetzt noch?
Florian Bayer: Japan.
Johannes Franke: Ach so.
Florian Bayer: Es ist okay, es ist hörbar. Es ist halt wirklich so Pop irgendwo zwischen gesäuserten Balladen und Hip-Hop-Einflüssen und Elektrobeats und alles so hörbar, aber auch so, was so ein bisschen an einem vorbeifliegt.
Johannes Franke: An dieser Stelle einen kurzen Gruß nach München an Melli.
Florian Bayer: Sie mag das? Ich finde es aber auch spannend und er ist halt voll der Boy-Group-Typ. Er sieht ja echt saugut aus. Und er ist der Manic-Pixie-Dream-Boy in diesem Film.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Definitiv. Ihre Krankheit oder wie sie inszeniert wird, taugt nicht dazu, sie zum Manic-Pixie-Dream-Girl zu machen, weil sie zu wenig... Manic ist dabei.
Johannes Franke: Naja, aber sie muss ja schon gerettet werden und so und er darf da, also es ist schon so ein bisschen.
Florian Bayer: Aber das Manic Pixie Dream Girl muss nicht gerettet werden, sondern ist die rettende. Das ist das Besondere. Ja, es gibt zumindest eine feministische Komponente bei dieser Männerfantasie, es ist nichts anderes. Das sind so Frauen, die sehr fröhlich, Kirsten Dunst hat das gespielt, so sehr fröhliche, quietschfidele in Elizabethtown oder Natalie Portman, in, die wir vielleicht auch mal besprechen sollten, der echt ganz nett war. Garden State, die so fröhlich sind und lustig und das Leben genießen, während der Mann irgendwie in Depressionen versunken ist und von diesen fröhlichen, lebenslustigen rausgerettet wird.
Johannes Franke: Ja, vielleicht sollten wir uns nochmal genauer mit diesem Manic Pixie Dream Girl auseinandersetzen. Egal, egal. Das machen wir bei einem anderen Film.
Florian Bayer: Auf jeden Fall, ich finde, Wendon ist eher das Manic Pixie Ding.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und er rettet sie, aber sie ist nicht manig genug. Sie ist zu sehr in sich gekehrt und auch Ja, sie hat auch ihre manischen Momente, aber sie ist dann doch zu kaputt einfach durch dieses Hungern und dadurch, dass ihre Haare auch echt so ziemlich mitgenommen aussehen teilweise, dann hat sie diese blondierten Augenbrauen, die wahrscheinlich daherkommen, dass sie einen Schock gekriegt hat, keine Ahnung, wird nicht erzählt, sie hat es halt einfach dann. Und jetzt müssen wir über Jodeln reden, weil das ist irgendwie die geilste Szene des ganzen Films. Da zieht er nämlich sein Manic-Pixie-Programm durch.
Johannes Franke: Flor, kannst du vielleicht einen Übergang finden? Komm, du kriegst jetzt einen Übergang von blondierten Augenbrauen zum Jodeln.
Florian Bayer: Naja, sie wird aufgeladen mit den Elektroschocks und dann kommt er und sagt, so, jetzt lass uns mal rausgehen. Was passiert da in dieser... Also ich meine, es ist sowieso verwirrend, wenn er manchmal klein wird und manchmal groß, aber dann rubbelt er ihre Beine, um sie aufzuladen. Und dann plötzlich fängt das Jodeln an und dann fliegen sie durch den Himmel. Und dann sind sie auf dieser Wiese und ihre Oma kommt mit einem Gummiband. Ich kann schon verstehen, dass manche Leute sagen, ich verliere mich in diesem Film. Weil what the fuck passiert? Also die Szene ist toll, aber what the fuck, was passiert da?
Johannes Franke: Okay, fangen wir von Anfang an. Sie ist in diesem viel zu grünen Raum. wo ich mir nicht vorstellen kann, dass ein Beruhigungsraum so gepolstert in diesem Grünton beruhigend ist. Auf jeden Fall sitzt sie da und nebenan wird er dann reingeworfen in einen ähnlichen Raum und er gibt ihr diesen Becher weiter. Man kennt ja dieses Bechertelefon, wo diese Schnur dazwischen ist. Und dann kann man mehrere Meter voneinander entfernt sich im Becher hören, wenn die Schnur straff ist. Betonung liegt auf, wenn die Schnur straff ist. In dieser Szene. können die auf gar keinen Fall hören im Becher, was der andere sagt. Keine Chance. Physikalisch völlig unmöglich. Aber wir sehen auch, dass sie relativ nah aneinander sind, was die Fenster betrifft. Die können sich einfach so unterhalten.
Florian Bayer: Das Bechertelefon ist vollkommen überflüssig.
Johannes Franke: Völlig nutzlos. Aber ich finde es ein total süßes Gadget, weil die ja dann auf der Wiese, wo die da sind, sich trotzdem noch, wenn sie nebeneinander sitzen und sie sich so an ihn rankuschelt, trotzdem noch über dieses Bechertelefon reden Stückchen. Das finde ich total süß. Sodass die eigentlich nur in einer Fantasie zusammensitzen, aber ja, tatsächlich getrennt sind voneinander. Und dann kommt die Mutter mit diesem Gummiband. Ich finde das Bild total großartig. Von ihr, wie sie da mit... letzter Mühe...
Florian Bayer: Die Oma.
Johannes Franke: Die Oma mit letzter Mühe da rankommt und das Gummiband zieht und zieht und sie will noch bei ihr einen Moment wenigstens sich verabschieden oder sowas, ne?
Florian Bayer: Der Sinn des Lebens ist, aber das kommt... Doch, das kommt ein bisschen früher. Egal, erzähl weiter.
Johannes Franke: Und dann wird sie weggezogen und schnipst in den Himmel hinein und ist weg. Ich finde es ein total gutes Bild. Ich finde es total schön, auch ihre Fantasie, also ich interpretiere das jetzt einfach mal so, dass sie... in ihrer Fantasie, dass Oma sich wirklich Mühe gibt und mit letzter Kraft nochmal kommt, um sich zu verabschieden. Und dann einfach das Jenseits oder was auch immer. Ich weiß nicht, ob sie dann schon weiß, dass ihr Oma stirbt oder gestorben ist. Ich habe das gerade nicht genau im Kopf. Aber dass irgendeine unsichtbare Kraft an ihr zieht, um sie rauszureißen, aus ihrem Leben rauszureißen. Und dass Oma sich aber wirklich Mühe gibt.
Florian Bayer: Das war wahrscheinlich ihre wichtigste Bezugsperson. Also ich habe das Gefühl, dass das Verhältnis zu ihrer Großmutter ist deutlich enger als zu ihrer Mutter. Auch weil die Großmutter sich ganz viel um sie gekümmert hat, ganz viel da war. Deswegen hat sie das ja auch so aufgesaugt, diese Wahnvorstellung. Also ihre Großmutter lebt ja auch in ihrer Welt und der wurde auch ihre Welt weggenommen. Die Mutter hat gesagt, du darfst deinen Rettich nicht essen. Sie hat ihr das Gebiss weggenommen, damit sie den Rettich nicht mehr essen kann. Das ist übrigens ziemlich eklig, wenn sie am Anfang mit diesem Gebiss rumläuft. Das ist echt nicht schön. So ein Gebiss, so dritte Zähne, das ist echt widerlich.
Johannes Franke: Vor allem, es gibt dieses tolle Bild von oben, wo die Kamera von oben runterguckt und sie schaut hoch zu den Lichtern mit offenem Mund und da hat sie das Gebiss drin. Und dieses Lächeln wirkt so absurd, was sie da aufsetzt.
Florian Bayer: Das ist echt unangenehm. Ich finde diese Gebissprothesen, die sind echt nicht schön.
Johannes Franke: Kurz bevor die übrigens da eingesperrt werden in diese beiden Räume, kommt einer der besten Sätze überhaupt. Der Automat lässt dich grüßen, ruft er ihr noch zu. Das ist so süß.
Florian Bayer: Kurz davor habe ich tatsächlich die lustigste Szene des Films notiert, nämlich wenn sie alle Hunger streikten für sie, damit ihre Elektroschocks aufhören. Und dann kommt der Arzt und sagt so, passen Sie auf, Sie haben das nicht verstanden, wir machen die Elektroschocks, weil sie nichts isst. Dann so ganz kurz Sekunde Pause und dann fangen alle an ganz schnell zu essen.
Johannes Franke: Keiner von denen wollte wirklich streiken, die hatten alle Hunger. Und sobald es ein Argument gibt, rennen alle dahin und essen.
Florian Bayer: Ich fand viel witziger diese Interpretation, dass sie Angst haben vor der Elektroschocktherapie. Wir geben ihr die Elektroschocks, weil sie nichts isst. die nichts isst. Kurz in die Runde, wo die ganzen Leute sind, die sagen, wir essen jetzt nichts mehr. Und dann fangen alle ganz schnell an.
Johannes Franke: Das habe ich so nicht verstanden, aber ist auch geil. Oh mein Gott. Super. Ja, also der Film hat wirklich viele, viele lustige Momente, aber eben auch so absurde Momente.
Florian Bayer: Diese ganzen Mitpatienten, das sind so tolle Typen dabei. Dieser eine Typ, der so höflich ist, dass er nur rückwärts gehen kann und der sich für alles entschuldigt und glaubt, an allem schuld zu sein. Was für eine großartige Figur.
Johannes Franke: Tolle Idee. Und auch kulturell macht es voll Sinn, weil man ja immer wieder hört, dass diese Kultur sehr darauf bedacht ist, sich immer zu entschuldigen und immer höflich zu bleiben. Selbst wenn irgendwie der größte Scheiß passiert, irgendwie seinen Shit nicht zu verlieren.
Florian Bayer: Ja. Dann dieser Tischtennisspieler, der sich den Aff dazu genäht hat. Oh Gott,
Johannes Franke: oh Gott, oh Gott, oh Gott.
Florian Bayer: Die Mythomanie-Patientin hatten wir schon. Das ist eigentlich eine ziemlich traurige Figur, die guppt an, die immer alles in sich reinstopft. Die ja ganz am Anfang wesentlich ist für das Hungern von... Von Yangun, weil sie ihr die ganze Zeit das Essen zuschieben kann, weil sie einfach essen kann und einfach weiter in sich reinschaufelt, weil sie offensichtlich Angst hat, dass sie irgendwann mal kein Essen mehr haben könnte. Also es ist echt so eine Mischung aus absurd, witzig, aber dann merken wir auch schnell, kommen wir auch zu denen, die irgendwie auch traurig sind als Figuren.
Johannes Franke: Ich finde es total interessant, lass uns mal ein bisschen länger über Park Il-Soon reden, der hat ja Angst, dass er irgendwann zu einem Punkt verschwindet und weg ist. Ja. Und seine Mutter hat ihn irgendwann verlassen und dann gibt es eine Einblendung von irgendeinem Richter, der ihm das auch nochmal deutlich aufs Gesicht zu sagt.
Florian Bayer: Du wirst dich auflösen.
Johannes Franke: Du wirst dich auflösen. Und der trägt diese Hasenmaske, die so ein bisschen an Alice in Wonderland erinnert. Ja. Und sicherlich auch eben diese Referenz mitbringen soll. In the rabbit hole, ja.
Florian Bayer: Und dann dieses manische Zähneputzen.
Johannes Franke: Und dieses manische Zähneputzen, genau.
Florian Bayer: Weil alles, was er macht, sagt er, ist, um zu verhindern, dass er sich auflöst. Auch so dieses, er wird ja als antisozial bezeichnet, er sagt, nee, nee, ich bin antiauflösend. Ich kämpfe gegen das Auflösen. Indem ich mir die Zähne putze und indem ich ihm die ganze Zeit was klaue, weil dann irgendwie was da ist.
Johannes Franke: Ja, und ich glaube auch, dass dieses Antisoziale ja überhaupt nicht stimmt. Weil das, was er macht, und das finde ich sehr interessant in diesem Charakter, er stiehlt den anderen ja nicht nur Dinge, sondern das Wesentliche daran ist ja, dass er ihnen Eigenschaften klaut. Ja. Und was gibt es Empathischeres und Sozialeres, als Eigenschaften von anderen zu nehmen und nachzuempfinden. Er hat die dann ja, ne? Er geht ja dann rückwärts und entschuldigt sich ständig. Wenn er ihr ihre Empathie nimmt, ist er wahnsinnig empathisch und also emotional. Und ich finde es total spannend, weil das seiner Diagnose entgegen geht. Und ich kann mir vorstellen... dass das so gemeint ist, dass er sich selbst damit heilt. Dass er das angenommen hat als seine selbst auferlegte Therapiemethode, um sozial zu werden. Ja. Das finde ich total cool.
Florian Bayer: Zumal seine Diebstähle... seine Diebstahlaktionen ja meistens auch was Befreiendes haben für die Beklauten. Also ich meine, Jan Gunen fleht ihn ja an, ihr das Mitleid zu stehlen. Aber davor schon, als er diesen netten, diesen höflichen Typen beklaut. Und dann hat er den ja auch ein bisschen befreit vor dieser Last, die er die ganze Zeit mit sich rumgetragen hat, weil er sich überall schuldig gefühlt hat.
Johannes Franke: Es ist total schön. Was ich ganz toll finde, ist, dass er die ganze Zeit auch sagt, naja, aber also, wenn ich dir das jetzt klauen soll, Du musst das schon scheiße finden, ne? Ich kann das jetzt nicht, ich kann niemandem was wegnehmen, wenn er will, dass das weg ist. Und wie sie dann, das ist total süß, wie sie dann sagt, ja bitte, ich verspreche mich zu ärgern. Ich verspreche, dass ich mich ärgere, wenn es weg ist. Also bitte stiehle es mir. Es ist so eine süße, naive Verhandlung, die sie dafür hat.
Florian Bayer: Und dann verfolgt er sie auch noch. Er sagt, es muss über einen längeren Zeitraum sein. Und verfolgt sie und versucht, das Programm durchzuziehen.
Johannes Franke: Und dann wird es plötzlich eine Detective-Story. Weil er dann ja der Auferzähler ist. Der erzählt, ich habe sie verfolgt. Ich habe das gemacht und das gemacht.
Florian Bayer: Das sind diese merkwürdigen Perspektivwechsel. Wo wir die ganze Zeit durchgesteuert werden. Und wir waren die ganze Zeit bei ihr, wie sie mit den Maschinen redet. Und wie sie ganz klar in dieser Zeit... Eberk-Welt ist und dann plötzlich ist er einfach der Offertsailer und sagt, als ob er es von Anfang an des Films angetan hätte, ich verfolgte sie dann, ich hab das gemacht, ich hab das gemacht und wir denken, hä, was, habe ich den Punkt verpassen? Was ist jetzt passiert? Ich dachte, ich hab mich gerade daran gewöhnt, dass ich bei ihr bin, in ihrem verwirrten Verstand und egal wie wild das ist, ich hab mich drauf eingelassen und jetzt bin ich bei dir und jetzt soll ich dir folgen, wie du das jetzt hättest? Ich glaub doch sowieso schon niemandem mehr.
Johannes Franke: Aber ich hab damit gar keine Probleme und ja, okay, Jetzt so nach und nach kann ich vielleicht auch verstehen, dass andere Leute Probleme damit haben könnten. Aber ich finde es total großartig. Ich finde es wirklich eine tolle Methode, das zu erzählen.
Florian Bayer: Du wirst halt durchgeschüttelt und du wirst durchgeworfen, aber weil eben alles so unklar ist von Anfang an, kannst du, ich finde man arrangiert sich mit dieser Unklarheit und man weiß, dass man sich auf nichts verlassen kann. Und sehr viele Geschichten hört hier und auch Geschichten, die Leute sich selbst erzählen und die akzeptiert man. Das ist ihre Realität. Ja, und es ist ein Film, der viele Realitäten hat.
Johannes Franke: Ja, das finde ich auch eine ganz große Stärke des Films, dass man, das ist ja ein hoch empathischer Prozess, sich immer wieder neu in die Welten dieser Figuren hineinzugeben. Und das ist die große Stärke überhaupt von Film an sich. dass du dich hinsetzt ins Kino und in die Welt einer Figur eintauchst. Und dass dieser Film das so übertreibt und dir so wahnsinnig viele Welten anempfiehlt und dich wirklich da empathisch reinzieht, das ist wirklich eine Stärke des Films. Ich find's toll.
Florian Bayer: Und das Schöne ist halt auch wirklich, wie diese Welten miteinander kollaborieren. er ihre Realitäten auch akzeptiert und sie seine Realitäten akzeptiert und dass sie in diesem Universum, dass sie sich dadurch gemeinsam schaffen, zusammenfinden. Und wenn das ein Universum ist, in dem man sowas wie Mitleid stehlen kann und durch eine eingesetzte Taschenuhr aus einem Roboter die Möglichkeit gibt, Reis zu essen, so biert.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Wir haben eine gemeinsame Ebene gefunden.
Johannes Franke: Das ist toll. Und ich habe das Gefühl, dass es dadurch am Ende gar nicht so sehr um Mental Illness oder sowas geht, sondern einfach darum, dass wir unterschiedliche Weltsichten und Ansätze, die Welt zu erklären, irgendwie akzeptieren. Das, was wir erleben mit der Welt ohne Mental Illness, ist ja genau der gleiche Wahnsinn. Wenn ich allein in andere Religionen reinschaue. Ich brauche einen empathischen Ansatz, um zu verstehen, was da passiert und was für Glaubenssätze dahinter stecken und was für Ideen die Welt zu begreifen dahinter stecken. Für mich ist das gar nicht so weit weg davon und ich finde es interessant, diese Parallele aufzumachen.
Florian Bayer: Es gibt ja wirklich diesen schönen Moment dann gegen Ende, der eigentlich so außerhalb von der Liebesgeschichte für mich der schönste Moment des Films ist, wenn nicht sogar sowieso der schönste Moment des Films, wenn sie der Psychologin, die die ganze Zeit versucht hat an sie ranzukommen, erzählt, dass sie ein Cyborg ist, dass sie das verrät.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und dann umarmen sie sich ja auch ganz lange.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und es gibt diesen Moment des gemeinsamen Essens, wenn die Psychologin sagt, so jetzt haben wir was geteilt, jetzt müssen wir auch zusammen was essen, ich hoffe du weißt, wie das funktioniert. Ein ganz kurzer Moment, in dem wir rausgerissen werden aus diesen ganzen kollidierenden Realitäten und Wahnvorstellungen, die wirklich einfach in einem ganz banalen Patienten-Ärztin-Gespräch sind.
Johannes Franke: Stimmt, ja.
Florian Bayer: Es wirkt nicht deplatziert, es ist tatsächlich so ein Moment. Und vielleicht auch kurz... bevor es am Ende nochmal ein bisschen irre wird, für fünf Minuten so einen ganz friedlichen Moment haben und komplett rausgerissen sind aus diesem ganzen Wahn und dieser ganzen Gedankenschonglage und einfach nur bei dem... sind, was wahrscheinlich am ehesten der Realität nachkommt und was einfach schön ist auch. Weil sie ja auch ein Stück Heilung erfahren hat, wie auch immer man diese Heilung sehen will. Genau,
Johannes Franke: ja. Das ist auch toll, weil die Ärztin, man hat oft das Gefühl, dass sie sehr viel einfach weglächelt und dass sie besonders hilfreich ist, dass sie nur Zeit vor sich hinkrinst, aber in dem Moment ist sie tatsächlich sehr hilfreich, weil sie das macht, was er ja im Grunde auch macht. Sie nimmt das erstmal an. unterstützt es zwar nicht, indem sie sagt, ah ja, du bist also ein Cyborg, sondern sie sagt, das ist gut, dass es jetzt raus ist. Und sagt aber nicht sofort, nein, du bist kein Cyborg, jetzt reiß dich mal zusammen. Sondern sie lässt die Welt erst mal so sein, wie sie ist und dann kommen die nächsten Schritte schon irgendwann.
Florian Bayer: Und dann hält sie sich für eine Atombombe.
Johannes Franke: Stimmt, ja.
Florian Bayer: Ja, wir haben die große Abschluss-Day, die große Abschluss-Romantik. mit wildem Zähneputzen und ein Finger in der Weinflasche, damit der Korken auf dem Kopf verhindert, dass sie vom Blitz getroffen wird. Das ist einfach so absurd.
Johannes Franke: Wie kommst du denn damit klar, dass das Ende ja eigentlich, wir haben ja mehrere Enden jetzt, weil das große Finale scheint ja zu sein, dass hier was ist. Und dann versuchen sie aber eine neue Quest aufzumachen, indem sie sagt, jetzt will ich aber rausfinden, was Oma da gesagt hat. Und versuche Lippen zu lesen aus meiner Erinnerung. Da kann ja nur... Atombomben dabei rauskommen. Das ist schon ein bisschen seltsam. Sie machen das ja neu auf.
Florian Bayer: Es fliegt ja schon länger damit rum. Also tatsächlich zur Hälfte des Films kommt die erste Schocktherapie und da sieht sie zum, wenn sie die erste Schocktherapie hat, sieht sie zum ersten Mal die Großmutter, die vor diesem Kasten steht und ihr versucht das zu sagen und da versucht sie die Lippen zu lesen. Das heißt, zumindest diese Frage, was wollte sie wohl sagen, schwebt irgendwie schon länger mit, aber jetzt wird es natürlich sehr konkret. Ich hatte das Gefühl, es... bietet vor allem nochmal, nachdem sie gerettet wurde, Und nachdem auch irgendwie Ilson Park gerettet wurde, weil er diese Brosche von seiner Mutter ja losgeworden ist dadurch, bietet es den beiden nochmal die Möglichkeit, mit dieser neuen Realität, in der sie sich jetzt befinden, einen Moment zu zweit zu haben. Und das ist ja wirklich ein Date.
Johannes Franke: Ja, das stimmt, ja.
Florian Bayer: Sie gehen da hoch, damit sie explodiert, aber es ist doch so klar, dass das einfach ein Date ist, inklusive Weinflasche und Händchen halten.
Johannes Franke: Und nasse Socken ausziehen. Und es sind ja nicht nur die Socken nass. Hör mal, kann man da nicht noch mehr ausziehen?
Florian Bayer: Es ist auf jeden Fall irgendwie, es ist einfach schön. Es ist das so, die Liebesgeschichte von ihnen startet vielleicht in diesem Moment erst so richtig.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und ja, es ist auch einfach ein schönes Ende. Deswegen, der Film ist nicht so plot-driven. Der Film, auch wenn es so ein paar Themen gibt, die durchgezogen werden, springt der Film trotzdem wild hin und her. Und deswegen kann ich ihm auch diese drei Enden verzeihen. Die sind da und das ist okay, weil das sowieso alles irgendwie so rumschüttelt, rumgerüttelt wird. Dann kommt am Schluss halt nochmal eine Spülung. Als wären wir in der Waschmaschine. Ja,
Johannes Franke: es ist ein bisschen kitschig. Es ist auch mit dem Regenbogen voll kitschig.
Florian Bayer: Aber es ist gut. Der Film ist kitschig. Der Film ist die ganze Zeit kitschig.
Johannes Franke: Ja. Aber so, Regenbogen. Die Zeit des Regens ist vorbei. Die Sonne kommt raus. Das Leben beginnt sonnig zu werden. Keine Ahnung. Dann fängt er an, irgendwie kitschig zu werden. Aber ich komme damit auch klar. Ich finde es schön, dass sie sich am Ende die Zähne putzt. Sie übernimmt was von ihm.
Florian Bayer: Genau.
Johannes Franke: Ja, dass es so ein bisschen Austausch ist. Und dann liegen sie nackt aufeinander, auch wenn wir das nicht richtig sehen können, weil wir so in einer großen Totalen sind.
Florian Bayer: Ich will den Regenbogen nicht, ich will ihn gar nicht nackt sehen, ich bin voll beim Regenbogen in dem Moment. Ich finde auch tatsächlich, Sex gehört irgendwie nicht so wirklich in diesen Filmen.
Johannes Franke: Nee, nee, nee.
Florian Bayer: Einfach, weil es auch so was kindlich Naives hat, ne?
Johannes Franke: Ja, dann ist man eher verstört davon, wenn man dann irgendwie Sex erahnen will da in der ganzen Geschichte.
Florian Bayer: Park Chan-wook hat gesagt, dass er seiner Hauptdarstellerin... eben so jung gesagt hat, sie soll sich nicht vorstellen, die zu spielen wie ein Cyborg, sondern eben wie ein kleines Kind. Ein kleines Kind, das ganz frei ist von Moral und von Schuldgefühlen und einfach nur seine Wünsche erfüllt haben will. Und das auch mal nervig sein kann, mal albern sein kann, aber das halt einfach unschuldig ist vor allem. Und ich finde, dass es ihm gut gelungen und das ist auch so ein Rahmen über dieser gesamten Geschichte, das hat einfach diese Unschuld, diese Naivität, dieses... Ja, auch dieses Unreflektierte.
Johannes Franke: Ja. Kannst du kurz über den Titel noch reden?
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Ich finde es interessant, der Titel gibt ja eigentlich schon eine Vorausschau auf das Ende. Weil der Anfang ist ja, I'm a Cyborg. Und dann in den letzten fünf Minuten ist es, but that's okay.
Florian Bayer: Ja, total.
Johannes Franke: Und das finde ich total schön. Und ich finde auch, dass der Titel genauso heißen könnte, I'm an introvert, but that's okay. Oder I have a weird fetish thing, but that's okay. Weißt du, so, es ist okay, wie du bist. Es ist alles in Ordnung.
Florian Bayer: Das ist das Hauptthema des Films, ist einfach den Menschen auch so akzeptieren, wie er ist. Weißt du, du hast mir mal den Begriff Empathie genommen, jetzt will ich ihn auch einmal reinwerfen. Was du Empathie genannt hast, die Empathie, dass sich auf den Menschen einlassen und die Menschen auch so zu akzeptieren und dann auch irgendwie zusammenzufinden. Auch wenn man nicht unbedingt direkt 100% auf einer Wellenlänge ist. Das ist da natürlich im Großen, weil jeder in komplett seiner eigenen Realität lebt, aber wir kennen es halt auch aus dem Kleinen. Ach,
Johannes Franke: das ist schön. Ich glaube, das ist auch das große Ding, warum mir der Film so gefällt und warum mir der Film so wahnsinnig viel sagt. Wollen wir in unsere Top 3 mal hineinrutschen?
Florian Bayer: Ja, bitte.
Johannes Franke: Unsere Top 3. Wir haben eine Top 3 mit dem Thema Filme im Kopf der Protagonisten. Das kann man auch in verschiedenen Arten und Weisen interpretieren.
Florian Bayer: Ich habe tatsächlich 5 insgesamt, aber ich will meine Honorable Mentions nicht nennen, weil ich Angst habe, dass ich mit den Honorable Mentions dir einen Platz wegnehme.
Johannes Franke: Ich habe auch 5. Dann lass uns doch die Honorable Mentions am Ende machen.
Florian Bayer: Machen wir die am Ende. Ich muss loslegen,
Johannes Franke: ne? Ja, leg du mal los.
Florian Bayer: Mein Platz 3, Spoiler für nächste Woche. Time Bandits.
Johannes Franke: Time Bandits? Achso.
Florian Bayer: Und mehr sage ich nicht dazu, aber das wird eine Aufgabe für nächste Woche.
Johannes Franke: Time Bandits.
Florian Bayer: Über den will ich reden. Time Bandits spielt zumindest, so viel sei gesagt, auch wenn es nicht 100% ausdekliniert ist, höchstwahrscheinlich im Kopf unseres 10-jährigen Protagonisten, eines kleinen Jungen von Terry Gilliam. Wunderbar, eine Liebeserklärung an die Fantasie. Der Versuch von Terry Gilliam, einen Kinderfilm zu drehen. Und nächste Woche werden wir drüber reden, ob ihm das damit gelungen ist.
Johannes Franke: Mhm, okay. Ich hätte auf meinem Platz 3 Eternal Sunshine of a Spotless Mind.
Florian Bayer: Ja, damit hast du meine erste Annung über Menschen weggekickt.
Johannes Franke: Okay. Findet vor allem eben in seinem Kopf statt, während das gelöscht wird. Er geht zu einer Firma, die eben die Erinnerung löschen soll, an eine Freundin, die sich getrennt hat von ihm. Und sie scheint es gemacht zu haben und das verletzt ihn und er denkt sich ja, ich will sie nicht mehr in meinem Kopf haben. Also ein Science-Fiction-Thema theoretisch, aber praktisch eigentlich geht es um Bewältigung von so Trennung. Ja,
Florian Bayer: großartiger Film. Toller Ritt durch die Fantasie von Kaufmann auch, oder?
Johannes Franke: Aber das weiß ich nicht ganz genau.
Florian Bayer: Das zeigt für uns, Mein Platz 2, Schmetterling und Taucherklocker aus dem Jahr 2007. Ein französischer Film, auf einer wahren Begebenheit basierend. Der Chefredakteur einer großen Modezeitschrift hat einen Schlaganfall. und leidet dann unter einem Locked-In-Syndrom und kann sich überhaupt nicht mehr bewegen. Und erzählt wird zum einen, wie er zurückfindet und dann auch irgendwann mit der Außenwelt kommuniziert und sogar seine Autobiografie aufschreibt, indem er einfach nur zu Buchstaben plinzelt. Und gleichzeitig wird aber auch erzählt, wie er halt ganz viele Träume und Gedanken hat, weil das die Momente sind, in denen er sich bewegen kann und in denen er richtig kommunizieren kann und so. Und ein sehr bewegender Film. Ein sehr trauriger Film aus dem Jahr 2007, Frankreich. Sehr schönes Drama. Okay.
Johannes Franke: Alles Kandidaten für unsere Liste hier. Ja. Aber mein Platz 2 ist, keine Liste kommt ohne diesen Film aus. In diesem Thema zumindest nicht. Fight Club. Wir haben lange ausführlich über Fight Club geredet, über seine Probleme, aber auch sehr, sehr viel über sehr viele gute Sachen dieses Films. Und ich finde, es hat kaum ein anderer Film so gut hingekriegt, eine zweite Figur, die eigentlich gar nicht... Da ist... Oh, Spoiler!
Florian Bayer: Oh nein! Alles verraten! 1999, da darf man auch mal Spoilen. Denk mal nicht so an, Leute.
Johannes Franke: Er hatte genug Zeit. Also es passiert sehr viel in seinem Kopf, sagen wir so.
Florian Bayer: Ja, toller Film. Und hört euch unser Gespräch dazu an, weil wir haben uns sehr stark auch damit auseinandergesetzt, inwiefern, wie dieser Film mit Themen wie Machoismus, Faschismus und so weiter Maskulinismus umgeht. Und ich glaube, es ist ein ganz interessantes Gespräch geworden. Wir haben uns sehr lange und ausgiebig und sehr kritisch mit dem Film auseinandergesetzt, mit dem Ergebnis, hey, wir mögen diesen Film immer noch, aber es gibt einiges zu besprechen. Das ist ein riesiges Paket, was dieser Film mitschleppt.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Mein Platz 1. Die beste, akkurateste und schönste Reise in die Gefühlswelt und in den Verstand eines Kindes. Wo die wilden Kerle wohnen von Spike Jonze aus dem Jahr 2009.
Johannes Franke: Der hätte reingucken können, ja.
Florian Bayer: Unfassbar guter Film. Stimmt. Ich habe den vor kurzem nochmal mit meinem Sohn geguckt. und dachten nochmal, ja, ich glaube, der hat es geschafft, in den letzten Jahren zu einem meiner absoluten Lieblingsfilme zu werden, ganz weit oben. wirklich schön traurig, nimmt vor allem Kinder ernst und versteht genau, wie viele unterschiedliche Gefühle und Fantasien, Ideen und auch Ängste und Sorgen in so einem Kind drinstecken können und bringt die halt in diesen riesigen Monstern auf die Bühne, auf die Leinwand. Meisterwerk.
Johannes Franke: Wir haben auch über diesen Film sehr lange geredet. Auch das Gespräch habe ich als sehr, sehr intensiv und gut in
Florian Bayer: Erinnerung. Auch eine unserer ersten Episoden.
Johannes Franke: Ja, stimmt. Mein Platz 1 ist Weil ich den neulich auch nochmal geguckt habe, um das nochmal irgendwie hinzukriegen, zu sortieren im Kopf. I'm thinking of ending things.
Florian Bayer: Und damit hast du meine zweite Honorable Mention weggekriegt.
Johannes Franke: Schön. Es ist wirklich krass, weil beim zweiten, dritten Gucken man nicht mehr versteht, wie zur Hölle konnte ich das nicht verstehen. Wie konnte ich diesen Film beim ersten Gucken nicht verstehen. Das ist doch alles da. Da ist dieser Hausmeister und das ist doch alles klar. Auch eine Episode, die wir, also ein Film, den wir in einer Episode besprochen haben. Und da würde ich fast, weiß ich nicht genau. Ich habe in der Episode, als wir darüber geredet haben, habe ich allen empfohlen, sich vorher darüber zu informieren, was dieser Film eigentlich sagen will, damit man versteht, was er sagen will. Und jetzt beim zweiten Gucken denke ich, nee, es war eigentlich ganz geil, dass ich beim ersten Mal überhaupt gar keine Ahnung hatte.
Florian Bayer: Danke, endlich bist du auf meinem Zug. Der Film will dir nichts sagen, ein Film will nichts. Ein Film ist nicht ein handelndes Subjekt, das irgendetwas... Hör auf, das menschliche Bewusstsein in einen Film rein zu verpflanzen, das ist... Kulturelle Metaphysik. So einen Scheiß machen wir nicht. Der Film ist einfach.
Johannes Franke: Ich liebe kulturelle Metaphysik, Florian. Ich könnte mir auspendeln, wenn du möchtest.
Florian Bayer: Welche zwei Honorable Mentions hast du denn noch?
Johannes Franke: Ich hab 12 Monkeys noch. Ah ja,
Florian Bayer: ja, ja.
Johannes Franke: Und ich hab noch Matrix, weil ja die Matrix im Grunde im Kopf der Menschen nur noch stattfindet. Ja,
Florian Bayer: stimmt. Eigentlich ist eigentlich Geist, findet die ganze Zeit im Geist statt.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Ja, cool.
Johannes Franke: Und du hast noch eine andere Menschen gehabt?
Florian Bayer: Nee, im Thinking of Ending Things war meine Platz 4 und ich dachte, vielleicht doch nach vorne. Ich wusste, ich war unsicher. Aber ich glaube, ich bin ganz zufrieden mit Wo die wilden Kerle wohnen auf Platz 1. Schaut ihn euch an. Unfassbar gut. Wenn ihr Kinder verstehen wollt, müsst ihr den Film gucken. Ich sag ja schon nichts mehr.
Johannes Franke: Okay, okay, okay. Das ist noch eine Nummer größer. Wenn ihr Kinder verstehen wollt. Okay. Das war's. Unsere Top 3. Dann gehen wir wieder zurück in unseren Film. Haben wir noch große Themen anzusprechen, Chlor?
Florian Bayer: Ich glaube, wir können zu einem Fazit kommen.
Johannes Franke: Das Fazit von Kritikern war ja eigentlich sehr positiv, aber so richtig viel Geld hat er nicht gemacht.
Florian Bayer: Die amerikanischen Testaufführungen sind ziemlich schlecht gelaufen. Woraufhin die gesagt haben, nee, den bringen wir gar nicht erst in Amerika raus. Der Film hat keinen US-Release gekriegt.
Johannes Franke: Das ist echt schade.
Florian Bayer: Und das ist vor allem krass, wenn man bedenkt, dass Park Chan-wook damals durch Oldboy... so gehypt war. Das ist total krass. Und Park Chan-wook durfte dann ja auch später in den USA nochmal drehen, wobei er dann auch eher im Indie-Bereich gedreht hat. Also der hatte im Gegensatz zu anderen asiatischen Regisseuren nicht sein großes, seinen großen Big-Budget-Film in den USA, aber er hat einiges gedreht. Aber krass, dass ein Regisseur, der so gefeiert ist, der als der neue Tarantino gesiegt wird, drei Jahre später einen US-Release verwehrt bekommt. Das ist schon hart.
Johannes Franke: Ja, weil er nicht das gemacht hat, was alle von ihm erwartet haben. Also das ist schon auch echt hart. so eine Macht, so eine amerikanische Macht, die dann sagt, nee, also du sollst gefälligst die Geschichten erzählen, von denen wir gesagt haben, dass du das machst. Also wo wir dich jetzt einsortiert haben in der Schublade, da kommst du nicht raus.
Florian Bayer: Aber International hat dann einen Release gekriegt und wurde auch vom Föriton den Kritikern gefeiert, ne? Ja. Den Alfred-Bauer-Preis hat er auf der Berlinale 2007 gewonnen.
Johannes Franke: Er hatte auch einen starken Start in Südkorea, als er rauskam 2006. Also die erste Woche lief sehr, sehr gut. Aber dann ist er irgendwie doch schnell abgestürzt und gleich wieder rausgeflogen. Also noch vor, er ist im 7. Dezember gestartet und noch vor Weihnachten ist er wieder rausgeflogen.
Florian Bayer: Ja, es war einfach was anderes, als die Leute von ihm erwartet haben. Es wurde nochmal ein cooler Thriller erwartet, mit Style und mit Gewalt und mit Humor. Und mit diesem schrägen, naiven Märchen konnte niemand was anfangen. Ich glaube aber, wir sind uns ziemlich einig, dass wir was damit anfangen können.
Johannes Franke: Absolut, absolut. Gib mal dein Fazit einfach.
Florian Bayer: Toller Film. Wunderschöner Liebesfilm, der richtig gut darin ist, so verschiedene Realitäten aufzumachen und ohne Wertung diese Realitäten miteinander zu vereinen und kollidieren zu lassen und dadurch so ein gesamtes verrücktes Universum zu erschaffen. das unglaublich menschlich und sympathisch ist.
Johannes Franke: Ich gebe auf diesen Film eine lebenslange Garantie. Ich würde euch jetzt eigentlich eine Visitenkarte übergeben. Ihr könnt mich jederzeit anrufen, wenn ihr Probleme mit diesem Film habt.
Florian Bayer: Sehr schön. Ganz wichtig.
Johannes Franke: Also, absolute Sehempfehlung. Mit jeder Faser dieses Films bin ich einverstanden irgendwie. Und das passiert selten. Und das in seiner Absurdität und so. Also, lohnt sich. Absolut. Und was es nächste Woche gibt, das hört ihr nach unserem Jingle. Bleibt noch kurz dran. Dann wird mir Plor erzählen, dass er von mir Time Bandits will.
Florian Bayer: Werde ich machen. Vielen Dank, Johannes, dass du mir diesen Film gegeben hast.
Johannes Franke: Ja, gerne, gerne.
Florian Bayer: Euch danke fürs Zuhören. Und wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt, schaut ihn euch an, wenn ihr Lust auf ein bisschen bizarre Romantik habt.
Johannes Franke: Ansonsten vielen Dank dir, Plor. Und wir hören uns nächste Woche wieder.
Florian Bayer: Bis dahin.
Johannes Franke: Bis dahin. Ciao. So Flo, jetzt wo wir unter uns sind, weil wir ja schon gesagt haben, was wir machen in der Woche.
Florian Bayer: Ich hab Time Bandits auch schon, ne?
Johannes Franke: Ich hab Time Bandits aber als Kind gesehen und ich war maximal verwirrt zwischendurch. Also es ist schon so, dass ich vielleicht als Erwachsener noch ein paar Ausschnitte gesehen habe, aber ich glaube als einziges Mal, dass ich ihn komplett gesehen habe, ist als Kind gewesen.
Florian Bayer: Ist ein bisschen egoistisch, der ich den dir aufgebe. Ich will nämlich wissen, ob ich den meinem Kind zeigen kann, der schon was für mein Kind ist. Ich bin sehr gespannt drauf, weil ich hab ihn auch schon länger nicht mehr gesehen. Ich würde ihn aber so einsortieren, dass ich sage, ich glaube, es ist mein liebster Terry Gilliam Film.
Johannes Franke: Oh, okay.
Florian Bayer: Aber es ist wie gesagt schon sehr lange her, da ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Vielleicht hat sich das dann auch wieder geändert.
Johannes Franke: Der muss ja erstmal über Brasil hinauskommen. Das ist schwer.
Florian Bayer: Das stimmt allerdings, aber wir werden sehen. Also Time Bandits aus dem Jahr 1981 gibt es nächste Woche. Schaut ihn euch an, dann könnt ihr mitreden. Könnt ihr nicht, aber trotzdem schaut ihn euch an. Bis dahin, ciao. Ciao.