Episode 190: Sherlock Jr. (1924) – Slapstick, Träumerei und technische Höchstleistungen
Busters großer Traum ist die Arbeit als Meisterdetektiv. Sein derzeitiger Job als Mädchen für alles in einem Kino, ist allerdings meilenweit davon entfernt. Als die Taschenuhr des Hausherrn seiner Verlobten gestohlen wird, sieht er seine Chance gekommen, wird allerdings wird schnell selbst des Diebstahls verdächtigt. Buster muss beweisen dass er nicht schuldig ist, sondern sein Rivale Scheich, der sich an seine Verlobte anbiedert.
Viel Zeit hat er nicht, denn die Arbeit ruft. Als Filmvorführer sitzt er im Projektionsraum fest und… schläft ein.
Statt im wahren Leben zu ermitteln, erträumt er sich seine Rache als gewieftes und weit bekanntes Ermittler-Genie. Im Traum schafft er alles mühelos, aber im wahren Leben muss seine Freundin das Verbrechen aufklären, um dann zu ihm zu eilen, ihn aus seinen Heldenträumen aufzuwecken und ihm zu verkünden, dass er freigesprochen ist. The Girl easily saves the day und Buster bleibt nichts anderes als vom Film der gerade läuft Tipps anzunehmen, wie man seine geliebte küsst.
Plor wie oft haben dir Filme schon die Beziehung gerettet und dir gesagt, was du machen musst, um eine schwierige Situation zu überstehen?
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 190: Sherlock Jr. (1924) – Slapstick, Träumerei und technische Höchstleistungen Publishing Date: 2024-08-21T07:45:25+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/08/21/episode-190-sherlock-jr-1924-slapstick-traeumerei-und-technische-hoechstleistungen/
Florian Bayer: Ich habe Basta Kitten nicht so viel Magie, so viel Innovation, so viel Selbstreferenzialität, aber vor allem tatsächlich auch in erster Linie nicht so viel Poesie zugetraut.
Johannes Franke: Floa, gib zu, wegen dieser heutigen Episode machst du überhaupt diesen Podcast mit mir, oder?
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Mein Pile of Shame muss kleiner werden. Und Sherlock Junior war definitiv einer darauf. Von vielen als einer der besten Stummfilme aller Zeiten betitelt, irgendwie in allen Toplisten ganz weit oben.
Johannes Franke: Definitiv.
Florian Bayer: Ich habe ihn nicht gesehen.
Johannes Franke: Du kanntest diesen Film nicht?
Florian Bayer: Ich kannte diesen Film nicht.
Johannes Franke: Herzlich willkommen ihr da draußen zu einer neuen Episode des Muss-Man-Sehen-Podcasts, wo wir uns gegenseitig shamen dafür, dass wir bestimmte Filme nicht kennen. und Floor kannte Sherlock Junior nicht. Und ich schäme euch natürlich überhaupt nicht dafür, dass ihr diesen Film auch nicht kennt. Und wenn ihr ihn nicht kennt, dann guckt ihn bitte vorher. Er ist schlanke 44 Minuten lang aus dem Jahre 1924. Also auch nicht besonders textlastig. Also schaut euch den Film an.
Florian Bayer: Extrem wenig textlastig. Ich habe noch so eine Recherche gefunden. Es gab offensichtlich so ein Battle zwischen... Basta Kitten und Charlie Chaplin. Wer weniger Texten seinen Film unterbringt.
Johannes Franke: Das müssen wir alles noch besprechen, darauf kommen wir auf jeden Fall zurück. Bevor wir aber anfangen, möchte ich nochmal ganz kurz das Konzept erklären. Also ich gebe Plor in einer Woche einen Film auf, weil ich hoffe, dass ich seinen Horizont erweitern kann und in der nächsten Woche gibt Plor mir einen Film auf. und hoffe, dass er mir mit einem Horrorfilm irgendwie den Horizont erweitern kann. Ich verstehe Plor immer nicht.
Florian Bayer: Oder mit irgendwelcher ganz schrecklichen Kunstkacke. Oder so bizarrem Zeug aus den 70ern mit viel Sex und Gewalt. Irgendwas um Johannes zu ärgern, finde ich immer. Und er findet auch öfter mal was, um mich zu ärgern.
Johannes Franke: Ja, aber ich meine es schon ernst mit dir, Plor.
Florian Bayer: Ich meine es auch ernst mit dir. Ich möchte, dass du meine Filme magst. Jedes Mal, selbst wenn du total irritiert davor sitzt. Ich gebe dir die Filme nicht, um dich zu ärgern, sondern ich gebe dir die Filme, damit du sagst... Oh, interessant. Das hat meinen Horizont erweitert.
Johannes Franke: Was zur Hölle soll da ein Blue Movie?
Florian Bayer: Alter. Die Geburtsstunde des Golden Age of Porn. Müssen wir da wirklich nochmal drüber reden?
Johannes Franke: Nein, okay, okay. Hört euch die Episode dazu an. Wir hatten sehr viel Spaß.
Florian Bayer: Aber heute hatte Johannes einen Film für mich. Und er sagt uns jetzt auch einfach mal, worum es geht in dem Film.
Johannes Franke: Sherlock Junior von und mit Buster Keaton. Busters großer Traum in diesem Film ist die Arbeit als Meisterdetektiv. Sein derzeitiger Job als Mädchen für alles in einem Kino ist allerdings meilenweit davon entfernt. Als die Taschenuhr des Hausherren seiner Verlobten gestohlen wird, sieht er seine Chance, wird allerdings schnell selbst des Diebstahls überführt. Basta muss beweisen, dass er nicht schuldig ist, sondern sein Rivale Scheich, der sich an seine Verlobte anbiedert. Viel Zeit hat er nicht, denn die Arbeit ruft. Als Filmvorführer sitzt er im Projektionsraum fest und... Schläft ein. Statt im wahren Leben zu ermitteln, erträumt er sich eine Rache als gewieftes und weitbekanntes Ermittlergenie. Im Traum schafft er alles mühelos, aber im wahren Leben muss seine Freundin das Verbrechen aufklären, um dann zu ihm zu eilen, ihn aus seinen Heldenträumen aufzuwecken und ihm zu verkünden, dass er freigesprochen ist. The girl easily saves the day. Und Buster bleibt nichts anderes, als vom Film, der gerade läuft, Tipps anzunehmen, wie man seine Geliebte küsst. Plor, wie oft haben dir Filme schon die Beziehung gerettet und dir gesagt, was du machen musst, um eine schwierige Situation zu überstehen?
Florian Bayer: Da ich zu viele Filme gucke mit wirklich großem Melodramen und sehr dysfunktionalen Beziehungen, habe ich mich selten an meinen Filmen orientiert.
Johannes Franke: Hat dich Marriage Story nicht inspiziert?
Florian Bayer: Ja. Lieber nicht. Ja, ich habe auch nie so eins zu eins, wie Buster Keaton das in diesem Film macht, auf die Leinwand geschaut.
Johannes Franke: Nein.
Florian Bayer: Um mir sagen zu lassen, was ich alles machen muss und um dann den Zwecks auszusparen und mich irritiert zurückzulassen mit Ah, ja, okay, aber Babys?
Johannes Franke: Will ich das?
Florian Bayer: Und was ist dazwischen? Und wie geht das?
Johannes Franke: Wie interpretierst du diesen letzten Blick? Wenn wir jetzt, also jetzt... sind wir schon dabei. Du hast es aufs Tableau gebracht und gleich am Anfang dieser Folge reden wir also übers Ende. Wie interpretierst du den Blick von Buster Keaton? Nur für euch zur Erklärung. Er versucht, seine Geliebte steht vor ihm, rauszufinden, was er als nächstes machen muss. Er ist ein bisschen hilflos. Und er guckt einfach rüber zum Film, der gerade im Kino läuft und er ist ja Filmvorführer und da steht genauso wie er mit seiner Geliebten, gerade der Held der Geschichte mit seiner Geliebten und er macht... Liebesschwüre, Küsse und so weiter. Und Basta guckt einfach immer und macht das dann nach bei der Frau. Und dann gibt es aber typisch für Hollywood in der Zeit eine Blende. Der ganze Sex, der dann kommt in der Beziehung, wird ausgeblendet. Und plötzlich haben die beiden zwei Babys in der Hand.
Florian Bayer: Zwillinge. Er hat sie auf dem Schoß, sitzt im Schaukelstuhl, ist total glücklich. Und Basta Keaton, der Filmvorführer, guckt auf die Leinwand. Und dann ist die Frage, was sehen wir an seinem Blick? Darüber gibt es auch... strittige Debatten. Ja. Es ist eine der größten Debatten der Filmgeschichte.
Johannes Franke: So weit würdest du gehen.
Florian Bayer: Ist es der Blick von Dustin Hoffman aus The Graduate, der denkt sich, oh mein Gott, was habe ich getan? Oh mein Gott, dahin führt das also? Oder ist es der Blick eines ratlosen Naivlings, der sich die Frage stellt, ah, aber wie komme ich dahin von... da.
Johannes Franke: Es gibt noch eine dritte Möglichkeit.
Florian Bayer: Ich bin auf der Seite von denen, die das als den irritierten Blick des Navelings interpretieren. Ich finde, dieses am Kopf kratzen und dieses verschüchtert gucken ist eher so die Frage, ah, ich glaube, ich hätte doch nochmal aufpassen sollen, als meine Eltern von den Bienenchen und Blümchen erzählt haben.
Johannes Franke: Ja, ich würde es auch so interpretieren. Ich finde allerdings die dritte Variante eigentlich am besten. Dass er sich denkt, Moment, ich muss den ganzen Sex überspringen, ich will den ganzen Sex haben, was ist los?
Florian Bayer: Aber wirkt seine Figur, wirkt dieser Filmvorführer, der keinen Namen hat, wirkt der wie jemand, der auf Sex aus ist?
Johannes Franke: Ich finde,
Florian Bayer: er ist das asexuellste Wesen, das man sich vorstellen kann im Kino. Viele,
Johannes Franke: viele, viele Figuren aus der Zeit, die so Stummfilmstars waren, sind vom Charakter her sehr asexuell gewesen. Wenn ich mir so Chaplin-Filme anschaue, war er auch sehr romantisch, naiv, aber nicht sehr sexuell.
Florian Bayer: Umso krasser, wenn man sich dann vorstellt, dass die Leute, die die gespielt haben, voll die Schwere nöter waren. Und alle zwei Wochen mit irgendeinem anderen Starlet zusammen waren oder mit mehreren gleichzeitig.
Johannes Franke: Wobei Basta jetzt nicht das größte Beispiel dafür war. Ja,
Florian Bayer: aber was tatsächlich, also was total krasses in diesem Film? ist natürlich diese Figur, die Basta Kitten spielt, ist der absolut gute Naivling.
Johannes Franke: Das ist aber auch immer seine Figur irgendwie, ne? Also fast immer.
Florian Bayer: Naja, bei The General ist er schon ein bisschen kämpferischer und ein bisschen wichtiger verträumt. Und hier haben wir ja ganz am Anfang schon diese eine Szene, die ihn so eindeutig definiert, nämlich wenn er das Geld findet. Und dann kommen verschiedene Leute und sagen, dass sie Geld verloren haben und er gibt halt dann von seinem eigenen Geld raus, weil er nur diesen einen Dollarschein gefunden hat, aber offensichtlich wurden drei, vier Dollar verloren.
Johannes Franke: Das ist der schönste Bild, den ich mir vorstellen kann dafür. Er findet das im Müll, steckt es ein und holt schon seinen guten Anzug raus, um das Geld ausgeben zu gehen. Und dann kommt jemand und sagt, ich habe hier Geld verloren und er sagt, beschreiben Sie es. Und ich finde dieses Beschreiben, sie ist so großartig.
Florian Bayer: Auch sehr schön, wie sie es dann beschreibt. Ich finde es ganz stumm, dass sie einfach nur mit ihren Händen diese Geste macht, wie ein Geldschein geformt ist. Wir haben hier ein Rechteck vor uns.
Johannes Franke: Genau, und dann den Adler nachmacht. Und sie guckt natürlich auch über seine Schulter, was ich noch naiver finde für alle in der Szene. Sie kann sich nicht erinnern, wie ein Geldschein aussieht, oder was?
Florian Bayer: Nicht wie der spezifische Geldschein aussieht.
Johannes Franke: Jaja, der ist ja auch sehr anders als die anderen in dieser Welt.
Florian Bayer: Und dann ist es ja wirklich, dann haben wir ja wirklich diese ganz traurige Geschichte. Er gibt ihr den Dollar und dann kommt noch jemand. Und dann kommt noch jemand. Und er gibt nach und nach sein ganzes Geld raus, weil er ist irgendwie verpflichtet dazu.
Johannes Franke: Das ist es ja. Die Witze kommen immer in drei Stufen. Das zweite ist eine alte Dame, die auch sehr bemitleidenswert aussieht. Und das dritte ist so ein... Das ist so ein Bulli, der eigentlich nur gucken muss und der sofort, hier, hier hast du Geld, hier hast du Geld. Und der so, ich brauche gar kein Geld, was ist los, hier, behalte dein Geld. Und guckt dann in den Müll rein, drin rum und findet eine Brieftasche voller dicker Geldscheine. Es ist unglaublich geil. Ich finde den Witz so großartig.
Florian Bayer: Ja, ja. Und dann wissen wir alles über diese Figur. Wir wissen, der dieser arme kleine Tropf ist, der Hoffnungen hat, der Träume hat. Und der versucht irgendwie diese Träume zu verwirklichen. Und beziehungsweise der es nicht groß versucht. Also ich meine, ja, sein Traum ist natürlich die Roof, die Frau, um die er wirbt. Aber daneben hat er ja offensichtlich eine sehr blühende Fantasie und liest dafür Sherlock Holmes für Dummies, um sich auf einen potenziellen Detektivjob vorzubereiten.
Johannes Franke: Dieser Blick ist so großartig, oder? Er hat dieses Teil in der Hand und wie er da liest und seine Schnurrbart da anhat und so. Und der Chef im Kino sagt, ja, clean up this theater before you... clean up some mysteries. Ich finde sie großartig. Wir haben hier schon die ersten Beispiele von einer sehr spezifischen Art und Weise, wie Stummfilm-Gags funktionieren, wie so Humor überhaupt in der Zeit funktioniert hat, in so einer bestimmten Art und Weise. Kannst du was damit anfangen, Chlor?
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall. Also ich bin tatsächlich nicht der größte Slapstick-Fan. Ja. Und ich mag tatsächlich, also ich bin tatsächlich nicht so ein Fan von diesem Action-Driven-Humor, den man halt sehr oft... In den Slapstick-Filmen auch für eine General. Den Film von Buster Keaton, über den wir schon gesprochen haben.
Johannes Franke: Den du aber auch, soweit ich weiß, richtig gut fandest.
Florian Bayer: Den fand ich richtig gut. Ist ein einziges Action-Fest.
Johannes Franke: Ja, das stimmt.
Florian Bayer: Ich mag diese Whistle-Comedy, wenn sie mit einer gewissen Form von Poesie einhergeht. Deswegen bin ich, wenn ich auf die Zeit drauf gucke, mag ich deswegen Chaplin. Ich finde halt The Kid total geil. Weil ich liebe es, wenn dieser Slapstick-Humor nicht einfach nur ist, jemand rutscht auf einer Bananenschale aus, sondern wenn du das Gefühl hast, Da wird so ein Stück Magie eingefangen, so ein Stück Poesie, Verträumtheit, vielleicht auch so ein Stück Surrealismus.
Johannes Franke: Und Sentimentalität?
Florian Bayer: Und Sentimentalität. Und damit kann ich sehr viel anfangen und das haben wir in diesem Film ja sehr viel.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und deswegen zünden auch die meisten Gags bei mir, weil es gibt Ausnahmen, aber fast alle Gags in dem Film erfüllen Funktionen, die über den Witz, über das Einfache hinausgehen, über das, okay, jetzt ist jemand gefallen. Ja. Und verraten uns ein bisschen was über die Figur. Über die Umstände, in der die Figur agiert, über die anderen Akteure und vor allem auch über seine Wünsche und seine Träume ein Held zu sein. Weil der Großteil des Films findet ja tatsächlich im Film statt, in dieser Meta-Ebene, beziehungsweise in seinem Traum. Wir haben 17 Minuten Realität und der Rest ist einfach nur freudianische Traumdeutung.
Johannes Franke: Das Tolle ist, jetzt mal kurz mit Trivia reingehauen, Sherlock Holmes wurde damals noch geschrieben, ne? Arthur Conan Doyle hat noch geschrieben. Ja. Was ich eine wahnsinnig wichtige Information darüber finde, weil auch wenn man sich genau damit beschäftigt, was da eigentlich alles an Referenzen in dem Film drin ist, es sind wahnsinnig viele popkulturelle Referenzen drin, die wir nicht verstehen.
Florian Bayer: Ich kenne keine einzige davon.
Johannes Franke: Ich auch nicht, keine einzige. Und ich habe dann nachgelesen und habe festgestellt, meine Güte, der war ja richtig, der war hochaktuell und der hat sich über alles mögliche lustig gemacht, was damals aktuell war. Und ich verstehe keinen einzigen Gag davon. Aber die Leute müssen flachgelegen haben wegen dieser Gags. Gar nicht so sehr wegen der Sachen, die dann in den 50ern, als dieser Film nochmal aufgeführt wurde, Leute so dermaßen zum Lachen gebracht hat, dass Buster Keaton es selbst nicht geglaubt hat. Er hat vor dem Kino gestanden, der ist nie in seine eigenen Vorstellungen reingegangen, weil er nicht mit dem Publikum zusammensitzen wollte, während der Film läuft. Und hat da draußen das Gelächter von den Leuten da drinnen gehört. Und das war früher, als der Film aktuell war. Noch nicht so. Krass, ne? Erst in den 50ern, retrospektiv, haben die Leute eine unglaubliche Freude an diesen Filmen nochmal entdeckt. Ja. Total krass.
Florian Bayer: Der Film galt ja als verloren tatsächlich eine Zeit lang. Ja. Und er wurde dann wiederentdeckt, wie viele Bastakitenfilme, frühere Bastakitenfilme so aus den 20ern, bevor er bei MGM war, galten als verloren. Und dann wurde er wiederentdeckt und hatte nochmal so ein... zu diesem großen Rerun und wo dann alle gesagt haben, das ist ein Meisterwerk. Ich kann es total gut verstehen. Also wenn du jetzt sagst, ja, er hat ganz viele aktuelle Bezüge reingebaut, ganz viel Selbstreferenzialität, finden wir nicht. Aber er scheint ja trotzdem zu funktionieren. Ja. Und das Spannende ist, warum er trotzdem funktioniert. Ich glaube, was eine ganz große Rolle dabei spielt, ist so dieses universelle Meta, Metafilm, Selbstreferenzielle. Dafür gilt er ja unter anderem als Pionier. Dass er es geschafft hat, Film im Film zu machen und auch dieses... ich springe in die Leinwand, ich bewege mich in einem Film und Filmhandlung wird dadurch nochmal persifliert. War einfach einer der Ersten, wenn nicht sogar der Erste, der das gemacht hat. Und dass er das aber nicht einfach nur macht, damit sich so ein paar Hollywood-Leute einen drauf runterholen können, sondern dass es halt auch so ein bisschen so in diesem Geist steht, wir erzählen hier was, was mit Traum und Magie zu tun hat. Wir versuchen zu vermitteln, was so toll ist am hollywoodischen Eskapismus, was so toll daran ist, in die Leinwand zu springen. Und das ist halt einfach zeitlos.
Johannes Franke: Man muss sich die Timeline mal vorstellen. Der Film ist 1924 rausgekommen und 1889 haben die Ersten angefangen, in irgendwelchen Varieté-Shows überhaupt Filme experimentell zu zeigen. Das heißt, wir haben ein Medium vor uns, was 30 Jahre alt ist, Maximum, also gebrauchbar. Die Reise zum Mond war 1904 oder sowas, ich weiß nicht mehr ganz genau.
Florian Bayer: War die Reise zum Mond nicht sogar noch vor dem...
Johannes Franke: 1902?
Florian Bayer: Die Reise zum Mond war 1902.
Johannes Franke: Es ist vieles gemacht worden, experimentiert worden damit, aber richtig zum Massenmedium und zu einem Massenmedium, von dem man auch Ratschläge annimmt, wie er am Ende, was wir jetzt schon hatten. Diesen Sprung, den finde ich so krass, das so zu beobachten. Aber wenn ich auf heute gehe, wenn ich jetzt gucke, was unsere Entwicklungen mit dem Internet zum Beispiel sind, wie lange ist das Internet gebrauchsfähig? Auch erst seit 30 Jahren. Ja.
Florian Bayer: Ziemlich genau 30 Jahre, würde ich sagen. So in Mitte der 90er hat das angefangen. Ja,
Johannes Franke: also insofern und wir haben so wahnsinnig viele selbstreferenzielle Sachen im Internet. Ja,
Florian Bayer: das Internet ist eine einzige Selbstreferenz.
Johannes Franke: Ja, also insofern, ich verstehe das, aber ich finde es trotzdem wahnsinnig beeindruckend. Seine Art und Weise damit umzugehen und mit welcher Leichtigkeit er mit allem spielt, was das Medium Film zu bieten hat. Und rauszufinden, was das Medium Film alles zu bieten hat. Es ist schon beeindruckend.
Florian Bayer: Es ist ziemlich krass. Ich finde es halt vor allem auch beeindruckend, wenn man es mit... anderen Filmen der damaligen Zeit vergleicht. Also wir haben ja zumindest in Europa haben wir ja so eine Blütezeit. Das ist einfach die Zeit des expressionistischen Stummfilms auch.
Johannes Franke: Während du vergleichst, möchtest du Tee?
Florian Bayer: Ja, oh ja, sehr gerne, bitte. Also wir sind irgendwie so in der Zeit von Nosferatu und von Caligari. Aber Amerika ist nochmal so ein anderes Ding. Und wenn du auf Amerika guckst, dann hast du auch deine großen Stummfilme. Wir haben zum Beispiel über Wings gesprochen.
Johannes Franke: Ja, stimmt, ja.
Florian Bayer: Die aber im Vergleich zu dem, was die Expressionisten in Europa gemacht haben, dann doch sehr konservativ sind, sehr brav. Ja. Und dann haben wir Basta Keaton, der eigentlich aus dem typischen Slapstick-Umfeld kommt. Ja. Der so mit Charlie Chaplin zusammen und...
Johannes Franke: Wo Will gemacht hat. Genau, ne? Genau. Also auf der Bühne viel war.
Florian Bayer: Da hat man ja auch gewisse Erwartungen dran. Man erwartet Physical Comedy, man erwartet Slapstick, man erwartet Leute, die hinfallen und man findet das voll lustig. Und ich habe, wie gesagt, das ist mein zweiter Buster Keaton Film. Ich habe davon nur General gesehen und ich habe Buster Keaton abgespeichert. Ich habe Buster Keaton abgespeichert als der große Actionstar der Slapstick-Leute aus der damaligen Zeit.
Johannes Franke: Also im Grunde eigentlich derjenige, den man mehr mit Jackie Chan als mit Mario Barth vergleichen würde.
Florian Bayer: Mario Barth. Mario Barth hat hier nichts zu suchen.
Johannes Franke: Moment,
Florian Bayer: Moment. Aber genau, der Jackie Chan, der Stummfilm-Star ist im Vergleich zu Chaplin, der vielleicht eher so der Steven Spielberg ist oder so. Ja,
Johannes Franke: okay.
Florian Bayer: Und so habe ich ihn voll abgespeichert. Und Gott, hätte ich dich nicht, würde ich heute noch denken, dass Buster Keaton der Typ ist, der in der Uhr hing.
Johannes Franke: Ja, ja, das ist Harold Lloyd.
Florian Bayer: Und mit dieser Erwartung bin ich an diesen Film gegangen und habe gedacht, okay, ich kriege wieder so ein General Action Fest raus. Und es hat mich total umgehauen. Ich habe nicht mit dem gerechnet, was ich da gesehen habe. Ich habe Buster Keaton nicht so viel Magie.
Johannes Franke: Innovation.
Florian Bayer: So viel Innovation, so viel Selbstreferenzialität. Aber vor allem tatsächlich auch in erster Linie, nicht so viel Poesie zugetraut. Dieses ganze Zeug, was er da macht, diese ganzen innovativen Ideen, diese Cuts, auf die wir noch zu sprechen kommen, wie er in die Leinwand reinspringt, wie dann rumgeschnitten wird. Das ist nicht wie bei der Reise zum... Also die Reise zum Mond ist ein toller Film, aber es ist nicht wie bei der Reise zum Mond eine Trickshow. Es ist nicht so ein Oha, oh cool, oh, das können sie, sondern du guckst das und es... macht total Sinn, dass er das macht, weil es die ganze Zeit in dieser Traumwelt ist. Und weil es diesen surrealistischen Touch hat, was total krass ist für einen amerikanischen Slapstick-Film aus der damaligen Zeit. Und weil es halt einfach eine Traumgeschichte ist. Und offensichtlich hat Buster Keaton hier sein The Kid getreten, hat gesagt, okay, ich habe hier ganz viel Technik, ich habe mich jetzt ein halbes Jahr mit Technik beschäftigt, aber ich mache jetzt nicht einfach hier nur eine große Show und zeige, was ich alles Geiles kann mit der Technik, sondern ich setze die Technik ein, um ein Märchen zu erzählen.
Johannes Franke: Das war ihm, glaube ich, auch immer wichtig. Dass er die Technik, die Ideen, die technischen Umsetzungen, die Ideen, die er dafür hatte, dass die nicht nur einfach so Trickshow sind, wie du das nennst. Weil das auch, ich glaube dazu war er auch ein bisschen zu sehr Crowdpleaser. Es war ihm immer wichtig, dass die Leute am Ende auch sagen, ja das ist cool und das ist lustig. Das heißt, er hat immer den Zuschauer im Kopf gehabt. Es gibt so Filmemacher, die man auch heute so nennen könnte, wo man sagt, ja die haben sich ein bisschen verloren in ihrer Technik. Chris Nolan vielleicht so ein bisschen. Ja. Wo man sagt, ja, okay, der findet sich jetzt sehr geil damit. Aber irgendwie geht es dann doch am Zuschauer am Ende vorbei. Weil du dann nicht mehr nah an den Figuren und nah an der Geschichte bist. Aber Buster Keaton war immer wichtig, dass du den Zuschauer erreichst. Aber Buster Keaton war, wie du das auch so ein bisschen andeutest, ein sehr technischer Mensch. Er hat tatsächlich, also eine sehr eindrückliche Geschichte ist, dass er im hohen Alter, mit 60 oder so, sich eine... eine sehr komplizierte Eisenbahn gebaut hat, um mit dem Rauchen aufzuhören. Es ist so witzig. Er hat nämlich gesagt, er hat sich eine Modelleisenbahn hingebaut, alles selber genau getimt, gewusst, okay, so mache ich das. Er hat einen Zug genommen, hat es auf die Eisenbahn gelegt und hat auf Start gedrückt. Dann ist das eine ganz bestimmte Route gefahren, das Ding. Und er durfte erst wieder einen Zug nehmen, wenn sie wieder bei ihm war. Das ist seine Methode, Rauchen aufzugeben. Ja,
Florian Bayer: das passt irgendwie zu diesem Menschen. Wenn man diesen Film sieht, passt das total zu ihm.
Johannes Franke: Und so technisch, also er liebt einfach diese technischen Vorgänge. Und das sieht man dem Film schon auch so ein kleines bisschen an, aber er hat es immer so eingesetzt, dass es wirklich auch zur Geschichte passt. Wobei es eine Stelle gibt im Film, wo ich das kleines bisschen in Frage stellen würde, aber auch in Frage vielleicht mit einer positiven Antwort. Mal gucken.
Florian Bayer: Kommen wir mal zu dem großen technischen Ding. Dass die Zähne über die meisten Leute reden, wenn es darum geht, was er mit Technik in diesem Film macht. Basta Keaton träumt sich in... In den Film, und zwar als Vorführer träumt er sich quasi erstmal raus aus seinem Körper und geht dann als Geistergestalt. Das ist alles noch, hat man schon gesehen. Es gibt Filme, Kirk Hagen hat das auch gemacht, dieser. Es haben viele Filme gemacht. Dass er so halbtransparent ist, geht Richtung Leinwand und versucht dann in den Film reinzuspringen. Es gelingt ihm auch. Er wird wieder rausgeworfen, stolpert raus. Er springt nochmal rein. Also wie gesagt, in die Leinwand.
Johannes Franke: Wir müssen jetzt mal ganz kurz ein bisschen mehr zelebrieren. Stell dir das mal vor. Hast du das... Du, das erwartet, dass das passiert, Flor. Hast du nicht da gesessen und hast gedacht, what the fuck is happening? Oh mein Gott, jetzt springt der in den Film rein? Wie hat der das denn gemacht?
Florian Bayer: Nee, ich hab's überhaupt nicht erwartet. Und vor allem hab ich's nicht erwartet, als sie dann damit angefangen, hab ich nicht erwartet, dass es so transitionless ist. Weil diese Matchcuts aus der Stummfilmzeit kennen wir. Und die sehen aber nicht so aus. Heute kriegt Georges Méliès ganz schön viel sein Fett weg. Entschuldigung, George, aber...
Johannes Franke: Ja, aber das war 1902, das ist eine andere Sache.
Florian Bayer: Aber wenn wir es mit der Reise zum Mond vergleichen, auch wenn wir es mit Filmen aus den 20ern vergleichen, wenn wir es mit Filmen aus den 40ern vergleichen,
Johannes Franke: wenn wir ehrlich sind. Ja, das stimmt.
Florian Bayer: Wenn sowas gemacht wird, dass Szenerien wechseln oder dass Solid Tricks gemacht werden, dann siehst du Sprünge. Dann siehst du, dass das nicht so wirklich sauber ist.
Johannes Franke: Du bist ja aber schon einen Schritt weiter jetzt die ganze Zeit. Wir sind ja noch dabei, dass er überhaupt in die Leinwand reinspringen kann. Und ich sitze da und denke, what the fuck, wie macht der das? Und natürlich haben sie erst mal das als Theaterstück aufgebaut. Die Leinwand sieht wirklich supergeil wie eine Leinwand.
Florian Bayer: Es ist eine Leinwand.
Johannes Franke: Es ist zweidimensional, wie es sein muss. Aber dahinter ist natürlich eine Bühne. Und auf diese Bühne springt er. Und dann werfen ihn die Schauspieler aus diesem Frame, in dem er da ist, wieder raus. Sobald er aber länger drin ist und im Film, der da angeblich läuft, eben die Szene wechselt, wechselt sie nach und nach tatsächlich zu Film. Erst mal noch nicht. Das erste, was wechselt, ist dieses Pedestal, diese kleine Säule, auf der er dann steht oder von der er runterfällt. Das ist tatsächlich noch im Theater. Und dann wechselt es zu einer Straßenszene.
Florian Bayer: Und plötzlich das Auto und es ist auch toll gemacht, weil er dann wirklich... vor den Autos ausweichen, sondern in Deckung springen muss. Ich fand das vor allem so geil, also technisch ist es erstmal krass. Sie haben es wirklich geschafft, Schnitte zu machen, die unglaublich sauber aussehen. Nicht nur für diese Zeit. Ich würde diese Schnitte heute kaufen, glaube ich. Zumindest annähernd.
Johannes Franke: Er steht halt genau an der gleichen Stelle, in genau der gleichen Position in der nächsten Szene drin. Und wenn man da umschneidet... Das ist wahnsinnig schwer, genau das gleiche Framing zu finden und genau die gleiche Stelle zu finden, wo man steht. Das könnt ihr einfach mit dem Handy mal ausprobieren. Viel Glück.
Florian Bayer: Auch die Körpergröße richtig zu treffen. Wenn du dich mit einer Kamera auf eine Person zubewegst und auf eine Person wegbewegst. Surprise, surprise. Sie wird größer und sie wird kleiner. Und dann musst du wirklich, also du musst einfach den richtigen Ausstand finden. Das ist echt alles.
Johannes Franke: Weißt du, wie sie es gemacht haben?
Florian Bayer: Erzähl du es nochmal.
Johannes Franke: Es gibt nur so ein... So einen kleinen technischen Kniff. Man ist ja damals mit Filmrollen in der Gegend rumgelaufen. Und wenn der Film belichtet ist, dann kannst du den letzten Frame einmal schön abschneiden einfach und den dann mit als nächstes Set nehmen. Und dann haben sie mit so einem Apparat geguckt, dass sie es genau auf diesen Frame, den sie jetzt mitgenommen haben, genau einrichten. Und ich kann die ganzen technischen Hintergründe nicht, wie man es schafft, dass das dann auch so übereinander liegt, dass man es genau hinkriegt. Aber ich finde den Gedanken total genial, einfach den letzten Frame abzuschneiden. Das geht ja heute gar nicht mehr. Aber heute haben wir auch andere Möglichkeiten, sowas transparent übereinander zu legen.
Florian Bayer: Wir können heute auch auf den letzten Frame gehen.
Johannes Franke: Aber ich finde das physisch total geil, dass das möglich war.
Florian Bayer: Es ist total krass.
Johannes Franke: Und dann haben sie das wirklich überall hingetragen. Sie sind auf einen Berg gegangen, um eine Klippe zu filmen. Sie sind auf die Straße, wie gesagt, gegangen, um da die Straße zu filmen. Und da musste er immer genau an der gleichen Stelle, genau an der gleichen Position stehen, damit der Schnitt so aussieht, als wäre er immer die gleiche. In der gleichen Position.
Florian Bayer: In der Wüste. Auf Felsen am Meer. Wahnsinn. Und dann plus nochmal in einer Schneelandschaft.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und das Tolle daran ist an der 10, ja sie ist technisch total beeindruckend. Nicht nur für die damalige Zeit. Das Tolle ist, dass die Figur, die wir ja mittlerweile so ein bisschen lieben gelernt haben, da auch immer so verloren steht. Ja. Wir haben also abgesehen von der sehr lebendigen Straße, haben wir wirklich einfach Landschaften, die leer sind. Also okay, wir haben einmal zwei Löwen. Da guckt ihr auch etwas irritiert. Aber dann haben wir wirklich einfach einen Träumer da stehen. Ja. Ja. ganz klar weiß, was er will. Er will nämlich seinen Namen reinwaschen. Er will beweisen, dass er unschuldig ist und er aber komplett verloren ist in dieser Landschaft und da ist niemand. Und er ist auch wirklich hilflos und er guckt sich hilflos um und ja, er fällt lustig und es gibt diese Slapstick-Momente dabei, aber es hat auch echt diese Melancholie.
Johannes Franke: Das stimmt, ja.
Florian Bayer: Super gut zu der Figur passt und super gut zu dem Setup passt, was sie aufgebaut haben. Ja,
Johannes Franke: voll. Es ist ja so, dass er vorher diesen Film mit den zwei Hauptfiguren die er ja nicht kennt, das ist ja irgendein fremder Film, einmal in seiner Fantasie ersetzt mit den Figuren, die in seinem Leben eine Rolle spielen. Seine Freundin und der Nebenbuhler. Schiek. Schiek heißt er, nicht Scheich.
Florian Bayer: Der Scheich. Also Schiek ist einfach der Scheich. Ich war auch etwas irritiert, als ich das gelesen habe. Aber ich glaube, es soll einfach der Schurke sein.
Johannes Franke: Ah, ja, ja, ja. Das Ding ist, dass diese ganzen Umschnitte innerhalb dieses Films, der da laufen soll, nicht wirklich Sinn ergeben. Die sind innerhalb des Films, machen die keinerlei... Progression im Film. Also warum cuttet der Film, in den er hineingeht, plötzlich zu einer Straßensituation? Nur um dann plötzlich zu Löwen zu wechseln oder zu einer Klippe. Da ist ja niemand. Es passiert ja da nichts. Es passiert ja nichts für den Film, der da eigentlich gerade gezeigt wird, in den er reingerannt ist. Für mich auf den ersten Blick eine Sache, wo ich denke, ah, schade eigentlich.
Florian Bayer: Es ist nicht die Logik des Films. Es ist die Logik von seinem Traum. Und er ist der Träumer, der vergonnen ist. Es ist... Es ist wirklich seine Verlorenheit. Ich finde die, ja natürlich macht es überhaupt keinen Sinn in dem Film, aber wir sehen auch nicht mehr diesen Film. Er baut in seinen Traum Erinnerungen an diesen Film, den er wahrscheinlich oft gesehen hat. Und dann kommt aber halt noch dieses andere rein und das ist einfach. Er ist gerade einfach verloren. Er hat ein riesiges Problem, er muss das irgendwie lösen und er weiß überhaupt nicht wie, weil wir haben ja sehr schnell gelernt, er ist ziemlich hilflos. Und das Interessante ist, am Anfang in diesem Film, wo er rausfliegt, wo er in diesen Umgebungen ist, ist er noch er selbst. Aber dann später, wenn wir dann zu der eigentlichen Verwandlung kommen, die er träumt, dann ist er der große Sherlock Junior und dem würde sowas nicht passieren.
Johannes Franke: Du willst also sagen, es ist eher die Visualisierung seines Gefühls in dem Moment?
Florian Bayer: Es ist noch das, was er ist. Es gibt einen klaren Cut. nochmal in diesem Traum, wo er aus dem, was er ist, zu dem wird, was er gerne wäre.
Johannes Franke: Okay, da kommt nämlich eine Theorie rein, die ich in der Recherche gefunden habe, die ich sehr süß finde, die ich gerne für meine eigene Idee ausgeben würde, aber jetzt habe ich mich schon rausgequatscht. Dass dieser Film sich noch wehrt. Er hat Antikörper gebildet gegen Buster Keaton, gegen Intrusion, gegen Leute, die einfach so in den Film hineinkommen und er wehrt sich und er versucht, ihn loszuwerden, er versucht, ihn abzuschütteln mit einer Klippe. Mit einer Straßenszene, um ihn zu überfahren und so weiter. Und dann schafft es Buster Keaton so nach und nach, durch seinen Widerstand zu seiner Figur zu kommen, die er dann innerhalb des Films spielt. Und sobald er eine Figur innerhalb des Films wird, sagt der Film auch, okay, gut, dann bist du jetzt da. Alles in Ordnung, du gehörst zum Film.
Florian Bayer: Und der verändert ja auch den Film. Wir wissen nicht genau, wie ist der Filmtitel nochmal? Rumms in diesem Pearls, irgendwas von Pearls?
Johannes Franke: Keine Ahnung, wie er genau hieß, aber es ist wohl eine Parodie auf einen Namen eines Schlafmittels.
Florian Bayer: Der Film heißt ja Schlafmittel. Und es ist ja offensichtlich ein unfassbar klischeehaftes Melodramen. Wir sehen relativ wenig von diesem Film, aber das, was wir sehen, ist halt einfach so, ja okay, irgendwas muss man nicht näher wissen. Und er macht daraus ja seinen eigenen Film, er macht daraus eine Detektivgeschichte und spätestens ab dem Punkt, wo er es schafft, die Figuren zu den Figuren aus seinem Leben zu machen, ist der Moment da, wo er dann diesen Plot des Diebstahls mit einbaut.
Johannes Franke: Ich möchte an der Stelle einmal sagen, dass ich glaube, dass hier die Geburtsstunde von James Bond ist.
Florian Bayer: James Bond? Wo ist James Bond in diesem Film?
Johannes Franke: Diese ganzen Gadgets mit dieser explodierenden Kugel auf diesem Billardtisch. Das ist doch total James Bond.
Florian Bayer: Das stimmt allerdings.
Johannes Franke: Eine volle Kanne.
Florian Bayer: Nur ist ja das, was ich eigentlich, normalerweise denkt sich ja das meistens Q aus, also der, der für den Guten arbeitet und es ist nicht ein Plot, um jemanden zu töten von den Bösewichten, die übrigens wirklich echt extrem planlose Bösewichte sind.
Johannes Franke: Ja, ich find's so toll. Es ist aber auch wirklich komödiantisch so gut gelöst, wie die versuchen, es ist ja wie der Roadrunner und der Kojote, oder? Die versuchen mit allen möglichen Mitteln. Buster Keaton bzw. Sherlock Junior irgendwie davon abzuhalten, dass er den Fall löst und versuchen ihn zu töten. Mit diesem Beil, das da umfallen soll, weil er sich auf den Stuhl setzt. Oder eben mit dieser Billardkugel. Ja. Oder in einer unglaublich geilen Szene. Als einzige Kugel von, wie viele Kugeln sind normalerweise in so einem Spiel? Als einzige Kugel nicht. Ein einziges Mal an dich.
Florian Bayer: Die neuen Beile. Das ist so geil. Und du guckst dazu wirklich und du weißt genau, da ist sie.
Johannes Franke: Ja. Da ist die Explosion.
Florian Bayer: Und er spielt so... wunderbar drumherum. Es ist fantastisch.
Johannes Franke: Und er konnte das wirklich. Es ist so, es ist ganz, ganz wenig Tricktechnik dabei. Er hat wirklich, er hat diese Kugeln mit so Talgumpulver angemalt, um zu üben, damit er weiß, welche Route nimmt die Kugel, wenn ich sie wie anstoße. Und hat das damit trainiert, dass er auf die richtige Art und Weise die Kugeln anstößt, damit sie genau das machen, was er will, damit die neuen nicht angespielt wird. Es ist... absolut unfassbar und Buster Keaton ist absolut berühmt dafür, dass er Sachen geübt und geübt und geübt und geübt hat, bis das irgendwann geklappt hat und zwar Sachen, die wirklich einem absolut unmöglich erscheinen.
Florian Bayer: Tatsächlich krass an dem Film, man ist noch gar nicht raus aus dem Staunen über die Tricktechnik, über die künstliche Tricktechnik und dann kommt man ja auch ständig ins Staunen über die reale Tricktechnik. Offensichtlich ganz berühmt seine eine Woodville-Nummer, wo er in den... Wahnsinn! In seinem... Gefährten verschwinden. Und zwar wirklich einfach so und weg ist. In diesen Bauchladen reinspringt und sich in Luft auflöst.
Johannes Franke: Selbst wenn ihr diesen Film nicht gesehen habt, müsst ihr wenigstens diese eine Szene sehen. Ihr müsst Buster Keaton und Bauchladen oder so eingeben. Er verschwindet in diesem Bauchladen, den diese Frau, dieser Mann als Frau verkleidet, vor dem Bauch hält. Das heißt, er springt eigentlich in den Bauch hinein. Und ist plötzlich einfach weg.
Florian Bayer: Ich gucke jedes Mal, wenn ich drauf gucke, kriege ich Kopfschmerzen, weil ich denke, okay, ich kenne die menschliche Anatomie. Wie ist das zur Hölle möglich?
Johannes Franke: Hast du herausgefunden, wie es geht?
Florian Bayer: Nee.
Johannes Franke: Ich kann es dir sagen. Oh,
Florian Bayer: ja.
Johannes Franke: Möchtest du es wissen?
Florian Bayer: Ja, bitte, mir macht sowas die Magie nicht kaputt.
Johannes Franke: Also, ihr da drauf.
Florian Bayer: Moment, Moment, ganz kurz, wirst du aus irgendeiner Magier-Gilde vertrieben, wenn du das jetzt sagst, weil das ist ja ganz schwierig bei euch
Johannes Franke: Magiern. Es ist so eine alte Woodville-Nummer, die findet man überall, insofern ist es auch wurscht.
Florian Bayer: Okay, bitte.
Johannes Franke: Es ist nicht ganz ungefährlich. Dieser Typ hat ja dieses Frauenkostüm an und zwar nicht umsonst, weil der Rock schön weit ist. Und er liegt eigentlich in dem Moment, wo du ihn vor dieser Wand siehst, liegt er eigentlich auf einem waagerechten Brett. Der Rock fällt runter, als wären seine Beine drunter, aber er ist waagerecht auf einem Brett. Damit Buster Keaton dann in ein Loch hineinspringen kann, durch den Stoff durch von diesem Rock, dann muss Buster Keaton möglichst schnell aus dem Weg raus, hinten runterfallen. Und er kann das Brett, das kann einmal runterklappen.
Florian Bayer: Auf seinen Rücken quasi?
Johannes Franke: Sodass er dann, ich weiß nicht genau, Bauch oder Rücken, aber auf jeden Fall kann das Brett mit ihm zusammen dann nach vorne schwingen, nachdem Buster Keaton weg ist. Und das sieht man auch ganz kleines bisschen in der Auflösung, wenn er dann in Frauenkleidern wegläuft. Was ja das krasse daran ist, weil man dann denkt, what, der läuft jetzt auch noch weg? Da ist noch eine Wand dahinter und der Typ ist einfach, hä, wo ist der Typ hin? Das ist total krass, weil er ja da auch einfach weglaufen kann. Und das geht einfach nur, dass er durch das Brett, das dann einfach runter geht mit ihm zusammen und er sich dann einmal kurz sortiert und dann weglaufen kann. Krass. Es ist wirklich, und auch eine gefährliche Nummer, muss man sagen, weil Buster Keaton richtig springen muss, dass er alles genau trifft.
Florian Bayer: Aber du willst nicht gegen das Brett stoßen.
Johannes Franke: Genau, du willst nicht gegen die ganzen Apparate dagegen stoßen, die da eigentlich dahinter dafür sorgen, dass das klappt.
Florian Bayer: Shit, und du machst ja auch noch so einen Kopfsprung.
Johannes Franke: Ja, ja, genau. Ja,
Florian Bayer: sicher. Nicht bei dieser Nummer, aber bei einer anderen Nummer. Das ist ganz schön sein Genick angeknackst, ne? Nicht nur das.
Johannes Franke: Absoluter Wahnsinn. Ja, wenn du gerade darauf ansprichst, können wir ja gleich machen.
Florian Bayer: Noch in der Realität, bevor wir in die Filmhandlung springen, verfolgt Buster Keaton den Sheik, der die Uhr vom Vater von Roof gestohlen hat, das ist jetzt ja die ganze Handlung in Gang, und verfolgt ihn auch wirklich auf eine sauwitzige Art und Weise, weil er Mimikrie und zwar wirklich alles, was der macht, jedes Stolpern, jeder Zigarettenzug, alles wird nachgemacht.
Johannes Franke: Ich dachte, das müssen wir auch getrennt davon machen, das machen wir gleich danach, okay?
Florian Bayer: Und dann wird er auf jeden Fall von... Irgendwann entdeckt sein Verfolger ihn und er sagt, oh ja, ich bin zufällig hier vorbei und geht in den Zug rein, weil sie sind gerade an Schienen. Und der Verfolgte hat die perfekte Idee, um ihn loszuwerden, nämlich indem er die Zugtüren schließt und Buster Keaton in den Zug kurze Zeit eingesperrt ist. Und Buster Keaton versucht sich dann natürlich zu befreien, indem er den Zug hochklettert. Und er kommt dann oben raus und da steht ein Wasserturm mit einem, mit so einem Kran. wo das Wasser rauskommt. Buster Keaton ist oben auf dem Zug.
Johannes Franke: Der fährt.
Florian Bayer: Der fährt, versucht vom Zug runter zu kommen und hält sich an diesem Ding fest und zieht es dabei runter. Und das ist der Mechanismus, der dafür sorgt, dass das Wasser rausfließt. Das heißt,
Johannes Franke: er hat hier diesen riesigen Trichter.
Florian Bayer: Diesen übergroßen Trichter und vor allem auch diesen übergroßen Wasserhahn, an dem er dranhängt, während ihm Wasser voll ins Genick schießt. Und das hat ihn umgehauen.
Johannes Franke: Er ist richtig hart auf die Schienen gefallen. weil der Wasserdruck so groß war, dass er das auch nicht mehr kontrollieren konnte. Und er hatte wirklich tagelangen Kopfschmerzen danach. Er hat sich eine ganze Weile sowieso gar nicht bewegt. Er lag dann da und war mehr oder weniger bewusstlos. Aber wie er so Buster Keaton ist, passiert ständig. Bei jeder Produktion breche ich mir irgendwas. Der war ja tatsächlich, alle möglichen Leute erzählen, wenn sie mit ihm zusammengearbeitet haben, haben sie immer mal da eine Narbe und dort eine Narbe gesehen. Und Buster Keaton hatte zu jeder Narbe... eine Geschichte. Das ist bei dem Dreh passiert, das ist bei dem Dreh passiert und jetzt sind wir bei dem.
Florian Bayer: Jackie Chan.
Johannes Franke: Ja, genau. Und er war wirklich einfach ausgenockt für ein paar Tage. Die Produktion musste stoppen. Und er hat sich aber nicht darum gekümmert, rauszufinden, was eigentlich mit ihm ist oder nicht ist. Es gab auch keine Sicherheitsvorkehrungen oder sowas für sowas. Es gab keine gesetzlichen Vorgaben für Dreharbeiten, was die Sicherheit betrifft. Das ist ja heute völlig anders. Das wurde in den 30ern anders. Das hat ihm auch so ein bisschen zu schaffen gemacht. Das können wir auch noch besprechen. Auf jeden Fall... Hat ihm elf oder zwölf Jahre später bei einem X-Ray, den er bekommen hat, bei einem Röntgenaufnahme, hat ihm der Arzt gesagt, huch, Mensch, wann haben Sie sich denn das Genick gebrochen? Das sieht ja krass aus. Und wie haben Sie das überlebt? Und er so, wie jetzt Genick gebrochen? Habe ich nicht gemacht. Nein, kann eigentlich nicht sein. Und dann hat er angefangen zu überlegen, welche Situationen, die er so erlebt hat an Unfällen, könnten denn dafür verantwortlich sein. Und dann ist am Ende nur noch das übrig geblieben. Also eigentlich muss er sich in dem Moment wirklich hart das Genick gebrochen haben. Und er hat einfach gedacht. naja, ich mach mal ein paar Tage Pause und dann machen wir weiter.
Florian Bayer: Krass. Und man sieht's aus, es sieht wirklich brutal aus, wenn er an diesem Wasser hängt und dann runtergedrückt wird, du siehst schon, dass das eine verdammte Kraft ist, die da auf ihn drauf wirkt.
Johannes Franke: Absolut. Und es gibt so viele andere Stunts in diesem Film. Ja. Also du hast vorhin gesagt, dass das gar nicht so der Stunt-Driven-Film ist oder der Action-Driven-Film ist, aber es gibt auch in diesem Film unglaubliche Stunts.
Florian Bayer: Es gibt total viele Action, wir können auch total gerne über die Action reden. Ich glaube, das ist gar nicht die Action, die mich bei diesem Film so begeistert hat. Es sind andere Sachen, aber ja genau, wir haben natürlich im letzten Akt haben wir natürlich eine wilde Verfolgungsjagd, die wirklich so das rasante Actionstück des Films ist. Auch so ein bisschen, vielleicht schon eine kleine Vorwegnahme von Sachen, die wir auch bei Generals sehen werden dann später.
Johannes Franke: Stimmt, ja. Aber es war sehr typisch für damals, Keystone Cops waren... Ja auch sehr lange Ehen, das waren ja auch so die
Florian Bayer: 1920er. Und wir haben eine Verfolgungsjagd zu Fuß, aber dann haben wir vor allem eine Verfolgungsjagd auf dem Motorrad mit Buster Keaton, der im Korb sitzt.
Johannes Franke: Der vorne auf dem Lenkrad sitzt.
Florian Bayer: Genau, vorne auf dem Lenkrad und gefahren wird von seinem Kumpan, von der... im wahren Leben der Kinobesitzer ist und in seinem Traum ist er sein Gehilfe namens Gillette. Und er wird von ihm gefahren bis zu einem gewissen Punkt. Und dann wird er nicht mehr von ihm gefahren, sondern vom Schicksal.
Johannes Franke: Aber er bekommt es nicht mehr mit. Er kriegt einfach nicht mit, wie der Typ hinter ihm abgehauen ist. Das ist auch wieder so eine Comicsache. Solange du glaubst, dass da hinten jemand ist, der das Motorrad fährt, ist alles schick. Da kannst du ihm auch immer mal wieder zurufen, ja mach mal nicht ganz so schnell, alles in Ordnung, wir müssen ja hier den Verkehr auch irgendwie hinkriegen.
Florian Bayer: Er sagt ja auch irgendwann mal zu ihm, oh das war aber knapp, hast du gut gemacht.
Johannes Franke: Genau und sobald er merkt, dass da hinten keiner mehr drauf ist, fängt er an zu schlingern. Dann ist es plötzlich, oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott, Hilfe, Hilfe. Es ist super geil und Basta Keaton hat echt gelernt, das zu machen. Basta Keaton hat gelernt, wie man ein Motorrad fährt, indem man nur vorne auf dem Lenker sitzt.
Florian Bayer: Alter.
Johannes Franke: Und das ist die Hölle, es ist... Meine Güte, was Leute ihn auch verflucht haben dafür, weil er natürlich alles Mögliche in Gefahr gebracht hat.
Florian Bayer: Der Mann gehört weggesperrt. Entschuldigung, ich meine, der Film ist ein Meisterwerk, aber der Mann gehört weggesperrt. So was kannst du doch nicht auf die Straße lassen. Und so jemandem gibt es doch auch keine Kamera in die Hand. Das ist schlimmer als Jackass. Ja, übrigens, wir müssen darüber reden, wie weit die Slapstick-Comedians von damals eigentlich nichts anderes sind als Johnny Knoxville und seine Freunde.
Johannes Franke: Ja, naja. Man muss aber dazu sagen, dass Buster Keaton tatsächlich eher die intellektuellen Leute im Publikum angesprochen hat. Es gab eine Untersuchung irgendwie damals oder sowas. Es gab tatsächlich Stimmen, die gesagt haben, ja, also Buster Keaton eher das intellektuelle Publikum und Charlie Chaplin eher die breite Masse. Krass,
Florian Bayer: weil Charlie Chaplin eigentlich eher der war, der diese melancholischen und etwas schwereren Filme gemacht hat. Ich weiß es gar nicht. Ich kenne mich zu wenig mit Buster Keaton aus. Wie gesagt, ich kannte The General und ich habe halt was anderes erwartet. Das hätte ich jetzt eher als... Chaplin-Film gesehen, also abgesehen von diesen krassen Stunts.
Johannes Franke: Aber man muss sich auch sagen, mich wundert es auch ein kleines bisschen, aber es ist tatsächlich so gewesen irgendwie.
Florian Bayer: Er hat ja diese krasse Melancholie drin. Er hat auch ganz viele so Situationskomik, die mit dieser Melancholie spielen. Zum Beispiel ganz am Anfang, wenn er neben seiner Angebeteten sitzt und sich dann so vorsichtig an sie annähert und guckt und versucht sie irgendwie, er will ja einen Antrag machen, ne? Und es ist so süß, wie er dann neben ihr sitzt und es ist halt auch witzig, wie er so langsam ihre Hand berührt und dann kommt der Nebenbuhler und dann ist alles verloren. Es ist... Es sprüht so vor Witz, der durch so kleine Gesten erzählt wird.
Johannes Franke: Und ich glaube, da kommt das zum Tragen, was er ganz anders gemacht hat als die meisten anderen zur Stimmfilmzeit, nämlich ein sehr minimalistisches Spiel zu betreiben. Auch seine SchauspielerInnen haben meistens dann eher ein minimalistischeres Spiel gehabt. Sie zum Beispiel, finde ich, spielt sehr realistisch.
Florian Bayer: Roof.
Johannes Franke: Ja. Während andere Figuren in dem Film vielleicht ein bisschen größer auftrumpfen und ein bisschen die größeren Gesten bringen. Aber eigentlich, Buster Keaton ist eher derjenige, wo man auch merkt, dass damals, obwohl man immer denkt, dass der Stummfilm so ein riesiges Gesten-und Mimikspielfest war, aber eigentlich lag es, glaube ich, nur daran, dass man damals versucht hat rauszufinden, mit welchem Mittel können wir denn die Geschichten am besten erzählen.
Florian Bayer: Catherine Maguire, die offensichtlichen Opfer des Tonfilms, war... Die hat bis in den 20ern, die waren ein riesiger Star, hat ganz viel mitgespielt. Auch ein Navigator von Basta Keaton. Und dann Ende der 20er, als der Tonfilm kam, war ihre Karriere einfach mal vorbei. 1930 war der letzte Film, den sie gedreht hat. Und dann nochmal 1958 in einer Fernsehserie. Oh, genau.
Johannes Franke: Ja, vielleicht hat Basta sie mit reingeholt. Wer weiß, kann sein.
Florian Bayer: Basta Keaton ist Stoneface und er hat gelernt, dass das die besten Publikumsreaktionen auslöst, wenn er einfach ernst... und bemüht ist, seine Würde zu bewahren. Das ist so ein bisschen dieses Sideshow-Bob-Ding. Je ernster du wirkst, umso lustiger ist es.
Johannes Franke: Vielleicht holen wir da ein bisschen mehr aus. Für die Leute, die es interessiert, was Buster Keaton eigentlich, wo kam der her, was soll das Ganze? Buster Keaton ist quasi auf die Bühne geboren worden.
Florian Bayer: Oder geprügelt.
Johannes Franke: Naja, Buster Keatons Eltern waren immer auch Bühnenmenschen und Woodville-Menschen. Die haben Comedy-Nummern gehabt. Und... Von ganz früh an haben sie ihn quasi auf der Bühne hin und her geworfen. Das war der Act.
Florian Bayer: Ja, ich habe vorhin gesagt, Basta Keaton gehört eigentlich in den Knast, aber ich glaube, seine Eltern gehören eigentlich auch in den Knast.
Johannes Franke: Das wurde auch ganz viel gesagt. Es gab nämlich auch immer wieder Leute, die so wegen Child Abuse die angezeigt haben. Dann kam aber auch immer mal wieder jemand und hat nachgeschaut, wie ist denn das? Gibt es da Child Abuse? Und es gibt eine ganz, ganz, ganz lustige Anekdote davon, wie einer gekommen ist. So ein offizieller Typ, der nachgucken sollte, ob das jetzt Child Abuse ist und wegen Kinderarbeit war auch ein großes Thema und so. Und dann kam der und sah das Kind im Kostüm. Im Kostüm hatte er allerdings dieses Kind Bart und einen seltsamen Anzug, große Schuhe, Halbglatze geklebt und so. Also hätte es auch ein Kleinwüchsiger sein können tatsächlich, weil das auch sehr gut gemacht war. Und dann hat dieser Typ gefragt, wie alt ist der denn da? Und dann hat ein Bühnenarbeiter geantwortet, keine Ahnung, musste seine Frau fragen und hat auf seine Mutter gezeigt.
Florian Bayer: Oh mein Gott. Oh, das ist so schrecklich. Vielleicht ist es gar nicht so witzig.
Johannes Franke: Ich finde die Antwort super witzig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich davon hat ins Boxjohren jagen lassen. Auf jeden Fall gab es immer wieder Prüfungen und die haben sie auch bestanden.
Florian Bayer: Aber der Vater war auch Alkoholiker?
Johannes Franke: Der war dann ein Kollege, aber später erst. Das hat sich nach und nach entwickelt und Buster Keaton hat mit 21 Jahren angefangen zu sagen, nö. diese Nummer mache ich nicht mehr mit dir, du trinkst zu viel. Das funktioniert nicht mehr. Das heißt, wie lange sich das angekündigt hat, weiß ich nicht ganz genau, aber es war nicht von Anfang an so.
Florian Bayer: Aber es klang für mich so, als ob das wirklich einfach auch Grausamkeit gewesen wäre. Klar, es waren lustige Bühnennummern, die da gemacht wurden, aber Basta Keaton wurde als Kind schon ganz schön malträtiert.
Johannes Franke: Also, wenn ich Basta Keaton selbst glaube, in manchen Interviews, dann war das vollkommen in Ordnung. Ja. Aber, ne?
Florian Bayer: Man merkt das schon mal. So, gerade Opfer,
Johannes Franke: die sich auch so ein bisschen selbst beleidigen in der Zeit. Ich weiß nicht, ich kann es nicht wirklich beurteilen. Aber es klingt natürlich sehr crazy, ziemlich hart. Also er wurde von A nach B geschickt. Und jetzt der Bogen. Er wurde hin und her geworfen und immer wenn er irgendwo hingefallen ist, am lustigsten natürlich, wenn er tatsächlich irgendwo hinter einer Bühnenkante verschwunden ist oder in einem großen Fass verschwunden ist oder sowas. Und wenn er dann wieder aufgetaucht ist. Da ernst zu sein und nicht Hahaha oder weinen oder sonst irgendwie, sondern völlig ohne Emotionen dazustehen, war das Lustigste, hat immer die besten Reaktionen gemacht. Und dann in seiner Filmkarriere mit Roscoe Arbuckle hat er ja am Anfang ganz andere Sachen gemacht, da hat er ja sehr viel gelacht und da gibt es tolle Aufnahmen von ihm und ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihn lachen sehe, weil man nicht so selten lachen sieht. Als er dann seine eigene Verantwortung hatte, ist er wieder zurückgegangen zu diesem Stoneface, weil er gemerkt hat, nein, das ist eigentlich das, was am meisten bringt.
Florian Bayer: Der Film war ja so ein bisschen das Ding, wo er sich von Arbuckle endgültig distanziert hat. Der muss wohl eine ziemlich penne in die Äs am Set gewesen sein und das war auch die Zeiten, in denen er wegen Vergewaltigung angeklagt war.
Johannes Franke: Mord. Die Frau ist gestorben. Alter. Es ist auf einer Party von Roscoe Arbuckle eine Frau gestorben und er wurde angeklagt. Aber er wurde tatsächlich angeklagt. eindeutig freigesprochen. Er wurde eindeutig freigesprochen und ganz viele haben sich bei ihm entschuldigt. Das Problem war, dass er trotzdem nicht mehr Fuß gefasst hat danach. Roscoe Arbuckle war ein großer Schummfilmstar. Ganz, ganz, ganz großer Schummfilmstar. Der hieß mit Spitznamen Fatty Arbuckle, was ich nicht groß reenforcen möchte. Er war einfach sehr groß. Und hat diesen Spitznamen bekommen. Hat ihn auch selber sehr viel benutzt, aber ich weiß nicht, ob man das unterstützen muss. Auf jeden Fall war er ein großer Star. Und wurde da einfach halt angeklagt, vielleicht am Anfang auch mit gutem Grund, sodass man denkt, ja, okay, das ist ja auch seine Party gewesen und so und es sieht vielleicht seltsam aus. Aber er wurde tatsächlich freigesprochen.
Florian Bayer: Sprechen wir von Virginia Rappi, weil das stand wegen, hab ich gelesen, wegen Vergewaltigungsvorwurf 1921. Oder gab es beides? Gab es Vergewaltigung und Mord?
Johannes Franke: Es gab beides, aber ich weiß nicht, ob es die gleiche Person betrifft. Da bin ich leider ein bisschen raus. Da habe ich die Recherche nicht weit genug betrieben.
Florian Bayer: Abakel war eigentlich als Chorregisseur. bei dem Film dabei am Anfang. Und dann muss er sich so daneben genommen haben, dass Basta gesagt hat, okay, fertig. Ich hab hier einen anderen Film für dich. Dreh mal da weiter.
Johannes Franke: Es war so, dass das ja direkt nach dem nach diesem Skandal war. Und dadurch, dass er keine Jobs mehr bekommen hat, ist er ziemlich verbittert und war echt, es war schwer mit ihm. Und Basta hat aus alter Freundschaft gesagt, komm, dann komm doch zu mir ans Set. Und dann hat er sich aber leider eben daneben benommen. Mhm. Und deswegen mussten sie ihn dann woanders hinbegeben. Und der ist dann irgendwann gestorben. Also auch eine traurige Geschichte.
Florian Bayer: Und Abakels Frau hat gesagt, der hat richtig viel an dem Film gemacht.
Johannes Franke: Ja, ja, ja, genau.
Florian Bayer: Später so.
Johannes Franke: Quasi den ganzen Film Regie geführt.
Florian Bayer: Alles selbst gemacht. Da ist nichts von Basta Kitten drin. Der hat nur befolgt, was ihm gesagt wurde.
Johannes Franke: Vor allem, weil der ganze Film überhaupt nicht nach Basta Kitten aussieht. Die ganzen Gags sind doch alle, das ist doch eindeutig Fete Abakel.
Florian Bayer: Ja, aber tatsächlich... Naja, das Poetische, dieses Melancholische. Das ist aber, ich bin kein Buster Keaton Experte, das ist das, was ich als Klischee von ihm abgespeichert habe. Und das habe ich nicht erwartet, dass das halt immer wieder diese wilden Stunts und kraftentechnischen Tricks umrahmt. Und dass wir immer wieder zurückkommen zu dieser melancholischen Geschichte, der Outsider, der Träumer, der im realen Leben nicht die Kraft hat, das zu machen, was er machen will und sich deswegen was anderes erträumt. Und du hast ja schon gesagt, Thema des Films ist dann, dass im wahren Leben Roof die Heldin ist. Die Frau, sie ist die, die ermittelt. Sie macht den ganzen Sherlock-Job. Das ist super. Während er im Kino träumt.
Johannes Franke: Ich find's großartig. Ich find's total toll, ihr den Job zu geben. You go, girl. Mach's. Ich muss mal den Vergleich, glaube ich, ziehen zu noch ein, zwei anderen Sachen, die mir einfallen. Es gibt einen anderen Film, wo er so ein Pärchen hat, die sich ein Fertighaus kaufen. Das ist so Ikea-mäßig. lange vor Ikea, zusammengebaut werden kann alleine. Und es ist eine Parodie, was es wirklich gab. Es gab Anbieter für Fertighäuser, die man selber zusammenbauen konnte, mit Anleitung. Sehr seltsam. Und das hat er parodiert. Und da ging es aber auch um diese neue Liebesbeziehung und diese Geschichte. Und ich glaube, das war schon immer auch wichtig für ihn. In The General haben wir es ja auch so ein bisschen. Es geht ja auch um eine Frau.
Florian Bayer: Wobei General halt sehr klar dieses Damsel in Distress klischee ist.
Johannes Franke: Ja, und eigentlich ist seine große Liebe seine Eisenbahn.
Florian Bayer: Ja. Da gibt es nicht diese Facetten, die wir hier haben, dass die Frau eigentlich die Heldin ist, die sich um den Shit kümmern muss, weil der Typ halt träumt und schläft. Und wir haben auch nicht dieses Surreale. Dieses teilweise bizarre Absurde, wenn wir zum Beispiel zu diesen Mordversuchen kommen. Aber dann auch ganz leise poetisch, wenn er halt irgendwo verloren in einer Landschaft steht mit dieser Stoneface und versucht irgendwie es zu schaffen, dass sein Name reingewaschen wird.
Johannes Franke: Ich glaube, sein Gesicht bringt das einfach mit. Vielleicht kann er gar nichts dagegen tun. Also er vielleicht versucht das sogar mit der ganzen Technik, die er da reinwirft und so, aber sein Gesicht... Kann er einfach auch nicht loswerden. Dein Gesicht ist einfach so, dass man die ganze Zeit denkt, oh Gott, ich will mich um dich kümmern.
Florian Bayer: Das Geile ist ja, der ist 30 oder so, 29 war er, als der Film gedreht wurde. Und er spielt, er soll 18 sein wahrscheinlich in diesem Film. Er spielt wirklich einen jungen Mann.
Johannes Franke: Jemand,
Florian Bayer: der einen Aushilfsjob im Kino hat. Und der gerade heiraten will. Er ist verdammt jung in diesem Film. Und man kauft sich ihn aber ab, weil er einfach so...
Johannes Franke: 100 Prozent, ja.
Florian Bayer: Er wirkt eigentlich wie ein Kind im Körper eines jungen Erwachsenen. Und er wird gespielt von einem 40-Jährigen. Er ist fast so alt wie wir. Nein, nein,
Johannes Franke: nein. Drei.
Florian Bayer: Oh Gott, er ist zehn Jahre jünger als wir.
Johannes Franke: Oh mein Gott. Nein.
Florian Bayer: Wir sind so alt. Warum sagst du,
Johannes Franke: sagst du, Floor? Musst du uns immer deprimieren. Auf jeden Fall glaube ich, dass sein Gesicht das so mitbringt und dass er das immer genutzt hat und sich da aber nie so dolle draufsetzen wollte wie Charlie Chaplin zum Beispiel. Weil Charlie Chaplin hatte ja wirklich hart sentimentale Sachen. Ja,
Florian Bayer: aber Charlie Chaplin ist die Sentimentalität genau deswegen auch immer deutlich exaltierter. Ja. Bei Basta Keaton ist sie viel... viel introvertierter, viel verschlossener.
Johannes Franke: Und deswegen trifft sie, finde ich, manchmal sogar noch mehr.
Florian Bayer: Ja, weil es halt oft auch so, es hat vielleicht ein bisschen mehr Realismus. Das Krasse ist ja, wir merken ja, wenn er als Sherlock Junior auftritt, versucht er ja was anderes zu spielen. Da ist er ja auch so der Snob, da ist er der Schnösel oder zumindest der Mann von Welt, der ganz elegant seine Handschuhe auszieht und so weiter. Und dennoch ist in diesem Typen, den er da spielt, in den er sich reinträumt, hm, Es ist immer noch ein Stück von diesem kleinen, hilflosen Melancholiker vorhanden. Ich sag's dir,
Johannes Franke: es ist das Gesicht. Er hat versucht, loszuwerden, es ist das Gesicht. Er kriegt's nicht weg.
Florian Bayer: Es ist einfach nur das Gesicht, meinst du?
Johannes Franke: Ist einfach mein Hot-Take jetzt.
Florian Bayer: Ich glaube, mein Take wäre eher, dass er im Laufe des Films, im Laufe dieses Traumes, wird aus Sherlock Junior mehr und mehr wieder dieser Filmvorführer. Mit dem Höhepunkt, dass er am Schluss mit der Frau im Auto sitzt und das Auto langsam untergeht und er komplett hilflos ist.
Johannes Franke: Das stimmt, ja.
Florian Bayer: Wenn er das erste Mal kommt, dann haben wir ja wirklich diesen eleganten Auftritt übrigens exakt zur Mitte des Films.
Johannes Franke: Haha, Flo schreibt wieder Ziffern auf.
Florian Bayer: Diese weißen Handschuhe, die an der Tür klingeln.
Johannes Franke: Minute 22, ja?
Florian Bayer: Genau. Die an der Tür klingeln und dann kommt er rein und schaut sich um und man hat das Gefühl, das ist jemand, die haben den nicht ohne Grund gerufen. Das ist jemand, der den Fall lösen wird. Der... der wird herausfinden, was passiert ist und der wird ihnen helfen. Und das ist dann ja auch, wenn er Billard spielt und so weiter, er wirkt einfach überlegen, er hat das Ding im Griff. Und dann spätestens, wenn er diese Verfolgungsjagd einsetzt, wenn er die Diebe das erste Mal stellt und sie sagen, na da hinten ist der andere Detektiv übrigens. Und er dann aus dem Fenster springen muss, um sich in ein Kleid zu retten, was auch eine geile Szene ist.
Johannes Franke: Geil, oder?
Florian Bayer: Wie alt war das?
Johannes Franke: Das ist eine wilde Nummer. Es ist auch eine alte, nur wird eine wilde Nummer, die ganz praktisch, ohne irgendwelche komischen Kameratricks ist, sondern einfach, er hat das Kleid in eine große, runde Pappe hineingebraut, um das ans Fenster zu lehnen, damit er von innen dann durch das Fenster, durch diese Pappe in das Kleid hineinrutschen kann. In einem Tempo, was völlig absurd ist.
Florian Bayer: Es wirkt komplett unrealistisch. Du hast das Gefühl, das klingt nicht. Das kannst du nicht machen.
Johannes Franke: Und das haben die live auf der Bühne gemacht.
Florian Bayer: Ja, unglaublich. Und das ist so der erste Moment, wo dieser Crushing Detective sich so ein bisschen anfängt aufzulösen. Und ich glaube, das wird auch stärker im Verlauf dieses Traums dann, dass aus dieser versnobten Rolle langsam wieder der kleine, hilflose, etwas naive Filmvorführer wird.
Johannes Franke: Ja, ich sehe, was du meinst. Voll, das stimmt. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, aber ja. Gerade mit dem Auto, das untergeht, das würde dem Detektiven nicht so passieren.
Florian Bayer: Genau. Und das ist ja auch fast so eine Spiegelung der Anfangsszene, wo er neben dem Roof sitzt und nicht weiß, wie er um ihre Hand anhalten kann. und uns mit ganz vorsichtigen Berührungen versucht. Genauso hilflos sitzt er dann auch im Wagen und ist so, okay und wie geht's jetzt weiter? Naja, machen wir mal ein Segel hoch, dann fahren wir ein bisschen. Und dann geht's sogar ganz langsam unter. Das ist toll.
Johannes Franke: Übrigens waren die Keatons, die Familie Keaton, Fat Buddies mit Houdini. Ah. Mit dem großen Zauberer Houdini. Das heißt, er hat eigentlich, also Buster Keaton hat eigentlich mit der Muttermilch nicht nur das Wort Will an sich und Slapstick aufgesogen, sondern auch die ganzen Zaubertricks von Houdini.
Florian Bayer: Ja. Ja, und die beiden großen Woodville-Nummern, die er drin hat, sowohl das mit dem Bauchladen als auch das mit dem Kleid, sind ja Zaubertricks.
Johannes Franke: Genau. Ja. Und ich vermisse das so ein bisschen. Ich möchte eigentlich mal es wagen, sowas wieder in den Film zu bringen. Weil das ist schon geil. Ich finde das toll. Aber wir haben die Zeit nicht mehr so richtig. Weil all das muss wahnsinnig geübt werden. Und die Produktionsbedingungen sind heute einfach ganz andere. Das Problem ist,
Florian Bayer: dass die Computertechnik mittlerweile so gut ist, dass du es mit dem Computer so gut machen kannst. Ja. Dass dieser Mehrwert so ein bisschen wegfällt, das in echt zu machen.
Johannes Franke: Ja, ist das wirklich so? Fragezeichen. Ich weiß nicht genau. Merkt man das? Spürt man das nicht trotzdem? Nein.
Florian Bayer: Ich glaube, wenn du das Gefühl hast, dass du am Anfang des Films sagen musst, übrigens, da ist alles echt, das ist nicht Computertrick.
Johannes Franke: Aber das Bedürfnis habe ich gar nicht. Ich glaube, das geht so. Ich glaube, das merkt man. Ich glaube, man spürt als Zuschauer, wenn etwas wirklich vor Ort passiert, wie bei Now You See Me oder Now They See Me. Wie heißt denn dieser?
Florian Bayer: Ja, das ist kein guter Film, ne?
Johannes Franke: Nein, das ist nicht der beste Film. Genau. Und es gibt so ein paar Szenen, wo sie versucht haben, so Practical-Effekte, also wirklich zu machen.
Florian Bayer: Ja, dann macht sie aber auch ganz viel mit dem Computer.
Johannes Franke: Und dann mit dem Computer so viel nachzuarbeiten, dass man dann wieder das Gefühl hat, ach, wie scheiße, wie dämlich. Und dann merkt man's. Man merkt an der einen Stelle, das ist echt und an einer Stelle, jetzt haben sie angefangen mit dem Computer zu arbeiten.
Florian Bayer: Ja, aber das, was sie echt machen, ich meine, das sind Schauspieler, das sind keine Woodville-Stars. Und das, was sie echt machen, sind so wirklich die einfachsten Palmagesachen. Die einfachsten Palmagesachen. die ich hinkriegen würde.
Johannes Franke: Wollt ihr das googeln oder wollt ihr lieber euch noch von Zauberei verzaubern lassen?
Florian Bayer: Googel's nicht. Ich finde diese Szene in Now You See Me, es gibt ja diese eine berühmte Szene, wo sie das machen mit dieser Karte. Ich glaube, sie haben einen Microchip oder so und versuchen den irgendwie rauszuschmuggeln irgendwo und haben den dann an der Karte dran und schmeißen sich dann die Karte so gegenseitig zu. Und wenn jemand die Karte fängt, dann macht der halt so eine Palmage vorher. Keine Ahnung, wo auch immer hinzaubern. Und dann gibt es so ein paar kleine Tricks, die da drin sind. Aber die Szene lebt ja komplett von ihren Computertricks und Computertricks sorgen dafür, dass du bei jedem Trick, der relativ einfach ist, der einfach Fingerfertigkeit erfordert, dir die Frage stellst, hat der Schauspieler das jetzt wirklich gemacht oder war da nicht auch der Computer dran?
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Und nee, ich befürchte, ich glaube, du hast nicht recht. Das ist toll, was du sagst, aber ich glaube, du hast nicht recht. Ich glaube, die sind verdorben.
Johannes Franke: Das ist, dann ist das für mich der Moment, wo ich sage, ich muss dir das Gegenteil beweisen.
Florian Bayer: Challenge accepted.
Johannes Franke: Challenge accepted. Ah, ich bin gespannt. Wenn ihr auf diesen Podcast gestoßen seid, weil ich ein berühmter Zauberer im Film geworden bin, dann herzlichen Glückwunsch, das ist der Start der Sache. Mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: Ich befürchte, wir befinden uns in einer Selbst...
Johannes Franke: Oh nein.
Florian Bayer: Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Besprech können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind, also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Theme, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren sollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de.
Johannes Franke: Genau, schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah, das soll schnell durchkommen. Ja,
Florian Bayer: jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch.
Florian Bayer: Um nochmal ganz zum Anfang zurückzuspringen, was halten wir denn von dem Zitat? Don't try to do two things at once and expect to do justice to both.
Johannes Franke: Das ist ja das alte Diener-Zwei-Herren-Ding, ne? Von Goldoni, glaube ich, war der. Finde ich ein geiles Zitat. Aber wie passt der zu dem Film?
Florian Bayer: Überhaupt gar nicht.
Johannes Franke: Ich habe jetzt so drüber nachgedacht und gedacht, aber Moment, wo ist der Ansatz?
Florian Bayer: Ich finde... Ich finde es sehr schön, weil dieser Film hat ein gutes Pacing am Anfang,
Johannes Franke: weil er auch die Credits der wenigen Akteure,
Florian Bayer: die sich darin bewegen, in die Filmhandlung einbaut, was total geil ist. Was echt gut funktioniert, dass er sagt, dass er sagt dann The Local Chic und dann steht der Name da und dann sehen wir nochmal ein bisschen Filmhandlung und dann kommt The Girl in the Case, die Love Interest und da steht auch der Schauspielerinnen-Name und es ist irgendwie so eingebunden in den Film.
Johannes Franke: Allerdings habe ich mich gefragt, was das soll. Ich habe nicht ganz verstanden, dass das jetzt einfach die Credits sein sollen.
Florian Bayer: Das sind die Credits. Das sind einfach die Namen der SchauspielerInnen, die da gezeigt werden.
Johannes Franke: Ja, ja. Aber es war schon so seltsam, weil ich das so nicht gewohnt war, habe ich gedacht, hä, treten die jetzt alle als sich selbst auf oder was?
Florian Bayer: Genau. Das ist so geil. Und dann natürlich der Vater mit seinem Diener. The girl's father had nothing to do, so he hired a man to help him. Der Vater des Mädchens, als sein Name kommt, hatte nichts zu tun. Also hatte ein Mann angeheuert. um ihm dabei zu helfen. Dann haben wir den Vater und den Diener vorgestellt und wir wissen auch gleich, dass Mädchen, dass er anhimmelt, kommt aus einer anderen Ecke als er. Wir sind hier nämlich bei Spoiled Rich People.
Johannes Franke: Natürlich.
Florian Bayer: Und das ist wirklich ein schönes Pacing, was da reingebracht wird, wo man merkt, sie haben keine Millimeterfilm vergeudet, sondern sie haben wirklich genau geguckt, wie man das schön kondensiert, das erzählen kann, was man erzählen will.
Johannes Franke: Ja, vor allem, weil ja... Was der Keaton auch immer gesagt hat, jede einzelne Titlecard, die ich einbringe, muss unentbehrlich sein. Sobald man das Gefühl hat, auch ohne Titlecard würde der Film funktionieren, dann wird die weggeworfen. Die gehört da nicht rein. Keine Titlecards wären nicht wirklich notwendig. Und er hat in seiner ganzen Karriere nicht einen einzigen Film, Stummfilm gemacht, wo mehr als 53 Titlecards sind. Der Durchschnitt war damals über 150.
Florian Bayer: Krass, ne? Es ist unglaublich. Und das ist ja auch, es ist wirklich ein early example of diesem show don't tell. Die Title Cuts, es sind ein paar Title Cuts drin und sie machen entweder Witze oder meistens machen sie Witze.
Johannes Franke: Ja, eigentlich machen sie immer Witze, ja.
Florian Bayer: Und eigentlich machen sie nur Witze.
Johannes Franke: Aber sie bringen auch die Story voran, weil sie natürlich über den Witz auch was erzählen. So ist es nicht. Ja,
Florian Bayer: und genau, es ist aber wirklich wenig. Der Film ist einfach, der Film muss nicht viel rumschwatzen, weil er alles... Weil er es schafft, alles in seinen Bildern zu erzählen. Aber Keaton war ja auch sehr ehrgeizig, ne? Wir haben ganz am Anfang drüber gesprochen. Ja,
Johannes Franke: stimmt, genau. Diese Wette zwischen Chaplin, Charlie Chaplin und Buster Keaton. Wer die wenigsten Title Cards braucht innerhalb von 90 Minuten Film. Und angeblich hat Chaplin gewonnen.
Florian Bayer: Chaplin hat gewonnen, aber ganz knapp nur, ne?
Johannes Franke: Aber ganz knapp. 21 Title Cards in 1,5 Stunden Film. Keaton brauchte 23. Ja,
Florian Bayer: das ist bitter.
Johannes Franke: Ja, zwei Karten mehr. Da fragt man sich,
Florian Bayer: Basta, Mensch, hättest du die zwei nicht noch irgendwo wegkatschen können?
Johannes Franke: Und da kommt wieder Kieten rein, der nicht sagt, ich will die Wette gewinnen, sondern es ist wichtiger, dass der Film 100% funktioniert.
Florian Bayer: Und dafür wird dann auch in Kauf genommen, dass man sehr viel dreht und sehr viel davon auch wieder wegschmeißt.
Johannes Franke: Richtig, genau, weil dieser Film ja eigentlich viel länger hätte sein können. Er ist ein Two-Realer, wie man so schön sagt. Also 45 Minuten, 44 Minuten. Also du hast ein Reel von 20 bis 22 Minuten. Und dann musst du die Rolle wechseln, einfach als Filmvorführer. Und deswegen sagt man One-Reeler oder Two-Reeler oder Three-Reeler oder Six-Reels. Und das waren halt ein Two-Reeler. Und eigentlich hätte der viel mehr sein können, aber Buster Keaton hat immer in Testvorführungen immer geguckt, was mögen die Leute, was mögen die Leute nicht, was erklärt sich, was erklärt sich nicht. Und hat massiv rausgekürzt Sachen, wo andere gesagt haben... Alter, warum? Lass das doch drin. Wo andersrum normalerweise Produzenten sagen, wir müssen hier rausstreichen, das geht alles nicht, hat Buster Keaton als Regisseur gesagt, nein, wir müssen hier rausstreichen. Und die Produzenten, nein, wirf das nicht weg.
Florian Bayer: Und das war bei The General auch schon so, was dazu führt, dass sich seine Filme generell sehr kompakt anfühlen. Und nicht nur, weil er 45 Minuten lang ist. Ich kann mir vorstellen, der Film könnte auch 90 Minuten lang sein und würde sich trotzdem kompakt anfühlen. Wenn er dieses Pacing hätte, was er hier hat, weil da ist einfach diese Mischung drin aus. Wir verzaubern das Publikum ein wenig, wir sorgen für herunterfallende Kinnladen mit ein paar Special Effects und ein paar besonderen Tricks. Verzaubern wir das wieder ein bisschen und dann machen wir nochmal so richtig Action. Und dann bist du plötzlich am Ende des Films und denkst, wow, wo ist die Zeit hin? Geil. Okay,
Johannes Franke: krass. Und leider, leider ist dieser Film nicht so geil angekommen, wie wir den heute wahrnehmen.
Florian Bayer: Das Publikum ist einfach saudumm.
Johannes Franke: Aber wirklich, oder? Ich gucke mir den Film an und denke, what the fuck, wie geil. Und die Leute damals, ich habe mehr Gags erwartet. Die Gagdichte war damals auch ein wichtiger Faktor. Ja,
Florian Bayer: was bei diesem Film so, also der Film hat verdammt viele Witze, aber es ist bei diesem Film auch einfach nicht das einzig Wichtige. Der Film ist halt nicht nur eine Komödie, sondern auch eine Tragikomödie.
Johannes Franke: Was ja wahnsinnig wichtig ist, was aber glaube ich damals einfach kein Punkt war. Ja. Bei Stummfilmen hast du vor allem, du bist ins Kino gegangen, um zu lachen. Also wenn es um Comedian ging, also jetzt nicht Birth of a Nation, aber wenn es um so Comedian ging, da war Gagdichte wirklich tatsächlich ein Thema unter normalen Zuschauern. Was du denkst, was ist das denn für eine Einsortierung für einen Film? Aber heute ist das halt auch anders als damals.
Florian Bayer: Was ich nicht verstehe ist, dass die Leute nicht damals im Kino saßen, die Matchcuts von dieser einen Szene gesehen haben und allein deswegen gesagt haben, Jesus Christ, the future is near. Weil wenn wir da heute drauf gucken und sagen... Meine Fresse, ist das gut geschnitten, obwohl es in der Filmgeschichte sehr viele Beispiele danach gab, die auch total beeindruckend sind.
Johannes Franke: Willst du auf etwas hinausblicken?
Florian Bayer: Ich versuche, einen eleganten Übergang zu schaffen.
Johannes Franke: Unsere Top 3. unsere Top 3. So, wir haben eine Top 3 Match Cuts,
Florian Bayer: die du dir gewünscht hast.
Johannes Franke: Weil wir ja tatsächlich in diesem Film diese krasse Sequenz haben, wo ein Schnitt nach dem anderen ist und Buster Keaton einfach an der gleichen Stelle bleibt, haben wir uns überlegt, wir finden mal Filme raus, die sogenannte Match Cuts haben.
Florian Bayer: Willst du uns einmal Match Cuts ganz kurz definieren?
Johannes Franke: Also, es gibt sie auf allen möglichen Ebenen. Man will ja in Filmen... Immer gucken, dass man auf eine bestimmte und dem Film unterstützende Art und Weise von einer Szene in die nächste kommt. Und dann haben wir jetzt gleich ein paar Beispiele, die irgendwie interessant sind. Und die gibt es aber auf der Bildebene. Die gibt es auch auf der Soundebene. Oder eben in der Action. Also wenn jemand hinfällt in der einen Szene und dann in der nächsten Szene fällt jemand anders aufs Bett, hast du im Grunde auch einen Matchcut. Beim Sound ist es als Beispiel. Wenn jemand einen Brief vorliest, den ihm ein guter Freund geschrieben hat und dann übernimmt der gute Freund dieses Vorlesen, dann ist das quasi ein Matchcut.
Florian Bayer: Ganz wichtig, ein guter Matchcut muss nicht ein 100% passendes Bild sein. Es muss nicht jedes Element genauso aussehen wie ein Bild vorher. Es kann sogar sein, dass es Störungen da drin gibt und dass es trotzdem funktioniert. Wichtig ist einfach, dass du, es ist so ein Fühlding, es ist so ein bisschen so ein Rhythmusding. Du musst einfach das Gefühl haben, es gibt einen Flow zwischen den Zähnen. Flow, einen unerwarteten Flow, weil die Szenen eigentlich sehr weit auseinander sind. Und es funktioniert trotzdem. Und ich würde einfach mal einsteigen mit einer Dishonorable Mansion. Und ich hoffe, ich nehme sie dir nicht als Platz weg. Mich hat einer der berühmtesten Match Cuts der Filmgeschichte, nämlich der aus 2001, der hat mich nie gekriegt.
Johannes Franke: Mich auch nicht gut. Aber ich habe den Film auch nicht gesehen. Ich kenne nur dieses Intro. Ja. Und habe aber... gedacht, naja.
Florian Bayer: Um euch kurz abzuholen, es gibt diese Szene mit den Monolithen und die Affen werden zu, beziehungsweise die Menschenaffen werden zu Menschen. Das ist der Moment, wo die Menschheit entstanden ist und ein Affe wirft einen Knochen hoch, der Knoche fliegt durch die Luft und verwandelt sich in ein Raumschiff.
Johannes Franke: Verwandelt sich in ein Raumschiff, ist ja auch schon zu viel.
Florian Bayer: Es wird auf ein Raumschiff geschnitten, das im Weltraum steht. Tausend Mal persifliert, in Barbie haben wir es auch gesehen. Genau, in Barbie wurde diese Szene auch persifliert, in unzähligen Komödien. Und alle sagen, wenn sie von Match Cuts reden, ja natürlich 2001, Space Odyssey, dem müssen wir nennen. Ich verstehe es nicht. Ich habe es nie verstanden. Ich liebe diesen Film. Ich liebe Stanley Kubrick. Das ist ein Beispiel für einen nicht so gelungenen Matchcut. Geöffnet. Maximal.
Johannes Franke: Maximal, ja. Fand ich nämlich auch. Da sind wir wieder auf einer Linie. Verdammt.
Florian Bayer: Nein. So schon wieder sehr wenig. Und ich habe ein paar Honorable Mentions, die würde ich aber hinten anstellen.
Johannes Franke: Ja, lass uns die hinten anstellen.
Florian Bayer: Und würde erstmal mit einem wirklich, wirklich schönen Matchcut starten. Auch einfach, weil es eine unglaubliche Tragweite und Schwere hat. Und Johannes wird gleich wieder mit der Nase rümpfen. Titanic. von James Cameron.
Johannes Franke: Gottes Willen.
Florian Bayer: Aus dem Jahr 1997.
Johannes Franke: Ist das diese Fahrt um das Schiff drumherum, das im See ist und dann plötzlich zu dem Schiff wird, was da im Dock hängt?
Florian Bayer: Es ist eleganter gemacht. Aber es geht tatsächlich darum, dass wir von der versunkenen Titanic auf die Titanic von damals schneiden. Und zwar sind wir die alte Rose, die die Geschichte erzählt. Und wir gehen mit der Kamera rein in das Bild von der Unterwasserkamera, die wirklich ein Originalbild hat. Und dann... Und dann findet dieser Übergang statt. Und dieser Übergang ist einfach so, dass er diese Schwere von den fast 100 Jahren, die seit dem Unglück vergangen sind, dass er die irgendwie einfängt und transportiert. Und das ist einfach schön gemacht. Top-3-Kandidat, auf jeden Fall.
Johannes Franke: Okay. Für mich ist der Match halt in die falsche Richtung. Dramatisch gesehen würde ich sagen, ich will eigentlich von dem Leben in die Untergegangene. schneiden.
Florian Bayer: Finden wir auch. Ich habe mich für den entschieden, weil der das erste Mal ist, wo das stark gemacht wird. Aber wir haben auch den Übergang, aber der ist vielleicht auch ein bisschen kitschig, wo die berühmte Szene, wo Leo und Kate auf dem Schiff stehen und ihr zeigt, wie sie fliegen kann, vorne, ganz vorne auf dem Bug und sie sagt, ich kann fliegen und dann küssen sie sich und dann wird geschnitten auf das Schiff unter Wasser.
Johannes Franke: Ah, okay.
Florian Bayer: Ist auch ein guter Matchcut. Ich fand den anderen ein bisschen beeindruckender, weil du in dem Moment wirklich das Gefühl hast, ja, jetzt... mache ich gerade eine Zeitreise und ja, hier ist Zeit vergangen und ich spüre das.
Johannes Franke: Ja gut. Ich hätte als Platz 3 Ah, es ist so schwer. Ich würde abnehmen. Und zwar ist es auf Platz 3, weil es ein Animationsfilm ist und es nicht ganz so beeindruckend ist bei einem Animationsfilm, weil du ja alles bestimmen kannst im Bild auf eine ganz andere Herstellungsweise. Da ist die Szene, wie er seine Frau beerdigt. Und da sitzt und dann aufsteht bei der Beerdigung, nach der Beerdigung und traurig nach Hause läuft. Und der ganze Weg nach Hause wird übersprungen. Man sieht nur, wie die Kapelle, wo sie beerdigt wurde, umge... blendet wird auf das Haus, wo er die Treppe dann hochläuft. Und er bleibt im Grunde gleich, er steht ja bloß auf und geht dann die Treppe hoch, die da erschienen ist von seinem Haus. Ein guter Matchcut und macht, muss man sagen, emotional genau das, was so ein Matchcut in dem Moment machen muss.
Florian Bayer: Das ist das Grausamste. Pixar-Intro aller Zeiten.
Johannes Franke: Ja, furchtbar.
Florian Bayer: Unfassbar, wie kann man einen Film nur so traurig starten?
Johannes Franke: Ich hab's auch, mich hat's total kalt erwischt damals, als ich das gesehen habe, weil ich nicht erwartet habe, dass sie sowas machen.
Florian Bayer: Ist doch ein dicker Pfadfinder-Junge mit einem Ballon zu sehen in das Haus fliegen. Was soll das?
Johannes Franke: Warum zerstört ihr uns gleich am Anfang?
Florian Bayer: Übergänglichkeit allen Seins, das unerfüllte Träumen. Wollt ihr euer Publikum depressiv machen? Ja,
Johannes Franke: genau. Gott sei Dank holen sie einen aber auch wieder hoch. Ja,
Florian Bayer: das stimmt.
Johannes Franke: Naja.
Florian Bayer: Mein Platz 2, ich weiß, du magst es nicht, Johannes, tut mir leid, aber die Reifeprüfung, The Graduate.
Johannes Franke: Ich finde auch diesen Matchcut furchtbar.
Florian Bayer: Es ist wunderschön und es sind mehrere Matchcuts aufeinanderfolgend. Wir sehen einmal unseren Protagonisten, wie er zu Hause umherwandelt, ohne zu wissen, was er machen soll, Benjamin Braddock. Und wie er da unterwegs ist am Pool und sich langweilt und so weiter. Und dann aber geschnitten mit der Affäre, die er mit Miss Robinson hat. Und es wird immer wieder von einem zum anderen und wieder zurückgeschnitten. Und es ist einfach... Es zeigt wunderschön, wie dieser Sommer für ihn verläuft und findet sehr gute, sehr dynamische Schnitte, die wunderbar diesen Zwiespalten, den wir alles aufzeigen.
Johannes Franke: Es gibt diesen einen Matchcut, den ich einfach dem Film nicht verzeihen kann. Wie er, ich weiß nicht, ob das irgendjemand so sieht wie ich, aber im Pool ist er und zieht sich an seiner Luftmatratze, die er im Pool hat, hoch und fällt dann sozusagen auf diese Luftmatratze, fällt aber im Schnitt dann auf Mrs. Robinson. Ja. Wie... Auf seine Matratze. Ja. Und ich denke mir die ganze Zeit, was ist das denn für ein Vergleich? Oh Gott.
Florian Bayer: Das symbolisiert doch nicht, dass sie seine Matratze ist. Die Zähne symbolisiert viel mehr, wie er in seiner Verlorenheit da draußen ist.
Johannes Franke: Ach nein.
Florian Bayer: Miss Robinson verführt ihn.
Johannes Franke: Ich fand das Bild so ekelhaft beinahe.
Florian Bayer: Oh Gott, das wird.
Johannes Franke: Naja, okay. Gut, haben wir mal wieder gestritten über The Graduate. Wir kriegen es immer wieder hin. In Folgen, die längst vergangen sind, The Graduate nochmal unterzubringen. Und darüber nochmal zu streiten. Okay, ich hätte auf meinem Platz 2, ikonisch, auch wenn ich es damals, als wir darüber geredet haben, ein kleines bisschen, weiß ich nicht, so richtig geil fand ich es damals nicht, aber jetzt bin ich dann doch melancholisch geworden. Indiana Jones wie River Phoenix zu Indy wird. Er kriegt diesen Hut auf den Kopf gesetzt und dann... Der Matchcut zu dem Hut, wie ihn aber unser erwachsener Harrison Ford anhat.
Florian Bayer: Es ist tatsächlich auch, ich finde, es ist keine, also es ist eine schöne Szene mit viel Pathos. Ich finde sie als Matchcut jetzt auch nicht so 100% überzeugend.
Johannes Franke: Ich finde sie als Matchcut aber total logisch und in sich total stimmig. Ich finde diese ganze Szene drumherum halt leider noch ein bisschen sehr so durchschaubar. Aber den Matchcut an sich finde ich geil.
Florian Bayer: Ich weiß nicht. Naja. Das hätte man auch eleganter lösen können. Mein Platz 1, noch ein Film, den Johannes nicht mag. The Fall von Tarsem Singh. Oh Gott. Was machst du heute? Wir befinden uns in dieser Märchenwelt, in dieser fantastischen Welt. Und sie werden vergiftet und von einem Priester betrogen. Und dann sehen wir diesen lachenden Priester. Und da gibt es einen wunderbaren Schnitt, wie sich die Zähne auflöst. Und aus dem Gesicht des Priesters wird eine Sandwüstenlandschaft, in der sie gefesselt stehen, eine totale. Und wir haben diesen Nah und dann diese totale. Und die Augenbrauen werden zu so Felsen. Es ist einfach. Ein wirklich ein Sinnbild meisterhafter Filmkunst. Unglaublich schön, unglaublich poetisch. Und einfach der beste Magic Cut der Filmgeschichte.
Johannes Franke: Wenn mich der Film nicht genervt hätte, dann hätte ich wahrscheinlich in der Stelle auch gedacht, ja, ist ein ganz nett.
Florian Bayer: Aber nicht ganz nett, es ist unglaublich. Es ist perfekt getroffen, es ist visuelle Poesie. Alter, mit was kommst du jetzt?
Johannes Franke: Ich kann dir vor allem nicht verzeihen, dass du Citizen Kane nicht in der Liste hast. Citizen Kane. Ist das dein Platz 1? Ja, das ganze Intro. Wenn wir auf dieses, auf Xanadu, oder ist es auf Xanadu? Ich glaube ja, auf dieses Schloss gehen. Und da gibt es immer dieses eine Fenster, das erleuchtet ist. Und das ist immer an der gleichen Stelle. Obwohl wir immer näher rangehen, ist immer dieses Fenster an dieser einen Stelle, weil wir darauf zufahren. Und die Umgebung ändert sich, wir kommen immer näher an das Schloss ran, das ist der blöde Garten, das ist das Zeug, das ist das Zeug. Und dann sind wir am Fenster dran. Und von außen am Fenster, das Licht geht aus und wir haben völlig Unsicht. errichtbaren Schnitt, weil genau das Fenster an der gleichen Stelle bleibt, nach drinnen in den Raum. Und dann geht das Licht wieder an, aber eben das Außenlicht, weil der Mond reinscheit. Und das ist so ein geiler, ich find das so großartig.
Florian Bayer: Muss ich sagen, Thema verfehlt. Das ist kein Cut. Also es wird ganz viel geschnitten, aber es ist kein Cut. Wenn ich ein Cut sehe, dann will ich einen Schnitt haben. Das ist kein Cut. Und um's nochmal fürs Protokoll zu sagen, in diesem Moment, in seinem Film 2006, The Fall, in der, keine Ahnung, 57. Minute, war das. War Tarsem Singh besser als Orson Welles? In diesem einen Moment. Das ist der beste. Guckt ihn euch an. Guckt euch diesen Matchcard an. Sucht nach Priest und Paul.
Johannes Franke: Dann
Florian Bayer: Tarsem Singh.
Johannes Franke: The World's End.
Florian Bayer: Auf jeden Fall Edgar Wright. Edgar Wright. Edgar Wright ist so geil.
Johannes Franke: In fast eigentlich so vielen Filmen, ne? Ja, voll. Mit Matchcards hat er es.
Florian Bayer: Absolut. Ich dachte auch, ich habe es bei meinen Honorable Mentions. Edgar Wright, alle seine Filme. Und vor allem diese Cornetto Trilogie.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Er schafft es. Unglaublich gute Schnitte und das in so albernen Spoof-Filmen.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Es gibt so einen, also einer der tollsten, den vielleicht nicht unbedingt alle sagen würden, der mir aber so im Gedächtnis geblieben ist, wie er mit seiner Pflanze da am Bahnhof sitzt. Ja.
Florian Bayer: Und die Zeit vergeht?
Johannes Franke: Die Zeit vergeht und der Zug rauscht vorbei und so. Super Match-Cuts von nachts zu Tag und so. Toll.
Florian Bayer: Und um noch einen Briten zu nennen, Guy Ritchie. Guy Ritchie, der in den 90ern sehr viel Tarantino kopiert hat.
Johannes Franke: Ja, okay.
Florian Bayer: Der auch ziemlich simple Tarantino-Kopien gemacht hat, aber irgendwann muss ich dir mal einen Guy Ritchie-Film geben.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Kann Match Cuts echt verdammt gut.
Johannes Franke: Oh, okay.
Florian Bayer: Er hat, irgendwann war ja, glaube ich, auch mal der Mann von Madonna. Ja. Egal. Guy Ritchie. Guy Ritchie hat geile Match Cuts gemacht. Guckt euch Match Cuts von Guy Ritchie an. Die ganzen Filme muss man nicht unbedingt sehen. Und ich hätte noch eine Nennung von einem Film, den wir jüngst besprochen haben, der auch noch nicht so alt ist. Everything, Everywhere, All at Once.
Johannes Franke: Oh, ja, natürlich.
Florian Bayer: Tolle Match Cuts zwischen den einzelnen Dimensionen mit sehr viel Farbe, sehr vielen Schnitten. Ja,
Johannes Franke: ja, ja. Sehr, sehr gut. Und auch viele verschiedene Arten von Matchcuts. Also nicht nur visuell-grafisch, sondern eben auch in die Action hinein. Ja. Und auch mit Sound und alles. Also sehr, sehr gut.
Florian Bayer: Okay, ich glaube, wir können raus.
Johannes Franke: Ja, dann wieder zurück zu unserem Film. Wollen wir noch ein kleines bisschen über Buster Keaton reden, was er danach eigentlich passiert ist?
Florian Bayer: Wie ist es denn mit Buster Keaton weitergegangen? Vor allem, er hat offensichtlich einen sehr großen Fehler gemacht.
Johannes Franke: Oh Gott, er hat einen großen Fehler gemacht. Er hat bei MGM sich einlöhnen lassen.
Florian Bayer: Und Charlie Chaplin hat gesagt, tu es nicht.
Johannes Franke: Hat er das? Das weiß ich gar nicht.
Florian Bayer: Charlie Chaplin hat zu ihm gesagt, Basta, Basta. Also Charlie Chaplin war ja ein großer Verfechter der Autonomie eines Künstlers.
Johannes Franke: Ja, er hat ja extra die Produktionsfirma gegründet. Aber Basta Keaton hatte auch seine Produktionsfirma.
Florian Bayer: Basta Keaton hatte seine Produktionsfirma. Und ein Grund, warum er zu MGM gegangen ist, ist, dass MGM mit verdammt viel Geld gewunken hat. Und Charlie hat gesagt, du wirst es bereuen.
Johannes Franke: Und er hat es bereut.
Florian Bayer: Und er hat es sehr bereut,
Johannes Franke: ja. Basta Keaton wurde vor allem von MGM eingekauft wegen des Namens. Und... seiner Berühmtheit, weil er die ganzen Leute eben ins Kino geholt hat. Und hat eben auch mit Geld gewunken, natürlich. Das Problem war bloß, dass MGM dann mit den 30ern, es war dann in den 30ern, angefangen hat, Tonfilme zu machen und auch angefangen hat, Sicherheitsvorkehrungen einzuführen. Buster Keaton durfte plötzlich nicht mehr einfach so jeden Gag umsetzen, der ihm plötzlich eingefallen ist. Viele Sachen, viele Stunts durfte er überhaupt nicht mehr machen. Es gab so ein, zwei Ausnahmen, wo er noch mal ran durfte. Aber viele, viele Sachen wurden mit Stuntman plötzlich gemacht. Und er war, dafür war er da. Das war sein Ding, die Stunts zu machen. Und es hat ihn unglaublich deprimiert. Auch, dass er ein Drehbuch schreiben musste vorher. Die Devise war nämlich vorher, wir denken uns aus, was am Anfang passiert. Wir denken uns aus, was am Ende passiert. Und die 80% dazwischen, die finden wir schon raus, während wir es machen. Und da sind so viele Gags entstanden. So viele krasse... Sachen entstanden, die nicht entstanden wären, wenn man angefangen hätte, darüber nachzudenken. Wo jeder auch am Set, während es passiert ist, natürlich einen Vogel gezeigt hat und gesagt hat, das kannst du nicht mehr, das ist zu gefährlich. Und er dann sich einfach durchgesetzt hat, weil er der Chef war. Und jetzt war er plötzlich nicht mehr der Chef.
Florian Bayer: Man muss aber auch dazu sagen, das, was Keaton in seinen eigenen Studios gemacht hat, war extrem kostenintensiv und nicht besonders lukrativ. Ja, also es ist aus der Perspektive zumindest nachvollziehbar, dass MGM gesagt hat, zum einen, nee, du ruinierst uns jetzt nicht, sondern du tanzt jetzt nach unserer Pfeife. Und zum anderen vielleicht auch nachvollziehbar, dass es vielleicht für Keaton doch ganz gut war, ein bisschen Geld nochmal, weil vielleicht nicht mehr ganz so exzessiv. Er hat mit MGM seine erfolgreichsten Filme gemacht in der Tonfilmzeit. Die Tonfilme waren erfolgreicher als die Stummfilme, die er mit seinem eigenen Studio gemacht hat.
Johannes Franke: Aber das sind nicht die Filme, an die wir uns erinnern.
Florian Bayer: Das sind nicht die Filme, an die wir uns erinnern. Ich habe keinen von diesen Filmen gesehen. Hast du welche davon gesehen?
Johannes Franke: Kaum. Ganz wenig.
Florian Bayer: In den 30ern, ne?
Johannes Franke: Aber es gab vorher, der erste Film, den er mit MGM gemacht hat, der war noch sehr erfolgreich. Ich glaube, es war The Cameraman.
Florian Bayer: Ja, 1928. Das war so einer seiner letzten Stummfilme. Und dann 1930 hat er mit Basta, hat er mit Free and Easy, hat er seinen ersten Tonfilm für MGM gemacht. Der... Nicht so gute Kritiken gekriegt hat. Und dann hat kurz darauf, 1931, Sidewalks of New York gemacht. Oh,
Johannes Franke: aber der war noch einigermaßen mit seiner Handschrift. Das ging noch gerade so. Aber das wurde immer schwerer und immer schlechter. Man muss dazu sagen, dass Buster Keaton nicht in das Klischee hineinfällt, was viele andere Sturmfilmstars nachgesagt wird. Nämlich, dass sie eine schlechte Stimme hatten und dann mit dem Sturmfilm einfach untergegangen sind. Buster Keaton hatte eine sehr gute Stimme. Buster Keaton konnte auch einigermaßen singen, was ja damals wichtig war. Das heißt, das war nicht das große Problem. Das Problem war halt seine Kontrolle, die er immer eigentlich hatte über alles. Und wenn er die Kontrolle nicht mehr hat, also er war wahnsinnig deprimiert und hat angefangen zu trinken.
Florian Bayer: Und es war richtig hart und es hat ihn seine Ehe gekostet. Ja. Und es hat ihn auch im Prinzip seine Karriere gekostet. Er war dann irgendwie, er war eigentlich weg vom Fenster, so in den 30ern dann.
Johannes Franke: Es gab tatsächlich... von Produktionsseite an neue Regisseure, die mit ihm arbeiten sollten, so Zettel, die rumgegangen sind, auf denen stand, lass ihn nicht trinken. Auf der anderen Seite glaube ich, dass viele Filme nur deswegen entstanden sind, weil er getrunken hat. Er war nämlich ein sehr schlechter Trinker. Nach zwei Drinks war er schon hin und futsch. Also er wusste schon nicht mehr, was er tut nach zwei Drinks. Er hat nicht viel vertragen. Und hat dann nach zwei Drinks eigentlich alles gemacht, was ihm gesagt wurde.
Florian Bayer: Das heißt, man musste einfach so ein Level halten.
Johannes Franke: Man musste das richtige Level abpassen. Aber er hat dann auch auf dem Gelände von MGM die wildesten Partys gefeiert. Da haben wirklich sehr seltsame Sachen passiert. Ganz viele Frauen wurden eingeladen und so, weil er einfach so, er war so durch. Und dann haben sie ihn irgendwann, der Chef, Meyer, von Metro-Goldwyn-Meyer, hat seinen Security-Typen losgeschickt und hat gesagt, du musst dem ein Ende setzen. Diese Partys dürfen nicht mehr stattfinden. Das große Problem war, der Security-Typ war selber sehr großer Kunde dieser Partys. Hat sehr viel mitgemacht.
Florian Bayer: Das waren doch damals alle, oder? Hollywood war damals wirklich ein Sündenfuhl.
Johannes Franke: Absolut. Und man hat ja auch mit Drogen und allem Möglichen, das war ja auch überhaupt nicht so, da hat man sich ja nicht so die Sorgen gemacht. Und das heißt, es ist nicht viel passiert, als Maya ihn losgeschickt hat. Dann ist Maya irgendwann selbst losgesagen. losgegangen und hat ihn aufgesucht und hat gesagt, das geht nicht mehr. Dann hatten die einen riesigen Streit und das war der Moment, wo ihm gekündigt wurde. Basta Keaton wurde rausgeschmissen. Das war's. Und dann haben halt die Partys natürlich auch aufgehört, aber Basta Keaton hatte auch keinen Job mehr. Und das war schon echt hart. Und er war Ende 30. Da ist man Ende 30 und hat seine ganze Weltkarriere hinter sich und was kommt jetzt? Was soll das jetzt? Was soll jetzt passieren? Und das war echt schlimm. Also er hat viel, viel, viele... viel Alkohol getrunken, ganz schlimme Zeit gehabt. Aber nach und nach haben sich die Leute auch wieder erinnert. Es gab auch immer wieder Leute, die gesagt haben, ja, komm mal als Gagman zu uns. MGM hat ihn auch wieder eingestellt, aber eben nicht als Mann vor der Kamera, sondern als Mann hinter der Kamera. Der hat mit den Barks Brothers zusammengearbeitet, hat mit denen ganz viele Gags gemacht.
Florian Bayer: Mit Laurel und Hardy auch. Alle hatten viele Gags geschrieben. Genau. offensichtlich auch wieder so einigermaßen auf dem Bein und hatte dann sogar mal auch ein paar Cameo-Auftritte in Filmen. 1950 ist er in Sunset Boulevard, hatte einen Cameo-Auftritt.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und... Hat dann irgendwie noch wieder funktioniert, ne?
Johannes Franke: Ja, er hat, muss man aber auch dazu sagen, es gibt interessante Zusammenschnitte im Internet, ganz viele Gags, die er früher gemacht hat, die er für verloren gehalten hat, weil Film nicht sehr langlebig war, hat er einfach wiederverwertet. Es gibt so nebeneinander Gegenüberstellungen von Gags, die er weiterverkauft hat und später nochmal inszeniert hat für andere Leute, mit den Marx Brothers und mit anderen Filmen. Einfach die eins zu eins das sind, was er früher gemacht hat. Ja, ist krass. Er hat also insofern auch kein Ego gehabt. Er hat nicht gesagt, das ist mein Zeug, sondern er hat einfach gesagt, ja, ist in Ordnung. Ihr macht damit, was ihr wollt, ist in Ordnung. Ich habe hier meinen Job als Gagman, alles in Ordnung. Er brauchte aber auch das Geld. Er war auch so ein bisschen in der Zwickmühle. Ja,
Florian Bayer: das ist krass, weil er hat ja wirklich gut verdient als Sturmfilmstar und wie er sich dann so selbst runtergewirtschaftet hat.
Johannes Franke: Er konnte nicht gut mit Geld umgehen.
Florian Bayer: 1950, nee, Moment, nicht 1950, viel später. Wo bin ich?
Johannes Franke: In den 50ern hat er viel Werbung gedreht.
Florian Bayer: 1952, das wollte ich sagen, mit Charlie Chaplin gemeinsam in Limelight.
Johannes Franke: Ah, in Limelight. Haben wir Limelight noch nicht gesehen?
Florian Bayer: Ich habe Limelight noch nicht gesehen.
Johannes Franke: Tja, Flo, da verpasst du was. Ich glaube, den müssen wir mal gucken.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Also ich bin auch sehr neugierig, weil er spielt Charlie Chaplins Partner und sie spielen zwei gealterte Woodville Boulevard Künstler.
Johannes Franke: Genau. Das einzige Mal, dass er mit Charlie Chaplin zusammengearbeitet hat.
Florian Bayer: Aber die hatten ein freundschaftliches Verhältnis? Ja, auch. Ein kollegial freundschaftliches Verhältnis?
Johannes Franke: Genau. Also ich weiß nicht, ob die sich jetzt jeden Tag gesehen haben, aber die waren schon so gut kumpelhaft miteinander befreundet.
Florian Bayer: Die haben sich ausgetauscht auf jeden Fall. Also was ich gelesen habe war zum Beispiel, als diese ganze Frage war, ob er zur MGM geht, da war Charlie Chaplin, war auch wirklich für ihn Ansprechpartner und hätte ihn auch wohl fast vom Gegenteil überzeugt. Okay,
Johannes Franke: also hätte er mal noch ein bisschen mehr gebohrt. Naja, aber er hat sozusagen tatsächlich in der Zeit, so bis in die 50er hinein, es geschafft sich durchzuwurschteln als Gagman, hat auch wieder... tatsächlich eine Reputation entwickelt und die Leute haben nach und nach die alten Sachen von ihm wiederentdeckt. Und dann hat er Werbung gedreht, weil er irgendwie so einen sentimentalen Punkt getroffen hat beim Publikum. Und dann hat er Shampoo-Werbung und alles mögliche, wo man wirklich denkt, oh mein Gott, was ist das denn? Warum tust du das? Aber ich gönne ihm alles, weißt du? Das ist so ein alter Mann, der einfach, der auch, wo alle unglaublich schwärmen, alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben, sagen, der ist ans Set gekommen. Wollte nicht mal irgendwelche Requisiten haben, hat on the spot wahnsinnig geniale Sachen einfach so improvisiert. Der absolute Wahnsinn. Es gibt so eine schöne Aufnahme von ihm, wirklich in hohem Alter schon, mit 60 oder sowas. Da kommt so ein Zug an, so ein Alter, und die sind da einfach privat. Also es ist nicht mal irgendein Dreh oder sowas. Beziehungsweise doch, der Dreh findet statt, aber die Aufnahmen, die da passieren, sind nicht für den Dreh oder für den Film. Und dann kommt der Zug an und hält da und Buster Keaton schafft das genau im richtigen Moment. so eine Eisenstange vom Zug anzufassen und so zu tun, als ob er den Zug zum Anhalten bringt. Und es sieht super realistisch aus. Er schafft es einfach, das so zu verkaufen. Und dann sieht er, dass der Zug auch wieder losfährt in die andere Richtung, greift genau im richtigen Moment zu, zieht ihn und schickt ihn wieder auf die Reise. Und das sieht so geil realistisch aus, das kannst du dir nicht vorstellen. Er hat so ein Timing drauf.
Florian Bayer: Zwei Namen sind wichtig, James Mason und Raymond Rohauer. James Mason war der, der die... Der hat die Villa von den ehemaligen großen Menschen von Keaton. Ja, genau. Keaton hat für seine Frau eine Villa gebaut, die dann zu klein war. Und dann hat er nochmal Millionen investiert, um eine zweite Villa zu bauen.
Johannes Franke: Absoluter Wahnsinn.
Florian Bayer: Der wusste, wie man exzessiv lebt, als er viel Geld hatte.
Johannes Franke: Und dann auch noch in ihrem Namen. Das gehörte dann ihr, das Zeug. Ja, genau. Das war nicht mal mehr seins.
Florian Bayer: Die hatten auch bei der Scheidung, wegen seinem Alkoholismus, gab es auch wirklich hässliche Streitigkeiten um Geld, die ihr zusteht. Nein, was ich auf jeden Fall sagen wollte, James Mason hat dieses Ding gekauft und hat in der Abstellkammer die Kopien entdeckt von den alten Reels. Da wurden die wiedergefunden, die teilweise als verloren galten. Also einige gab es natürlich noch, aber ein paar galten als verloren. Und dann wiederum wurden die Dinger gezeigt und Raymond Rohauer war ein Filmsammler. Der hat die sich angeguckt und hat gesagt, oh, da muss man doch ein bisschen was machen, die muss man doch restaurieren. Ja, und hat dann mit... Buster Keaton eine Abmachung gemacht und hat gesagt, pass auf, ich restauriere die und dafür kriege ich von dir die Rechte whatever für Aufhörungen und so weiter. Haben irgendeinen Deal gemacht. Und das war vor allem der, der dann angefangen hat, in Deutschland die Filme zu ver... Das war's. Deutschland. In Deutschland die Filme zu zeigen. Und da war Keaton auch teilweise dabei. Das war dann, das war, jetzt sind wir in München. Genau, jetzt sind wir in den 60er Jahren. Ja. Also James Mason war der, der die Filme gerettet hat. Roha war der, der sie im deutschen Publikum nochmal präsentiert hat. Und 1960 hat Keaton den Ehren-Oscar gekriegt. Krass. Und das ist schön, diese späte Genugtuung vielleicht auch wieder. Es ist immer schön, sowas zu sehen.
Johannes Franke: Ja, ja, auf jeden Fall. Er hat auch nochmal auf der Bühne gearbeitet im hohen Alter. Er hat nochmal eine Tour gemacht mit allem möglichen. Und dann gab es im zweiten Akt von diesem einen Stück, was wir auf Tour hatten, So eine Filmsequenz, die irgendwie an die Wand geworfen wurde. Und dann hatten die aber irgendwas gedreht, was überhaupt nicht so richtig reinpasste. Und Buster Keaton ist mit seiner Frau einfach privat losgezogen und hat gesagt, das geht nicht. Die können nicht einfach irgendwas an die Wand werfen. Wir drehen was. Und dann haben die tatsächlich dafür was gedreht. Einfach so ein Boot, wie er auf dem... Ich hab's mir angeschaut, das sieht toll aus. Er in hohem Alter auf einem Boot will den Anker, also einfach einen Stein, einen schweren Stein ins Wasser werfen. Geht dafür ans Ende des Bootes und das Boot geht so weit unter, dass das Wasser da reinkommt. Und er lässt den Stein gerade noch los und versucht das wieder zu retten, indem er wieder nach vorne geht. Aber es ist aber zu spät und er geht halt nach vorne, während das Boot untergeht.
Florian Bayer: Sehr schön.
Johannes Franke: Und es ist eine ganz tolle, süße Sequenz von einem über 60-jährigen Buster Keaton. Es ist super sweet. Großartig. Ich liebe es. Und das haben die einfach so freiwillig gedreht, weil sie gedacht haben, naja, das können wir jetzt so nicht machen. Wir müssen da was an die Wand werfen, was irgendwie zum Theaterstück passt. Supergeil.
Florian Bayer: Wollen wir zu unserem Fazit kommen?
Johannes Franke: Unser Fazit von diesem Film.
Florian Bayer: Du bist der Bastakiten-Experte von uns beiden. Deswegen lass mich vielleicht erstmal eine Laienmeinung loswerden.
Johannes Franke: Ja. Das Urteil.
Florian Bayer: Es könnte sein, dass ich einen neuen Lieblingsfilm aus diesem Genre und dieser Zeit habe. Ja? Es könnte sein. Es könnte sein. Also, erst mal vorweg. Ich sehe das total, was die alle sehen, dass es ein unfassbar guter Film ist. Ein Meisterwerk ist es. Ich sehe total, warum der ständig in den Top-Listen auftaucht.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Ich glaube, also es ist so schwer, so was zu sagen, so mit frischem Blick. Ich glaube, der verdrängt gerade The Kid von Platz 1.
Johannes Franke: Wirklich? Ja. Oh mein Gott.
Florian Bayer: Ich war komplett weggeblasen. Und nochmal, um das nochmal stark zu machen, nicht die Action und nicht die Tricks, sondern die Magie und die Poesie, die da drin steckt. Das Surreale, das Fantastische, dieses Spiel mit Traum und Wirklichkeit, mit Film und Realität. Und wie Buster Keaton es natürlich auch mit diesen wahnsinnigen Tricks und mit diesen tollen Stunts schafft, daraus einen unglaublichen Fluss zu machen. Alter. Das ist einfach ein Meisterwerk. Also das ist wirklich krass.
Johannes Franke: Ich bin gerade so wahnsinnig glücklich. Das kannst du dir nicht vorstellen. Weil ich weiß, dass du, du sagst nicht gerade selten, dass du kein großer Slapstick-Fan bist. Und dann bin ich bei jedem Film, den ich dir zeige, der mit Slapstick zu tun hat, natürlich wahnsinnig nervös. Und ich bin so glücklich, dass das bei dir wirklich so einen Nerv getroffen hat. Ich meine, natürlich, wir lieben Film. Und Bachtakiten offensichtlich.
Florian Bayer: Ganz offensichtlich. Wenn du so einen Film machst, dann liebst du Filme.
Johannes Franke: Genau. Und eine selbstreferenzielle Nummer, die einfach 1924, meine Güte, vor genau 100 Jahren passiert ist, was echt krass ist. Und ich liebe diesen Film auch dafür. Ich war auch hin und weg. Allein die Stelle, wo er das erste Mal in diese Leinwand reingeht und ich denke, was? Was passiert hier? Und dann einfach nur weiter und weiter und weiter. Die Liebe für diese Geschichten, die Liebe für Kino, die Liebe für dieses... Für dieses naive Erzählen und diesen Charakter des Sherlock Holmes, den er da annimmt, der aber auch mit dem echten Sherlock Holmes nicht viel zu tun hat, sondern mit seiner Vorstellung davon, wie er dann der große Meisterdetektiv ist. Ich finde es mit so viel Liebe gemacht. Ich finde es ganz, ganz toll. Ich kann deinem gar nicht mehr so viel hinzufügen. Ich finde es sehr, sehr schön, dass du den Film magst. Ich freue mich so.
Florian Bayer: Ja, vielen Dank, Johannes, dass du mir diesen Film gegeben hast. Also wirklich, nicht nur, weil ich damit so ein bisschen... weiter so Kanon, oh muss ich unbedingt noch nachholen, aufarbeiten konnte. Sondern das war wirklich eine Entdeckung.
Johannes Franke: Schön.
Florian Bayer: Also auch, weil es hat mich halt auch einfach überrascht, weil ich einfach von Buster Keaton was anderes erwartet habe. Ich hab diesen Film angemacht, ich hab mich nicht darauf eingestellt, sowas Schönes zu sehen.
Johannes Franke: Okay, ihr da draußen, schaut euch diesen Film an, wenn ihr es nicht schon habt. Schaut euch andere Filme von Buster Keaton an und schaut euch auf jeden Fall auf YouTube mindestens ein paar Zusammenstellungen an. von Basta-Kiten-Sachen in hohem Alter, mit 50, 60, 70. Der ist 70 geworden, er hatte Lungenkrebs. Das haben sie ihm am Ende gar nicht gesagt. Er hat immer gedacht, er hat einfach eine Bronchitis, aber er hatte Lungenkrebs. Das haben sie irgendwann rausgefunden. Das war aber schon so weit, dass es im Grunde auch egal war. Und dann haben sie einen Tag vorher noch ganz lange Bridge gespielt und am nächsten Tag ist er gestorben. Aber mit 71, also insofern. Toller Typ. Schaut euch einen Haufen Sachen an und freut euch einfach. Ich finde es super. Ganz, ganz toll.
Florian Bayer: Wenn ihr wissen wollt, was ich Johannes nächste Woche aufgebe, bleibt dran. Ansonsten euch vielen Dank fürs Zuhören. Ja,
Johannes Franke: vielen Dank euch, dass ihr jede Episode hört, die wir rausbringen. Und dass ihr uns schreibt, was für Filme wir machen sollen. Beziehungsweise, welche Filme wir besprechen sollen. Ja. Und das könnt ihr auf Spotify tun und so weiter. Aber das wisst ihr alles. Bis zum nächsten Mal, bis zur nächsten Woche. Bleibt gesund.
Florian Bayer: Bis dahin. Ciao.
Johannes Franke: Ciao.
Florian Bayer: Ich hab ja noch was für dich.
Johannes Franke: Du darfst das nicht so flüstern.
Florian Bayer: Du darfst dich jetzt nicht fürchten. Fürchten, fürchten. Wir sind, wir sind, nochmal New Hollywood, tut mir leid. 60er.
Johannes Franke: Was heißt, warum tut dir das leid?
Florian Bayer: Weil es der selber Regisseur von der Reifeprüfung ist.
Johannes Franke: Oh nein.
Florian Bayer: Mit seinem Debütfilm.
Johannes Franke: Du weißt doch, was ich das, oh Gott, nein.
Florian Bayer: Und zwar.
Johannes Franke: Ist das nicht sein, war nicht die Reifeprüfung sein Debütfilm? Das war doch ein Debütfilm.
Florian Bayer: Wer hat Angst vor Virginia Woolf? 1966. Okay. Die Reifeprüfung. Ein 130-minütiges Kammerspiel und wenn es einen Film über dysfunktionale Ehen gibt oder dysfunktionale Beziehungen, dann ist es der hier und er ist großartig. Also ich bin mal gespannt, wie wir ihn finden. Es ist ein verfilmtes Theaterstück, es ist ein Kammerspiel, es ist ein sehr dialoglastiger Film.
Johannes Franke: Ist das nicht der Film, dem man besonders viel Prätentiosität vorwirft? Oder sortiere ich den falsch ein? Nee,
Florian Bayer: prätentiös ist der nicht. Das ist alles sehr geerdet und sehr realistisch und es ist halt 130 Minuten lang. Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott. Ich bin mal gespannt, wie du ihn findest. Es ist auch schon lange her, dass ich ihn gesehen habe. Ich weiß noch, ich liebe das Theaterstück, ich liebe die Textvorlage und ich liebe diesen Film.
Johannes Franke: Und lass mich raten, es wird nicht aufgeklärt, wer vor Virginia Woolf Angst hat.
Florian Bayer: Eine Frage, die wir uns auf jeden Fall auch stellen können, während wir über diesen Film sprechen und noch ganz viele andere Fragen. Bis dahin, ciao.
Johannes Franke: Bis dahin, ciao.