Episode 211: Harold and Maude – I wanna be a Hippie and I wanna be dead
Harold erhängt sich. Harold setzt sich selbst in Brand, Harold hackt sich eine Hand ab, Harold ertränkt sich im Pool. Was nach einer seltsamen Episode Highlander klingt, ist ein depressiver junger Mann der seinen eigenen Tod inszeniert zu Gunsten, oder Ungunsten der Aufmerksamkeit seiner distanzierten Mutter. Er scheint keine Ambitionen und keine Perspektive im Leben zu haben. Als er auf einer Beerdigung die 79 jährige Maude kennenlernt, scheint sich etwas in ihm zu regen. Sie ist so unkonventionell, und das ist noch untertrieben, dass er sie näher kennenlernen will. Aus dem Kennenlernen wird eine Zuneigung und schließlich Liebe, die Maude tatsächlich erwidert. Sie darf krude Weisheiten von sich gebend durch den Film hüpfen, wie ein naives junges Mädchen und Maude zeigen, dass man sich selbst sein darf, egal was die gesellschaftlichen Konventionen von ihm fordern.
Aber hat der eh schon krude Tode vortäuschende Harold diesen Schubser wirklich gebraucht? Und verliert Maude an Tiefe, weil sie die naive 16 jährige spielen muss? Oder steckt mehr drin? Was meinst du Plor?
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 211: Harold and Maude – I wanna be a Hippie and I wanna be dead Publishing Date: 2025-01-15T09:20:53+01:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2025/01/15/episode-211-harold-and-maude-i-wanna-be-a-hippie-and-i-wanna-be-dead/
Johannes Franke: Ich kann es total verstehen. Guckst dir The Graduate an und denkst dir, das geht doch besser, hör mal. Und dann machst du halt diesen Film. Nein.
Florian Bayer: Also, The Graduate hat deutlich mehr Gehalt. Allein schon, weil es in The Graduate einen Konflikt gibt, weil was passiert.
Johannes Franke: Well, if you wanna sing out, sing out. And if you wanna be free, be free. Cause there's a million things to be. You know that there are. And if you wanna live high, live high. And if you wanna live low, live low, cause there's a million ways to go. You know that there are, there are, there are, are you there, plore?
Florian Bayer: Du hast nicht mitgesungen!
Johannes Franke: Nein,
Florian Bayer: das wollte ich dem Publikum nicht antun. Außerdem hat mich Stillenacht Heilige Nacht gesungen vor kurzem.
Johannes Franke: Und es war genug. Das war hart.
Florian Bayer: Aber das hier war total schön und vielen Dank, Johannes, dafür, dass du uns in die richtige Stimmung bringst. Ja! über den heutigen Film zu sprechen.
Johannes Franke: Wir haben heute Harold und Maud uns vorgenommen. Wollen wir einmal mal wieder unser Konzept erklären? Das haben wir schon so lange nicht gemacht. Ja. Wir hier im Muss-man-sehen-Podcast holen uns immer wieder Filme ran, die wir irgendwann mal geil fanden, aber sicher sind, dass er den Horizont des anderen irgendwie erweitern würde und geben ihm den als Hausaufgabe.
Florian Bayer: Filme nach dem Motto, Alter, den musst du gesehen haben. Und das reicht weit zurück, das haben wir nämlich lange bevor wir Podcasts gemacht haben, haben wir das auch schon gemacht, uns gegenseitig Filme gegeben.
Johannes Franke: Wir waren Anfang 20 und ahnungslos.
Florian Bayer: Und heute haben wir tatsächlich einen der OG-Filme.
Johannes Franke: Oh ja.
Florian Bayer: Einen der Filme, die Johannes damals in die WG mit angeschleppt hat und gesagt hat, Leute, den müsst ihr sehen. Sprich, ich kenne diesen Film schon, aber ich kenne diesen Film, weil Johannes ihn mir vor 20 Jahren vor die Füße gelegt hat und gesagt hat, den müssen wir jetzt gucken.
Johannes Franke: Also wir waren ungefähr sechs oder sieben.
Florian Bayer: Ja, Harold und Maud aus dem Jahr 1971, worum geht's denn?
Johannes Franke: Worum geht's in Harold und Maud? Okay, also, Harold erhängt sich. Harold setzt sich selbst in Brand. Harold hackt sich eine Hand ab. Harold ertränkt sich im Pool. Was nach einer seltsamen Episode Highlander klingt, ist ein depressiver junger Mann, der seinen eigenen Tod inszeniert, zugunsten oder ungunsten der Aufmerksamkeit seiner distanzierten Mutter. Er scheint keine Ambitionen und keine Perspektive im Leben zu haben. Als er auf einer Beerdigung die 79-jährige Maud kennenlernt, scheint sich etwas in ihm zu regen. Sie ist so unkonventionell, und das ist noch untertrieben, dass er sie näher kennenlernen will. Aus dem Kennenlernen wird eine Zuneigung und schließlich Liebe. Die Maud tatsächlich erwidert. Sie darf krude Weisheiten von sich gebend durch den Film hüpfen, wie ein naives junges Mädchen, und Harold zeigen, dass man sich selbst sein darf. Egal, was die gesellschaftlichen Konventionen von ihm fordern. Aber hat der eh schon krude, tode, vortäuschende Harold diesen Schubser wirklich gebraucht? Und verliert Maud vielleicht an Tiefe, weil sie die naive 16-Jährige spielen muss? Oder steckt da mehr drin? Was meinst du, Plor?
Florian Bayer: Das sind viele Fragen, sehr viele Fragen. Ja, Tiefe. Es gibt sehr vieles, was ich an diesem Film mag. Ich finde, Tiefe gehört nicht dazu. Ich finde, dieser Film hat... Keine Tiefe.
Johannes Franke: Reden wir von Mord mal mehr als nur von dem Film. Jetzt hast du natürlich eine General-Also Mord hat eine gewisse Tiefe,
Florian Bayer: die wird sehr wenig ausgespielt. Also sie hat Potenzial für eine Tiefe. Wir erfahren nämlich sehr kleine Brocken aus ihrem Leben. Die werden aber so subtil am Rand- eingebaut, dass wenn ich mir den Gesamtcharakter-Mord anschaue, wird sie halt doch sehr getragen von diesen Phrasen, die sie von sich gibt und die letzten Endes halt einfach nur Live Your Best Life in zwei Millionen verschiedenen Varianten sind.
Johannes Franke: Also das Carpe Diem.
Florian Bayer: Genau. Und ab einem gewissen Punkt denkst du, okay, das Phrasenschwein ist voll, aber es wird immer noch Geld nachgeworfen.
Johannes Franke: Okay. Spannende Perspektive darauf. Tja. Also ich glaube, dass ohne diesen klitzekleinen Schnitt auf ihre Tätowierung, die wir sehen.
Florian Bayer: Wir erfahren, dass Mord offensichtlich im Konzentrationslager war.
Johannes Franke: Ohne diesen Schnitt würde einiges an Background fehlen. Dass sie irgendwie füttert, aber so subtil füttert mit ihrer Geschichte, was war vor dem Konzentrationslager. Und sie deutet das ja nur an, indem sie dann sagt in ihrem Monolog über ihr Leben, das war alles vor. Punkt. Punkt, Punkt. Und sie erzählt nicht weiter. Sie erzählt nicht weiter, was da war. Aber wir können es uns dann denken. Aber wenn wir dieses eine Tattoo verpassen, dann fehlt uns der ganze Kontext dahinter. Ich glaube,
Florian Bayer: der Schnitt ist unglaublich wichtig. Ich finde, der gibt auch der Figur und vor allem dieser Lebensgier, die letzten Endes so das zentrale Element dieser Figur ist. Und ich würde auch sagen, wirklich so diese Reduktion auf das Wesentliche, das ist die Figur. Mord ist einfach diese Lebensgier, auch im Kontrast zur Todesgier von Harold. Die kriegt dadurch so eine melancholische Note. Mir reicht es aber nicht, um die Figur tiefer zu machen. Um zu sagen, okay, ich habe hier jetzt eine sehr komplexe und sehr interessante, ambivalente Figur vor mir. Weil letzten Endes wird sie dann doch halt zu sehr runtergebrochen auf dieses, hol dir das Beste vom Leben. Genieße das Leben so, genieße es so, genieße es so.
Johannes Franke: Bedeutet das, dass sie das Manic-Pixie-Dream-Girl ist? Oder die Manic-Pixie-Dream-Seniorin? Auf...
Florian Bayer: ganz vielen Ebenen, ja. Natürlich erfüllt sie in diesem Film irgendwie auch die Funktion, die Rolle Harold aus seiner, aus seinem Trott rauszureißen. Und ihr gelingt es auch. Und sie wird auch dargestellt durch den Gaze, durch den Mail-Gaze von Harold. Das, was Harold an ihr wahrnimmt. Es ist vielleicht wirklich plump, aber allein durch den Altersunterschied und allein dadurch, dass sie diese Altersweisheit mitbringt, ist sie mehr als ein Pixie-Dreamgirl. Sie ist einfach, sie ist eine Persönlichkeit. Sie hat ein Leben gelebt und das, was sie sagt, hat Hand und Fuß und man kauft ihr einfach ab. Dass sie genug erlebt hat und zu wissen, wovon sie spricht, im Gegensatz zu einer 25-jährigen Kirsten Dunst oder einer 20-jährigen Natalie Portman, bei denen man halt denkt, okay, ja, du versuchst hier gerade eine Lebensweisheit hinzulegen, die man dir nicht 100% abkauft und die offensichtlich aus dem Wunsch des Protagonisten entstanden ist. Das ist hier ein bisschen anders und das liegt vor allem am Alter.
Johannes Franke: Ich glaube auch, den Gedanken hatte ich natürlich zwischendurch. Während des Films noch schallte es neben mir heraus, also ich habe mit meiner Freundin geschaut, ist sie ein Manic Pixie Dream Girl? Was ist denn hier los? Und dann habe ich das die ganze Zeit überlegt und in der Recherche fällt einem das auch immer mal wieder auf, weil wir nicht die Ersten sind, denen das auffällt. Und ich aber das Gefühl habe, wenn du mit fast 80 Jahren noch ein Manic Pixie Dream Girl bist, dann bist du kein Manic Pixie Dream Girl. dann sind das alles Lebensentscheidungen. Du bist die Summe all deiner Erfahrungen und deiner Lebensentscheidungen. Und wenn du das mit 80 bist, dann entscheidest du dich dafür, all das zu sein, was Mord in dem Moment ist. Und deswegen, finde ich, geht es über das hinaus, was man vielleicht dem Filmemacher unterstellen könnte, zu sagen, ich will jetzt aber, dass Mord, dass Harold all das als Figur an die Seite gestellt bekommt, damit er aus seiner Depression rauskommt.
Florian Bayer: Und doch hat sie halt diesen ganz wichtigen Manic Pixel Dreamgirl zug. dass sie vor allem ein Werkzeug ist für den Film, um Harold zu zeigen, dass das lebenswert ist.
Johannes Franke: Aber dafür geht es dann doch zu sehr, zu viel um Maud. Ich habe das Gefühl, dass Maud nicht der zweite Nebencharakter oder so ist. Es ist auch nicht, man könnte Harold und Maud oder Maud und Harold, ich finde, dass beide massiv im Zentrum des Films stehen, für sich gesehen auch. Auch wenn wir tatsächlich Maud vor allem durch seine Augen sehen. Aber ich habe immer... wahnsinnig viel Interesse an dieser Figur.
Florian Bayer: Das ist halt komplett seine Perspektive, ne?
Johannes Franke: Ja, natürlich.
Florian Bayer: Dieser Film kennt zwei Perspektiven. Das ist zum einen die Publikumsperspektive und zwar vor allem eigentlich nur in der ersten Selbstmordszene, wenn wir auch aufs glatte Eis geführt werden.
Johannes Franke: Super, großartiger Anfang, oder?
Florian Bayer: Und dann die Heraldsperspektive, die den Rest des Films besteht und dieses Wir werden aufs glatte Eis geführt, das passiert dann am Ende nochmal, aber dazwischen nicht. Wir haben dazwischen ja sehr viele sehr theatralische... Todesarten.
Johannes Franke: Ja, ja,
Florian Bayer: ja. Aber da sind wir in Harold's Perspektive und wissen, dass er Quatsch macht. Wir sehen ihn im Pool liegen, Kopf unter Wasser. Wir wissen genau, er stirbt nicht. Er ist nicht tot, er hat sich nicht umgebracht. Er spielt.
Johannes Franke: Ja, ja,
Florian Bayer: ja. Harold, ja genau. Wir werden eingeführt mit Harold, der sich umbringt, der hängt und es gibt sehr wenige Figuren in diesem Film. Wir bekommen dann aber auch gleich Kontakt mit seiner Mutter, die nämlich reinkommt, ihn da hängen sieht und eine wundervolle Nullreaktion zeigt. Ganz großartig.
Johannes Franke: Ich habe überlegt, wenn du den Film nicht kennst und nicht weißt, dass es eine Komödie ist, wie steigst du in diesen Film ein? Du siehst nur die Füße von diesem Typen, wie er verschiedene Dinge erledigt und dann auf dieses Teil steigt, um dann offensichtlich da zu hängen. Ja. Hängt sich. Und man weiß nicht, oh mein Gott, okay, ist der ganze Film in einem Rückblick von seinem Tod aus oder was passiert hier? Krass, okay, und jetzt geht es richtig dramatisch weiter. Und dann kommt die Mutter rein und ignoriert ihn. Und man könnte immer noch denken, dass es keine Komödie ist, sondern dass es wahnsinnig tragisch, dass sie irgendwie dafür schuld ist oder was, keine Ahnung, was sie irgendwie auch ist. Aber man braucht vielleicht ein bisschen, um da reinzukommen und zu verstehen, welche Art von Humor dieser Film hat.
Florian Bayer: Es ist halt schön, weil es wirklich in diesem feierlichen Ernst am Anfang ist. Wir sehen nicht Harold's Gesicht, sondern nur seinen Unterkörper. Und dann werden diese ganzen, dieses ganze religiöse Primporium wird abgezogen. Er zündet eine Kerze an, er macht Musik an. Er macht das in einer sehr feierlichen Ruhe, das alles vorzubereiten. Und so wie viele Selbstmorde inszeniert werden im Kino, wie viele Selbstmorde leider auch inszeniert werden im Kino, weil dahinter steckt natürlich, also jetzt nicht auf diesen Film bezogen, weil das Thema ist einfach ein anderes, aber dahinter steckt natürlich oft so eine Romantisierung von Suizid, die problematisch ist.
Johannes Franke: Ja, ich finde, dass der kleine Giveaway dann Cat Stevens ist, der darunter liegt. Die Musik von Cat Stevens würde ich jetzt nicht für so eine Szene auswählen, wenn sie nicht irgendwann in eine komödiantische Richtung geht.
Florian Bayer: Nicht sonderlich sakral, aber hippiesk sakral?
Johannes Franke: Weiß ich nicht, ja vielleicht.
Florian Bayer: Also Cat Stevens Musik liegt ja wie so ein Teppich über diesem Film. Wir haben sehr viele Songs von Cat Stevens, die immer wieder gespielt werden. Und Cat Stevens mit diesem sehr seichten, sehr leichten, melancholischen Folk ist natürlich die perfekte Hippie-Musik. Und dann auch in Kombination mit diesen Lebensweisheiten, die hier gesagt werden, mit diesen Gedanken über das freie Leben, über freie Liebe, über Abspur von Besitz, über Frieden und so weiter. Dadurch wird das sehr hippiesk und es hat auch was von einem hippiesken Gottesdienst, was wir hier vorgelegt kriegen.
Johannes Franke: Ja, ja, absolut. Lernen wir dann auch noch die dritte Figur kennen, die sehr wichtig ist in diesem Film, die Mutter, die am besten charakterisierbar ist durch die Szene, die zwischendurch im Film irgendwann kommt, wo er sich auf einen Stuhl gesetzt sieht und sie daneben und einen Fragebogen für einen Computer kennenlernen Dating Plattform ihm stellt. Also ich habe hier einen Haufen Fragen und die stelle ich dir jetzt und du sollst antworten. Er beantwortet nicht eine einzige Frage. Was sie nicht davon abhält, das einfach auszufüllen und ihm auch keine Gelegenheit mehr zu geben, zu antworten nach der ersten Frage.
Florian Bayer: Ich finde die Mutter total geil. Vivian Pickles spielt die Mutter. Eine Britin. Sie ist sehr britisch von der ganzen Art. Ich finde sie total cool und ich finde sie ist tatsächlich die ambivalenteste Figur in dem ganzen Film. Ja, absolut. Also gerade wenn sie diesen Fragebogen beantwortet und wenn wir feststellen, okay, aus was für einem Haushalt kommt Harriet jetzt? Durch die Beantwortung dieser Fragen verstehen wir das. Und dann sind natürlich diese naheliegenden Sachen dabei. Sie ist reich offensichtlich, sie ist militär, sie ist konservativ. Und dann wird es aber immer wieder aufgebrochen, weil sie hat ja offensichtlich auch progressive Anliegen.
Johannes Franke: Ja, ein paar kleine Sachen sind dabei.
Florian Bayer: Sollte eine Frau Präsident werden? Ja, ich sehe keinen Grund, warum nicht. Und wie sie mit seinen wirklich theatralischen Selbstmordsachen umgeht, sie hat ja offensichtlich eine Ruhe entwickelt. diesen einen Moment am Anfang, wo sie ihm Blut überströmt im Bad zieht und sagt, okay, das ist zu viel, jetzt zum Psychiater. Aber ansonsten hat sie ja auch so eine absolut stoiche Gelassenheit. Und jetzt kann man das zweierlei interpretieren. Jetzt kann man sagen, natürlich, dass die Mutter der Sohn scheißegal ist. Ich würde behaupten, man kann es auch so interpretieren, dass es die Mutter ist, die gelernt hat, mit den wirklich schrägen Eigenheiten ihres Sohnes umzugehen.
Johannes Franke: Und sie hatte ja offensichtlich einen Mann, der auch schon solche Verschrobenheiten hatte. Insofern glaube ich, ist sie einfach auch da reingewachsen, was uns nicht hilft zu verstehen, inwiefern die Mutter oder die Herkunft tatsächlich dazu geführt hat, wie Harold jetzt ist. Der Film baut das so auf, dass die Familie das Haus, in dem er aufgewachsen ist, ihn zu dem gemacht hat, was er ist. Aber ich sehe das auch, dass sie irgendwie durchaus eine gesunde Beziehung entwickelt hat zu dem, was... Harold da macht.
Florian Bayer: Sie hat einen totalen Humor da drin. Ja, total. Und dieser Stoizismus von ihr hat ja auch eine gewisse Inszenierung. Voll. Und es ist toll, wie sie das inszeniert und wie sie auf sein Drama eingeht. Und wenn wir dann zum Beispiel sehen, was für Heiratskandidatinnen sie letzten Endes auswählt, da ist sie plötzlich gar nicht mehr so elitär. Sie hat eine Schauspielerin dabei, sie hat eine einfache Angestellte dabei. Anscheinend scheint sie ja doch nicht nur zu gucken, dass er ein höheres Haus... einheiratet.
Johannes Franke: Wobei die erste ist schon eine, die aus reicherem Haus kommt.
Florian Bayer: Die erste ist voll das Klischee. Die erste ist das, was wir erwarten, wenn wir die Mutter als sehr eindimensional lesen. Aber ich glaube, der Film will das nicht. Ich glaube, der Film will auch, dass wir sie mehrdimensional lesen und dann kommt halt noch die einfache Angestellte und dann kommt halt auch noch die Schauspielerin. Und es ist jetzt nicht unbedingt, es ist jetzt nicht die Wahl, die eine elitäre Mutter, die so die Hände über ihrem Sohn hat, treffen würde. Sie gibt ihm Sunshine, also hey,
Johannes Franke: ja. Wobei man schon sagen muss, dass ihre Dialogfetzen, die wir von ihr bekommen, sehr distanziert geschrieben sind. So wie sie einfach redet, das ist eine sehr distanzierte Sprache.
Florian Bayer: Ja, absolut. Und es ist auch eine sehr kontrollsüchtige und herrschliche Sprache. Also wie sie diesen Fragebogen ausfüllt. Auch ganz toll, wenn wir dann sehen, wie Harold zuerst auf sie zieht. Um dann schließlich doch sich zu erschießen, in Anführungszeichen. Da merken wir, sie will alles unter Kontrolle halten.
Johannes Franke: Und man sieht...
Florian Bayer: denkt gar nicht darüber nach, ihn zu fragen, was er will, was er erwartet. Auch diese Dialoge zwischen ihr und Harold, die ja eigentlich nur monologisch sind, es dauert sehr lange, bis Harold seinen ersten Satz,
Johannes Franke: nicht zu ihr,
Florian Bayer: obwohl sie sehr viel mit ihm redet davor, da ist sie einfach die, die redet und sie erwartet gar keine Antwort. Das ist total krass. Harold ist die ersten fünf bis zehn Minuten, der ist stumm in dem Film.
Johannes Franke: Ich glaube so sechs Minuten oder sechs oder sieben Minuten.
Florian Bayer: Und sein erster Satz ist I got two funerals. Wenn der Psychiater fragt, was er denn gerne macht, was ihn begeistert, dann sagt er, I got two funerals. Das ist sein erster Satz. Ah,
Johannes Franke: das ist toll.
Florian Bayer: Und davor haben wir die Mutter, die sich mehrmals mit ihm unterhält, Fragen stellt, Antworten gibt. Aber er antwortet nicht und es scheint vollkommen unwichtig zu sein.
Johannes Franke: Es ist auch großartig gespielt von Bud Cort, der so Deadpan alles erträgt. Also erträgt nicht wirklich, weil er ja auch Scheiße baut. Aber wie er sie anguckt und wie er viele Szenen beobachtet, auf eine Art und Weise total regungslos und eigentlich horrified. Er startet. ganz, ganz oft horrified in der Gegend rum. Was ich total krass finde.
Florian Bayer: Er ist erschrocken von der Welt, in der er sich bewegt. Ja,
Johannes Franke: ja, ja.
Florian Bayer: Und ich habe wirklich Probleme, diese Figur Harold zu greifen. Ich finde, Bud Cort spielt das ganz großartig. Ja, ja. Aber man weiß nie so genau, wie viel Depression. Du hast es jetzt sehr betont in deinem Einstiegstext. Wie viel Depression steckt dahinter? Ich nehme ihn nicht als depressiv wahr. Ich habe nichts Gefühl, dass er eine Depression hat.
Johannes Franke: Ich habe auch viel darüber nachgedacht. Aber ich glaube, dass da schon, also wenn ich mir sein Gesicht anschaue, da ist schon auch... Depressionen da drin. Aber es ist vor allem eine große Portion Nihilismus der Welt gegenüber.
Florian Bayer: Verzweiflung über dieses Leben? Aber das ist,
Johannes Franke: ich glaube, er soll auch so ein bisschen einfach die Jugend der Zeit in sich vereinen und das ist vielleicht ein bisschen viel für eine Figur.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Oh, wir werden gleich noch, ich muss gleich irgendwann einen Vergleich zum anderen Film anbringen. Okay. The Graduate? Ja, natürlich. Die Verzweiflung, die da drin steckt, ich finde, das wirkt nicht depressiv. Ich finde, das wirkt eher Alter, Harold ist eine Drama-Queen. Ja, natürlich. Harold inszeniert die Art, wie er sich vorbereitet und wie er das ganze Zeug... Ich glaube auch nicht, dass Harold so eine krasse Todessehnsucht hat, sondern Harold steht da drauf, dieses Drama abzuziehen. Und Harold ist schon ein kleiner Dreckssack, ne?
Johannes Franke: Der ist ein kleiner Dreckssack und ich glaube, das vereint ihn mit Mord viel mehr als alles andere, was alle anderen immer sagen. Die Lust auf Aufmerksamkeit. Ja,
Florian Bayer: voll.
Johannes Franke: Das ist es. Er will Aufmerksamkeit von seiner Mutter oder eben gerne die Damen, die da kommen und so. Schockt gerne. Er will diese Aufmerksamkeit. Und ich glaube, dass Mord auf eine andere Art und Weise genau auf der gleichen Seite hängt. Und ich glaube, dass die das auch verbindet. Auch wenn sie eher am Leben und er das am Tod ausmacht. Aber das ist ja eine klare Verbindung zwischen den beiden. Die brauchen jemanden, der ihnen zuhört und der mit ihnen zusammen Zeug...
Florian Bayer: Das ist auch eine ganz gehörige Portion Narzissmus damit. Ja,
Johannes Franke: ja,
Florian Bayer: voll. Scheiß drauf, was mit dem Typen ist, dem ich jetzt das Auto geklaut habe.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Scheiß drauf, dass meine Mutter hier Todesängste ausstiehlt. Alter, also ich habe ein Kind. Ich würde auch so reagieren. Ich würde auch verzweifeln. Ich würde ihn auch zum Psychiater schicken. Und wahrscheinlich würde ich dem auch Frauen oder Männer raussuchen, dass er irgendjemanden hat, damit ich ihn losbringe.
Johannes Franke: Ja, ja. Aber das Schöne ist ja, dass der Film damit eine größere Botschaft vermitteln will. Weil jeder zu den... Harold geschickt wird, hat keine vernünftige Antwort auf sein Leben. Er geht zum Psychologen, der ist, großartige Szene am Anfang, die sind genau gleich angezogen, genau das gleiche. Und das erste, was wir sehen, ist diese beiden Stühle von hinten. Es ist total entmenschlicht, einfach dieses furchtbar karge Zimmer, wo dann im Umschnitt dieser Psychologe da sitzt und Fragen stellt. Und das alles, also nichts mit seinem Leben wirklich, also... Er kriegt keine Antworten auf seine Fragen, die er zwar nicht stellt, aber das Leben funktioniert so nicht. Das ist mit dem Militärtypen ganz genauso und mit diesem Priester ist das ganz genau das gleiche.
Florian Bayer: Der Priester ist fantastisch. Der kommt auch so unerwartet und wie dieser Priester sich dann reinsteigert in seine... In seine Rede, in sein Pamphlet.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Das ist total krass, wo du denkst, okay, es hat nichts Christliches mehr, was da rauskommt, sondern es ist einfach nur noch, es ist eigentlich nur noch so der konservative Hass. Ja,
Johannes Franke: beziehungsweise vielleicht auch auf der anderen Seite der Medaille so ein kleines bisschen seine Perversion, die man da drin sieht.
Florian Bayer: Auf jeden Fall das auch und vor allem auch der Hass darauf, dass jemand anderes, was momentlich pervers ist, auslebt, was er nicht auslebt.
Johannes Franke: Was er nicht auslebt, genau.
Florian Bayer: Okay, kommen wir kurz zum Elephant in the Room. Okay. 1900... 68. Ja. 67 wurde ein Film gedreht, den ich unglaublich liebe, den ich dir vorgesetzt habe.
Johannes Franke: Ja, den ich schlimm verrissen habe.
Florian Bayer: Und den du verrissen hast und ich kann diesen Film so wunderbar gegen diesen Film jetzt halten, um dir ganz viel heimzuzahlen. Weil man kann The Graduate, die Reifeprüfung, auf so vielen Ebenen mit Harold & Maud vergleichen.
Johannes Franke: Möchtest du auch Tee pluern?
Florian Bayer: Oh ja, bitte. Dass ich fast dazu geneigt wäre zu sagen, unser Drehbuchautor Colin Higgins, der das Ding geschrieben hat, war heilig. influenced, sprich er hat ganz viele Ideen geklaut für diesen Film aus die Reifeprüfung. Und das betrifft sowohl stilistische Mittel,
Johannes Franke: als auch musikalische Mittel,
Florian Bayer: als auch Inhalt. Und das Grundkonzept, wir haben eine Liebesgeschichte zwischen einem jungen Mann und einer älteren Frau. In dieser Liebesgeschichte den Geist der Hippie-Ära gespiegelt. Das Ganze unterlegt mit Folk-Pop, nicht mit klassischem Filmscore. Das würde jetzt schon fast reichen, aber es ist halt auch so, Es ist auch das ganze Setting. Wir haben die Oberschicht, die als Kontrast geworfen wird zu dem Freiheitstrang der Jugend. Wir haben dieses Adoleszenz-Thema. Wir haben, wie die Gesellschaft auf diese Adoleszenz reagiert. Wir haben dieses, die sagen dir alle, dass du jetzt mal was machen musst, dass du was in deinem Leben anstellen musst, während du eigentlich nur leben willst, aber gar nicht genau weißt, wie du leben sollst. Und ich muss sagen, The Graduate wicht mit Harold und Mort den Boden auf. Und zwingt sowas von.
Johannes Franke: Ich bin ganz genau auf der anderen Seite.
Florian Bayer: Natürlich auf der anderen Seite.
Johannes Franke: Volle Kanne. Ich wollte genau das sagen, bloß andersrum. Das ist wirklich der viel bessere The Graduate ist. Also The Graduate ist, finde ich, furchtbar. Aus vielen, vielen Gründen, die ich alle mal dargelegt habe, als wir darüber geredet haben, hörte ich das gerne an. Es ist ein großartiges Streitgespräch geworden.
Florian Bayer: Das ist einer unserer kontroversesten Episoden. Einer unserer kontroversesten Episoden. Konfliktreichsten Gespräche.
Johannes Franke: Wo wir zwischendurch rausgegangen sind, um uns zu prügeln. Ja. Und dieser hier macht so viel richtig. Ich meine, ich kann es total verstehen. Guckst dir The Graduate an und denkst dir, das geht doch besser, hör mal. Und dann machst du halt diesen Film. Nein.
Florian Bayer: Also, The Graduate hat deutlich mehr Gehalt. Allein schon, weil es in The Graduate einen Konflikt gibt, weil was passiert. In Harold & Maud passiert nichts, außer wir genießen jetzt das Leben zusammen.
Johannes Franke: Aber ist das nicht gut? Ist doch viel besser, also als Symbol für die Jugend in der Zeit ist das doch viel besser geeignet.
Florian Bayer: Aber es ist so eindimensional. Diese Zwischentöne sind doch unglaublich wichtig. Eben halt auch zu zeigen, wie zerrissen die Protagonisten sind. Dieser Film romantisiert die ganze Zeit das Verhalten von Harold und von Maud. Das macht The Graduate nicht. The Graduate geht viel kritischer um. Allein damit... dass diese kurzzeitige Beziehung, diese Affäre mit Miss Robinson, komplett umgeworfen wird, wenn sich der Protagonist in ihre Tochter verliebt.
Johannes Franke: Aber er geht vollkommen unkritisch damit um, dass unser Hauptcharakter als furchtbar schlimmer Stalker dieser Frau hinterher rennt und sie wirklich hart belästigt.
Florian Bayer: Nein, tut er eben nicht. Doch, das tut er. Und das haben wir da auch im Gespräch. The Graduate kennt diese Zwischentöne. Und The Graduate schaut auf die Figuren und sagt auch, oh, das ist schwierig, das ist problematisch. Und er sagt, Ich gebe Ihnen Konflikt, es passiert etwas. Das ist ja schon der große Unterschied. In der Reifeprüfung passiert etwas. Da gibt es eine Geschichte, eine Handlung, die irgendwo hinläuft.
Johannes Franke: Aber du brauchst für Coming of Age nicht unbedingt das große Kino, das große Drama, sondern das passiert ja in dir. Du hast ja eine Entwicklung in dir. Da brauchst du doch nichts zu veräußern, indem du da ein riesiges Teil aufmachst.
Florian Bayer: Aber hier findet keine Entwicklung statt. Natürlich. Die Entwicklung, die stattfindet, haben wir in den ersten 15 Minuten. Dieser Film könnte 20 Minuten dauern und es wäre gut. Der Rest ist purer Eskapismus. Harold und Maud haben Spaß zusammen, sind zusammen unterwegs und ab und zu hat Harold noch eine Heiratskandidatin dabei. Aber ansonsten ist das ja von... Nach dem ersten Treffen ist das nur noch Eskapismus.
Johannes Franke: Naja, du brauchst halt auch die Situationen, an denen du dann die Sachen festigen kannst, die du in den ersten 5 Minuten gelernt hast. Ich gebe zu, es ist vielleicht ein und dieselbe Szene immer wieder.
Florian Bayer: Sie meandern die ganze Zeit um dieses selbe Motiv. Genieße dein Leben.
Johannes Franke: Aber es ist so schön.
Florian Bayer: Natürlich ist es schön. Aber es ist so viel flacher als die Reifeprüfung. Es hat so viel weniger Potenzial für Gedanken, um tiefer einzutauchen in die Charaktere, um sich mehr mit ihnen zu beschäftigen. Und es ist halt krass, weil dieser Film ist sieben Jahre nach der Reifeprüfung gedreht worden.
Johannes Franke: Es ist halt auch eine Komödie.
Florian Bayer: Ja, ist die Reifeprüfung auch.
Johannes Franke: Oh, ich glaube, da müssen wir nochmal rausgehen und uns prügeln.
Florian Bayer: Es ist definitiv mehr Komödie und es ist vor allem auch viel mehr Feel-Good-Film als die Reifeprüfung. In sich ist dieser Film vor allem ein Feel-Good-Werk und ich habe ja gar nichts gegen Eskapismus. Eskapismus ist ja auch was Schönes und wir haben hier ganz viele wunderschöne Momente zwischen Harold und Maud.
Johannes Franke: Ja, es ist wirklich wunderschön. Die fangen gleich von Anfang an an, wie sie dann versucht, seine Aufmerksamkeit... über das Grab hinaus versucht, seine Aufmerksamkeit zu kriegen. Und wie sie dann das erste Mal ein bisschen länger reden, weil sie sein Auto geklaut hat und ihnen dann anbietet, ihn nach Hause zu fahren. Ich finde das super, super schön.
Florian Bayer: Das ist total süß. Auch weil sie, sie ist ja absolut, genau wie bei der Reifeprüfung, die pusht in der Beziehung. Sie trifft ihn und sagt, ey, wir werden Freunde. Ja, kein Problem.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Und er ist fasziniert von ihr, aber auch so ein bisschen vorsichtig, weil er ist einfach ein zurückhaltender Mensch. Aber dann ist es schon süß, wie sie wirklich wie so eine Flamme in sein Leben reinbricht. Und auch wenn er das erste Mal bei ihr zu Besuch ist, dann haben wir dieses Haus, das sie hat, das so ein kompletter Gegenentwurf ist zu dem reichen, kalten Museum, in dem er mit seiner Mutter lebt.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: eine Lebensgeschichte in Grundstücke gegossen.
Johannes Franke: Ein alter Wagen vor irgendeinem alten Zug. Wagen oder sowas ist das.
Florian Bayer: Und voll mit Kram.
Johannes Franke: Es ist so krass voll mit Kram. Aber die Bilderrahmen sind wohl leer. Ja. In der Novelisierung, also der Roman, den er geschrieben hat, der macht das ein kleines bisschen mehr auf, das Thema. Sie sagt, glaube ich, im Film, sagt sie das schon im Film? Ach verdammt, ich weiß es nicht mehr. Dass sie... dass sie die Fotos nicht sehen will und deswegen sind die Rahmen leer, weil die Fotos schärfer sind als ihre Erinnerung. Was ein kleines bisschen darauf hindenken könnte, dass sie so eine Form von Alzheimer hat. Was das Ganze nochmal in eine andere Richtung bringen könnte. Ich weiß nicht,
Florian Bayer: so wie wirkt sie jetzt nicht unbedingt.
Johannes Franke: Ne, sie nil nicht, aber das ist ein Unterschied.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Ob du jetzt Alzheimer hast, kommt drauf an, was für eine Ausprägung, was für eine Form von Alzheimer. Du hast, aber das spielt keine große Rolle. Es ist bloß etwas, was so ein bisschen angedeutet wird hier und da, wo man sagen könnte, okay, das ist vielleicht etwas. Aber ich finde es auch richtig, dass der Film sich da nicht drauf setzt oder so.
Florian Bayer: Colin Higgins hat das Drehbuch geschrieben als Masterarbeit in der UCLA und eigentlich hat er es aber als Theaterstück gedacht. Und wenn man den Film sieht, spürt man das auch noch. Es hat sehr viel so
Johannes Franke: Stageplay. Er hat auch dann ein Stageplay draus gemacht. Er hat ja auch sowohl den Roman als auch die... den Stageplay, das Theaterstück dann noch geschrieben.
Florian Bayer: Und er hat den Roman draus gemacht und der unterscheidet sich wohl auch, wie du schon gesagt hast, in vielen Punkten von Filmen, also zumindest was so...
Johannes Franke: Also nicht fundamental.
Florian Bayer: Aber was die Briefe betrifft wahrscheinlich. Ich hab's nicht gelesen, ich kann mir vorstellen, dass der Roman auch nochmal ein bisschen tiefer ist. Higgins wollte das Ding ja selbst drehen, aber Paramount, denen er das verkauft hat, haben gesagt,
Johannes Franke: äh, nee. Er hat's ja eigentlich mit dieser Maßgabe verkauft. Das ist mir ein bisschen leidtot, ne? Er hat das Ding verkauft mit... Ihm als Regisseur. Das war mit drin im Verkaufspreis quasi. Und dann haben sie irgendwie gesagt, naja gut, machen wir hier ein paar Testaufnahmen. Dann hat er Testaufnahmen gemacht und dann hat die Firma gesagt, ah, wenn ich mir das so anschaue, vielleicht suchen wir uns doch einen anderen Regisseur.
Florian Bayer: Wahrscheinlich hatten sie recht. Er war der Poolboy, ne? Er hat das Ding an die Frau von Edward Lewis verkauft, der eine große Nummer war, ein Produzent bei Paramount.
Johannes Franke: Genau. Er hat es seiner Frau gezeigt.
Florian Bayer: Er hat es seiner Frau gezeigt und die hat zu Lewis dann gesagt, Miltred heißt sie. Sie hat zu ihrem Mann gesagt, guck dir das doch mal an und bring das mal nach Paramount rein. Und so ist er überhaupt da dran gekommen und er war wahrscheinlich wirklich noch nicht bereit.
Johannes Franke: Ja, denke ich auch.
Florian Bayer: Und Ashby ist dann der Regisseur geworden, der wollte, aber dem war es ganz wichtig, dass Higgins das okay findet.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Und dass er auch dabei ist, was Higgins wiederum die Möglichkeit gegeben hat zu lernen, wie man Regie führt.
Johannes Franke: Genau. Wollen wir das mal ganz kurz von der anderen Seite betrachten. Du bist Higgins. Gerade aus der Schule quasi gekommen, hast dieses Ding geschrieben, als Abschlussarbeit, eine 20-minütige Abschlussarbeit in der Filmhochschule und dann bist du als Poolboy angestellt und nur durch diese Stellung als Poolboy kommst du a, an eine Produktionsfirma, die dein Drehbuch nimmt und b, an einen krassen Regisseur, der sagt, komm, ich nehme dich unter meine Fittiche und mach das Ding jetzt und du lernst bei mir, wie man Regie führt.
Florian Bayer: Und ich muss die ganze Zeit trotzdem dran denken, wie Mildred Lewis, die wahrscheinlich auch so eine mittelalte Frau eher ist, zu ihrem Mann Edward geht und sagt, unser Poolboy hat dieses Skript geschrieben. Guck dir das mal an. Und in diesem Skript hat ein junger 23-Jähriger, nicht Poolboy, aber ein junger 23-Jähriger, eine Affäre mit einer älteren Frau. Bei mir als Edward würden alle Alarmglocken leuchten. Allein schon, dass ich einen Poolboy habe. Mildred, ich wusste gar nicht, dass wir einen Poolboy haben.
Johannes Franke: Geil.
Florian Bayer: Also sorry, ich habe Klischees im Kopf von Kalifornien, aber ein junger Poolboy, der bei einer 40-jährigen, 45-jährigen Frau angestellt ist, wir wissen doch alle, was da läuft, oder?
Johannes Franke: Der macht nicht den Pool sauber, also nicht vorrangig. Nicht nur. Okay. Ja, aber das ist natürlich toll für ihn und es ist großartig. Ashby hatte Elton John. Blick.
Florian Bayer: Der wollte Elton John als Harold besetzen und ihn auch gleichzeitig singen lassen, was sich natürlich total anbietet. Spielst die Hauptrolle und machst den Score.
Johannes Franke: Und dann macht man die ganze Musik, die da drin ist. Ich bin froh, dass es Cat Stevens geworden ist, muss ich sagen, in der Musik und dass der Regisseur auch sich hat umstimmen lassen von Elton John. Der vorgeschlagen hat, nimm lieber Cat Stevens als Musiker.
Florian Bayer: Ich glaube, also der Elton John der 70er ist natürlich auch ein anderer Elton John als der der 80er. Und der war ja damals noch deutlich funkiger und rockiger und so unterwegs. Ich könnte es mir vorstellen, aber es würde den Ton vom Film komplett ändern. Ja,
Johannes Franke: total.
Florian Bayer: Und ich glaube sogar mit dem anderen Ton würde der Film wahrscheinlich auch funktionieren. Das wäre dann mehr Reifeprüfung nochmal, was so die Atmosphäre und die Farbgebung betrifft wahrscheinlich. Weil das ist ja was, wo der Film sich... Also die Musik ist ähnlich melancholisch. Simon Graf Ankel und Cat Stevens sind unterschiedliche Genres, aber sind sehr ähnlich vom Gefühl her. Aber die Reifeprüfung ist ja deutlich poppiger und... bunter, was so das Look and Feel betrifft, während der hier, ich würde sagen, auch sehr britisch ist vom Gefühl, obwohl es ein amerikanischer Film ist. Stimmt, ja. Diese Grautöne, es wirkt irgendwie immer verregnet und immer neblig. Und dann haben wir extrem entsättigte Farben. Also der Film ist eher, was die Farben betrifft und was die Perspektive Kamera betrifft, ist der Film auch eher in der Welt von Harold, in dieser melancholischen Tumor- Todessehnsüchtigen Welt als in der von Maud.
Johannes Franke: Ja, das stimmt.
Florian Bayer: Und mit einem Elton John wäre das wahrscheinlich anders gewesen. Dann wären diese bunten Momente größer geworden. Zum Beispiel diese, ja, es ist schon fast ein Travestie mit dem Onkel Victor, bei dem er ist.
Johannes Franke: Das müssen wir, glaube ich, mal auseinandernehmen. Ich finde es großartig, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass dieser Film so eine absurde Wendungen nimmt. Was der mit seinem Arm da, den er da mit einem Mechanismus hochheben kann, zu seiner Stirn, so dieses Salutieren. So absurd. Du sitzt erstmal da, what the fuck?
Florian Bayer: Das ist komplett bizarr.
Johannes Franke: Und was dann aber auch Harold noch einen draufsetzt, was er mit ihm macht, um eben abgelehnt zu werden fürs Militär, weil er dann völlig drüber spielt. Und ich sage dir, alle nachfolgenden Generationen, zumindest in Deutschland, wo ich das System kenne, Männer, die eingezogen werden sollten, zumindest mal um Wehrdienst zu leisten, haben sich aus diesem Film inspirieren lassen, zu sagen, ich gehe da jetzt hin und tue so, als ob ich total Blut geleckt hätte und alle umbringen will, damit sie mich ablehnen. Ich weiß nicht mehr, wie vielen Leuten das geklappt hat, aber es wurde heiß diskutiert.
Florian Bayer: Es ist auf jeden Fall die clevere Variante, als zu sagen, ich bin so krank und ich bin so schwach und ich kann nicht. Und es ist so toll überspielt, also diese Momente, wenn wir Onkel Victor sehen, wie Harold sich mit ihm bewegt und dann Harold irgendwann dieses Spiel anfängt, dass er total wahnsinnig sagt und ich will sie alle umbringen. Und dann haben wir plötzlich Maud da noch rumtanzen, die mit ihm dieses Schmierentheater aufführt, Maud als Partizipistin sich füllt und Harold, der sie angreift.
Johannes Franke: Ja, es ist so super. Und der Film verlässt natürlich sofort die Spuren der Realität, wenn sie da in diesem Loch dann verschwindet und man sich fragt, hä? Was ist jetzt los? Eigentlich müsste Maud jetzt tot sein, weil sie ansonsten, das funktioniert ja überhaupt nicht. Aber sie taucht dann halt irgendwie wieder auf und die liegen da irgendwo im Bett oder sowas. Ich weiß nicht genau, wie der Schnitt war.
Florian Bayer: Auf der Wiese sind sie dann.
Johannes Franke: Ach, die liegen auf der Wiese, genau.
Florian Bayer: Es ist total bizarr und es ist der einzige wirklich krass, also nee, es ist natürlich nicht. Es gibt natürlich die Selbstmordszenen von Harold, auf die wir gleich auch noch zu sprechen kommen. Aber es ist so ein herausstechender bizarrer Moment, weil... Ja, weil es wie so eine Travestie-Show wirkt. Also dieser Onkel Victor ist einfach eine komplett überzeichnete Fieber.
Johannes Franke: Ja, voll.
Florian Bayer: Und das ist schon wie aus einem Monty-Python-Sketch, ne?
Johannes Franke: Wie er davon redet, dass wir nicht die Deutschen hätten zu uns holen sollen. Also wir hätten sie nicht besiegen sollen. Das war noch ein Krieg, den man sich leisten konnte, der aber gut war. Und dann scheißt er irgendwie auf den Vietnamkrieg und so. Das, was ich ganz nett finde. Aber sein Resultat ist halt, ja, wir sollten eigentlich... den Krieg mit den Deutschen wieder aufführen. Das war super.
Florian Bayer: Der wird komplett wahnsinnig. Und wie krass wahnsinnig muss Harold spielen, um ihm noch zu übertrumpfen? Weil dieser Typ ist eigentlich nichts anderes als das, was Harold spielt. Das ist komplett drüber. Irgendwie das Militärtyp, der den Verstand einfach verloren hat.
Johannes Franke: Ja, total. Also in dieser Übertreibung hätte ich nicht erwartet von dem Film, als ich es das erste Mal geguckt habe. Das zweite Mal war ich ja vorbereitet. Ich muss auch mal dazu sagen, um das mal reinzuwerfen, Ich habe das Stück mal gespielt, die Theaterversion, die von unserem Drehbuchautor tatsächlich auch geschrieben wurde. Und die auch ein bisschen anders ist als die Filmversion. Ein bisschen ausführlicher, ein paar kleinere andere Dialoge und so. Vor allem aber auch aufs Theater gemünzt, weil du dann natürlich die ganzen Ortswechsel nicht so in der Ausführlichkeit machst wie im Film. Dann kannst du mal einen Ortswechsel machen, du teilst die Bühne auf, hier ist zu Hause und dort ist der Wohnwagen und so weiter. Du musst das schon ein bisschen kompakter dann schreiben auch. Und das hat er gemacht. Und ich fand die Version sehr schön, die wir gespielt haben. Da waren gute Ideen dabei. Allerdings muss ich sagen, es ist sehr lange her. Es ist über zehn Jahre her. Ich weiß schon nicht mehr viel.
Florian Bayer: Wie alt warst du, als du das gespielt hast?
Johannes Franke: Mitte, Ende 20.
Florian Bayer: Und wie alt war eure Mord?
Johannes Franke: Die war 70. Ah, cool.
Florian Bayer: Dann, ja.
Johannes Franke: Und es war toll. Also es war auch eine wirklich prägende Zeit dann natürlich für mich als Schauspieler. Vor allem auch diese Geschichte zu spielen, also diese Liebe zu einer älteren Frau zu spielen, die mir total einleuchtend dann vorkam. Wo ich gemerkt habe, okay, wenn man in einer bestimmten Phase seines Lebens ist und in einem bestimmten Modus auch gerade ist, dann funktioniert das volle Kanne. Dann geht das auch, dann ist das auch kein... Keine Frage und keine moralische Hinterfragung möglich, zumindest aus der Innenansicht der Figur dann. Und das fand ich interessant, weil natürlich auch immer die Diskussion herrschte, seit dieser Film existierte, dass man das nicht machen darf, dass man einen 18-, 20-Jährigen nicht gegen eine 80-Jährige setzen darf und die dann irgendwie Liebesszenen machen. Oder Sexszenen, wie eigentlich auch geplant war für den Film. Aber das haben sie dann nicht gemacht, weil die Produktion uns immer gesagt hat, nein, nein. Das lassen wir schön.
Florian Bayer: Ruth Gordon, die Maud spielt, war 75 zum Dreh. Und Robert Cord, der Harold spielt, war 23. Also sie haben es tatsächlich geschafft, dieses, wie sagt man, Mai-September-Romanze.
Johannes Franke: Mai-September.
Florian Bayer: Sie haben das wirklich geschafft, überzeugend zu besetzen. Ja,
Johannes Franke: er sieht auch verdammt jung aus.
Florian Bayer: Er sieht verdammt jung aus. Wenn man ihn sieht, könnte man ihn auch für minderjährig halten. Und genau, ich finde es total spannend. Zum einen, weil es ja diese Altersunterschiede, durchaus im Gender-Switch gibt. Auch im klassischen Hollywood haben wir das ganz oft, dass sehr alte Männer mit sehr jungen Frauen liiert werden und niemand dabei ist.
Johannes Franke: Wobei ich bei 80 nicht ganz genau weiß.
Florian Bayer: Aber es ist nicht so weit davon entfernt. Da sind 60-Jährige mit einer 30-Jährigen. Das ist richtig,
Johannes Franke: ja.
Florian Bayer: Und ich finde es total cool, dass er diesen Switch macht. Er geht nicht all in mit der Sex-Szene. Braucht der Film wahrscheinlich auch nicht. Der Film ist eigentlich von der Art, von seiner Melancholie ist eine Sex-Szene nicht zwingend notwendig. Aber er geht all in. damit zu sagen, es gab Sex. Da gibt es keinen Zweifel.
Johannes Franke: Genau, es gibt keinen Zweifel.
Florian Bayer: Wenn sie nackt im Bett zusammenlegen und ganz tolle Entscheidung, dass es Seifenblasen sind und keine Zigarette, dann ist so eindeutig, sie hat Sex.
Johannes Franke: Das muss man sagen. Das betont so seine Kindlichkeit. Und ich denke, oh nein, oh nein. Weiter nicht was Erwachseneres machen können, außer Seifenblasen.
Florian Bayer: Aber dieser ganze Film ist naiv. Ja,
Johannes Franke: das stimmt.
Florian Bayer: Das Tolle ist, dass der Film schon davor erzählt, du kannst auch als 75-jährige Frau sexualisieren. als 79-jährige Frau, die ja Mord ist, eine Sexualität haben.
Johannes Franke: Mord ist so sexuell die ganze Zeit. Ich find's so großartig. Also auch, dass sie, also die Schauspielerin sitzt wahnsinnig gut in ihrer Sexualität und ihrer Wirkung und in ihrem, wie sie sich darstellt und wie sie im richtigen Moment am richtigen Knopf drückt bei ihm auch. Und bei uns als Zuschauer, ich fand's großartig.
Florian Bayer: Sie blurtet die ganze Zeit.
Johannes Franke: Es ist unglaublich cool. Und dann, wie sie ihn da an ihre... ihre Skulptur da ran und sie so eine, ja, ich meine, das ist halt ein weibliches Geschlechtsteil, wo er dann für sich das entdeckt und sie geht drüber, macht mal Tee und du entdeck mal, mach mal und er richtig seinen Kopf dann da rein steckt und so leicht vor sich hin stöhnt. So eine geile Situation. Das ist großartig.
Florian Bayer: Und kurz davor haben wir sie noch, wir sehen, dass sie offensichtlich schlagt. Modell steht für einen Skulpturisten und wenn wir diesen Moment sehen, wie sie beide überrascht werden von Harold, können wir uns vorstellen, dass sie nicht nur Modell steht, sondern dass da auch eventuell mehr läuft.
Johannes Franke: Und man muss dazu sagen, dass das ein Eisskulpturer ist. Das heißt, es geht um eine Kunst, die wieder vergeht. Also sie hat auch dort einen Hang zu Dinge kommen, Dinge gehen und ich muss das Leben im Moment nehmen. Und das finde ich ganz cool. Genau wie der Moment, wo sie dieses Geschenk von Harold bekommt und dann in den See schmeißt und sagt, ja, jetzt weiß ich, wo es ist.
Florian Bayer: Das sind wir halt wieder bei diesen Phrasen, ne? Also so interessant ich die Mord in vielen Momenten finde, dieses immer wieder betonen, ich mag Sachen, die wachsen. Man bereut die Sachen, die man nicht gemacht hat. Ja. Es ist echt schon so ein bisschen so ein Motivationskalender, oder? Ja. Und ja, es ist was anderes in den 70ern als heute. Ja, das stimmt. Weil die Hippiesprüche damals wirklich noch so ein Ausdruck von Rebellion waren. Mhm. Also es ist einfach, aber durch den Blick des heutigen Zeitgeistes, denkst du,
Johannes Franke: echt jetzt, du kannst einen Kalender drauf machen.
Florian Bayer: Mach einen dazu.
Johannes Franke: Aber ich finde, manchmal ist es mehr und mal weniger gut gelungen. Ich finde, wie sie da sitzen in diesem Feld von Blumen und sie sagt, ja, jeder Einzelne ist halt eigentlich das hier, aber sie lassen sich wie diese Masse da behandeln, finde ich eigentlich ganz nett. Genau,
Florian Bayer: es ist ganz nett.
Johannes Franke: Nein, also mehr als nur der Kalenderspruch. Und dann der Schnitt zu diesem... Und Cemetery, diesen krassen, großen Friedhof mit diesen weißen, krassen Reihen an Tombstones, die alle gleich aussehen, so ein riesiges Teil. Ich habe mal recherchiert, was das ist. Ich habe es schon wieder nicht ordentlich aufgeschrieben. Aber das ist ein krasses Teil und ist auch eine krasse Referenz in dem Moment.
Florian Bayer: Das Bild ist halt auch einfach cool. Man kann jetzt auch viel drüber jammern, dass es so sehr plump ist, diese Gegenüberstellung von Leben und Tod, die wir die ganze Zeit haben, auch in der Beziehung der beiden. Aber es sind einfach... Es ist ein tolles Bild und der Film findet öfter diese spannenden Bilder, um diese Gedanken, die er hat, zu simplisieren.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Aber, und das vielleicht nochmal so zum Abschluss, was diese Kalendersprüche betrifft, es ist natürlich eigentlich auch ein Film für 16-Jährige, die diese Sprüche vielleicht zum ersten Mal hören und sagen, es ist voll deep. Und es war halt auch was für mich als 16-Jähriger. Und ich finde es auch richtig und wichtig. Und dann dockt er vielleicht auch bei mir als 16-Jähriger wieder an, wenn ich den Film jetzt nochmal sehe. Und dann vielleicht feststelle, okay, ja, da habe ich jetzt zum 20. Mal in verschiedenen Versionen den gleichen Spruch gehört. Und irgendwie ist er auch nur Pseudodieb. Aber es ist trotzdem, ich finde es hat trotzdem was Gutes, auch bei mir bewirkt immer. Du machst mir den Film nicht kaputt.
Florian Bayer: Ich finde es halt ein bisschen schade, weil es gibt diesen einen Moment, wo der Film Möglichkeit hat, tief zu gewinnen. Das ist, wenn sie gemeinsam die Wasserpfeife rauchen und Harold erzählt und dann in Tränen ausbricht. Und du denkst, das ist echt jetzt ein tiefer Moment, ein besonderer Moment. Und dann fängt sie wieder mit ihrem Sermon an. Und dann denkst du so, ey, shit. Film, wir haben sie schon drei, vier Mal die Sachen sagen gehört. Und du nutzt jetzt diesen Moment dieser absoluten emotionalen Offenheit. Und Harold hat einen ganz großartigen Moment. Das stimmt. Und wir sind ganz nah dran. Und jetzt kleisterst du da wieder dieses ganze Zeug drüber.
Johannes Franke: Ich kann den Moment genießen auch mit dem Kleister. Das ist alles okay.
Florian Bayer: Ich weiß nicht, das war der Moment, wo ich halt gesagt habe, es ist nicht nur nett, sondern es stößt mir auch sauer auf, weil es den Film um Tiefe beraubt.
Johannes Franke: Ich weiß nicht. Also ich finde, dass viel nicht ausgekostet ist, was in Tiefe da sein könnte. Aber ich finde, dass es angelegt ist und dass man, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, die Tiefe durchaus für sich... da drin sehen kann. Ohne, dass der Film einem das alles auseinanderklamüsert und erzählt.
Florian Bayer: Kommen wir zu was noch auf der Haben-Seite.
Johannes Franke: Okay, Haben-Seite, bitte.
Florian Bayer: Welcher Selbstmord von Harold ist am coolsten?
Johannes Franke: Der Pool ist vielleicht ganz cool, aber ach fuck, welche haben wir denn? Wir lassen es mal aufzählen. Wir haben am Anfang das Erhängen, dann verbrennt er sich.
Florian Bayer: Wir haben noch davor die Pulsadern Aufschneideraktion in der Badewanne.
Johannes Franke: Die ich nicht ganz so gut finde. Ich bin halt so übertrieben. Die ist einfach zu fern.
Florian Bayer: Weil er alles mit Blut bestrichen hat, bevor er das gemacht hat.
Johannes Franke: Also den Einstieg finde ich sehr, sehr gut. Die Badewanne, naja, das sich anzünden, ja. Es findet ein bisschen weit hinten statt und es ist so ein bisschen so sehr effekthascherisch. Aber das sind alle seine Selbstmorde. Ja,
Florian Bayer: das ist scheiß Dramakel.
Johannes Franke: Er hackt sich die Hand ab.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Da finde ich, ist er ein bisschen zu brutal. Weil er geht wirklich in dieses Gespräch rein, setzt sich mit denen dahin. und macht dann diese Aktion. Und das ist zwar irgendwie...
Florian Bayer: Ja, vor allem mit einem sehr provokanten Blick ihr. Ja,
Johannes Franke: genau. Und er trifft sie halt, genau sie. Ja. Und das, da finde ich das Verbrennen dann vielleicht doch ein bisschen besser.
Florian Bayer: Ich steh voll auf das Verbrennen. Ich glaub das Verbrennen ist mein Liebling. Okay. Wir haben noch den Pool.
Johannes Franke: Den Pool haben wir noch.
Florian Bayer: Genau. Der Poolschwimm-und dann haben wir die Harakiri-Szene. Ah,
Johannes Franke: stimmt. Da hab ich...
Florian Bayer: Mit Sunshine, der Schauspielerin.
Johannes Franke: Als ich das gespielt habe, hab ich leicht ein kleines bisschen... kulturelle Aneignung betrieben, das war nicht so gut. Oh nein? Ja, ja,
Florian Bayer: ja. Oh Gott, schütze mich, du hast es nicht getan.
Johannes Franke: Ja, ja, doch, doch, doch. Es waren auch noch Zeiten, wo man nicht so richtig viel drüber nachgedacht hat und der Regisseur hat das sehr stark unterstützt und ich so, ja gut, dann mach ich das jetzt.
Florian Bayer: Ich find das selbst anzünden geil, weil es auch eine tatsächlich damals sehr präsente Protestform ist.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und weil es halt so eine radikale, verzweifelte und vor allem eine Protestform, weil es eine politische Komponente hat. Das andere ist halt so, so... Ein persönlicher Selbstmord. Und das hier hat diese radikale Protestkomponente. Und dann finde ich es einfach toll, wenn die Candy heißt sie, die erste. Wenn die dann geflohen ist und seine Mutter schaut ihn an, aber er so genervt. Das war ja klar. Und er schaut in die Kamera. Es ist so der böse, geilsten Blick, den man sich vorstellen kann.
Johannes Franke: Der war nicht von vornherein geplant. Das hat der Darsteller. irgendwie gemacht oder vorgeschlagen oder sowas und das haben die dann zusammen am Set entschieden. Es ist super geil. Ich finde den Moment ganz Ganz großes Kino. Einer der besten Breaks of the Fall
Florian Bayer: Wall. Großartig, einfach großartig. Und dann mag ich aber auch die Harakiri ziehen, aber nicht wegen dem Harakiri, sondern was danach kommt. Dass mit Sunshine da plötzlich eine ist, die darauf eingeht und die sagt, geil, ich steh auch auf Traber. Baby, lass uns loslegen. Und Harold ist komplett fassungslos. Der kommt überhaupt nicht darauf klar. Der kommt überhaupt, dieser blöde Sexist kommt überhaupt nicht darauf klar, dass eine junge Frau auch so sein könnte.
Johannes Franke: Sie begreift es halt sofort als Spielaufforderung. Okay, ja, dann machen wir das jetzt. Ist doch schön. Was ich interessant finde ist, dass er da eine Frau hat, vor sich hat, die in sich schon in ihrem Drama ruht. Sie kennt ihr Drama und sie weiß, dass sie das mag und sie hat daraus einen Beruf gemacht. Während er noch eine Stufe davor ist. Er versteht noch nicht mal seinen Hang zum Drama so richtig und nutzt das alles nur irgendwie. Aber ich glaube, er hat noch nicht... Also ihm fehlt noch ein entscheidender Schritt, um dorthin zu kommen, wo sie ist. Und ich finde das total interessant vom Film, dass auf diese Art und Weise einen kleinen Kommentar zu geben und einen kleinen, weiß ich nicht, Ausblick ist zu viel gesagt, aber so einen kleinen Kritikpunkt an Harold. So dieses, ja, also wenn du schon den Hang zum Drama hast, dann nutz ihn doch, mach doch was draus. Sie hat was draus gemacht.
Florian Bayer: Ich habe so das Gefühl, bei allen diesen dreien potenziellen Heiratspartnerinnen, die gezeigt werden, wird auch so eine subtile Kritik, An Harold Gieb kann man auf jeden Fall reinlesen. Und auch eine Aufwertung von seiner Mutter. Weil ich meine, die erste, die sie einlädt, ist eine Politikstudentin. Und die sagt ihr, es ist wichtig zu verstehen, was in der Welt vor sich geht. Und die, also es ist, seine Mutter hat keine dummen Schnäpfen eingeladen.
Johannes Franke: Ja, richtig.
Florian Bayer: Es ist eine Politikstudentin. Dann ist es eine Angestellte. Es ist nicht aus dem militären Haushalt, sondern es ist eine einfache Angestellte. Und dann das Dritte, dann eine Schauspielerin. Also das ist, und dadurch, dass... diese Frauen gewählt wurden, die ja offensichtlich vielleicht was sind für Harold, weil er eben nicht in diese elitäre, in diese Welt will, sondern weil er irgendwas anderes sucht. Dass er mit denen so brutal umgeht, weil nichts anderes ist, was er macht. Das kann man als leichte Kritik an seiner Figur lesen. Stimmt.
Johannes Franke: Ich finde sowieso, dass der Film das so ein bisschen macht. Also er geht nicht ganz kritiklos darüber, was Harold da macht.
Florian Bayer: Und das Gefühl der Fünf. romantisiert, Egomanie an so vielen Punkten. Ja,
Johannes Franke: natürlich tut er das, aber er macht es nicht nur und ich finde, dass es kleine andere Punkte gibt. Zumal wir die Mutter ja durchaus verstehen. Jetzt als Erwachsene zumindest, ich als 16-Jähriger, vielleicht ist sie wirklich nur als Opel-Kanzfigur gesehen. Aber sie ist so dreidimensional und ambivalent gezeichnet, dass man das voll, dass man voll ihre Positionen sehen kann und das finde ich gut.
Florian Bayer: Absolut, ja auch wie sie damit umgeht. Sie hat das. Sie steigt nicht ein auf das Drama. Sie ist nicht die ganze Zeit die verzweifelte Mutter, sondern sie kennt das. Und sie reagiert nicht einfach nur mit Ignoranz, sondern auch mit einem wirklich geilen Sarkasmus. Ihre Art, ihn zu ignorieren dabei, hat halt so was extrem Sarkastisches, weil sie dann ja auch manchmal so One-Liner hinwirft zu ihm. So nach dem Motto, wenn du fertig mit Ertrinken bist, kannst du dann bitte den Pool aufräumen. Das ist schon ganz cool.
Johannes Franke: Das ist übrigens auch so eine Parallele zu The Graduate, dieser Pool-Szene, wie er da liegt. Da möchte man auch auf die Leinwand schreien. The Graduate, du hast geklaut,
Florian Bayer: was soll das? Das ganze Setup ist einfach. Und es ist ja auch dieses, wir versuchen Hippie-Zeitgeist zu erzählen, ohne dass wir Hippies zeigen.
Johannes Franke: Stimmt, ja. Naja, und damit kommen wir vielleicht nochmal, was wir vorhin angedeutet haben, zu dieser... dieser Zeit und der Jugend in der Zeit, für die ja Harold irgendwie stehen soll. So diese Depressionen der Zeit, der Jugend, die haben keine Lust auf Vietnamkrieg und diesen ganzen Scheiß. Also es gibt so viel in der Zeit, wo man als junger Mensch denkt, der Staat, von dem ich immer gedacht habe, dass er das große, übermächtige Gute ist, macht irgendwie so viel Scheiße, dass ich mich damit nicht identifizieren kann. Und dann infolgedessen eine Depression der Jugend. die, finde ich, in Harold natürlich voll aufgeht in der Figur.
Florian Bayer: Und doch ist der Film vielleicht ein bisschen zu spät zur Party?
Johannes Franke: Vielleicht.
Florian Bayer: Woodstock war 1969. Die Reifeprüfung war fast schon so ein Proto-Hippie-Film, bevor die Hippie-Bewegung richtig groß wurde. Und mit 1974...
Johannes Franke: Ja, ja,
Florian Bayer: ja. Es hat sich ja auch einiges gewandelt. Der Vietnamkrieg, das sind Sachen passiert. Die Zeit hat sich auch ein bisschen geändert. Finde ich aber auch gar nicht verkehrt, das will ich dem Film gar nicht vorwerfen, weil es auch in seiner Melancholie natürlich so einen gewissen Nachklang hat. Dieses Hippieske zeigt sich hier halt auch so in diesem melancholischen Nachklang und alles, was sie machen, es gibt nicht keine, was andere Hippiefilme gemacht haben, so diese Happenings und sowas wird nicht dargestellt, sondern es gibt eigentlich nur noch die Einzelpersonen, die irgendwie dieser Romantik. hinterherhängen und dann aber auch nichts anderes machen können, als einen Baum zu klauen und irgendwo in den Wald zu fahren und hinzustellen. Also es sind so ganz kleine Sachen, die noch möglich sind.
Johannes Franke: Aber der Baum ist ja vor allem eine Metapher für Harold. Sie kommt ja da hin, guckt den Baum an und sagt, ach, dieses Leben, das muss doch irgendwo hin, wo es wirklich flourischen kann und wir müssen den jetzt da aus dem Smog raus in den Wald. Damit meint sie natürlich Harold.
Florian Bayer: Das sieht so allem aus. Alles, was sie sieht, muss sie mit diesen Metaphern überleben, über Wachstum und Auskosten usw. zu tun haben. Das ist teilweise echt too much dann.
Johannes Franke: Ja, finde ich nicht. Alles in Ordnung. Damit sehr gut, klar.
Florian Bayer: Und dann ist es halt immer, also ich wiederhole mich jetzt auch so wie im Wort, Ausdruck von Egomanie. Ich meine, ey, der arme Polizist,
Johannes Franke: oder? Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Natürlich haben wir ein bisschen Spaß damit, ne?
Florian Bayer: Auf jeden Fall haben wir Spaß, aber wir denken auch, oh Mann, der arme Kerl. Der will doch als Gesetzesführer nur alles richtig machen.
Johannes Franke: Ja, aber da ist er an die falschen Leute geraten, es tut mir leid.
Florian Bayer: Also Kunst sowieso. Mord kann offensichtlich nicht Auto fahren und klaut Autos und fährt darum. Lass sie ein dreijähriges Kind überfahren und plötzlich ist das alles nicht mehr so witzig, was sie da macht.
Johannes Franke: Aber es passiert ja nicht, Gott sei Dank. Ja,
Florian Bayer: aber es könnte passieren.
Johannes Franke: Nein, aber das Drehbuch ist ja so geschrieben, dass es nicht passiert. So, damit gibt es kein Problem.
Florian Bayer: Wir debattieren gerade sehr oft darüber, dass wir unseren Senioren die Autoschlüssel wegnehmen wollen, weil das eine Gefahr ist.
Johannes Franke: Das sind die 70er, das sind Casualties.
Florian Bayer: Das ist sowieso alles egal. Tom Skerritt spielt den Polizisten, was ich total witzig finde. Tom Skerritt, der sehr viel danach noch gespielt hat, unter anderem Pickett Fences, diese großartige, so ein bisschen in Vergessenheit geratene 90er Jahre Dramaserie, die einen sehr schrägen Ort zeigt mit sehr verrückten, aber auch sehr liebenswerten Menschen.
Johannes Franke: Ah, okay. Ja, jedenfalls kann dieser arme Polizist, naja, was soll's, dann holt er sich ein neues Motorrad, alles in Ordnung. Die Hauptsache, er wird gefeuert. Wir sind einfach wild in der Gegend rumgefahren und gut ist.
Florian Bayer: Und wie egomanisch ist ihr Selbstmord? Der im Gegensatz zu dem von Harold keine Inszenierung ist, kein Spiel ist.
Johannes Franke: Sie sagt es ja von Anfang an irgendwie. Sie sagt ja immer wieder, so hier bei der ersten Beerdigung, wo sie sich treffen, sagt sie, ja, wer ist mit 80 gestorben? Ich finde, 80 ist ein gutes Alter, 75 ist zu früh, 85 ist zu spät. Und wiederholt das im Laufe des Films immer mal wieder so mit der einen oder anderen. Phrase. Und natürlich hört er da nicht drauf, weil er das nicht hören will oder auch weil sie nicht deutlich genug ist, dass es wirklich klar ist. Auch dem Zuschauer ja nicht. Das ist ja dann mit zweiten, dritten Schauen fällt einem das dann erst auf. Aber ja, es ist total egoman und es ist auch total so, ich glaube und da kommt die Tiefe, die ich in der Figur sehe zum Tragen. Dass sie gerade durch das, was sie erlebt hat im Konzentrationslager und was sie auch vorher schon andeutet, sie war anscheinend Suffragette oder sowas, hat viel gekämpft für Freiheit und Selbstbestimmung, dass ihr Leben davon geprägt war, dass sie nie wieder irgendjemanden, jetzt mal aufs Konzentrationslager bezogen, die Kontrolle darüber gibt, was sie zu tun hat und wann sie zu leben und wann sie zu sterben hat. Ich finde es total folgerichtig in der Figur und total richtig für sie. Allerdings hätte sie damit besser umgehen können. Sie hätte es Harold besser verklickern können, als an dem Abend, wo sie die Pillen vor einer Stunde schon genommen hat.
Florian Bayer: Es macht es zumindest halbwegs schlüssig, was du jetzt gerade gesagt hast, dass es darum geht, auch um diese Kontrolle über ihren eigenen Körper und über ihr eigenes Ich. Weil ich finde darüber hinaus, abgesehen vielleicht von diesem egomanischen Zug, den das Ganze hat, passt es nicht unbedingt zu der Figur, die die ganze Zeit sagt, dass das Leben genossen werden muss. Weil sie ist ja offensichtlich fit. Aber was glaubst du,
Johannes Franke: warum sie es genießt?
Florian Bayer: Aber das ist so... plump, weil sie ist lebensfroh, sie lebt, sie ist lebendig, sie ist fit, ich weiß nicht, ob ich das so schlüssig finde mit dem, was uns der Film vorher erzählt hat über sie. Und ja, ich finde das mit dem Konzentrationslager ist ein guter Punkt. Ich weiß nicht, ob es mir reicht, wie der Film das ausformuliert und ob er mir dann noch in letzter Konsequenz eben doch nicht den Selbstmord wiederum zu sehr als absolut romantischen Akt darstellt, der Selbstermächtigung und der eine verquere... Metapher auf Lebensliebe und Lebensfreude. Weil sie sagt, ja, ich habe gelebt. Ich habe alles erlebt und jetzt kann ich abdanken. Und du denkst so, what the fuck Film. Selbstmord ist ein ehrliches Problem. Suizid ist nichts, ist kein Märchen, keine Fantasie.
Johannes Franke: Das ist richtig. Aber es geht in dem Film ja auch nicht um den Suizid, der aus psychischen Krankheiten und so weiter resultiert. Ja,
Florian Bayer: aber Suizid genau hat viele Facetten.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und das ist eigentlich ein zu ernstes und zu vielschichtiges Thema, um so reduziert zu werden auf dieses märchenhafte Motiv. Ganz unabhängig davon, dass ihr Suizid nicht aus einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung kommt.
Johannes Franke: Der kommt aus, naja, das haben wir jetzt auseinander genommen. Selbst Kontrolle und Ermächtigung und so. Aber, ne, also da finde ich es total schlüssig, wie ich es gesagt habe. Ich finde es total schlüssig, warum sie sich umbringt. Und ich finde auch nicht, dass das eine... zu starke Romantisierung hat. Ich finde auch, dass der Film das an der Stelle gut inszeniert, wie er diese kurze Pause, also eigentlich die viel zu lange Pause, als sie das sagt und er dann, what? Sehr, sehr lustig, gutes Timing und dann gleichzeitig die Sirenen und so und wir nicht die romantische Sterbesszene im Wagen zu Hause bekommen, sondern das... Dass er sie durch das alles durchzieht nochmal und sagt, nee, nee, nee, wir machen das jetzt hier schön anders, als du dir das vorgestellt hast. Und sie liegt da so hilflos auf diesem Ding und guckt ihn an und denkt sich, naja, okay, was hab ich anderes erwartet, okay, gut, dann mach jetzt dein Ding. Ich wollte eigentlich ganz zufrieden zu Hause.
Florian Bayer: Ich werde trotzdem abtreten.
Johannes Franke: Ich werde trotzdem abtreten, natürlich.
Florian Bayer: Sie ist ja nicht verzweifelt über die Situation, sondern sie guckt ihn eher so bemitleidend an. Ach ja, versuch das noch, aber du weißt doch, wie es ändert.
Johannes Franke: Das stimmt auch, das schwingt auch mit, auf jeden Fall.
Florian Bayer: Ich weiß nicht, ob ich das so geil finde. Ich glaube, das kann man auch irgendwie anders erzählen. Das kann man auch anders inszenieren. Ich finde es halt, es ist halt, das Ding ist, es ist halt auch, es bewegt sich in diesem, in dieser meiner Meinung nach sehr flachen Romantisierung von den Figuren und von der Art, wie sie aufs Leben blicken.
Johannes Franke: Überlässt der Film uns nicht einfach nur das, was wir an Gedanken dazu haben könnten und verkaut uns das nicht vor? Also es muss ja nicht flach sein deswegen, nur weil es uns nicht alles vorkaut.
Florian Bayer: Nee, doch, er kaut es uns ja vor.
Johannes Franke: Das ist es ja. Nein, nein, nein. Wir kriegen das so gekaut. Nein, er lässt uns ganz viele Gedanken. Er lässt uns ganz viel allein damit, zu überlegen, was das jetzt bedeutet und wie wir das finden und so. Der Film geht nicht, bügelt nicht so drüber weg, dass ich das nicht irgendwie trotzdem scheiße finden kann, dass sie das so macht, wie sie es macht.
Florian Bayer: Ich habe das Gefühl, der Film will uns die ganze Zeit in eine Richtung schubsen. Nein. Und ich kann dir sogar den exakten Punkt sagen, wo man es merkt. Und das ist natürlich am besten am Endpunkt. Ja. Wenn nämlich nach dem letzten inszenierten Selbstmord, für wen übrigens? Für uns? Ja, natürlich. Nachdem das Auto abgestürzt ist, Harold an der Klippe steht, sein Banjo nimmt und noch einmal Cat Stevens spielt. Diese absolute Freiheitshymne und wir sehen ihn von sehr weitem und er tanzt und freut sich mit dem Banjo. Im Gegensatz zu der Reifeprüfung haben wir nicht diesen fragenden Blick in die Kamera. Im Gegensatz zur Reifeprüfung haben wir nicht dieses Gefühl, oh mein Gott, was ist hier passiert und wie geht's weiter? Sondern wir sind in dieser... puren Glitzerwolke aus. Yeah, lebe dein Leben.
Johannes Franke: Was hätte man anders machen sollen? Was ich nämlich tatsächlich gedacht habe und überlegt habe, ist, muss man eigentlich Harold mehr mit dem Tod struggeln sehen? Also sie auch tatsächlich sterben sehen? Weil irgendwann ist sie einfach verschwunden und taucht nicht wieder auf. Wir sehen sie nicht sterben. Das Feigenblatt wird drübergelegt und wir haben nichts mehr damit zu tun. Wir müssen uns damit nicht auseinandersetzen. Und Harold irgendwie auch nicht, weil wir es nicht sehen. Und vielleicht ist das... das Ding, was fehlt? Hätte er tatsächlich sie sterben sehen müssen, damit tatsächlich umgehen müssen und so? Oder ist das...
Florian Bayer: Das hat so ein bisschen der Filmwelt halt so einen leichten Ausweg, allein dadurch, dass er sich sterben lässt. Weil jetzt kann Harold sein Leben nochmal... Er kriegt einen neuen Anstoß und er kann sein Leben in die Hand nehmen, aber er hat nicht diese Beziehung, die komplex ist und schwierig ist und für die Zukunft Aufgaben verlangt an der Backe, sondern sie ist weg und er hat sich verbessert. Das ist halt der einfache Ausweg. Und eigentlich wäre das Komplexere gewesen, dass sie halt nicht stirbt. Das Komplexere wäre gewesen, dass wir die Frage am Schluss haben, was ist das, was bedeutet das, was bedeutet diese Beziehung, die sie haben, auch diese Unterschiedlichkeit, die sie haben in dieser Beziehung, die wird auch nicht ausdekliniert. Wir haben hier wirklich zwei sehr verschiedene Menschen von den Anlagen und es wird nicht einmal problematisiert in diesem Film.
Johannes Franke: Vom Priester?
Florian Bayer: Nein, nein, nein, ich meine nicht wegen dem Alter oder so. Ich meine, weil er... Wir haben hier einen Menschen, der den Tod sucht, der den Tod faszinierend findet, der das Sterben toll findet und so weiter. Und wir haben hier einen Menschen, der das Leben sucht, der das Leben faszinierend findet. Und die haben nicht einen Konflikt deswegen?
Johannes Franke: Natürlich nicht. Die wollen ja beide nur Aufmerksamkeit. Ist doch egal, was der andere da sagt.
Florian Bayer: Und diese Fragen, dass uns der Film nicht diesen Konflikt und diese Fragen nicht gibt, er hätte sie da. Er hätte die Möglichkeit, sie zu geben.
Johannes Franke: Das stimmt. Das spart er vollkommen aus. Das hätte man durchaus machen können. Insofern bleibt der Film einfach auch eine sehr brave Version dieser ganzen Geschichte, die vielleicht hätte mehr Tiefe bekommen können dadurch. Das stimmt schon. Ich habe das auch ein paar Mal aufgeschrieben, aber ich wollte dir das jetzt nicht so übergeben auf ein paar Blätter.
Florian Bayer: Du darfst mir nicht zustimmen.
Johannes Franke: Gibt es eine Version des Films, wo am Ende wir das vielleicht jetzt gar nicht sehen, aber das Mord genauso ihren Tod nur vortäuscht, um Harold zu sagen, Alter, mach dein Ding. Ich lass mich mal in Ruhe hier.
Florian Bayer: Wäre auf jeden Fall auch eine Möglichkeit.
Johannes Franke: Also wir sehen sie nicht sterben, ne? Wer weiß, was da eigentlich passiert. Okay, okay. Aber so eine Version im Kopf zu haben.
Florian Bayer: Also ich weiß nicht, was sie dem Arzt dann gelten. Die Hand drücken, bis sie das erst zu Harriet geht und sagt, sorry Junge, sie ist tot.
Johannes Franke: Na, wir hören nicht, was er sagt. Er könnte auch sagen, sie hat Schluss gemacht mit dir.
Florian Bayer: Nein.
Johannes Franke: Ja, und dann fährt er halt noch diesen Lächenwagen da über die Klippe für uns als Zuschauer, natürlich für uns als Zuschauer, als Befreiungsakt von allem, was da passiert ist und dass er dann mit Musik ins Leben hinausgeht.
Florian Bayer: If you want to sing out, sing out. Neben Don't Be Shy, der der zweite Song in Cat Stevens extra für diesen Film geschrieben hat.
Johannes Franke: und nur eine Demo eingeschickt hat und gesagt hat, ich mach das im Studio nochmal vernünftig. Und die haben einfach die Demo in den Film reingeschnitten.
Florian Bayer: Er war sauer deswegen, er fand das richtig kacke. Und ich, toll, weil genau das ist, also... Du willst nichts totproduziertes hören, du willst genau diese Art des Songs hören.
Johannes Franke: Es ist so großartig, es ist so toll. Ich finde, seine Stimme hat so viel Qualität, die in den totproduzierten, also ist... Nein, nein, nein, er hat keine Alben rausgebracht, die wirklich totproduziert sind, aber schon geschliffen. Und er war auch bekannt dafür, dass er seine Sachen im Studio sehr genau gemischt und gemacht hat und das ihm wichtig war.
Florian Bayer: Naja, darf ich nochmal was generelles sagen?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Tut mir leid, ich hab jetzt schon so viel auf den Film gekackt.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Ich bin nicht der größte Cat Stevens Fan.
Johannes Franke: Ich schon. Es tut mir leid, aber das ist einfach der... Das ist so ein großartiger Musiker, der hat so viele tolle Songs geschrieben. Also,
Florian Bayer: Father and Son ist wahrscheinlich das beste Adoleszenzlied, das je geschrieben wurde.
Johannes Franke: Das gebe ich dir. Ja, ja.
Florian Bayer: Ich finde, Cat Stevens ist oft... so ein bisschen zu seicht.
Johannes Franke: He for the Tillerman ist eines der besten Alben aus der Zeit.
Florian Bayer: Okay, ich schreib's mir auf. Welches sagst du? Welches empfiehlst du mir?
Johannes Franke: He for the Tillerman.
Florian Bayer: Ich kenn Cat Stevens auch tatsächlich tendenziell eher in Songart. Als Songvariante. Das heißt, ich kenne die Hits. Und vielleicht fehlt's mir auch mal so ein ganzes Album von ihm zu hören. Cat Stevens ist ein toller Musiker, hat eine tolle Stimme. Ich mag dieses Raul in seiner Stimme. Gerade dieses nicht totproduzierte. Ich find Cat Stevens ist auch jemand, der... tendenziell live besser funktioniert als auf Scheibe. Ja,
Johannes Franke: stimmt.
Florian Bayer: Ich finde seine Texten halt manchmal, also auch so if you want to sing out, sing out. Ist halt ein sehr simpler Text.
Johannes Franke: Ja, aber der hat ihn auch für den Film geschrieben, der jetzt nicht, du hast es ja schon gesagt, die Tiefe des Films ist jetzt nicht, wenn er den krassesten Song geschrieben hätte, mit den tiefsten, mit den bedeutungsschwangersten Texten überhaupt, das wäre vielleicht auch nicht passend gewesen. Aber Nur war er nicht zufrieden mit den Demos, die er da eingesandt hat und die dann einfach benutzt wurden. Er hat aus Rache diese beiden Songs nicht veröffentlicht lange. Erst in den Best-of-Alben kamen dann diese Songs tatsächlich vor, diese beiden. Aber ich hab sie auch. Also ich mag die tatsächlich sehr, sehr, sehr gerne. Und ich muss leider dazu sagen, dass ich finde, dass der Film zwei Songs oder so zu viel verwendet hat. Der Film ist zu sehr vollgekleistert mit Cat Stevens. So sehr ich die Musik mag, ich möchte auch nicht sagen müssen, welcher Song raus muss. Aber es ist tatsächlich so, es gibt zwei, drei Stellen, wo ich denke, ah, jetzt hättest du auch ein bisschen Ruhe vertragen können. Nicht alles mit Musik vollkleistern.
Florian Bayer: Es ist halt diese eskapistische Grundattitüde, die er hat. Es ist einfach, dieser Film steckt Feuer, Zähnen, die einfach nur getragen von der Musik von Cat Stevens. Rausschreien, genieß dein Leben, fahr in die freie Natur, pflanz einen Baum, geh an den Klippen spazieren. Setsenschen halten am Strand und die ganze Zeit läuft dabei halt Cat Stevens.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Hörst du auch den neueren Cat Stevens aka Yusuf Islam?
Johannes Franke: Nee. Ich hab keine Sachen von ihm gehört. Ich hab keine Ahnung, was er gemacht hat. Das ist ein bisschen gemein, aber ich häng zu sehr an dem alten Cat Stevens.
Florian Bayer: Das ist ganz spannend, weil er hat ja wirklich einen krassen Switch gemacht. Ich meine, er hat seinen Namen geändert und der Islam spielt auch offensichtlich in seinem neuen Leben seit zwei... Wann? Wann hat er damit angefangen? Irgendwann in den 80ern oder so? Spielt das ja offensichtlich eine große Rolle.
Johannes Franke: Ja, ja, ja, ja.
Florian Bayer: Ich habe von ihm mal auf YouTube, glaube ich, gesehen, wie er ein Konzert gegeben hat als Yusuf Islam. Also vor, keine Ahnung, zehn Jahren oder so wahrscheinlich. Und da hat er auch seine alten Songs gespielt.
Johannes Franke: Ach, schön.
Florian Bayer: Und da hat er Father and Son gespielt und eine wunderschöne Father and Son Version. Er hat vorgesagt, das ist jetzt für meinen Enkel. Und dann, ich habe jetzt wirklich, er ist ein alter Mann, er ist 48 geboren. Oh, krass, ja. Und dann mit dieser Stimme eines... 60, über 60-Jährigen, der gelebt hat.
Johannes Franke: Aber wie singt der dann die junge Version? Weil das ist ja nun wirklich ein Song, der zwei Teile hat. Den jungen und den alten Typen.
Florian Bayer: Erstaunlich gut. Also mit einer sehr dünnen, hauchigen, auch ein bisschen krächtzigen Stimme, aber es klappt immer noch. Das macht ja diesen Song so groß.
Johannes Franke: Ja, ja. Ich find diesen Wechsel so geil,
Florian Bayer: wenn du hast diese Predigt des Vaters und dann den Aufschrei des Sohnes. Ja. Er sagt, ich muss hier raus. Ah, toll. Das ist ein großartiger Song. Ja. Wie gesagt, ich bin kein großer Cat Stevens Fan, aber auf diesen Song lasse ich nichts kommen.
Johannes Franke: Schön. Warum hat der Film das überhaupt auch verpasst, diesen großen Bogen zu schlagen? Er fängt an mit, er geht auf Beerdigungen. Warum geht er nicht auf ihre Beerdigung?
Florian Bayer: Ich glaube, Mord ist nicht der Typ, der beerdigt werden will.
Johannes Franke: Was passiert denn mit... Also ich meine, selbst wenn Leute verbrannt werden, gibt es eine Gemeinde, die danach irgendwie zusammenkommt.
Florian Bayer: Mord will verbrannt werden und ihre Asche soll auf dem Meer ausgestreut werden.
Johannes Franke: Ja, aber warum sehen wir das nicht? Also ich meine, er steht so auf Beerdigungen. Warum?
Florian Bayer: Vielleicht hat er sie im Auto. Vielleicht wird das nicht erzählt. Vielleicht hat er ihre Urne im Auto.
Johannes Franke: Aber das wäre doch geil gewesen, hör mal. Hör mal vorne am Dashboard.
Florian Bayer: Wollte er sich umbringen oder hat er sich in letzter Sekunde dazu entschieden, sich doch nicht umzubringen? Also inszeniert er es?
Johannes Franke: Der wollte sich nie umbringen. Nie. Nicht ein einziges Mal in diesem Film.
Florian Bayer: Er ist nicht suizidal, er ist nicht depressiv, er ist eine Traumaknie.
Johannes Franke: Ich finde schon, dass er depressiv ist. Aber vielleicht nicht in dem Maße. Eine Depression äußert sich in verschiedenen Formen. Ja. Nicht jeder Depressive ist suizidal.
Florian Bayer: Aber die Tode sind nicht echt. Sie sind falsch. Sie sind Fake. Sie sind Fake Deaths.
Johannes Franke: Oh mein Gott, wohin willst du, Flor?
Florian Bayer: Ich glaube, ich will in eine Top 3.
Johannes Franke: Unsere. Ähm, Top 3. Ploa, du verführst mich. Meine Top 3.
Florian Bayer: Denn die einzigen Top 3s, die man bereut, sind die, die man nicht gemacht hat. Wir sollten viel mehr raus in die Natur gehen und Listen machen von Dingen, die wir mögen.
Johannes Franke: Oh Gott.
Florian Bayer: Also was haben wir als Top 3?
Johannes Franke: Also wir haben eine Top 3 Fake Deaths. Wie sich das schon angedeutet hat. Also angedeutete... Und vorgetäuschte Tode in allen möglichen Formen. Egal ob jetzt für den Zuschauer oder in der Logik des Films oder was auch immer. Ich bin gespannt, Plur, was du hast.
Florian Bayer: Mein Platz 3. Wir haben drüber geredet letztes Jahr.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: My Name is Nobody. Es dürfte genau ein Jahr her gewesen sein, dass wir drüber geredet haben. Mein Name is Nobody mit Terrence Hill, der die große Wachablösung im Western macht und mit seinem alten Idol deswegen beschließt, damit du jetzt in den Ruhestand gehen kannst und dir keiner mehr auf den Sack geht, musst du sterben. Und dann inszenieren sie ein Duell. bei dem Terrence Hill sein altes Idol umbringt. Eine ganz tolle Western-Komödie und auch ein schöner Fake-Tod.
Johannes Franke: Ich habe auf Platz 3 Sherlock, die Serie. Ich weiß, du bist nicht der große Fan.
Florian Bayer: Wer täuscht denn seinen Tod vor?
Johannes Franke: Sherlock. Sherlock selbst. Sherlock Holmes sagt, um aus dieser Nummer, also er ist in irgendeiner seltsamen Sache, und um aus dieser Nummer wieder rauszukommen, muss ich tatsächlich glaubhaft sterben. Und das ist das Staffelfinale und das ist das härteste Staffelfinale, was ich lange erlebt habe, muss ich sagen. Zu spät. Pech gehabt, was soll's. Er hatte lange genug Zeit, das zu gucken.
Florian Bayer: Und er führt nicht nur seine Gegner in das Licht, sondern auch das Publikum.
Johannes Franke: Vor allem auch seinen besten Freund. Oh nein,
Florian Bayer: Watson.
Johannes Franke: Der wirklich hart runtergekommen dann in der neuen Staffel völlig verzweifelt ist. Und irgendwie versucht er, sein Leben wieder in Reihe zu kriegen, aber sein bester Freund ist einfach gestorben. Er ist vom Haus gefallen und wir haben es alle gesehen. Also es ist hart. Und dann kommt natürlich Sherlock Holmes irgendwie wieder und erklärt dann, wie es passiert ist. Die Erklärung ist nicht ganz so gut wie dieses Plotding an sich, aber ich finde das Ende der Staffel damit großartig.
Florian Bayer: Das ist ja sowieso dieses, wenn das... Publikum auch hinters Licht geführt werden soll. Ja, ja, ja. Und diese Erklärungen, wie diese Fake-Tode entstanden sind, meistens so sehr kopfkratzig.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Das hast du überlebt? Nein, Moment, Moment, Moment. Das wollt ihr mir weiß machen?
Johannes Franke: Also, es ist schon, ja. Aber es ist Sherlock-Comics-mäßig schon so ein bisschen mehr als nur, okay, du hast ja irgendwie Superman-Kräfte plötzlich, damit du das überlebst. So ist es nicht. Aber er ist ja sowieso Superman, bloß halt im Kopf.
Florian Bayer: Ja. Eine Sammelnennung auf Platz 2 mit einem hervorstechenden Kandidaten. Ja. Every fucking slasher movie ever. Du denkst immer, der Böse ist tot. Ja, stimmt. Da steht er doch nochmal auf.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und wirklich am gelungensten ist es tatsächlich in dem Genre Urgestein, den ich dir auch irgendwann mal geben muss. Ja. Wenn ich dir wieder Horror geben kann, nachdem ich dich letztes Jahr in Halloween bequem habe. Halloween aus dem Jahr 1978. Michael Myers fällt aus dem Fenster. Mhm. Der große Killer und sieht sehr tot aus. Und dann am Schluss gibt es noch einmal einen Blick aus dem Fenster und wir sehen plötzlich, dass er verschwunden ist. Er hat es doch überlebt. Und es ist ein totales Drop geworden. Hier findet es irgendwie so ein bisschen seinen Anfang. Der Killer, der nicht tot zu kriegen ist. Und vor allem der Killer, wo man gedacht hat, okay, ich habe dich jetzt erstochen, erhängt, geköpft und in die Luft gesprengt. Du kannst nur tot sein. Aber ich will noch einmal nachgucken, um sicher zu gehen. Oh, du bist verschwunden.
Johannes Franke: Oh, ja. Ich hätte eine honorable mention zwischendurch schnell, weil ich keinen richtigen Film dafür gefunden habe, den ich wirklich gut finde. Romeo und Julia. Das ist die Original-Fake-Death-Geschichte, die dann wiederum zum tragischen Ende führt.
Florian Bayer: Wir sollten mal über den Romeo und Julia aus den 90ern mit Leonardo DiCaprio reden.
Johannes Franke: Eigentlich müssen wir das mal machen, ja.
Florian Bayer: Wie heißt sie?
Johannes Franke: Cate Blanchett? Nee,
Florian Bayer: nicht Cate Blanchett.
Johannes Franke: Wer ist denn das?
Florian Bayer: Die aus Homeland und Claire Danes.
Johannes Franke: Claire Danes, stimmt.
Florian Bayer: Aus Homeland und aus dieser ganz großartigen Serie, wenn wir mal wieder über eine Serie reden wollen, dann müssen wir über My So-Called-Life reden. Okay. Die progressivste 90er-Jahre-Serie überhaupt. Nach einer Staffel abgesetzt, weil sie zu progressiv war wahrscheinlich.
Johannes Franke: Okay. Ja, also Romeo und Julia natürlich. Die ursprüngliche Geschichte, die diesen Fake-Death so nach vorne stellt. Ach. Okay, ich hätte auf Platz 2 die Truman Show. Der Vater, der für Truman... realistischermaßen, aber für uns alle, die wir zuschauen, wir wissen, das ist nur ein Fake-Death. Der Vater, der aus der Serie rausgenommen wird, es ist so hart.
Florian Bayer: Ja. Und vor allem großartig, weil es zeigt, was so ein Fake-Death mit dem machen kann, der den erleben muss und der daran glaubt.
Johannes Franke: Genau. Sie lassen ihn ja genau deswegen sterben, weil sie darauf aus sind, ihm Angst vorm Wasser zu machen, weil der Vater irgendwie ertrinkt da im Meer, damit er eben nicht aufs Meer hinaussegelt und sieht, dass da eine große Wand ist. wo seine Welt endet. Es ist ein harter Film streckenweise. Auch wenn es eine Komödie ist und sehr lustig und sehr viele tolle Momente hat, aber das mit dem Vater ist echt ein bisschen hart. Und wir haben auch lange drüber geredet. Hört euch die Episode gerne an.
Florian Bayer: Es gibt eine wirklich schöne Truman-Show-Episode von uns. Mein Platz 1. Hitchcock, Vertigo. Braudi, ihren Tod vor Teufel. Boiler,
Johannes Franke: warten. Boiler.
Florian Bayer: Damn. Kim Nowak täuscht ihren... Tod vor und wird dann zu einer anderen Frau und James Stewart als verzweifelter Privatdetektiv mit Höhenangst forscht ihr hinterher. Großartiger Thriller. Oh Mann, ist der alt. Der ist 58, der ist fast 70 Jahre alt.
Johannes Franke: Wir müssen diesen Film auch gucken, unbedingt. Das muss noch irgendwann sein.
Florian Bayer: Mehr Hitchcock. Wir haben schon einige Hitchcock-Episoden gemacht. Vertigo war noch nicht dabei, aber wir arbeiten uns langsam durch den Hitchcock-Back-Katalog, weil da gibt es echt viel zu entdecken. Ja,
Johannes Franke: gerade für mich als Kameramann ist Vertigo natürlich das große...
Florian Bayer: Oh ja.
Johannes Franke: Okay. Ich habe auf Platz 1, weil wir das erst vor kurzem besprochen haben, obwohl vielleicht auch ein bisschen länger her, die Verurteilten.
Florian Bayer: Oh ja, stimmt. Alter, genau, an den hab ich gar nicht gedacht. Großartig.
Johannes Franke: Aber Achtung, Spoiler, spult gerne so, weiß ich nicht, zwei Minuten vor oder sowas, aber am Ende wird einem als Zuschauer erzählt, ja, der ist jetzt so depressiv, dass er sich umbringt, weil er das auch irgendwie andeutet im Gespräch mit dem anderen Typen, aber eigentlich hat er die ganze Zeit einen Tunnel gegraben. Und das ist wirklich, ich hab da vorgesessen und du hast mich beneidet für diese erste Seherfahrung, dass ich da vorsitze. Und dieses Geräusch höre und denke, scheiße, jetzt hat er sich wirklich umgebracht. Fuck. Und dann schwenken wir rüber zur nächsten Szene und diese Gefängniszelle ist einfach leer. Und wir denken, wo ist er hin? Verdammt. Und hinter diesem tollen Plakat von diesem Pin-Up-Girl ist dieser Tunnel.
Florian Bayer: Ach schön.
Johannes Franke: Es ist so großartig.
Florian Bayer: Mann, in diesem Top 3 haben wir so ziemlich alles gespoilert, was in den letzten... 100 Jahre Film rausgekommen. Sorry Leute. Ihr braucht erst mal mehr zu gucken. Ihr wisst jetzt alles.
Johannes Franke: Das war unsere Top 3.
Florian Bayer: Und damit zurück zu unserem Film. Ja,
Johannes Franke: zurück zu Harold und Maud. Haben wir noch große Baustellen zu öffnen, Plur, um diesem Film gerecht zu werden?
Florian Bayer: Ich habe jetzt so viele Baustellen aufgemacht. Meinetwegen können wir sie mit einem Fazit dicht machen.
Johannes Franke: Das Wurzeln. Dann erzähl mal, Flo, was ist denn dein Fazit? Zu welchem Schluss kommst du nach diesem großartigen Film, von dem du mir nicht sagen kannst, dass er nicht ganz, ganz, ganz großartig ist?
Florian Bayer: Er ist ganz nett. Oh nein! Das Problem ist, er ist wirklich zu nett und das Problem ist, dass der deutlich überlegenere Film mehr als fünf Jahre vorher produziert wurde. Und alle Themen, die die Reifeprüfung angefasst hat und behandelt hat, hat sie eleganter und tiefgründiger behandelt als dieser Film. bis zu dem Punkt, wo ich sage, ja, die Musik von Simon Garfunkel ist besser als die Musik von Cat Stevens.
Johannes Franke: Oh, jetzt wird's richtig hart.
Florian Bayer: Tut mir leid. Was das betrifft, gehe ich eher mit den Kritikern der damaligen Zeit, wo er ja auch nicht so gut abgeschnitten hat.
Johannes Franke: Das stimmt, ja.
Florian Bayer: Aber ich finde trotzdem, ich finde es toll, diese Romanze zwischen dem Jungen und der Alten. Ich finde es toll, dass das gemacht wird, dass wirklich dieser Wechsel des Geschlechts gemacht wird, was den Altersunterschied betrifft. Und dass es überzeugend gemacht wird. Ich finde es auch schön, den Gedanken, das wirklich einfach als Romance zu erzählen, in der dieser Altersunterschied nur in ganz ausgewählten Punkten thematisiert wird. Und ich mag den Eskapismus auch an ganz vielen Punkten. Ich finde die Romantik, es ist am gewissen Punkt zu viel, vor allem Mordquatsch zu viel, aber letzten Endes gibt es sehr viele schöne romantische Bilder. Und den bizarren schwarzen Humor, den finde ich sowieso geil. Also alle Selbstmordaktionen von Harold und alle... Bösartigkeiten, die sie so der Welt entgegenwerfen. Aber ja, wie gesagt, dafür ist er dann halt doch zu brav und zu eindimensional. Sorry.
Johannes Franke: Ich finde, dass dieser Film nicht umsonst ein Cold Following gefunden hat. Weil du ja gerade gesagt hast, er hat am Anfang abgestunken im Kino und ja, hat er, aber es gab dann tatsächlich Kinos, die zwei Jahre lang dieses Ding hatten, wo auch tatsächlich die... Ruth, die die Mord spielt, gekommen ist und im Jahr darauf dann auch noch mit ihm, mit Bud zusammen und dann noch eine Rede gehalten haben in diesem Kino, in dem das einfach zwei fucking Jahre lang gelaufen ist, das Ding. Und das ist nicht umsonst so gewesen. Weil es genug Leute gefunden hat, die Sinn und Verstand haben, im Gegensatz zu dir, Plur. Einfach verstanden haben, dass dieser Film wahnsinnig viel zu bieten hat und auch viel dreidimensionaler ist, als du jetzt denkst. Weil du halt nicht die Gedanken machen möchtest, und dir nicht die Mühe mache, willst darüber wirklich nachzudenken. Steckt alles drin, was man braucht. Und eine schöne Kommöde ist es auch noch.
Florian Bayer: Also offensichtlich heute ein geteiltes Urteil. Ich sage, es ist ein Kann-man-sehen-Film.
Johannes Franke: Es ist ein absoluter Muss-man-sehen-Film. Der ist ausgewählt worden für die Preservation von irgendeinem amerikanischen Institut. Nicht umsonst.
Florian Bayer: Nein, ich kann auch nachvollziehen, dass der zum Kultfilm geworden ist und dass die Hippies darauf abgefahren sind. Das ist ja sowieso logisch und dass die Hippies gesagt haben, den Film müssen wir ganz viel gucken. Wenn man viel gekifft hat, dann findet man sowas halt geil. Dann braucht man keine Konflikte und keine tiefgründige Geschichte.
Johannes Franke: Ich habe nicht viel gekifft, bloah. Ich bin einfach, na gut, vielleicht ist es einfach Körper-Eigenschaft.
Florian Bayer: Johannes, vielen Dank, dass du mir diesen Film, der wirklich ein Klassiker von Ich-Geb-Dir-Filme ist, dass du mir den gegeben hast. Euch vielen Dank fürs Zuhören.
Johannes Franke: Ja, vielen Dank, dass ihr auch diesen Film mitverfolgt und mitgeguckt habt. Ich hoffe, ihr habt ihn wirklich alle gesehen, weil unsere Diskussionen natürlich immer mehr Spaß machen, wenn ihr den Film auch kennt und insofern freute ich auf nächste Woche, wo es wieder einen Film gibt und diesmal von Plor, der mir einen vernünftigen, meinem ebenbürtig einen Film geben wird, keinen Horrorfilm oder so.
Florian Bayer: Wenn ihr wissen wollt, was ihr für nächste Woche unbedingt schauen sollt, wenn ihr nächste Woche einschaltet, dann bleibt noch kurz dran, das gibt es nämlich nach dem Jingle. Ansonsten euch eine fantastische Woche. Lasst es euch gut gehen.
Johannes Franke: Wir freuen uns auf ein Jahr 2025, das noch sehr jung ist.
Florian Bayer: Ja, genau. Wir sind irgendwie noch im Januar jetzt, ne?
Johannes Franke: Ja, mal gucken, was auf uns zukommt. Ich weiß nicht, wie Trump gerade drauf ist. Wenn diese Folge rauskommt, ist er, glaube ich, schon im Amt, oder?
Florian Bayer: Wir nehmen immer ein bisschen Voraus auf. Eigentlich sind wir nicht im Januar, aber ich sage nicht, wo wir gerade sind.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Im September 2018. Genau,
Johannes Franke: wir hören uns. Bis zum nächsten Mal. Ciao.
Florian Bayer: Manchmal haben wir echt komische Enden. Ja, Johannes, ich hab was für dich.
Johannes Franke: Du hast was für mich.
Florian Bayer: Und für das Publikum. Wir müssen wieder ein Western machen. Ein Western? Wir machen so selten Western. Ich mag keine Western, du magst keine Western.
Johannes Franke: Das heißt, wir machen jetzt Spaghetti-Western wieder, oder was? Nee,
Florian Bayer: wir hatten letztes Jahr sehr viel Spaß mit einem. Mein Name ist Nobody, aber jetzt gibt's einen Klassiker aus Amerika. Oh Gott,
Johannes Franke: einen richtigen Klassiker?
Florian Bayer: Einen richtigen Klassiker. Und zwar, wir sind tief in der klassischen Zeit des Western. Okay. Im Jahre 1952. mit einem Film, der gar nicht so ein klassischer Western ist, weil manche sagen sogar, er ist der erste revisionistische Western, der erste Western, in dem Heldentum nicht so dargestellt wurde, wie beim typischen John Wayne Film. Bis zu dem Punkt, dass Leute gesagt haben, dieser Film ist unamerikanisch. Echt? High Noon.
Johannes Franke: Ja, das habe ich mir fast gedacht jetzt.
Florian Bayer: Ein Film, der praktisch in Echtzeit stattfindet und der mittlerweile oft genannt wird in Listen der besten Western. Und meiner Meinung nach dafür, dass er aus dem Jahr 1952 ist, als wirklich Western noch so John Wayne im albernen Hut stammt durch die Prärie. Ein wirklich guter Film. Aber ich bin gespannt, wie du ihn findest. Kennst du ihn?
Johannes Franke: Nee, ich habe ihn nicht richtig gesehen, weil ich auch immer das Gefühl hatte, dass es eben so ein typischer Western ist und ich da immer so ein bisschen Bogen drumrum gemacht habe. Das ist lange her,
Florian Bayer: dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Das heißt, es kann sein, dass mich meine Erinnerung auch trügt und der vielleicht gar nicht so revolutionär ist, wie ich ihn in Erinnerung habe. Aber ich weiß, ich habe den geliebt. Okay. Genau, ich bin sehr gespannt. Lass uns mal gucken.
Johannes Franke: Okay, ich bin gespannt. Sehr schön.
Florian Bayer: High Noon, 12 Uhr mittags, 1954? 1952.
Johannes Franke: Von?
Florian Bayer: Von Fred Sinemann. Nicht,
Johannes Franke: dass man den falschen Film erwischt. Es gibt ja viele Filme, die High Noon heißen. Vor allem in diesem Jahr. Okay, also dann bis zum nächsten Mal. Wir sehen uns. Ciao. Ciao.
