Episode 220: Molière (1978) – Ein vergessenes Barockgemälde
Dieser Film gehört eindeutig in die Rubrik: „Filme die Johannes geprägt haben“. Ich habe ihn als Kind gesehen und war fasziniert vom Theater dieser reisenden Truppe im barocken Frankreich. Dabei zeigt der Film aus dem Jahr 1978 gar nicht so viel vom Geschehen auf der Bühne, sondern viel mehr Eindrücke aus dem Leben von Moliere – oder: Jean-Baptiste Poquelin.
1622 in Paris geboren, wächst Moliere in einer Welt auf, in der er überall Theater sieht. Seien es die Geschichten, die man sich als Kind ausdenkt, der Priester, der etwas sehr theaterhaftes hat, oder die zwei Kutschen, die auf einer Straße nicht an einander vorbei kommen und die Rivalität zum Spektakel wird. Wir verstehen gut, dass Moliere ums Theater nicht herum kommen wird. Der Film nimmt sich 4,5 Stunden Zeit, das komplette Leben dieses berühmten Autoren nachzuzeichnen. Zumindest das, was wir darüber wissen. Nun ja, und sicherlich Einiges, was wir nicht wissen.
Apropos Wissen: Wieviel mehr wissen wir nach dem Film tatsächlich über Moliere? Nach dem Debakel mit der Chaplin Biografie und Jim Carrey als Andy Kaufman und… Cleopatra… macht dieser Film es besser? Was meinst du Plor?
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 220: Molière (1978) – Ein vergessenes Barockgemälde Publishing Date: 2025-03-19T08:05:46+01:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2025/03/19/episode-220-moliere-1978-ein-vergessenes-barockgemaelde/
Johannes Franke: Comedia der Late ist bis heute, zieht sich das durch. Und das berühmteste Beispiel, was mir einfällt, ist Sacha Baron Cohen.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall hat er was davon.
Johannes Franke: Herzlich willkommen ihr da draußen, du hier drinnen, Floor. Herzlich willkommen in meiner Küche.
Florian Bayer: Herzlich willkommen, Johannes. Herzlich willkommen, liebes Publikum, zu einer neuen Episode vom
Johannes Franke: Muss-man-sehen-Podcast. Wo wir frei nach Schnauze improvisieren, wie im 17. Jahrhundert, hast du gerade gesagt, bevor... bevor wir angefangen haben aufzunehmen.
Florian Bayer: Weil wir beide total verzweifelt durch unsere Aufzeichnungen gescrollt sind. Und ich weiß ja nicht, wie es bei dir aussieht, aber bei mir war es so, ah, ah, okay, Absolutismus, ah, okay, französisches Theater, ah, barock, früh Neuzeit. Okay, ich muss hier versuchen, irgendwie Struktur und Ordnung reinzukriegen, weil die Zeit, über die wir heute reden, ist echt nicht meine Zeit. Und das, obwohl ich den Shit studiert habe.
Johannes Franke: Meine Güte, was habe ich dir überhaupt gegeben? Es ist ja auch der Hammer. Wir haben viereinhalb Stunden Film vor uns. Und von einem Film, den ich glaube, also mal ehrlich, Wir sind jetzt irgendwie unter uns, also höchstens zu viert, würde ich sagen. Also ihr da draußen vielleicht zu vier und wir nochmal zwei. Und wir werden uns jetzt im kleinen, eingeweihten Kreis über diesen Film unterhalten, von dem nie sonst irgendjemand gehört hat. Es ist krass,
Florian Bayer: ne? Es ist wirklich eines der... vergessenen Ebenen der Filmgeschichte.
Johannes Franke: Total krass. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte, weil ich hab ihn geliebt als Kind. Hab ich alles auch in meinem Einführungstext, den ich geschrieben habe.
Florian Bayer: Ich hab diesen Film zum ersten Mal gesehen. Ich hab von diesem Film vorher noch nie gehört. Ich wusste nicht, dass dieser Film existiert.
Johannes Franke: Wahnsinn.
Florian Bayer: Molière aus dem Jahr 1978. Johannes,
Johannes Franke: gib mir eine kleine Einführung. Dieser Film gehört eindeutig in die Rubrik Filme, die Johannes geprägt haben. Ich habe ihn als Kind gesehen und war fasziniert vom Theater einer reisenden Truppe. Dabei zeigt der Film gar nicht so viel Geschehen auf der Bühne, sondern eher die Eindrücke des Lebens von Molière oder Jean-Baptiste Poquelon. 1622 in Paris geboren, wächst Molière in einer Welt auf, in der er überall Theater sieht. Seien es die Geschichten, die man sich als Kind ausdenkt, der Priester, der etwas sehr Theaterhaftes hat oder die zwei Kutschen, die auf der Straße... nicht aneinander vorbeikommen und die Rivalität irgendwie zum Spektakel wird. Wir verstehen gut, dass Molière ums Theater nicht herumkommen wird. Der Film nimmt sich viereinhalb Stunden Zeit, das komplette Leben Molières nachzuzeichnen. Zumindest das, was wir darüber wissen. Und naja, sicherlich auch einiges, was wir gar nicht so wirklich genau wissen. Apropos Wissen. Wie viel mehr wissen wir denn nach dem Film tatsächlich über Molière? Nach dem Debakel mit der Chaplin-Biografie und Jim Carrey als Andy Kaufman und, naja, Cleopatra. Macht dieser Film es besser? Was meinst du, Flor?
Florian Bayer: Das waren jetzt zwei Fragen. Die Frage ist, wie viel mehr wissen wir über Molière? Ja. Und was macht der Film besser? Und mal eine spitze These in den Raum geworfen. Dieser Film erzählt uns extrem wenig über Molière.
Johannes Franke: Das ist keine spitze These.
Florian Bayer: Über die Person Molière und um... diese These gleich abzufedern oder zu erweitern. Gut so.
Johannes Franke: Ja, ne? Geil! Ach, danke, danke. Wir bestreiten uns wahrscheinlich nicht so viel in dieser Folge, wenn ich das so sehe.
Florian Bayer: Dieser Film macht nämlich sehr vieles richtig, was genauso Filme wie Chaplin oder auch der Mann im Mond,
Johannes Franke: Moon Man, ja,
Florian Bayer: Man on the Moon,
Johannes Franke: Man on the Moon, genau.
Florian Bayer: Man on the Moon falsch gemacht haben, indem sie versucht haben, jedes kleinste Detail des Lebensweges des Protagonisten einzufangen. Ja.
Johannes Franke: Und Ja. Sich dann wie einen Wikipedia-Eintrag anfühlen, ne?
Florian Bayer: Wie sich wie einen Wikipedia-Eintrag anfühlen. Dieser Film geht, obwohl er von der Kindheit bis zum Tod Molières dessen Leben nachzeichnet, einen komplett anderen Weg, in dem er vielmehr dieses Leben Molières nimmt, um eigentlich ein Sittengemälde vom Frankreich des 17. Jahrhunderts zu zeichnen. Und dabei ignoriert er ganz viele Sachen, wo jeder Theaterwissenschaftler, jede Literaturwissenschaftlerin sagen würden, ... Das ist voll wichtig, um Molière zu verstehen, musst du wissen, was das für große Skandale waren. Wie er gekämpft hat für den Tartuffe, wie er in diesem Zwiespalt lebte. Auf der einen Seite Haus und Hof Dramatiker zu sein von Louis XIV, auf der anderen Seite trotzdem Gesellschaftskritik üben zu wollen. Das unterschlägt der Film fast komplett.
Johannes Franke: Fast komplett, also nicht ganz komplett, weil er natürlich die Gespräche, die daraus resultieren, schon so ein bisschen mit drin hat, aber die so vom Kontext loslöst. dass wir nicht verstehen, dass sie da gerade drüber reden. Manchmal wissen wir nicht, was wir da überhaupt für eine Szene sehen.
Florian Bayer: Definitiv. Es sind ganz viele Insider-Gespräche. Ja. Wenn man sich danach so ein bisschen mit Molière auseinandersetzt, mit seiner Geschichte als Dichter, da versteht man, ah, das hat der Film versucht, da zu erzählen. Aber er ist offensichtlich, er ist ja auch von einer Theaterfrau gemacht. Ja. Für Theatermenschen. Genau. Ariane Mnuchin war die Regisseurin. Mhm. Und... Die kam aus einem Theater, die kam auch aus einem wilden Theater, ähnlich wie Molière, die hat in einer Kommune gelebt.
Johannes Franke: Genau, die sie selbst gegründet hat.
Florian Bayer: Die sie selbst gegründet hat,
Johannes Franke: Theaterkommune.
Florian Bayer: In einer Fabrikhalle haben die gelebt und haben da gelebt und gearbeitet, also sie hat das gar nicht so. unähnlich gemacht wie Monier, auch zum Beispiel, die haben alle die gleiche Gage gekriegt.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: genau.
Johannes Franke: Sowohl Crew als auch Schauspieler, dass man wirklich ganz paritätisch sagt, jeder hat hier Zeit investiert, alle wohnen und leben hier, also kriegen auch alle das gleiche Geld.
Florian Bayer: Und sie war gleichzeitig natürlich auch so Akademikerin, die sich mit dem Theater auseinandersetzt. Also Theatermensch sowohl in Theorie als auch in Praxis. Und sie versucht gar nicht... erst irgendwie dem Publikum hier einen Erklärbären aufzubinden und zu sagen, okay, ich zeige euch, was passiert und worum es hier überhaupt geht, sondern sie sagt einfach, lass die Bilder für sich sprechen und wir schauen mal, wo wir rauskommen. Und das, obwohl sie Off-Texte hat. Wir haben diese Off-Texte, wo erzählt wird, und dann war Molière unterwegs, und dann hat Molière das gemacht.
Johannes Franke: Und ich fast schon so viel, muss ich sagen.
Florian Bayer: Was so ein bisschen Halt gibt. Ja, aber dazwischen passieren Dinge, die einfach passieren.
Johannes Franke: Ja, genau. Aber irgendwie... Fand ich, dadurch, dass der Film diese Richtung eingeschlagen hat, mir einfach nur gefühltes, also Moods zu geben, ist diese Stimme fast schon so Alien-mäßig so viel.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Also nur an, nicht immer, aber so an manchen Stellen denke ich dann, ja, braucht es jetzt eigentlich fast gar nicht.
Florian Bayer: Sie wirkt immer ein bisschen wie ein Fremdkörper, aber ich finde einiges in diesem Film, was passiert, wirkt wie ein Fremdkörper, weil wir haben immer wieder diese eingestreuten, surrealen Momente. Wir haben Dinge, die geschehen, die teilweise erklärt werden, teilweise nicht erklärt werden. Und du siehst es und denkst, nein. So ist kein Mensch im 17. Jahrhundert wie Icarus durch die Lüfte geflogen. Das geht nicht,
Johannes Franke: das ist nicht möglich.
Florian Bayer: Und wenn eine Bühne auf Rädern durch den Wind ihr eigenes Leben entwickelt, dann passiert das nicht so, wie das in diesem Film gezeigt wird. Das ist übersteigerte Realität.
Johannes Franke: Obwohl das wiederum auf etwas zurückzuführen ist, was diese Regisseurin mit ihrer Truppe selbst erlebt hat. Bei einer Vorführung von einem ihrer Stücke, das haben sie drinnen vornehmlich gemacht und da haben sie es auch outdoors gespielt. Und draußen ist das einfach mal so passiert. Die sind einfach mal vom Wind davongetragen worden.
Florian Bayer: Aber nicht so wie in dieser Szene. So wird eine Bühne nicht davongetragen, inklusive Todesangst. Auch inklusive Eigenleben der Bühne, was natürlich ein total schönes Bild ist. Ja, natürlich. Die sich selbstständig macht. Großartig. Und die KünstlerInnen, die draufstehen, verzweifeln und wissen nicht, was passiert. Und gleichzeitig ist es Teil des Stücks und des Spektakels.
Johannes Franke: Das ist so krass. Das ist die Szene. Aber lass uns später auf die Szenen einzeln eingehen, weil das ist jetzt schon so weit vorangegriffen.
Florian Bayer: Zumindest ganz kurz, bevor wir in den Film einsteigen. Um die Gravitas, dem Publikum deutlich zu machen. Die, die den Film nicht gesehen haben, guckt ihn euch an. Auf jeden Fall. Auf Amazon Prime. Auch in... der wirklich langen Fassung. Es gibt offensichtlich verschiedene Fassungen. Im deutschen Fernsehen lief mal eine dreieinhalbminütige
Johannes Franke: Version. Dreieinhalbminütig?
Florian Bayer: 300?
Johannes Franke: Achso, 300.
Florian Bayer: 120 Schauspieler, 600 Statisten, 1300 Kostüme, 220 Schauplätze. Wow. Wir haben vor uns ein richtig traditionelles, europäisches Arthouse-Historien-Epos. Ja. Lange, große Bilder, viel Kostüme und der Versuch, radikale Immersion zu betreiben, indem uns der F... voll reinwirft ins Geschehen des 16. Jahrhunderts. Und 17.
Johannes Franke: Jahrhunderts.
Florian Bayer: Und nichts erklärt.
Johannes Franke: Einfach wirklich nur und sagt hier, erlebt jetzt dieses Gespräch mit, egal ob ihr es jetzt einsortieren könnt oder nicht. Guck mal hier, wird jetzt eine junge Frau verheiratet in einer Kirche. Was hat das mit allem zu tun? Keine Ahnung. Wenn du weißt, worum es in Tativ geht, weißt du, warum die Szene da drin ist. Aber das erzählt dir der Film nicht.
Florian Bayer: Und das Krasse ist ja tatsächlich, Wie gesagt, es geht ganz oft gar nicht so um Molière. Wir schwanken nämlich durch die Welt, in der Molière sich bewegt, in der Molière lebt. Und wir sind mittendrin und wir sind halt im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Und du denkst, vor allem in der ersten Stunde, wenn wir die Stadt sehen, die Stadt Paris, in der Molière aufgewachsen ist. Gott sei Dank gibt es kein Smell-O-Vision.
Johannes Franke: Oh Gott, ja das stimmt. Oh Gott, oh Gott, oh Gott.
Florian Bayer: Das 17. Jahrhundert ist dreckig und das 17. Jahrhundert stinkt. Und jeder, der die ersten Seiten vom Film gelesen hat, was sehr viele wahrscheinlich haben, weiß jetzt, wovon ich rede. Und dieser Film schafft es mit seiner Kamera und mit seiner Inszenierung, uns dieses Gefühl auch zu geben.
Johannes Franke: Wobei ich nicht ganz sicher bin, ob es mir nicht teilweise zu viel ist. Sie setzt sich schon sehr drauf. Und wie dachtest du zwischendurch? Jetzt versuchst du aber auch wirklich so ein bisschen sensationalistisch.
Florian Bayer: Es war tausendmal schlimmer. Das ist ja das krasse. Also hier übertreibt sie nicht im geringsten. Wenn ihre Kamera die Menschenmengen ist. Wir haben ganz oft diese Kameras, die in diesen Menschenmassen sich bewegen und hin und her geschleudert werden. Du verlierst den Überblick und dann fliegt da Dreck rum und dann siehst du eine scheiße Pfütze und dann siehst du die Gossen auf den Straßen. Dann siehst du die Kinder, die alle dreckig sind, alle das Gesicht voll haben mit ihrer eigenen Kacke. Das war das 17. Jahrhundert. Das ist das Stadtleben im 17. Jahrhundert. Sie übertreibt da in keinster Weise. Es ist einfach eine perverse Zeit.
Johannes Franke: Gerade wollte ich dir noch Tee anbieten, Flo. Aber ich weiß nicht, ob ich noch Lust auf Tee habe. Komm, wir probieren es mal. Ich gebe dir mal Tee.
Florian Bayer: Und ich finde es geil, vielleicht um das ganz kurz noch vorwegzugreifen. Wir können total gerne reingehen in die einzelnen Stationen. Aber was der Film natürlich wirklich gut macht, ist, dass er uns das 17. Jahrhundert in den drei wesentlichen Facetten zeigt. Er zeigt uns das Leben der reichen Oberschicht und Mittelschicht in der Stadt, wie Molière groß geworden ist. Dann zeigt er uns die radikale Armut auf dem Land durch die ganzen Kriege, nicht anderen bedingt die Hungersnöte.
Johannes Franke: Total krass auch, die Szene dazu ist total krass.
Florian Bayer: Und dann zeigt er uns den Prunk am Hofe und das Typische, was wir heutzutage sehr viel mit Barock verbinden, diesen Reichtum, Clan und Gloria und alles. und dekadent angezogen und verhalten sich dekadent. Und das ist schön, und das Leben Molière bietet das auch an, dass der Film es schafft, durch diese Stationen, durch die er geht, uns alle drei Facetten des barockischen Lebens zu zeigen. Und er legt los mit der Kindheit in der Stadt. Der junge Molière.
Johannes Franke: Der junge Molière. Fängt an mit so einem Kinderspiel. Er ist irgendwie zehnjähriger. Es wird, glaube ich, am Anfang gesagt, und dann dachte ich schon, weil ich... weil ich vorher schon angefangen hatte, so ein bisschen zu recherchieren über Molière. Und dann kommt das, zehnjährige Molière und ich denke so, nein, das ist doch das Jahr, wo die Mutter stirbt, oh nein, oh nein. Und dann zeigt er mir aber erstmal eine glückliche Kindheit, eine tolle Beziehung zur Mutter und baut mir natürlich erstmal die Trauer im Moment auf, den ich dann haben werde, wenn die Mutter stirbt. Und das ist so hart, weil er auch seine Mutter abgöttisch liebt und auch extra eine Laus besichtigt. organisiert,
Florian Bayer: was für ein süßer Moment. Er sieht, wie andere Kinder den Kopf gekrault kriegen, auf der Suche nach Läusen. Und dann sagt er zu seinem besten Freund, sag mal, bist du Läuse? Und er sagt, ja, kannst du mir eine geben? Und dann haben wir auch tatsächlich anschließend diese Szene, wie er bei seiner Mutter sitzt, unten im Schoß und sie krault ihm durchs Haar. Und das ist einfach pures Kinderglück.
Johannes Franke: Ja, total unglaublich. Ich finde den Schauspieler total süß. Der macht das wirklich sehr, sehr gut.
Florian Bayer: Und doch auch noch mal ... Was mich an diesen Anfangsmomenten fasziniert hat, war gar nicht so sehr eine emotionale Bindung zu Molière selbst, zu diesem Kind, sondern dieses Potpourri an Situationen, die wir haben. Diese beiden Kutschen, die sich gegenüberstehen.
Johannes Franke: Der absolute Wahnsinn.
Florian Bayer: Zwei Adelige wollen nicht Platz machen.
Johannes Franke: Was natürlich Muschkin, glaube ich, hier machen möchte, ist zu zeigen, wie ich in meinem Eingangstext ein bisschen angedeutet habe, dass... Molières Leben voll von Theater ist, bevor er Theater selber anfängt zu machen. Und das ist ja wirklich, das ist ja eine Satire für sich, die beiden Adligen, die da voreinander stehen, nicht aneinander vorbeikommen mit ihren Kutschen, weil sie halt viel zu enge Straßen in dieser Stadt haben, in Paris, was damals noch nicht das Paris war in der Größe, was es heute ist.
Florian Bayer: Aber es war ein verdammt großes Paris, vor allem für die damalige Zeit. Die waren überfordert mit dem Wachstum der Städte, deswegen war das jetzt 17. Jahrhundert auch so dreckig, weil wir haben hier dank Humanismus, Renaissance, früher Neuzeit, haben wir zum ersten Mal so ein Bürgertum, das ein bisschen Selbstbewusstsein entwickelt. Und Molières Familie gehört da voll dazu, die Oberschicht.
Johannes Franke: Aber das kommt auch gerade wirklich genau in diesen Moment, so 17. Jahrhundert, vielleicht ein bisschen früher fängt das überhaupt an, diese Klasse sich zu bilden des Bürgertums.
Florian Bayer: Genau, wir haben nicht Bürgertum, wie sich es dann später im 18. Jahrhundert verstanden hat. Wir sind früher, es ist noch nicht dieses... Bewusstsein. Aber was passiert ist, dass die Leute, die es irgendwie schaffen, zu Geld zu kommen, die Städte ziehen. Und die Städte können nicht Schritt halten. Die Städte sind extrem überfüllt. Das heißt, wir haben hier Menschen, die eigentlich relativ viel Geld haben. Molière kommt aus einer reichen Familie. Aber die trotzdem extrem beengt leben. Und die auch, wie gesagt, die Scheiße vor der Tür haben.
Johannes Franke: Und das macht ein bisschen einen komischen Zwiespalt auf beim Gucken. Weil ich die ganze Zeit denke, ich weiß doch, Molière ist doch in einer Familie aufgewachsen, der Vater ... war beim König angestellt als Polsterer und Teppichbeauftragter. Also warum sehe ich hier so viel Dreck und so viel Schlimmes? Das erklärt mir der Film natürlich auch wiederum nicht. Der schert sich überhaupt nicht um als Zuschauer, sondern er will einfach nur uns da reinwerfen und zeigen. Was ich total gut finde eigentlich. Aber es führt halt immer wieder dazu, dass ich mir Fragen stelle während des Films.
Florian Bayer: Es ist, glaube ich, auch so ein bisschen ein Versuch, so diesen Zeitgeist zu erfassen. Wir haben so ein... So einen chaotischen Zeitgeist. Wir haben so ein Gefühl von totaler Überladung. Und ich glaube, in Frankreich funktioniert das noch ein bisschen anders als in Deutschland. Weil Deutschland ist damals im 30-jährigen Krieg rumgekriegt. Da haben die Leute einfach nur gelitten und sind gestorben. Und Frankreich war immer so in einer Peripherie irgendwie in Kriege verwickelt. Aber in Frankreich gab es gleichzeitig diese Städte, die halt groß geworden sind. Und wo verschiedene Lebensrealitäten aufeinander geklatscht sind. Und dann haben wir halt auch sowas wie dieses Fastnachtsspiel. Ja. Diese Karnevalisten, die in das Haus dann ein... Ein Sch... stürmen von der Familie von Molière.
Johannes Franke: Aber sie lassen sie auch rein. Es ist jetzt kein Überfall oder sowas, sondern es scheint etwas zu sein, was einfach Tradition ist. Du hast dann Leute, die dann kommen und dann musst du sie reinlassen und dann machst du mit denen deine Spielchen und die kriegen was zu essen und du kriegst ein bisschen Entertainment.
Florian Bayer: Genau und offensichtlich auch mit offenen Armen empfangen, vor allem von dem Großvater Molière, der eine ganz liebenswerte Figur ist.
Johannes Franke: Ja, total.
Florian Bayer: Es gibt auch nachher diese schöne Szene, wenn Molière sagt, okay und jetzt will ich Schauspieler werden. Dann gibt es diese Kamerafahrt auf das Bild seines grinsenden Großvaters, der schon lange tot ist, aber der offensichtlich aus dem Grab heraus sagt, ja,
Johannes Franke: gut gemacht, Junge.
Florian Bayer: Und dann haben wir dieses Aufeinanderstoßen. Wir haben das Bürgertum, das extrem viel Geld hat und die sitzen da beim Essen. Die haben dieses Brot und dann gleichzeitig diese wilde Karnevalsgesellschaft und es geht einfach drunter.
Johannes Franke: drüber.
Florian Bayer: Und du versuchst deine Gedanken und vor allem deine Wahrnehmung irgendwie so zu sortieren, aber du scheiterst daran, weil so viel passiert.
Johannes Franke: Wäre für mich überhaupt nichts gewesen. Ein Mensch, der gerne seine Privatsphäre hat und sehr gerne auch mal die Hälfte des Tages für sich alleine, wo zurückgezogen lebt. Und ich glaube, damals mit all den Leuten und mehreren Leuten, die in einem Zimmer schlafen und überall Lärm. Gott, oh Gott, oh Gott, ich wäre so untergegangen.
Florian Bayer: Was aber auch irgendwie geil ist. Ich stehe da drauf. Und der Film macht es einem tatsächlich nicht leicht, das von außen geil zu finden, weil der Film dich reinwirft. Weil du halt die ganze Zeit auch drin bist in diesem Chaos. Aber... Fast diese Widersprüchlichkeiten halten gut zusammen. Wenn wir an diese Barockzeit denken, denken wir ja oft an diesen Widerspruch zwischen dem Carpe Diem und Memento Mori. Und so zum einen, dass du weißt, alles geht vorbei und das Leben ist extrem kurz. War es damals auch.
Johannes Franke: Teilweise.
Florian Bayer: Und gleichzeitig dieses, aber dann mach das Beste draußen, versuch es zu genießen. Auch so die erste leise Kirchenkritik. Und das ist da alles drin. Und das ist wild und das ist bunt und das ist auch voller Widersprüche.
Johannes Franke: Ja, total. Du fühlst dich in dieser Zeit sofort so in. Sehr familiär und irgendwie so, auch wenn es laut ist und wenn viel los ist, aber das bedeutet ja auch, dass du dich irgendwie familiär aufgefangen in einem sozialen Gefüge fühlst. Ja. Auch wenn ich dann eher an die Unterschicht denken muss, obwohl Molière eben nicht zur Unterschicht gehört. Und mir der Film dann auch nicht so richtig klar machen kann, warum er sich überhaupt in der Lage sieht zu entscheiden, ich will Schauspieler werden. Es ist ja ein kleines bisschen, muss man sagen, wenn man sich mit Molière beschäftigt, auch eine Entscheidung, die er... Was heißt sich nicht leisten, sich leisten konnte oder nicht leisten konnte, ist eine eine andere Sache, aber es ist schon so ein bisschen eine Wohlstandslangeweile, die ihn getrieben hat.
Florian Bayer: Definitiv, auf jeden Fall. Versuche mir Molière einzuordnen. Bist du Molière-Fan?
Johannes Franke: Ich habe keines seiner Stücke richtig gesehen. Ich muss eine ganz kleine Geschichte erzählen. Als ich auf dem Internat in Berlin war, als ich auf der Artistenschule war, hatte ich ein Auge geworfen auf eine... von der Schule, die ich sonst nie richtig gesprochen habe.
Florian Bayer: Wir kommen wieder zu dem Kapitel. Johannes beschäftigt sich mit Kultur, weil er einen Blick auf eine Frau geworfen hat. Shit.
Johannes Franke: Wie viele?
Florian Bayer: Wie viele? Also, pass auf. Jede zweite Woche, wenn wir über einen Film reden, kommt Johannes mit irgendeiner Frauengeschichte.
Johannes Franke: Oh Gott. Bei Razorhead hatte ich irgendwas mit einer Schwangeren.
Florian Bayer: Also ehrlich, machst du diesen Podcast eigentlich auch nur, um eine Frau rumzukriegen? Hast du irgendwo eine Podcasterin kennengelernt? Oh ja, ich mache auch Podcast. Bloor, bloor, bloor, komm schnell, wir müssen Podcast machen.
Johannes Franke: Hast du das nicht mitbekommen? Ich versuche, dich rumzukriegen.
Florian Bayer: Verdammt, so ist das. Ich hätte die subtilen Hinweise richtig scheuen sollen.
Johannes Franke: 200 Episoden.
Florian Bayer: Und jetzt zieh bitte was an.
Johannes Franke: Sehr gut. Okay, also, ich habe ein Auge auf jemanden geworfen und ich war so, so in meiner Welt, was ich geil fand, dass ich Karten besorgt habe für der eingebildete Kranke und dann bei ihr vor der Tür stand und sie mich sehr seltsam angeschaut hat und gesagt, nee. und dann die Tür wieder zu gemacht hat und ich gedacht habe, was ist denn jetzt los? Der angebildete Kranke, wer lässt sich das entgehen?
Florian Bayer: Sie war gar kein Molière-Fan,
Johannes Franke: sondern sie war ja einfach nur irgendjemand aus der Schule.
Florian Bayer: Und dann hast du das Stück nicht gesehen, weil du nicht allein gehen wolltest.
Johannes Franke: Nein,
Florian Bayer: ich wollte es nicht allein entgehen. Oh, ist das traurig. Die Geschichten enden auch sehr oft sehr traurig. Ja,
Johannes Franke: das stimmt. Die haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin.
Florian Bayer: Okay, also du hast Molière verpasst, weil die Frau deiner Träume nicht mit dir hingehen wollte.
Johannes Franke: Genau, und dann habe ich keinen einzigen Molière geguckt, aus Trotz. Aber ich fand diesen Film so großartig und ich glaube, Molière hat vieles zu bieten, ohne dass ich das wirklich jemals gesehen hätte.
Florian Bayer: Ich bin kein großer Molière-Fan. Ich habe aber von Molière auch nicht viel gesehen. Ich kenne den eingebildeten Kranken und dann irgendwas anderes noch, aber dann verschwindet auch alles schon so in Erinnerung. Und ich bin einfach nicht so ein Fan von dieser Art von Komödie. Ja, deswegen...
Johannes Franke: Aber was ist denn die Art von Komödie? Das interessiert mich jetzt mal.
Florian Bayer: Also und das ist jetzt voller Vorurteile und jeder Romanist würde mir jetzt den Hals umdrehen. Okay. Für mich ist Molière so ein bisschen eine Art von sehr leichtem Spott, der nie so richtig in Fahrt kommt, weil er halt so leichter Spott ist.
Johannes Franke: Da finden wir auch in diesem Film raus, warum das so ist. Ich glaube, er hätte mehr drauf gehabt.
Florian Bayer: Vielleicht. Ich weiß es nicht genau. Auf jeden Fall bietet dieser Film diese Interpretation. Und wenn man in die Theatergeschichte geht und sich vor allem mit seiner Geschichte des Tages... tiefer auseinandergesetzt, dann hat er ja viel mehr geplant und viel mehr vorgehabt. Vielleicht, aber ändert nichts daran, dass das für mich irgendwie so Molière irgendwie immer damit verbunden war. Und dann auch irgendwie so, das ist so das typische Ding, womit Schüler gequält werden, die Französisch lernen. Molière ist einfach der Klassiker, den du lesen musst. Und dann bin ich doch eher bei den Englischschülern und Shakespeare.
Johannes Franke: Ja, und es ist ja, der Vergleich hinkt ja nicht mal, sondern es ist ja genau die gleiche Zeit. Shakespeare auf der anderen Seite in London, beziehungsweise in Ah, jetzt hab ich den Geburtsort. wieder vergessen. Meine Güte, ich brüste mich immer damit, dass mir der sofort immer einfällt.
Florian Bayer: Wie viele Städte gibt es, die behaupten, hier war Shakespeare, das war Shakespeare's wichtigster Ort? Das ist etwa wie mit Goethe und Schiller irgendwie. Jede zweite deutsche Kleinstadt hat eine Schiller-Statue, weil Schiller irgendwann da mal vorbeigefahren ist, als er unterwegs nach Weimar war.
Johannes Franke: Aber Schiller und Goethe sind mehr in der Welt rumgereist als Shakespeare, muss man sagen. Shakespeare hat größtenteils in London gewirkt.
Florian Bayer: Molière ist mehr in der Welt umhergereist als Shakespeare.
Johannes Franke: Das stimmt. Ja, wollen wir irgendwie in die Geschichte noch ein bisschen weiter, wollen wir einfach vorangehen ein bisschen? Er hat seine Kindheit dort und steckt im Schlamm, um sich vor Leuten zu schützen, die versuchen zu fangen.
Florian Bayer: Ganz großartig, zumindest um diese eine Szene noch erwähnt zu haben, aus seiner Kindheit, auch wieder theatralig. Diese Predigt in der Scheune. Genau. Was für eine geile Szene. Krass. Und die ist auch ziemlich lange und wir haben diesen Predigter, der wirklich wütend ist über das neue Menschenbild und über die Ketzer, die jetzt irgendwie langsam in die Köpfe der Menschen eintreten.
Johannes Franke: Ich fand es eine total gute Meditation über dieses Thema auch. Also es war wirklich gut. Er hat das auch gut gemacht und wieder ein Moment, wo ich denke, okay, hier ist jemand, der Theater spielt. Das Urmittel des Priesters, Theater, um die Leute zu kriegen.
Florian Bayer: Ja, absolut. Und auch genau, auch wirklich mit einem großen... Pathos und auch mit so ein bisschen spitzbübigem Humor, so in einigen Sachen, die er sagt und mit einem wunderbar rhetorischen Geschick. Und dann wie ein Derwisch wütet er durch diese Scheune und die Kinder wirken trotzdem alle mehr oder weniger gelangweilt.
Johannes Franke: Ich verstehe es gar nicht, ehrlich gesagt, weil ich denke dann immer die müssen doch an seinen Lippen hängen. Das ist ja der Hammer, das ist ja der absolute Wahnsinn. Die haben doch kein Kino. Also das muss doch das Highlight sein eigentlich.
Florian Bayer: Und dann die dritte große Szene in dieser Kindheit, auch wie er die der Theatralik mitmacht. wenn seine Mutter gestorben ist, geht der Großvater mit ihnen zum Theater. Und sie gucken Comedia della... Also zumindest habe ich gedacht, das ist irgendwie was, was man da sieht, so dieses typische... Bin ich auch kein großer Fan von übrigens.
Johannes Franke: Comedia dell'arte. Darüber müssen wir dann aber auf jeden Fall reden als Einfluss auf Molière. Was eigentlich Comedia dell'arte ist und wo das herkommt und was das soll und was er davon übernommen hat und wie und was und wo.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Auf jeden Fall sehen wir so eine typische Vorführung mit Masken und mit Improvisationen und alberem Humor mit dem Tod. Und dann haben wir diese surreale Szene von dem Fliegenden, der plötzlich über diesem Marktplatz ist und wir wissen auch nicht, wo das herkommt oder was das soll. ein Mensch fliegen kann mit so einer Apparatur. Wir sehen es einfach.
Johannes Franke: Das ist wunderschön, oder?
Florian Bayer: Ich bin voll gefesselt. Also ich hätte auch tatsächlich noch mehr von der Kindheit nehmen können, weil es auch passt zu diesem Blick des staunenden Kindes Molière. Dass du durch die Welt gehst und alles irgendwie als Show wahrnimmst und als große Sache, auch ganz süß, wenn er festgebunden ist und sein Freund ihn dann rettet und dann dieses Theater aufführt dabei und wir haben dann diesen Reaction-Shot von dem jungen Molière, der festgebunden ist und mit einer Bewunderung, Verzauberung, Begeisterung dazuguckt, wie sein Freund einfach nur mit sich selbst spielt.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Es ist wunderschön.
Johannes Franke: Und dann so auch einsteigt und dann stirbt und sagt, psst, nein, es ist besser, wenn die Frau stirbt. Das ist viel tragischer. Das ist so schön. Das ist auch so dieser Inszenierungswille, der da so ein bisschen drinsteckt. Das Kind, das schon jetzt bestimmen will und sagen will, ich inszeniere das jetzt. Ich will... dass das nach dem läuft, wie das in meinem Kopf jetzt funktionieren könnte.
Florian Bayer: Das ist der erste große Block. 45 Minuten habe ich aufgeschrieben, roundabout. Also wir haben am Schluss, also ich habe den Film in vier Blöcke unterteilt, für mich so ein bisschen Struktur da reinzukriegen. Und zwar ganz banale Kindheit, die Jugend, das sind jeweils 45 Minuten.
Johannes Franke: Studieren und so. Das ist genau,
Florian Bayer: studieren und so. Und bis zum Kennenlernen der Theatergruppe. Und dann der nächste große Block ist, sie sind unterwegs, auf der Straße, in Südfrankreich waren sie, glaube ich, unterwegs. Das ist auch 45 Minuten. Und dann der vierte Block ist auch der größte, das ist in Paris am Hof. Das sind die letzten zwei Stunden.
Johannes Franke: Damit hast du natürlich den Anfang ein kleines bisschen unterschlagen, der ganz, ganz, ganz am Anfang vorgelagert ist. Was ich auch ganz interessant finde, wir sehen ja den alten Molière ganz kurz am Anfang. Also wir sehen eine Dame durch den Raum laufen. sich viel Zeit nehmen, wir haben ja vier Stunden Zeit, also können wir das auch noch machen. Wir gucken ihr dann lange dabei zu, wie sie diesen Raum einmal durchschreitet, damit wir den Raum auch beobachten können und wissen können, wo wir da sind. Dann geht sie rüber zu Molière, der schon hustet und ein bisschen spiegelt das das, was Ariane Muschkin macht, die tatsächlich ihre Vorstellungen manchmal damit beginnt, dass sie Zuschauern die Möglichkeit gibt, den Schauspielern dabei zuzusehen, wie sie sich schminken. Wie sie in die Rolle reinkommen. Das war so in ihrer Kommune und mich wundert das nicht ganz, dass das so ein Gedanke ist. Dieses gemeinsame ins Theater hineinkommen,
Florian Bayer: stehe ich voll drauf.
Johannes Franke: Finde ich total spannend. Und das macht sie irgendwie auch mit dieser ersten Szene, dass wir erstmal, die Schauspieler kommen in ihr. ihren Rollen an. Ja, so ein bisschen. Das finde ich spannend.
Florian Bayer: Ich war in einem Familienzirkus vor ein paar Jahren. Ein sehr einfacher, sehr kleiner Zirkus. Auch gar nicht eine besondere Vorstellung, aber die haben es genau richtig gemacht am Anfang. Und zwar haben sie den Hauptclown dahingesetzt und er hat sich geschminkt vom Spiegel mit dem Rücken zum Publikum. Und sie haben dabei Bring in the Clowns gespielt. Dieses sehr melancholische Getragen über Clowns. Versuchen die Menschen zum Lachen zu bringen. Und das war wunderschön. Das waren einfach die ersten fünf Minuten. Dieser Mann, der vorm Spiegel sitzt und sich die Clownmaske aufträgt, während dieses melancholische Lied läuft. Stehe ich total drauf. Finde ich auch gut in diesem Film, dass es diesen Inhaltsmoment gibt. Jetzt kommen wir langsam da rein und wir starten mit dem Sterben.
Johannes Franke: Ja, genau. Wobei wir es natürlich nicht sehen, aber es ist so ein bisschen die nächste Szene, die anschließend würde daran ist halt sein Tod.
Florian Bayer: Und dann auch diese Haltung des Films, die der Film die ganze Zeit durchzieht. die unsere Aufsprecherin dann sagt, wie wir alle wissen, ist Molière dann und dann gestorben. Und ich so, nee,
Johannes Franke: weiß ich nicht.
Florian Bayer: Auf jeden Fall Dank für die Erinnerung, aber willst du jetzt nicht zu viel Wissen voraus?
Johannes Franke: Aber man muss dazu sagen, dass Frankreich doch sehr noch mit Molière verbandelt ist. Die machen das seit 400 Jahren, ist das wichtige Lektüre für alle Schüler in Frankreich.
Florian Bayer: Nein, nein, ohne jeden Zweifel. Molière ist für Frankreich das, was Goethe für Deutschland, was Shakespeare für England ist.
Johannes Franke: Also...
Florian Bayer: Der wichtigste Dichter des Landes, ohne jeden Zweifel.
Johannes Franke: Und wenn wir dann denken, okay, Ariane, die hat das gemacht für Landsleute, dann kann sie das wirklich verursachen.
Florian Bayer: Ist nachvollziehbar, ja, auf jeden Fall.
Johannes Franke: Und dann kann ich auch sagen, okay, vielleicht jetzt im Land selbst verstehen den Film auch die Leute anders als wir, die mit dem Moliere einfach nicht aufgewachsen sind.
Florian Bayer: Weiß nicht, ich glaube,
Johannes Franke: also heute ist nochmal was anderes, aber der Film ist ja auch schon ein bisschen älter, der ist von 78. Das waren auch nochmal andere Zeiten.
Florian Bayer: Also Hintergrundwissen über die Volksdichter ist meistens relativ rar gesät. Also wenn du jetzt auf der Straße angesprochen würdest, was weißt du über Goethe? Das wäre auch nicht so einfach. Du würdest jetzt auch nicht das Leben von Kleinen zusammen kriegen,
Johannes Franke: oder? Um Gottes Willen.
Florian Bayer: Okay, wir haben die Jugend von Molière. Und auch hier wieder eine Kaskade an Eindrücken. Aber vor allem ein Eindruck, eine Szene, die extrem lange ist. Und ich habe mich in der Kindheit schon in den Film verliebt. Also als die Kindheit gezeigt wird. Aber als wir dann... sein Studium in Orléans haben und diesen Studentenaufstand sehen, beziehungsweise diesen Karnevalsaufstand, diese absolute Eskalation der Feier, inklusive die Soldaten, die dann kommen und auf die Leute einprügeln, der brennende Wagen, der dann vorbeirollt. Wir haben fast sowas wie ein Fest, das sich zu einer Apokalypse entwickelt. Es ist großartig und es dauert ewig.
Johannes Franke: Es dauert so lange. Ich weiß nicht, ich hab nicht auf die Uhr geschaut, aber wir haben bestimmt eine halbe Stunde nur diese eine Sache. Das ist so krass. Aber ich meine, also entweder könnte man denken, okay, sie hat sowieso nicht viel Geld gehabt, also hat sie aus allem, was sie irgendwie gekriegt hat an Bildern, was gemacht. Hat gesagt, okay, das kann ich nicht alles wegwerfen, das muss alles in den Film hinein. Aber natürlich hat sie eine eigene Idee dahinter. Die Frage ist bloß, ob das trägt. Trägt das so lange? Für mich in dem Moment ja, aber ich weiß nicht, ich denke doch drüber nach. Also es ist nicht so, dass ich da nicht zwischendurch mal aussteige und denke, wie lange will der denn das jetzt noch machen?
Florian Bayer: Es gab nachher Szenen, die mich mehr gelangweilt haben. Also wo es eher war, wo ich dachte, oh, reicht.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: In dieser Szene nicht. Und das liegt vor allem daran, dass ich so hin und her geschubst werde. Ja. Die ganze Zeit stolperst du durch diese Leute und gegen diesen einen Typen von den Frömmlern, der dann den Hut geklaut kriegt. Und du bist da einfach mittendrin. Es ist so ein bisschen nicht Achterbahnfahrt, aber es ist so Live-Action-Theater. Du bist wirklich mittendrin.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und du riechst das und du spürst. spürst das und du hörst das und du weißt, dass die Luft kocht und dass es jederzeit explodieren kann. Und ich finde, diese Länge ist extrem wichtig, um zu zeigen, wie das eskaliert und wie das explodiert und wie die Leute sich zum einen selbst in Rage bringen, zum anderen aber auch tatsächlich berechtigt einfach ihrer Wut freien Lauf lassen, die schon einfach länger da ist und auch gerechtfertigt ist. Ich finde, es hat ein großartiges Tempo, diese Szene, eine großartige. Entwicklung, obwohl nicht viel erzählt wird. Es ist jetzt auch nicht so, dass wir sagen, oh wir haben hier eine sehr elaborierte Gesellschaftskritik, die so nach und nach aufgepafft wird. Nein, nein, wir kommen ins Chaos. Wir haben einfach nur Menschen, die ihre animalischen Instinkte rauslassen.
Johannes Franke: Ja, und es sind Szenen, die nach den ersten drei, vier Bildern, die gezeigt werden, an Informationsgehalt sich eigentlich erschöpft haben. Also es kommt dann noch 20, 30 weitere Bilder, aber es wird nichts Neues hinzugefügt im Grunde inhaltlich.
Florian Bayer: Absolut. Du hast die Szene eigentlich in den ersten drei Minuten verstanden und viele Leute würden sagen, okay, hier können wir einen Cut setzen. Wir haben alles erzählt, was wir erzählen wollten. Und Nuschkin macht das nicht. Und es ist halt auch so ein bisschen mein Faible für so Arthouse-Kino, das ein bisschen mehr macht und auch ein bisschen reizt und provoziert mit der Darstellung des Geschehens. Es hat einfach so was Ekstatisches. Also ich kann voll mitgehen.
Johannes Franke: Die Sache ist, ich habe das Gefühl, ich komme nicht immer mit mit ihrem Gedankengang, weil ich dann denke, kommen wir nun zu etwas völlig anderem? Haben wir jetzt also dieses Karnevaleske? Und irgendwie, dadurch, dass sie dann so Wert drauf legt und das so wahnsinnig viel ist, frage ich mich, in welcher Verbindung steht das zu dem anderen? Es scheint ja sehr wichtig zu sein. Was macht das? Was soll das? Hast du ein komplett neues Thema oder steht das eigentlich in Verbindung damit? Nicht oder was. Vor allem, weil er ja kaum eine Rolle spielt, sondern er nur als Statist irgendwo am Hintergrund steht. Und man dann so ganz lange sich fragt, wohin will der Film denn jetzt? Was soll ich? Was ist meine Rolle in der ganzen Geschichte als Zuschauer? Was soll das? Und dann gibt es den nächsten großen Block, wo man wieder was Neues aufmacht und mit genau der gleichen Intensität reinschaut, mit so einem großen Vergrößerungsglas und man dann wieder ins nächste Thema kommt. Und nicht umsonst, glaube ich, haben Kritiker damals das Ganze als Aneinanderreihung von Dioramen beschrieben.
Florian Bayer: Blut. Haben sie vollkommen recht. Jaja. Und ich glaube, da ist keine Tiefe und keine Narration drin. Ja. Und ich glaube auch nicht, dass das durchinszeniert ist von ihr, sondern das, was wir über Amnuskin wissen, steht ihr auf Improvisation und steht sie drauf, die Leute machen zu lassen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und ich glaube, sie hat den Menschen ihre Rollen oder ihre Figuren versucht nahe zu bringen und hat dann gesagt, dann macht mal, lasst es eskalieren. Jaja. sprich, da ist keine Story drin, da gibt es keine große Entwicklung, sondern es ist einfach das, was passiert. Und ja, das kann man auf jeden Fall als ein bisschen oberflächlich sehen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, Molière ist insgesamt kein tiefgründiger Film, kein Film, der komplexe Sachverhalte komplex analysiert oder so. Das ist ein Sittengemälde mit dem Fokus auf Gemälde. Es geht hier vor allem um Eindrücke und um Erleben. Das reicht mir in dem Moment.
Johannes Franke: Das ist krass, weil ich nach viereinhalb Stunden immer noch nicht sagen würde, ich will aufhören. Also der Film ist dann vorbei und man freut sich.
Florian Bayer: Ich bin nach vier Stunden nicht mehr da.
Johannes Franke: Ich habe ihn in zwei Teilen gesehen. Ich habe wirklich diese Pause genutzt und gesagt, okay, ich gucke morgen weiter. Insofern war es vollkommen in Ordnung für mich. Und es ist tatsächlich auch nicht so, dass ich während des Films denke, ich will jetzt aber aufhören. Ich merke bloß, dass es einfach dauert und dass die Szenen sehr lang sind. Aber ich habe nicht den Wunsch entwickelt, das auszumachen oder so. Und das finde ich interessant, finde ich spannend, weil sie es trotzdem durchhält, die Spannung hält und eine Kraft ja dadurch auch entwickelt, dass es so lange dauert.
Florian Bayer: Ich hatte es beim Hofleben nachher, hatte ich es öfter. Also zum einen, weil das Hofleben am längsten gezeigt. Aber zum anderen auch, weil ich das Alltägliche spannender finde. Diese Geschichte der einfachen Leute, die irgendwie sich auf der Straße durchschlagen. Das finde ich eigentlich faszinierender als das, was dann am Hof passiert ist, wo alles sehr... formell ist, weil ich finde, solche Szenen wie das hier erzählt uns mehr über den Menschen. Oder auch nachher, wenn sie auf Wanderschaft sind, wir haben dann diesen Überfall, wo ihr Pferd gegessen wird. Das erzählt einfach ein bisschen mehr über den Menschen. Ohne, dass es das will, aber einfach durch diese schiere Breite, dass wir das so lange sehen, haben wir das Gefühl, ein bisschen mehr Mensch erfahren zu haben. Und auch Mensch des 17. Jahrhunderts.
Johannes Franke: Ja. Ich hatte ja, nachdem die Hälfte vorbei war, also wirklich da die Intermission einmal eingefügt wird, hatte ich so die Hoffnung, dass der erste Teil Molière eben eher Zuschauer ist, weil er ist wirklich nicht viel zu Wort gekommen. Und dass ich dann im zweiten Teil vielleicht einen aktiven Molière sehe, dass das sozusagen ihre Zweiteilung wird. Ein bisschen ist es das, aber nicht in dem Maße, wie ich damals gehofft habe, als ich es gesehen habe. Jetzt sag ich schon damals, das ist eine Woche her.
Florian Bayer: Naja, wie gesagt, dadurch, dass ich gar nicht so großes Interesse an dem Lebensweg Molières habe, weil ich nicht der größte Molière-Fan bin, ist das für mich vollkommen in Ordnung. Mir war es am Schluss doch zu viel Molière und zu viel nochmal, okay, wir erzählen nochmal die Geschichte davon, wie er da am Hof besteht und wie er mit dem König interagiert und wie der König bei ihm im Ungnade fällt. Auch ganz spannend, dass wir in diesem Machtverhältnis... haben wir es nicht so, dass er in Ungnade fällt beim König, sondern umgekehrt. Und das ist auch tatsächlich das, was passiert ist. Der Louis XIV war Zeit seines Lebens großer Molière-Fan.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Und deswegen konnte Molière auch das alles durchziehen, was er durchgezogen hat. Aber Molière war irgendwann nicht mehr der größte Louis XIV-Fan. Obwohl die sich sehr gemocht haben und obwohl die viel zusammengearbeitet haben, gab es irgendwann den Moment, wo Molière gesagt hat, von dem kann ich doch nicht so viel Unterstützung erwarten.
Johannes Franke: Ja, also wenn man sich so die Geschichte anschaut, denkt man schon, okay, ich verstehe. Verstehe es irgendwie, dass der König irgendwann sagt, ja, ich muss auch ein kleines bisschen auf die Kirchenleute achten. Die sägen mich sonst hier doch noch ab. Also gebe ich denen mal das Verbot von Tartöv zum Beispiel. Ich verstehe es schon, aber ich verstehe natürlich Molière, der dann sagt, ich hätte ein bisschen mehr erwartet. Aber, ach was soll's. Ich fand den tatsächlich... Richtig sehr interessant, den Teil, muss ich sagen. Auch den späteren Teil am Hofe. Aber da kommen wir dann noch.
Florian Bayer: Genau, wir kommen dazu, was dieser Teil richtig und was er vielleicht auch ein bisschen falsch macht.
Johannes Franke: Oder vielleicht auch richtig.
Florian Bayer: Wir sind noch beim jungen Molière. Ja, ja, ja. Und der stolpert aus diesem Chaos, dieser wirklich langen Karnevalsszene, die komplett eskaliert, ins Theater und lernt zum ersten Mal Madeleine Béjar kennen. Ja. Die große Schauspielerin.
Johannes Franke: Und da wird das erste Mal für mich so ein bisschen klar oder so halbwegs klar, weil der Filmstil ist natürlich später stärker durch. Er zeigt konsequent nicht, was auf der Bühne passiert. Was ich sehr seltsam finde. Aber irgendwie cool, aber irgendwie auch sehr seltsam. Weil das schon das ist, was mich natürlich interessieren würde. Was will denn Molière da? Was interessiert ihn am Theater und was macht er denn später überhaupt auf der Bühne?
Florian Bayer: Die längsten Bühnen-Szenen, die er zeigt, sind die, mit denen Molière keinen Erfolg hat, nämlich die Tragödien. Diese elenden Szenen, wenn sie da in diesen Masken stehen. stehen und ihre Texte ohne Regung runtersagen und das Publikum ist genervt und gelangweilt.
Johannes Franke: Ich find's großartig, weil es ist ja tatsächlich so gewesen, muss man sagen, Molière wollte dramatischer Schauspieler werden, das war ihm wichtig, das war seine große Motivation. Das sieht man auch jetzt hier in der Szene vielleicht ein kleines bisschen, weil er da irgendwie die Bühne das erste Mal sieht und begeistert ist und Dann auch das Gespräch mit ihr und so weiter. Man merkt schon so ein bisschen, dass er diesen Hang zum Dramatischen hat. Und dann ist er aber so ein schlechter Schauspieler für dramatische Rollen, dass er es einfach nicht gebacken kriegt. Und er darf seine Zeit seines Lebens eigentlich keine dramatischen Rollen spielen.
Florian Bayer: Aber so ein Thema, was sich durch den ganzen Film zieht, weil sich es auch durch Molières Leben gezogen hat, nämlich dieser Wunsch, Tragödie zu machen. höheres Theater zu machen. Und das haben wir im späteren, im Verlauf des Films die ganze Zeit, diese Diskussion zwischen Tragödie und Komödie und Molière ist immer eher der, der sagt, er will Tragödie machen.
Johannes Franke: Und das ist geil, weil er derjenige ist, der das ins Theater gebracht hat. Diese Verbindung zwischen dieser Farce, die vielleicht so 30, 45 Minuten lang ist, so eine kleinere Sache, die einfach lustig und spaßig ist und den Tragödien, die ja sehr viel tiefer und länger waren und er das Konzept der Tragödie auf die Komödie übertragen hat, was damals einfach nicht so der Fall war in der Form. Komödien waren kleine Lustspiele, aber er hat es zu einem großen, abendfüllenden, krassen, mit der Dramatik und mit der Dramaturgie der Tragödie gemacht.
Florian Bayer: Auch unter Zwang, weil alle ihm gesagt haben, du musst eine scheiß Komödie schreiben. Genau. Und er hatte keinen Bock drauf und er hat dann gesagt, na gut, aber okay, dann machen wir hier ein bisschen mehr Drama hier rein. Ja. Ein bisschen mehr griechische Tragödie da irgendwie verpackt unter den ganzen Witzen. Er will Schauspieler werden. Madeleine Béjar lernt er kennen und ihre Truppe und sie gründen dann auch das L'Illustre Theater.
Johannes Franke: Das Illustre Theater, sagen wir es so.
Florian Bayer: Und sein Vater ist außer sich. Er war schon sauer, als Molière studieren wollte, aber jetzt ist sein Vater wirklich angepisst und sagt, du willst Theater spielen, überleg dir das gut. Ab in deine Kammer, überleg dir das.
Johannes Franke: Und dann kommt er wieder und sagt, ich hab's mir überlegt, ich will's wirklich.
Florian Bayer: innerhalb von Sekunden großartig. Ja, geil.
Johannes Franke: Es ist super, ganz toll. Und ich habe es als Kind gefeiert.
Florian Bayer: Natürlich feiert man das als Kind oder als Jugendlicher. Es ist eine ganz tolle Beziehung zwischen ihm und seinem Vater.
Johannes Franke: Ja, es ist schön, dass der Vater tatsächlich am Ende auch noch hinterher rennt und ihm noch die Hand hält und sagt, hier hast du noch Geld und so. Das macht natürlich diese Fallhöhe auf. Allerdings, als er die ersten Male ausrastet, bin ich so ein bisschen... geht es gegen meine Recherche, die ich vorher angestellt habe, die einfach nur gesagt hat, ja, die haben mich halt unterstützt und gesagt, ja, hier, ich zahl dir mal dein Erbe schon mal aus und dann kannst du mit dem Erbe machen, was du möchtest.
Florian Bayer: Deswegen konnte er das ganze Zeug machen. Hier wird es komplett dramatisch erzählt. Er hat ständig diese Streitereien mit seinem Vater. Es gibt diese ganz großartige Szene, wo sie sich um einen Stuhl streiten.
Johannes Franke: Es ist toll, eine gute Idee, tolle Idee und auch eine schöne Szene. Aber ich weiß nicht, ob das so realistisch ist.
Florian Bayer: Molière will den Stuhl mit zur Bühne nehmen und sein Vater, nein, du nimmst diesen Stuhl nicht mit zu dieser Hurenveranstaltung oder wie auch immer er sagt. Und sein Vater, der ihm aus dem Knast freikauft, er ist dann irgendwann in Beugaf, was auch tatsächlich war, weil die haben sich extrem verschuldet. Die haben es einfach nicht geschafft, in Paris einen Fuß auf den Boden zu setzen.
Johannes Franke: Und das ist tatsächlich so, das ist eine Zeit, in der du... Es gibt keine Ehre für Schauspieler in der Zeit. Wenn du Schauspieler bist, dann gehst du direkt in die Hölle. Das ist der
Florian Bayer: Tonus. Und darüber hinaus auch, Molière war einer der angesehensten Menschen nachher am Ende seines Lebens. Und trotzdem hat er keine christliche Beerdigung gekriegt.
Johannes Franke: Genau, also das sagt einiges über diese Zeit. Also Schauspieler haben einiges dazu gewonnen über die Jahrhunderte jetzt.
Florian Bayer: Haben sie?
Johannes Franke: Ja, okay. Es gibt noch einiges zu tun. Nein, also Molière... Was wollte ich eigentlich sagen? Wo waren wir vorher?
Florian Bayer: Er wird Schauspieler und Schauspieler haben keinen guten Ruf.
Johannes Franke: Schauspieler haben keinen guten Ruf.
Florian Bayer: Aber er macht es trotzdem. Aber du wolltest was anderes erzählen. Ja, ich wollte irgendwas anderes. Sie reizen sich um den Stuhl. Dekat wird sprechen. Ich denke, also bin ich. Gott sei Dank benutzen sie nicht dieses Zitat von Dekat. Ich werde noch weiter, bis du gefunden hast, was du gesucht hast. Sondern zeigen nochmal ganz gut auch Dekat, dass Dekat in seinen Meditationen auch sehr gottesfürchtig ist. Das vergisst man gerne bei diesen frühen Humanisten. Frühaufklärern, die so Vorlage waren für die Kanz und Rousseau dieser Welt, das waren keine Atheisten, die waren große Gottfans.
Johannes Franke: Hat mir nicht geholfen, meinen Gedanken wieder zu finden. Nein, aber ja, du hast recht und ich fand die Szene total großartig mit ihm.
Florian Bayer: Mit dem Stuhl?
Johannes Franke: Nein, ich meine, wie der Kater sitzt und mit seinen Jüngern da quasi zusammensitzt.
Florian Bayer: Aber so habe ich mir die Kater auch immer vorgestellt. Wenn du dein Buch schon Meditation nennst, dann musst du genau so reden.
Johannes Franke: Und ich habe ihn aber dann mit Richelieu verwechselt. Wenn er später, dann ist ja dann dieser andere Typ, der auch diesen Bart hat. Ja,
Florian Bayer: die hatten alle diese Bärte und diese Locken und diese Perücken. Ach, was für eine schreckliche Zeit. Und, naja, weil es in Paris nichts mehr zu holen gibt, kommen wir zu...
Johannes Franke: So, das Gefängnis, jetzt weiß ich wieder, das Gefängnis.
Florian Bayer: Einmal Gefängnis.
Johannes Franke: Ja, er ist natürlich im Gefängnis gelandet, weil sie einfach zu schlecht waren und weil das in Paris einfach auch schwer war. Paris war tatsächlich schon mit dem schlechten Ruf, die Schauspieler, die hatten keinen richtigen eigenen Theater, das gab's nicht. Das waren alles umgebaute Tenniskorts, was ich total seltsam finde. Es gab keine Theater, aber es gab... Tennis-Korts? Was ist denn da los? Aber die wurden umgebaut, also die haben sich einfach eingemietet. Und du hast, dadurch, dass du dich einmieten musstest irgendwo, immer wieder, hast du ein riesiges Risiko gehabt, was du irgendwie ausgleichen musstest. Und dann musstest du die Leute irgendwie reinkriegen. Die Leute waren jetzt auch nicht, also da war ja nicht viel Geld. Die Zeit ist berühmt für ihre Armut. Also wo willst du es hernehmen? Und so eine Miete zu bezahlen, irgendwann bist du verschuldet.
Florian Bayer: Da haben wir diese wirklich schöne Szene, wie sie spielen. spielen vor einem Haus, das sich immer mehr leert. Und am Schluss stehen nur noch ihre Gläubiger da. Und dann gucken sie auf den Raum und sagen, oh ja, und der, der ist richtig fies. Aber die, die will uns tot sehen. Und der da, der hat schon das Messer gewetzt. Und dann geht Molière so ganz unbedarft hin und sagt, Leute, Leute, Leute, Leute, wir haben kein Geld. Was wollt ihr machen? Uns in den Knast stecken?
Johannes Franke: Schnitt, er ist im Knast. Was ich sehr, sehr schön finde. Gute Inszenierung.
Florian Bayer: Genau, Paris war ein schweres Pflaster, sie hatten auch offensichtlich Konkurrenz, es gab damals mehrere stark konkurrierende Theatergruppen und dann beschließen sie halt loszureisen, was sie tatsächlich gemacht haben. Und zwar wollten sie diese Dufrenz, diese große Schauspiel-Theaterfamilie, die wollten sie treffen und dafür fahren sie dann aufs Land und dann haben wir diesen, der dritte Block ist es, aber dann haben wir dieses zweite große Panorama nach dem städtischen Leben. Wie sieht es auf dem Land aus? Ja. Und dann werden wir mit radikaler Armut konfrontiert.
Johannes Franke: Das ist richtig hart. Weil vorher dachte ich schon, oh mein Gott, Paris ist ein Moloch. Und dann kommst du aufs Land und denkst dir ja, schön sieht's aus, aber die Leute haben nichts zu fressen. Das ist ja unglaublich.
Florian Bayer: Was für eine absurde Szene, wenn diese blutverschmierte Frau ihrem Wagen entgegenkommt. Man fragt sich,
Johannes Franke: was ist hier los? Ja, genau.
Florian Bayer: Und dann kommen ganz viele und dann werden die Pferde geschlachtet. Und sie können gar nichts dagegen machen, weil diese Gruppe von Menschen, nicht mal aggressiv, die schnappen sich die Pferde und fangen an, die zu schlachten.
Johannes Franke: Die halten sich noch mit denen fröhlich und dann sind irgendwann die Pferde einfach tot. Und du denkst dir, okay, und jetzt? Und die Truppe weiß auch überhaupt nicht, was sie machen soll. Sie machen ja keinen Aufstand dann jetzt und sagen halt einfach nur, naja, wenn die schon unsere Pferde schlachten, dann will ich auch was davon abhaben und gehen mit essen.
Florian Bayer: Sie hungern auch. Also es ist der Moment, wo sie denken, okay, vielleicht gar keine schlechte Idee. Aber was für eine absurde Szene in dieser Ruhe, in der die erzählt ist. Es ist ein aufleuchter Mob, der die Pferde abschlachtet. Also zu großen Menschen, die... Battlen kommen, sie geben dann ja auch teilweise noch Zeug raus am Anfang, wenn sie irgendwo vorbeifahren. Und dann passiert das so ganz langsam und dann am Schluss sitzen sie halt da und haben zwei Pferde geschlachtet.
Johannes Franke: Ich glaube drei, weil sie haben ja kein einziges mehr, die ziehen selber das Zeug.
Florian Bayer: Und dann werden die Pferde gegessen.
Johannes Franke: Ja, also die Szene haut wirklich rein und die ist gut gemacht und die ist auch in ihrer Länge super gemacht. Also großartig.
Florian Bayer: Und auch wieder dieser 16. Jahrhundert-Ziff, wenn der eine Typ das Stück Fleisch isst und dann übergibt er sich und der andere sagt, ey, du bist nicht mehr gewohnt zu essen, mach mal ein bisschen langsamer. Und wir wissen, dass wir das dann brauchen, ne Mike?
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Gib dir das wieder rein.
Johannes Franke: Und der eine kaut für den anderen vor, finde ich. Ah,
Florian Bayer: das ist so... eklig. Das ist so widerlich.
Johannes Franke: Aber das hat sich lange gehalten. Das haben unsere Großeltern auch gemacht. Ja,
Florian Bayer: natürlich. Die haben ja auch alle keine Zähne mehr. Wir sind im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Wer über 40 ist, hat keine Zähne mehr.
Johannes Franke: Okay, neues Thema. Die wollen weiter und die ziehen ihren Karren weiter und wollen zu dieser Schauspiel-Truppe. Und dann werden sie irgendwie in diesem absurden ... illustren Ding da empfangen und ihnen wird Essen angeboten und Zeug.
Florian Bayer: What the fuck?
Johannes Franke: Ich frage mich, ob ich plötzlich in einem anderen Film bin oder die in einem anderen Film sind oder die irgendwie tot sind und im Himmel jetzt Essen angeboten bekommen. Es ist sehr seltsam. Auf jeden Fall scheint es eine Art Festival zu sein, wo die einfach dann gelandet sind und die spielen da Theater, die sie suchen.
Florian Bayer: Es wird fast wie so eine Sterbefantasie.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Du kommst da... Aus einem Moment, wo du dein Pferd geschlachtet hast, weil du nichts zu essen hattest. Und dann werden dir plötzlich die größten Leckereien angeboten. Und dann haben wir diese... Geile monumentale Szene. Man kann es nicht anders sagen. Wo wir ihre neuen Freunde sehen auf der Bühne, die sie aufgebaut haben. Und die Bühne wird vom Wind weggeweht und macht sich selbstständig.
Johannes Franke: Es ist so toll. Ich liebe es. Und wie ich eingangs gesagt habe, das ist etwas, was sie selbst erlebt haben. Also zumindest die Schauspieler, die diesen Film gemacht haben. Und ich finde es so großartig, weil die Schauspieler auf der Bühne zwischen Privatem und Theater sind. Also die kommen nicht von ihrem Stück los. Vielleicht wollen sie weiterspielen, aber es ist ja kein Publikum mehr da. Es ist sehr seltsam. Ja, genau. Und es ist alles sehr theatralisch, aber auch irgendwie privat. Der eine Typ schimpft mit seiner Ehefrau und sagt aber gleichzeitig, ohne dich bin ich nichts. Ich weiß es nicht mehr ganz genau. Es gibt ein tolles Kompliment dazwischen. Und die gehen einander aber irgendwie an. Aber auf eine Theaterart und Weise. Nicht, dass man glaubt, dass die wirklich sich jetzt an die Gurgel gehen. Und... Dann erkennen sie die eine aus der Truppe von Molière, heißen sie willkommen, aber auch in so einem riesigen, mit aufgerissenen Mündern staunen sie, auch so sehr theaterhaft. Ist doch krass und ich weiß nicht, was ich genau mit der Szene anfangen soll, aber ich finde sie toll.
Florian Bayer: Es ist eine fantastische Szene, es ist alles Theater in dieser Szene, wie du gesagt hast, die Naturkatastrophe selbst ist auch Theater.
Johannes Franke: Ja, total. Es ist halt so, auch im letzten Moment, in letzter Sekunde hört dieser Wind auf und sie stürzen nicht die Klippe hinunter.
Florian Bayer: Und sie bleiben trotzdem auf der Bühne stehen, obwohl sie nicht an der Klippe sind. Und dann wie die Bühne sich bewegt, wie die Bühne fliegt, das wirkt ganz merkwürdig. Das wirkt auch fantastisch, weil es wirkt wirklich so, als würde diese Bühne schweben. Und dann, genau, diese krassen Gesten und diese krasse Mimik. Ja, es ist einfach ein Theaterfest. Es ist ein Lobgesang auf das improvisierte Theater, auf das freie Theater und vor allem auch auf dieses Wandertheater, das kein Publikum braucht, um zu leben vermeintlich. Du hast gesagt, ich glaube jetzt ist der Moment, wo wir kurz über die Comedia dell'arte reden müssen.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Wie sprichst du das aus? Ich spreche das Comedia dell'arte aus.
Florian Bayer: Da bist du viel besser als ich, weil ich spreche das Französisch aus, obwohl es aus Italien kommt.
Johannes Franke: Die Comedia dell'arte entstand 16. Jahrhundert in Italien und das ist glaube ich eine der großen Sachen, die bis heute überlebt haben als Konzepte, um Entertainment zu schaffen. Nämlich, du hast eine Figur, die festgelegt ist. Also du hast im Idealfall, also zumindest für Comedian Delator Idealfall, für mich nicht, aber du hast eine Figur, genau eine Figur, die spielst du jahrelang. Ja. Also da gibt es Archetypen, das ist der Harlequin, das ist der Pantalone, der Il Capitano, der Il Dottore, das sind alles unterschiedliche Figuren, Archetypen von Figuren und dann bist du vielleicht ein Schauspieler, der... Also die Jüngeren spielen meistens sowieso den Harlequin oder den jungen Helden und dann, wenn du älter wirst, gehst du dich die Stufen durch, was du dann spielen kannst. Dann bist du ein dicker Dottore oder so und du hast halt dann bestimmte Gesten, bestimmte Masken, die damit verbunden sind, die auf eine bestimmte Art und Weise gestaltet sind und bestimmte Sprachmuster, die dir auch antrainiert werden, damit du diese bestimmte Figur darstellen kannst. Und dann kannst du irgendwann in dieser Figur... Alles improvisieren. Das heißt, eigentlich sind die Theaterverwöhrungen so, du bist vor Leuten, du hast vorher nichts aufgeschrieben, sondern du spielst so kleine Skiz, die du schon länger hast, aber passt die immer ans Publikum an, spielst mit dem Publikum. Diese improvisierten Einlagen heißen Latzi. Ich weiß aber auch nicht mehr ganz genau, wie lang und welchen Umfang die haben oder so. Aber das ist total spannend, weil du viel mit dem Publikum arbeitest und einfach deine Figur so sehr kennst, dass du alles mit denen machen kannst. Und dass es immer lustig ist, weil du genau weißt, in welchen Situationen deine Figur lustig ist und in welcher Beziehung die zu den anderen Figuren stehen.
Florian Bayer: Ganz krasser Kontrast zur klassischen Komödie oder Tragödie, dass es eben nicht um Inhalt geht. Es geht um diese Stehgreifproduktion. Und es ist auch ein ganz wichtiges Wesensmerkmal vom... von der Comedia dell'arte, dass die SchauspielerInnen nicht sich an den Text halten, dass die SchauspielerInnen sich nicht an den Autoren halten, sondern ihr Ding durchziehen und dabei auch nicht versuchen, liefere Erkenntnisse oder eine Kartasis oder so auszulösen, sondern einfach wild zu sein fürs Publikum und darauf zu achten, was dem Publikum spricht. Spaß macht, was das Publikum unterhält und dementsprechend ihr Spiel auch anzupassen. Das heißt, die Comedia de la Arte lebt auch ganz viel von dieser Wechselwirkung zwischen Publikum und Bühnengeschehen.
Johannes Franke: Und nur um das weiter zu spinnen, um mal zu sagen, wo das landet am Ende. Weil ich habe ja gesagt, Comedia de la Arte ist bis heute, zieht sich das durch. Und das berühmteste Beispiel, was mir einfällt, ist Sacha Baron Cohen.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall hat er was davon.
Johannes Franke: Der einfach eine Figur hat, die er so gut kennt, ist... dass er damit überall improvisieren kann. Also er hat mehrere Figuren gespielt, aber er nimmt eine Figur und sagt, okay, mit der kann ich jetzt Spaß haben. Ich kenne die so gut, dass ich genau weiß, wie die reagieren muss, wenn die vor 20 Politikern steht und irgendwelche Scheiße reden muss.
Florian Bayer: Ja, mein erster Gedanke wäre gewesen, voll dein Ding, diese Stummfilmslapstick, also Charlie Chaplin, was da... Ja, ja. Obwohl die inszeniert haben, ihre Dinger, waren diese Sketche trotzdem so, dass sie auch diese Wirkung erzielen wollten?
Johannes Franke: Chaplin hat ja sowieso erzählt, dass er am Anfang... ohne Drehbuch einfach nur einen Nachmittag in den Park gegangen ist mit einer Kollegin, mit einem Kameramann und das war's. Und dann haben die halt da was improvisiert im Park.
Florian Bayer: Und Japlin natürlich auch dieser Archetyp, ne? Genau. Der Tramp ist halt einfach, ist eigentlich eine Comedia dell'Art-Figur. Es gibt sogar, es gibt einen Scaramooch in der Comedia dell'Art. Ja,
Johannes Franke: ja, ja.
Florian Bayer: Das ist genau. Dann haben wir schon fast den Tramp vor uns. Das ist nämlich vor allem ein Schnauzband. Genau. Und diese Archetypischen Figuren, das findet man im... ... Stummfilm Slapstick, man findet es ein Improvisationscomedy unserer Zeit, hat eine ganz wesentliche Rolle gespielt für die Entwicklung des Theaters, war aber immer so auf dieser Nebenspur vom bürgerlichen Theater und zum Beispiel die Aufklärer, die dann danach kamen, die haben doch teilweise dagegen gekämpft. Also Comedia de la Art wurde in die französische Revolution gesagt, den Scheiß wollen wir nicht mehr. Wir wollen jetzt, wir wollen bürgerliches Erziehungstheater und Goethe hat sowas gesagt wie, oh ich hatte voll Spaß bei Comedia de la Art das zu sehen, aber ...
Johannes Franke: Nicht mein Ding.
Florian Bayer: So wirklich gehaltvoll ist es nicht. So wie jemand, der gerne zu McDonalds geht, sagt, dass er bei McDonalds war. Also es ist schon geil, so einen Burger in sich reinzustopfen. Aber wirklich gut fühlt man sich danach nicht.
Johannes Franke: Ja, also ich habe viel übrig für Comedia Delata, muss ich sagen. So vom Gucken, vom Spielen her nicht so sehr. Weil dafür ist es mir dann wiederum nicht gehaltvoll genug. Aber beim Gucken kann ich schon echt Spaß haben. Also... Shakespeare hat sich auch so ein bisschen in Archetypen verliebt für seine Komödien. Und auch darin, obwohl Shakespeare alles aufgeschrieben hat und dann nichts improvisiert ist.
Florian Bayer: Shakespeare hat Geschichten erzählt. Figuren einen Wandel durchlaufen lassen, Erkenntnisse gewinnen und so weiter. Und der Komödie der Art, das ist mein Eindruck als Banause, schreien sie sich vor allem an. Hampeln sie voreinander rum, schreien sie sich an, dann kriegt irgendjemand was auf den Deckel und dann lachen alle und gehen von der Bühne.
Johannes Franke: Meinst du Kasperletheater, ja?
Florian Bayer: Kasperletheater heißt... highly influenced von Comedia dell'Art. Auf jeden Fall. Also die deutsche Stehgreif-Komödie. In Deutschland hat sich halt dann auch dieses bürgerliche durchgesetzt. Also mit Goethe und Schiller und dann sind wir ganz weit weg davon. Und auch mit Lessing.
Johannes Franke: Aber ich will, also mit Kasperle Theater möchte ich das nicht zu sehr runterziehen. Comedia dell'Arte hat seinen Platz in der Geschichte des Theaters und ist auch wichtig für viele Schauspieler, um an Rollen ranzugehen, auch wenn man es am Ende nicht mehr sieht, dass es vielleicht eine Comedia ursprüngliche ist. Dass die Methode so war. Ja.
Florian Bayer: Und jetzt Molière. Molière war ja irgendwie definitiv beeinflusst von der Comedia dell'Art. Ja. Zu dieser Zeit dann auch tatsächlich vor allem in Frankreich unterwegs war. Also im 17. Jahrhundert. Ja. War das schon so, dass das Zentrum dieses Theaters sich von Italien nach Frankreich verschoben hat. Und Molière war, also vor allem die Truppen, mit der Molière unterwegs war, war stark davon geprägt, von der Art Theater zu machen. Ja, ja. Zumal Comedia dell'Art halt auch Wandertheater war, ne? Aber Molière wollte trotzdem mehr.
Johannes Franke: Ja. Das haben wir vielleicht am Anfang so ein bisschen mit drin gehabt, eben dieses, er will eigentlich dramatisch sein und dann kommt da automatisch auch was rein, einfach aus innerem Bedürfnis heraus. Aber er hat einfach auch da viel die Komödie einfach weiterentwickelt und da viel mehr Geschichte reingepackt, den Figuren wie auch Shakespeare eben eine Entwicklung gegeben. Also nicht allen Figuren, es gab auch immer noch Figuren, die nur Comic Relief waren und nur dafür da waren in dem Moment auch. eine Improvisation mit dem Publikum zu machen. Das heißt, seine Drehbücher haben immer Raum auch für Improvisationen gelassen, damit man eben solche Figuren haben kann. Aber er war immer aktuell am Zeitgeschehen. Das war damals nicht so mit den... Comedia dell'arte hat ja viel einfach nur mit Stereotypen gearbeitet, die kein Zeitgeschehen aufgegriffen haben. Es ging nicht dann um... Nur als Beispiel, Molière kommt in Paris an, an die Comédie Française. und macht sich erst mal über die Comedy Francaise lustig. Weißt du, er schreibt erst mal ein Stück, das sich darüber lustig macht. Das ist Zeitgeschehen. Das ist einfach, ich mach mich über das lustig, wo ich da gerade bin und die Leute sollen etwas wiedererkennen, was jetzt gerade vor ihren Augen eigentlich passiert. Und dann auch eine gewisse Politisierung, ne, der Komödie damit. Also auch was gerade die Kirche betrifft und so. Und hatte dadurch auch so ein bisschen subversives Potential, was einfach vorher nicht in der Form existierte.
Florian Bayer: In diesem Mittelteil sehen wir das vor allem dadurch, dass es plötzlich kommen die in das Geschehen, diese Diskussion über Tragödie oder Komödie, was machen wir? Und Molière wird lange als der gezeigt, der die Tragödie oben hält, der sagt, wir müssen Tragödien machen und er hat dann so seine Kontrahenten, die sagen, nee, mach Komödie und das ist das, was die Leute sehen wollen, damit kriegst du die Leute rum.
Johannes Franke: Das stimmt aber auch gar nicht so sehr, weil die vorrangige Form, die überlegene Form galt, damals sei die Tragödie. Also Komödien waren ja gar nicht so. Es war dann irgendwie so für das wandernde Volk, die da rumhergefahren sind. Aber wenn du ernsthaftes Theater machen wolltest, dann hast du Tragödie gemacht.
Florian Bayer: Vielleicht ist es gar nicht so unendlich zu dem heute, dass die Leute alle sagen, sie wollen nur Arte gucken und dann am Schluss gucken sie doch Dschungelcamp, weil das einfach unterhaltsamer ist. Weißt du, natürlich können wir uns alle darauf einigen, dass ein Arte-Abendprogramm die gehobenere Unterhaltung ist. Aber ganz ehrlich, wenn wir drei Stunden zugeguckt haben, wie... Wie PraktikantInnen als Schäfchen verkleidet da rumhopsen. Kennst du das? Was? Das war geil. Was? Das war wirklich geil. Bei Arte hatten sie, ich weiß nicht, ob das heute noch der Fall ist, ich bin ehrlich gesagt nicht mehr wirklich in den Jahresfernsehen, ich gucke gar keinen in den Jahresfernsehen mehr. Bei Arte hatten sie im Nachtprogramm immer so ihre MitarbeiterInnen als Schafe verkleidet.
Johannes Franke: Was? Wie geil.
Florian Bayer: Zum Sendeschluss und haben die dann hüpfen lassen. Nein. Und dann war das... aber auch wirklich so eine Stunde lang oder so Einschlafprogramm, wo du gesehen hast, erwachsene Menschen als Schafe verkleidet, die übereinander springen.
Johannes Franke: Ich will zur Arte, großartig.
Florian Bayer: Aber ich wollte einen ganz anderen Punkt machen. Ganz ehrlich, wenn wir dann drei Stunden gesehen haben, die Dokumentation, in der sich in Französisch auseinandergesetzt wird mit dem aktuellen Diskurstheater in Osnabrück. Und dann selbst du rüber zum Dschungelcamp und hast da Lilith Becker, die mit,
Johannes Franke: keine Ahnung,
Florian Bayer: wie man auch immer knutscht, dann sagst du, ah, nee, vielleicht ist es doch das Dschungelcamp. Und wir sind alle so. Ihr blöden Snobs erzählt mir nichts anderes, wir sind alle so.
Johannes Franke: Flo, wir machen seit über 200 Episoden einen snobüstischen Film-Podcast. Wir gucken uns sowas wie das siebte Siegel an und spreizen den Finger ab und dann sagst du sowas.
Florian Bayer: Aber deswegen schalte ich dann sowas wie Russ Mayer dazwischen oder Disney, weil das brauchst du manchmal. Ja,
Johannes Franke: ich verstehe es schon, ich verstehe es schon. Ja, vielleicht hat dein Studium dich einfach zu sehr.
Florian Bayer: Vielleicht.
Johannes Franke: Na gut, okay, also ich verstehe... Und ich glaube, dass Moliere einfach auch in dieser Zeit groß geworden ist und gesagt hat, ich will ernst genommen werden, ich will ernsthaftes Theater machen und weil alle sagen, dass das Tragödie ist, dann mache ich Tragödie. Und dann ist das so ein Ding. Aber ich glaube nicht, dass er wirklich Tragödie machen wollte, sondern dass er einfach gedacht hat, ich will was machen, wo die Leute sagen, oh, das ist aber jetzt hier, das ist ja was Ernsthaftes.
Florian Bayer: Für die Ewigkeit.
Johannes Franke: Für die Ewigkeit. Und er hat ein starkes moralisches... Gefühl, das er transportieren wollte.
Florian Bayer: Das sehen wir ja später, wenn wir zu seinem Hoftheater kommen, wo er eine Zeit lang in jedem zweiten, in jedem Stück, ja, eine moralische Botschaft drin hat.
Johannes Franke: Voll, volle Kanne. Mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes. Ja? Ich befürchte, wir befinden uns in einer Selbst...
Johannes Franke: Oh nein.
Florian Bayer: Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind, also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren sollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcast ist. Catcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder sowas.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de Genau,
Johannes Franke: schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah,
Florian Bayer: das soll schnell durchkommen. Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch.
Florian Bayer: Jetzt kommen wir erstmal bei diesem, was ist das, Conti?
Johannes Franke: Ja, Conti. Bei dem waren sie, ich dachte, dass sie bei ihm länger wären, als im Film das irgendwie dargestellt wird.
Florian Bayer: Sie waren bei ihm relativ lange.
Johannes Franke: Schon, ne?
Florian Bayer: Also in der damaligen Zeit war es so, wenn du Theater gemacht hast oder wenn du irgendeine Form von Kunst gemacht hast, du brauchst es einen Mäzen. Du brauchst es irgendjemanden, nicht mal der dich bezahlt, sondern der auch die schützende Hand über dich hält. Ja,
Johannes Franke: genau.
Florian Bayer: Der einfach für dich da ist. Und sie waren 13 Jahre auf Wanderschaft. Sie waren ein großer Teil davon, waren sie bei diesem Prinzen und das wird in dem Film auch ganz toll gezeigt, bis zu dem Punkt, wo der Prinz dann irgendwann gottesfürchtig wurde und sich der Compagnie du Sacrement angeschlossen hat, einer extrem streng katholischen Organisation. Und dann hat er alles verteufelt, was Theater ist. Und wir haben dann diese kleine Szene, wo er sich kahlgeschoren hat.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und ihnen vorhält, dass sie sein Leben kaputt gemacht haben. Und dass sie verdorben sind und dass sie des Teufels sind. Auch wieder so eine krasse Szene, wenn er vor ihnen wütet.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Genau, sie kommen bei ihm unter. Und das ist auch tatsächlich die Zeit, wo Molière so ein bisschen zu dem Chefschreiber der Truppe wird. Wir haben dann auch ein paar Szenen, wo er schreibt und über sich selbst lacht.
Johannes Franke: Was der Film nicht erzählt ist, dass er selber schreibt, auch bedeutet, dass... er derjenige ist, der sehr viel auf der Bühne steht und zwischendurch darf mal jemand anders kommen und auch was sagen. So ein bisschen ist das das aber auch.
Florian Bayer: Er schreibt sich selbst die Rollen. Er wird zum Chef dieser Truppe. Die Truppe, die vorher sehr, sehr, sozialistisch ist das falsche Wort, das sind ein paar Jahrhunderte zu früh, aber die so sehr gemeinschaftlich agiert hat.
Johannes Franke: Es ist schon ziemlich eine Kommune eigentlich gewesen.
Florian Bayer: Genau. Und Madeleine Béjar war vorher der Star, das ist übrigens auch in der Vertragsschließung, sehen wir das auch, da wird nämlich gesagt, dass sie irgendwie nochmal eine extra Rolle spielt. Und jetzt sind er und Madeleine die Stars und es wird ihre Affäre auch kurz angedeutet, sie hatten wohl eine Affäre, seine spätere Frau könnte seine Tochter sein.
Johannes Franke: Also was heißt Affäre, die waren eigentlich zusammen die ganze Zeit, die waren ja eigentlich.
Florian Bayer: Im Film wird so drüber, also es wird gezeigt, dass sie quasi beste Freunde sind, aber. Dann wird es vor allem, finde ich, als sexuelles Abenteuer erzählt.
Johannes Franke: Also soweit ich das jetzt auch in der Recherche mitbekommen habe, war sie eigentlich seine Partnerin oder er war ihr Partner. Und dann kam es zu diesem Betrug, der dann dazu geführt hat, dass auch diese Léon-Sant ein Ende hatte. Und er dann seine eigene Tochter eventuell oder eben die kleine Schwester von ihr.
Florian Bayer: Auf jeden Fall auch eine Béjar.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Wir kommen zum Hof, zum großen Block des Films.
Johannes Franke: Ja, also er ist ja bei Conti gewesen und hat bei Conti ein paar Leute arg beeindruckt. Die haben dann eben auch dafür gesorgt, dass wenn er zurück in Paris ist, ein paar Leute auch Kontakte spielen lassen, um dann sich einander vorstellen zu können, auch in größeren Kreisen. Dass das problematisch sein kann, in Paris Fuß zu fassen, wissen wir ja vom ersten Versuch. Und deswegen brauchte er tatsächlich Leute, die für ihn eintreten und ihn dann wichtigen Leute vorstellen.
Florian Bayer: Dann durfte er beim König vorspielen. Der König, den wir übrigens im Laufe des Films immer mal wieder in so kleinen Einsprängseln gesehen haben. Also es gab immer so dieses harte. Und jetzt gucken wir nochmal kurz zum Hof von Versailles. Ach, guck mal, dieser niedliche Vierjährige wird gerade gekrönt. Eine merkwürdige Zeit ist das. Louis XIV, Ludwig XIV, unser Sonnenkönig. Leonardo DiCaprio, der Mann mit der eisernen Maske. Der große... Der Herrscher des Absolutismus.
Johannes Franke: Der Typ, der Versailles zu verantworten hat.
Florian Bayer: Der Versailles zu verantworten hat und der vor allem für Prunk steht und für eine radikale absolutistische Staatsgewalt, die sagt, le tard c'est mort, der Staat bin ich. Und wir lernen ihn hier vor allem kennen als einen jungen Mann, der, und das war er auch tatsächlich, und in der modernen Forschung wird öfter auch mal gesagt, dass dieses Bild vom Absolutismus, wie es lange Zeit in der Schule weitergetragen wurde, wie wir es alle gelernt haben, dass das total übertrieben ist und dass es schon ein bisschen anders war. Dass das nicht einfach nur so ein Tyrann war, sondern es ist vor allem ein junger Mann, der unglaublich gerne unterhalten wird und der Spaß an Sachen hat, die Freude machen, weil er halt auch gelangweilter Adliger ist. Und deswegen sucht er sich KünstlerInnen und der mal versucht, aus seinem Versailles, aus seinem Hof, so einen Hort der Kunst zu machen. Und Molière gehört zu denen, die ihn begeistern. Mit der Komödie, nicht mit der Tragödie.
Johannes Franke: Ja, ja, genau. Du darfst wieder nicht. keine Tragödie spielen. Aber ist die Szene nicht total traurig, wie der Bruder des Königs ja eigentlich der Erste ist, der vorgestellt wird. Und dann kommt mal zufälligerweise, ganz in der Entfernung, der König vorbei und alle sind schwuppdiwupp am Fenster. Oh, der König, der König, der König. Und der Bruder des Königs sitzt alleine da und denkt sich, ja.
Florian Bayer: Es ist geil, vor allem, also wir haben hier wirklich einen jungen König vor uns. Luca Tors wurde mit vier Jahren gekrönt und wir haben hier einen jungen Mann. Ich glaube, das ist auch, warum er und Molière so geklickt haben. Ja. Dass sie... naja vielleicht irgendwie dasselbe gesucht haben. Auf der Suche waren nach einem mehr in der Darstellung, im Erleben.
Johannes Franke: Ja, okay.
Florian Bayer: Weil wir haben ganz viele Sachen, wo wir dann sehen, was Molière für den König macht. Wir haben das Gefühl, ja natürlich, das gefällt Louis. Das ist genau das, was er will. Und ich finde, dieser Louis wird uns auch als wirklich sympathischer Mensch gezeigt. Wenn er da sitzt und zuerst die Tragödie kritisch sieht und dann anfängt zu lachen bei der Komödie. Wenn sie schnell umdisponieren und sagen, oh shit, ich will ganz schnell was anderes machen.
Johannes Franke: Da sind übrigens wirklich Leute aufgestanden. Also wenn man der Recherche glauben möchte und man weiß ja nicht unbedingt alles. Aber wie man so sagt, sind tatsächlich in der ersten Vorstellung, weil er es wirklich verdammt nochmal mit Tragödie probiert hat, Leute rausgegangen. Und er hat das Stück. in der Mitte wirklich unterbrochen und hat gesagt, okay, hier ist die Komödie, die ihr haben wollt, bitteschön. Und dann sind die Leute eben zurückgekommen.
Florian Bayer: Und jetzt kommen wir, das war auch wirklich so die erfolgreichste Zeit von Molière. Er wurde jetzt als der Hoftheaterautor und Regisseur des Königs berühmt und hat in dieser Zeit seine großen berühmten Stücke geschrieben. Und die Schule der feinen Damen, den Tartüf. den eingebildeten Kranken, den Geizigen und ich gehe davon aus, dass die meisten zumindest so ein, zwei Titel davon schon mal gehört haben und vielleicht noch mal was auf der Bühne gesehen haben oder im französischen Unterricht gequält wurden, was davon zu lesen. Und die nächsten zwei Stunden, gute zwei Stunden, ein bisschen mehr sogar, erzählt uns der Film, wie Molière am Hof des Königs arbeitet, wie seine neue Frau heiratet, Amande Béjar, die vielleicht seine Tochter sein könnte.
Johannes Franke: Haben wir schon gesagt, dass er vielleicht seine Tochter geheiratet hat?
Florian Bayer: Und wie er so ein bisschen auch als der Herrscher dieser Theatergruppe tun und lassen kann, was er will. Also wir haben diese DuPaks, die sagen, sie gehen jetzt, sie haben keinen Bock mehr, weil er ihnen keine guten Rollen gibt. Und irgendjemand sagt zu ihm dann so, keine Sorge, die kommen wieder.
Johannes Franke: Und wir wissen, dass die kommen wieder. Das ist ein bisschen seltsam, muss ich sagen, weil dieses individuelle... Individuelle ist ja gerade erst am Aufkommen. Also man muss sozusagen gesellschaftlich, das Individuum spielte ganz lange gar keine Rolle groß. Also diese Idee von Selbstverwirklichung oder ich will für mich eine bestimmte Stellung und ich will bestimmte, nee nicht Stellung, ich will bestimmte Eigenschaften herausstellen, die mich individuell und einzigartig machen. Und ich will eine bestimmte Rolle spielen, die nicht nur im Gefüge untergeht. Ja. Das gibt es noch nicht in der Zeit eigentlich.
Florian Bayer: Das ist gerade entstanden jetzt, weil das ist ja eine der Sachen, die der Humanismus geschafft hat. Wir sind wirklich in der Zeit, wo gesagt wird, okay und hier ist irgendwann das Mittelalter vorbei. Und niemand weiß genau, wann das Mittelalter vorbei ist, weil das irgendwelche Epochen sind, wie wir gesagt haben. Aber die meisten sagen, das Mittelalter hört auf mit Renaissance und Humanismus. Dann sind wir, auch wenn der Begriff Humanismus damals noch nicht benutzt wurde dafür, sind wir sogar 100 Jahre vorher. Wir sind eher so im 15. und 16. Jahrhundert, wo der Humanismus aufkommt und nicht wo die Menschen Gott in Frage stellen,
Johannes Franke: das kommt viel später,
Florian Bayer: aber wo die Menschen sagen sowas wie Descartes. Ich denke, also bin ich. Was ist das, worauf ich mich besinnen kann, wenn ich ganz weit zurückgehe und versuche, meine Wahrnehmung so weit wie möglich zurückzuhalten? Ich merke, dass ich wahrnehme. Das muss an und für sich schon mal was wert sein. Und wenn du das machst, dann ist es kein großer Schritt mehr zu dem Punkt, wo du sagst, ich bedeute etwas. Und was ich will, ist auch was wert. Vielleicht nicht mehr wert als der große göttliche Plan, aber zumindest auch was wert in diesem großen göttlichen Plan.
Johannes Franke: Ich finde, dass diese Zeit wahnsinnig widersprüchlich ist, was das betrifft. Und das ist interessant. Also mein erster Gedanke war, die beiden gehen, weil sie bessere Rollen haben wollen, kommt für mich... Geht das in dieses Bild nicht rein, was ich davon habe, von dem Theaterbetrieb aus der Zeit, nämlich, dass es keine individuelle Sache ist, sondern dass es immer eine Sache der Gemeinschaft ist und der Kommune Theatergruppe. Und dass jeder so sein Rädchen ist, aber dass niemand so sehr daran denkt, eine tolle Rolle zu haben oder so. Vielleicht ist es auch ein idealisiertes Bild, was ich von der Zeit habe oder so. Aber jedenfalls ist es mir komisch aufgesp... aufgestoßen. Es ist ja auch so, dass damals tatsächlich, zum Beispiel der Autor Moliere hat jetzt unter seinen Sachen drunter geschrieben von Moliere. Das hätte er aber auch machen können, wenn er gar nicht geschrieben hätte, sondern wenn er nur der Hauptschauspieler gewesen wäre. Weil damals gar nicht nach Autoren das Ganze aufgeteilt wurde, sondern das ist das neue Stück von dem Hauptschauspieler. Und da war der Autor gar nicht, da hat niemand auf die Idee gekommen. Deswegen ist es auch so ein bisschen schwieriger, diese ganzen Provenienzforschungen zu betreiben. Was wäre jetzt eigentlich, woher, welches Stück und wer hat was geschrieben und so.
Florian Bayer: Was wir auf jeden Fall sehen, was uns dieser Film auch ganz gut erzählt, das ist schon sowas wie die Stars gab. Ja, das schon. Madame Mejia ist halt auch ein Star und die kennt man. Und wenn es heißt, Descartes gibt eine Vorlesung, dann führen auch alle hin. Also es gab definitiv noch nicht diesen Autorenbegriff wie heute. Und gerade so das Theater aus der Comedia dell'Art, wo auch viel mit Masken geachtet wurde und so, hat so eine Art... dieses Nicht-Individuelle mit drin. Aber ich glaube, das ist auch ein Gegensatz, mit dem wir einfach leben müssen. Das ist ein Widerspruch, mit dem wir leben müssen. Das ist ein zeitvoller Widerspruch. Auch dieses Ding, dass der König als König von Gottes Gnaden galt und gleichzeitig zum ersten Mal eine staatliche Legitimation mitschwingt, die nicht auf der Religion basiert, sondern die sagt, es ist die Person, die entscheidend ist. Auch wenn dieses mit Gottes Gnaden gesagt wird, ist es trotzdem ... Es ist diese dynastische Legitimation, nicht diese kirchliche. Und viele sagen auch, das, was der Absolutismus gemacht hat, das ist eigentlich der Beginn der modernen Staatsform. So widersprüchlich das ist, obwohl wir hier so einen radikalen Disputismus haben, mit einem Menschen im Zentrum und mit diesem ganzen Prunk und so weiter, ist das trotzdem eine Zeitenwende. Hier findet eine andere Form von Staat statt. Staat wird anders legitimiert. Und halt auch wiederum... stärker ans Individuum geknüpft, an die einzelne Person.
Johannes Franke: Super spannende Zeit.
Florian Bayer: Absolut. Es ist auch eine Zeit, die gerne übersehen wird. Das Mittelalter lässt sich so schön romantisieren. Und dann lässt sich das 19. Jahrhundert so schön romantisieren mit Dampfkraft, mit Modern und so weiter. Und diese frühe Neuzeit wirkt dazwischen manchmal so ein bisschen verloren. Vielleicht auch, weil sich die nachfolgende Generation so viel drüber lustig gemacht hat. Die Aufklärer, die haben alle... unfassbar viel gespottet über den Barock mit seinem Kitsch und seinem Prunk, über diese schrecklichen Gewänder und dann haben sie alle die Nase gerümpft über die stinkenden Städte und irgendwie quasi noch so ein bisschen, das hängt noch im Mittelalter, ist aber nicht so faszinierend wie das Mittelalter, weil es keine Burgen und Ritter gibt. Aber ja, es ist eine total spannende Zeit und es ist wirklich eine Zeit so auf der Kippe zur Moderne und eine ganz wichtige Zeit auch für die Entwicklung der Neuzeit dann später. Da sind Dinge passiert, die es ermöglicht haben, dass sowas geschehen konnte wie die Französische Revolution. Dass sowas wie die Dampfkraft sich entwickeln konnte.
Johannes Franke: Ja, wir sind in der Geschichte jetzt gerade dabei, dass er seine ersten Stücke vor dem König spielt, nicht wahr? Und dass er aber auch anfängt mehr Biss zu bekommen, wobei Biss ein kleines bisschen zu entschärfen ist, was du am Anfang gesagt hast, dass du findest, dass die ja eher so eine leichte. fars sind oder leicht, also gar nicht so viel Biss haben. Und ich glaube, es liegt natürlich vor allem am König. Wenn man den König vor sich hat, dann kann man nur so leicht spotten und nicht so ein riesiges Fass aufmachen. Aber der König hat sich sehr gefreut über bestimmte Sachen.
Florian Bayer: Vor allem, weil er sich halt, also was Molière halt wirklich gemacht hat, und das wird in dem Film ja auch erzählt, sein Spott richtet sich nicht gegen den König, sondern gegen den Bürger. und gegen den niederen Adel. Das erste Stück, mit dem er erfolgt hat, 1659, das wird dann ja auch gezeigt in so einer kleinen Montage, sind die lächerlich feinen Damen. Und natürlich hast du als 20-jähriger Louis, wenn da über die 30-jährigen Damen, die dir voll auf die Nerven gehen, über die Hoffrauen, wenn es sich über die lustig gemacht wird, findet er das auch voll Knorke. Ich finde,
Johannes Franke: ein kleines bisschen sieht man das im Film tatsächlich. Aber das ist vielleicht auch etwas, was man reininterpretiert, wenn man das ein bisschen weiß. Ich finde, dass man ein bisschen sieht, dass... Molière die Sachen schreibt, die der König gerade aktuell vor deiner Nase hat und irgendwie seine Themen sind. Und dann unterhält er sich mit dem König und hat schon vier, fünf neue Ideen, weil der König einfach über Leute herzieht.
Florian Bayer: Was ich tatsächlich schön finde, was sehr wenig Raum kriegt und das ist, was Molière vor dem Tativ schon angeeckt ist, wir haben dieses Gespräch mit den Feinddamen, über die er sich vorher lustig gemacht hat und die dann sagen, ja, Du hast dich da über uns lustig gemacht, aber eigentlich wissen wir doch, in bestimmten Sachen kämpfen wir für die gleiche Sache. Was sich darauf hin entwickelt, dass er schließlich dieses L'école des femmes schreibt, die Schule der Frauen. Und zwar eines der Stücke, das sich ganz stark dafür einsetzt, dass Frauen selbst entscheiden dürfen. Und das wird ja auch dann eingeleitet mit dieser Einszene, die komplett draußen ist aus der Handlung. Wo wir sehen, wie ein junges Mädchen mit einem älteren Herrn verheiratet wird, gegen ihren Willen. und auf eine ganz unangenehme Art und Weise. Ganz furchtbar.
Johannes Franke: Und du denkst ja auch wieder, du bist völlig in einem falschen Film. Wo kommt das jetzt her? Was soll das denn jetzt?
Florian Bayer: Ich dachte, das versucht einen zu ordnen. Ich dachte, ey, was für Namen? Ich muss auf die Namen hören. Wer ist das? Welche Menschen sind da gerade? Wer wird da gerade reingetragen und verheiratet?
Johannes Franke: Nein, nein, nein. Es ist einfach nur, das ist nur ein Thema, was einfach Molière in seinen Stücken verarbeitet hat. Und nicht nur in der Schule der Frauen, sondern auch in Tartuffe spielt eine Rolle.
Florian Bayer: Und was ihm tatsächlich eine Kontroverse ausgelöst hat.
Johannes Franke: Total.
Florian Bayer: Er hat gesagt, Frauen sollen heiraten, wen sie lieben. Und dann sehen wir es ja auch, wie seine Kritiker auf ihn zukommen und sagen, du hättest das besser die Schule der Hure nennen sollen.
Johannes Franke: Ja, er ist ganz schön angeeckt und ist so früh angeeckt, dass er einfach nicht, also er hat es ja mit der TÜV versucht, aber die TÜV ist ja verboten worden. Das Nachfolgestück ist auch direkt verboten worden, weil der König nicht im Land war und die einfach gesagt haben, nope. Das kassieren wir gleich ein und verbrennen auch noch dein Gebäude da, wo du Theater spielst. Das haben die abgerissen. Die haben echt sein Theater abgerissen. Und dann musste der König erst wieder kommen und sagen, ja gut, dann kriegst du halt das Gebäude da. Und alle anderen, nein, nicht noch ein neues Gebäude. Wir dachten, wir sind ihn jetzt los. Aber er kam halt auch nicht weit, weil Leute sofort aufgesprungen sind. Es gab eine Zeit, in der Leute in diesem Theater saßen und bestimmt 80 Prozent der Leute gedacht haben, geht es gerade um mich? Weil alle so paranoid geworden sind, weil er sich über alle Leute lustig gemacht hat.
Florian Bayer: Und die Antwort war wahrscheinlich meistens, wenn du gerade das Gefühl hast, dass es um dich geht. Du wirst nicht schlafen. Es geht wahrscheinlich um dich.
Johannes Franke: Es ist super krass. Also für die Zeit hat er schon Biss gehabt, muss man sagen.
Florian Bayer: Definitiv. Es ist halt der Biss, den man hat, wenn man Geschehen am Hof und im höfischen Kontext kritisiert. Und es hat halt eine klare Stoßrichtung, die nicht subversiv ist. Es geht hier nicht darum, dieses Gesellschaftsgefüge infrage zu stellen mit dem König an der Spitze und mit den Arten. Ja,
Johannes Franke: das nicht, nein.
Florian Bayer: Sondern es geht darum...
Johannes Franke: Aber es geht auch gegen die Kirche.
Florian Bayer: Es geht gegen die Kirche auf jeden Fall. Der König hatte ja auch seine Konflikte mit der Kirche und wir befinden uns in einer Welt, in der die Katholiken auf die Protestanten draufhauen und die Protestanten auf die Katholiken. Das heißt jetzt so, sich über bestimmte Formen des Glaubens lustig zu machen, ist auch nicht so revolutionär.
Johannes Franke: Nein, natürlich nicht.
Florian Bayer: Aber wir haben in dieser Erzählung, die dann auch tatsächlich sehr auf seine Probleme eingeht mit dem Tativ und mit der Schule der Frauen. haben wir auch Spektakel. Wir haben nämlich Versailles, das gebaut werden soll. Dann haben wir diese krasse Szene von dem Schlitten, von diesem goldenen Schlitten aus Venedig, die durch den Schnee gezogen, diese Gondeln, die durch den Schnee gezogen werden.
Johannes Franke: Die nie wieder eine Rolle spielen. Die werden einfach mal da durchgezogen und dann sind sie aus dem Bild raus und das war's. Und nie wieder tauchen die auf und es hat keinen weiteren Impact. Absolut. geil. Und natürlich geile Bilder.
Florian Bayer: Das sind fantastische Bilder, vor allem wie die dann auch angetrieben werden und wir wissen, okay, wir erfahren es irgendwie so am Rande, dass es Geschenke aus Venedig sind für das neue Schloss. Und dann haben wir ja auch diese Festvorbereitung für das große Fest in Versailles, wo der Tattoo vorgeführt werden sollte zum ersten Mal. Und dann sehen wir das Feuerwerk im Hintergrund und dann, sie hätten kein Geld für Elefanten und Kamele, aber sie können sie zumindest auf der Textebene erwähnen. Da sind Kamele und da sind Elefanten und irgendjemand muss sich um den aufgeschwächten Löwen dahin kümmern.
Johannes Franke: Sehr süß.
Florian Bayer: Das ist so voll das Spektakel. Also auch wenn wir die Kamele und die Elefanten nicht sehen, es ist so, es ist wild und es ist bunt und es hat wieder diese eskapistischen Momente, die es halt auch am Anfang hatte, die ich in einigen Momenten sonst vermisse. Also wenn gerade so seine, wenn erzählt wird, wie er mit seinen Leuten von seiner Theatertruppe aneinander rasselt oder mit den Leuten aus der Gesellschaft, dann verliert für mich der Film dazwischen immer so ein bisschen an Schwung. Ich will das Spektakel sehen. Ich will die Elefanten sehen und die Kamele und die goldenen Rotteln aus Venedig. Ich will nicht sehen, wie der König sich mit einem seiner mit irgendeinem Bischof oder so unterhält, der sagt, den Tatüfen müssen sie verbieten.
Johannes Franke: Nee, das hätte ich auch nicht sehen wollen, das stimmt.
Florian Bayer: Er hat es die ganze Zeit nicht gemacht. Ja, ich verstehe, jetzt kommt der Schulstoff auch so ein bisschen, weil das ist die Zeit, über die die Kinder über Molière fahren, nämlich dann hat er den Tativ geschrieben, dann hat er deswegen Ärger, dann hat er das umgeschrieben, dann kam der Geizige und so weiter, aber da wäre auch ein bisschen weniger Schulstoff gegangen. Davor hat der Film halt auch, der Film hat es zwei Stunden geschafft, ohne schulig zu werden und hier wird das manchmal ein bisschen.
Johannes Franke: Okay, verstehe. Na, mich stört es nicht großartig, mich interessiert es auch und ich muss dazu sagen, weil wir das noch gar nicht gesagt haben. wahnsinnig viel Vermehr oder Rembrandt. Ja. So, von den Bildern her. Ja, absolut. Ich find's total krass.
Florian Bayer: Total.
Johannes Franke: Gerade im ersten Teil natürlich, aber auch im zweiten Teil verliert es nicht gänzlich, diese Bildsprache. Ich find's ganz, ganz, ganz, ganz toll.
Florian Bayer: Bernhard Zietzermann ist der Kameramann von dem Film. Er hat auch 1978 den César für die beste Kamera gekriegt für diesen Film. Großartig. Ganz tolle Bilder. Und er schafft es halt auch, diesen Wechsel zu machen. Wir haben zum einen diese chaotischen Bilder, wo wir wirklich hin und her geworfen werden, direkt drin sind in der Menschenmenge. Und dann haben wir diese Panoramen, wo du das Gefühl hast, irgendjemand stand immer nebendran mit einem Lineal, um den goldenen Schnitt hinzukriegen. Menschen, die sich unterhalten, Menschen, die miteinander interagieren. Und das Bild ist einfach toll aufgebaut.
Johannes Franke: Großartig, wirklich ganz, ganz tolle Bilder. Und eben auch dann dazu die Kostüme. Die Kostüme sind der Hammer und die tragen mich auch durch den zweiten Teil, muss ich sagen. Weil ich sie wirklich toll finde. Ich liebe das.
Florian Bayer: Der Runk da in diesen Kostümen ist total geil. Auch hier wieder dieser Gegensatz, dass wir sehen, der Film hat keine Angst vor Schmutz. Auch da war es sputzig. Das schlecht aufgetragene Puder. Du siehst die unreinen Poren der Haut. Das ist schon sehr gut gemacht.
Johannes Franke: Ja, ja, total. Und?
Florian Bayer: Wenn wir schon dabei sind, dann müssen wir auch einmal kurz die Musik erwähnen von René Clément-Sieg. Ich hoffe, ich habe ihn richtig ausgesprochen. Ja, sowas war wie, er hat sich als historischer Musiker verstanden. Er hat das Ensemble Musiker Antica gegründet, das ganz bewusst mit Instrumenten gearbeitet hat, die in der Zeit des Mittelalters und in der Zeit der Renaissance und eben in der Zeit des Barocks benutzt wurden und versucht hat mit diesen Instrumenten, die sie auch wirklich selbst gebaut haben, um ihre eigenen wirklich zur Zeit passenden Instrumente zu haben. Nicht mit modernem Stil, sondern wirklich. Instrumente, wie sie damals aussahen, authentische Musik zu machen aus der Zeit. Und die Musik, die wir in dem Film haben, wir haben teilweise auch neuere Sachen, aber ganz viel davon ist eben genau diese historische Musik und die trägt auch sehr viel zur Atmosphäre bei. Es geht gar nicht darum, dass es echt ist oder authentisch, aber dass es sich immersiv und lebendig anfühlt.
Johannes Franke: Ja, total, absolut. Und bei der Musik fällt mir jetzt nur gerade ein, und der Film geht da gar nicht so sehr drauf ein, Molière hat sich zu Hofe dann auch mit dem Musiker dort stark bedient, hat ihm viel Raum in seinen Stücken eingegeben. Das hängt ein kleines bisschen damit zusammen, dass Molière oft nicht viel Zeit hatte. Es gab teilweise Produktionen, die in 14 Tagen die Idee hatten, das Ganze geschrieben haben, es inszeniert haben und uraufgeführt haben. In 14 Tagen. Es ist unglaublich, ich weiß gar nicht, wie man das machen soll. Hat er eben auch durch so kleine Paddings, wie zum Beispiel, sie haben ein Ballett mit reingebaut, das dann einfach mal getanzt hat und Musik und Zeug. Und es gab viele kleine Sachen, die da zwischendrin passiert sind, damit man auf die Länge kommt.
Florian Bayer: Das Witzige ist, dass es so aus der Not entstanden ist, weil der Gedanke ist ja gerne, dass gesagt wird, okay, das Barock ist eigentlich so die erste Epoche, die nach dem Gesamtkunstwerk strebt in der Moderne oder in der Neuzeit.
Johannes Franke: Ja, ja, genau.
Florian Bayer: Was dann später auch die Expressionisten nochmal aufgegriffen haben. Wir versuchen hier... Bildende Künste und Theater und Musik zu kombinieren. Und in Wirklichkeit war es einfach nur, um zu füllen.
Johannes Franke: Um den König zufriedenzustellen, der innerhalb von kürzester Zeit ein neues Stück haben wollte.
Florian Bayer: Und das ist natürlich auch die Darstellung dieses Spektakels, des Festes, das große Fest von Versailles, für das alles vorbereitet wird. Wo einfach alles an Kunst und an Prunk aufgefahren werden soll, was man irgendwie findet.
Johannes Franke: Es sei noch dazu gesagt, Es könnte der Eindruck entstehen, dass Molière einfach nur für den König gespielt hat, was natürlich Quatsch ist. Der hat eine Uraufführung für den König gemacht oder wenn der König nicht da war, hat er sich eine spätere Vorstellung in seinem Palast angeschaut. Richelieu hatte ein eigenes Theater in seinem eigenen Haus, da hat er sich auch immer mal Leute reingeholt. Richelieu war auch so ein wahnsinniger Theaterfan. Und natürlich haben sie trotzdem einen Haufen Vorstellungen für Paris gespielt. Auf jeden Fall. Für die Leute aus Paris. Die haben da ihr Theater gehabt und es gab auch... Das Stück, ich glaube das dritte Stück in der Tartuffe, die dritte Version von Tartuffe, konnte gar nicht am Palast Premiere feiern. Nee, genau. Sondern im Theater Premiere feiern lassen.
Florian Bayer: Und auch nachdem der König das erlaubt hat, hat der König gesagt, naja okay, bei mir können wir das nicht spielen, das ist gerade zu konfliktgeladen, spiel es mal da.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Aber wenn ich sage für den König, er hat natürlich nicht nur für den König aufgeführt, um den König zu unterhalten, sondern auch für den König, um den König zu repräsentieren. Das gehört ja zur Strategie von Louis XIV, dass der Hof in Versailles einfach um die Macht des Königs darzustellen, der Bezugspunkt für alle möglichen Künstler ist.
Johannes Franke: Und man merkt es in den Stücken, am Ende, oft, kommt der König und sortiert das alles.
Florian Bayer: Genau, der König darf am Schluss alles wieder gut machen.
Johannes Franke: Der rettet den Tag dann. Ja,
Florian Bayer: rohe Ex-Maschina.
Johannes Franke: Genau. Naja gut, also er musste ihm schon noch ein bisschen in den Hintern kriechen und deswegen sind die Stücke auch ein bisschen so, wie sie sind. Ich weiß nicht genau, ob er Ambitionen gehabt hätte, das anders zu machen und anders darzustellen.
Florian Bayer: Was auf jeden Fall zu den für mich schönen Momenten in diesem Blog gehört, ist die Beziehung zwischen Madeleine und Molière, die immer mal wieder so reingestreut wird mit dieser ganzen Konfliktgeladenheit, nämlich dass sie irgendwie füreinander da sind, sich irgendwie lieben, beste Freunde sind und gleichzeitig trotzdem immer wieder in diesen Konflikten. Vor allem seit der Hochzeit von Molière mit Armand. Und ganz schön finde ich dann diesen Moment, wo sie sich gegenseitig Trost spenden. Kurz gucken,
Johannes Franke: wo das war. Du meinst kurz vor ihrem Tod?
Florian Bayer: Ja, noch ein bisschen früher. Genau. Nämlich, wenn Molière sagt, dass er Armand heiratet. Und dann gibt es diese angespannte Stimmung. Und ich brauche mehr Geld für Kost. Madeleine sagt, und jetzt will ich übrigens die 105 für die Kostüme haben. Und dann gibt es irgendwann, und es ist wirklich eine angespannte Situation, dann gibt es diesen Schnitt und wir sehen die zwei nur noch zu. Nur noch die beiden, nur noch zu zweit und dann trösten sie sich einfach nur gegenseitig.
Johannes Franke: Es ist so eine großartige Szene, wie die sich aufbaut. Ja. Wie die zusammen alle, das ganze, die Kompanie sitzt um den Tisch, reichhaltig wird gegessen. Es ist wirklich großartig, was es da zu essen gibt und alle haben ihren Spaß und feiern, wie die anderen beiden zurückgekommen sind, die sich verabschiedet haben. Die gesagt haben, ich will was besseres spielen, sind dann aber wieder da. Und dann sagt halt Molière... Und die Stimmung kippt dann halt, dass sie sie auszahlen wollen oder sowas.
Florian Bayer: Molière sagt, dass er... So für seine Frau will er auch die Rollen haben. Die steht ihr zu laut diesem Vertrag.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Und Schweigen. Eisiges Schweigen.
Johannes Franke: Eisiges Schweigen. Und dann fängt halt sie an, Madeleine an zu sagen so. Und jetzt... Also sie muss wirklich an sich halten. Das ist so toll, weil sie das so wahnsinnig gut spielt. Dieses nicht... Nicht sich aufzulösen in Tränen, sondern einfach in Shit zusammenzuhalten und ihre Forderungen nach vorne zu bringen. Und auch nicht zu ausfallend zu werden, weil die Situation dafür auch nicht die richtige ist. Sie spielt diese Spannung wahnsinnig gut. Und der Rest drumherum spielt die Spannung auch wahnsinnig gut. Es gibt einen Schwenk auf diese eine andere Frau, die für sie weint quasi. Und auch für uns als Zuschauer die Spannung ein bisschen auflöst, indem sie weint. Und wir ganz viel auch auf ihrem Blick bleiben. Also viel Spannung sich dann auch an ihrem Gesicht ausmacht, obwohl sie gar nicht aktiv ist. Ich finde es eine total tolle Entscheidung, total spannende Situation. Sehr gut inszeniert und aufgelöst.
Florian Bayer: Und dann ist es natürlich schön, wenn sie plötzlich doch nur noch zu zweit sind. Und dieser Krieg hört plötzlich komplett auf. Und es ist einfach nur, sie spenden sich gegenseitig Trost. Und du hast es gerade schon erwähnt, dann gibt es natürlich noch diese zweite große Szene. Wenn Molière wirklich krank aussieht irgendwann, er sagt dann so, ja, er ist schlaff geworden. Das bürgerliche Leben macht ihn fertig. Alle sind gegen ihn. Ja, mal so ein bisschen rum. Aber dann haben wir vor allem diesen Moment, wo er das letzte Gespräch mit Madeleine hat, bevor sie stirbt. Also sie ist vor ihm gestorben, nämlich 1672. Ja. Ein Jahr vor Molière. Ja. Und auch, wo sie sich nochmal Trost gibt. Und man merkt, egal was da vorgefallen ist, das sind die besten Freunde. Ja. Die haben quasi ihr erwachsenes Leben miteinander verbracht und haben sich... Echt viel zusammen erlebt, miteinander gearbeitet, miteinander gelebt, geliebt, gelitten.
Johannes Franke: Und ich glaube, der Film übertreibt da auch nicht. Zumindest nach dem, was ich so erlesen konnte mir, waren die einfach von Anfang an auf seiner Seite und hat mit ihm das Ding durchgezogen und hat natürlich durch ganz viele schwierige Situationen hindurch, aber eben immer für ihn und mit ihm gekämpft. Das ist total krass.
Florian Bayer: Sie hat ihn eingeführt in diese Theaterwelt. Als er sie kennengelernt hat, war sie schon ein kleiner Star auf den Pariser Bühnen. Und ohne sie wäre er nicht der Theatermensch geworden, der er war. Und gleichzeitig sind sie beide miteinander gewachsen. Und haben sie als gefeierte Schauspielerin, er als gefeierter Schauspieler und Autor.
Johannes Franke: Das ist auch das Interessante. Und da zeigt sich jetzt in der Szene so ein bisschen, und vielleicht auch das einzige Mal in dem Film, Was da, wie das entstanden ist, wie damals auch Stücke entstanden sind, eben nicht nur am Papier, sondern man sitzt zusammen, nach Comedia dell'arte vielleicht auch ein bisschen, schlüpft in seine Rollen, die man auswendig kennt und wirft sich Lines hin und her. Und dann unterbricht man mal kurz und sagt, nee, das muss ich andersrum sagen, das ist besser oder in dieser Situation ist es ja die Mutter und nicht die Großmutter oder was auch immer. Und dann... formt man in der Improvisation die Szene. Was ich total spannend finde. Total schön.
Florian Bayer: Und gleichzeitig ist Molière der, der es für diese Truppe so ein bisschen auch geändert hat. Also Molière, so sind die Stücke entstanden, zeitlang. Und später wurde Molière mehr und mehr der Alleinschreiber. Wir haben ja diesen Moment, wo der etwas jüngere Molière noch sein neues Stück, was er geschrieben hat, vorliest und noch so voll unsicher ist und kritisiert fühlt. Dann sagt er, ich hör jetzt auf. Ich will hier noch mein Stück vorlesen.
Johannes Franke: Und die machen sich voll lustige Wehen. Das ist so süß.
Florian Bayer: Und dann haben wir diese Momente, wo er schreibt und über sich selbst lacht. Und offensichtlich, ich kenne mich zu wenig damit aus, ist es aber so ein Thema für sich, die Autorenschaft von Molière. Ja. Es ist offensichtlich, darüber kann man wohl streiten.
Johannes Franke: Es ist wie bei Shakespeare, dass man irgendwie jemanden findet in seinem Dunstkreis und sagt, ja, aber der hat das doch alles für ihn geschrieben. Oder es sind ein paar Namen im Spiel. Aber ich habe mir nochmal sehr ausführlich einen Podcast dazu angehört. Oh,
Florian Bayer: sehr gut, ja.
Johannes Franke: Und es gibt ja durchaus durch Rechenleistungen in Computern und so weiter die Möglichkeit, viele, viele, viele Stücke gleichzeitig analysieren zu lassen auf bestimmte Worte, Wortverbindungen, Wortredewendungen und so weiter. Stile, die einfach bestimmt sind. Autoren prägen und dann man so Cluster bilden kann an Worten, die besonders häufig vorkommen oder Wortverbindungen und Stile. Und es ist eigentlich, um das Ganze kurz zusammenzufassen, klar, dass Molière seine Sachen selbst geschrieben hat.
Florian Bayer: Gott sei Dank.
Johannes Franke: Ob Molière war, ist eine andere Frage. Es war halt eine Person. Wenn das die ganze Zeit jemand anders geschrieben hat als Molière selbst, dann ist das auch möglich, theoretisch.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Aber eigentlich muss es auch Moliere selbst gewesen sein.
Florian Bayer: Und ganz viele Franzosen atmen durch.
Johannes Franke: Es gibt ein paar Leute, die ein bisschen in Frage kommen. So Zeitgenossen, Leute, die auch mit ihm zusammen zu tun haben.
Florian Bayer: Ja, Cornel ist von denen, der genannt wurde. Und das geht zurück wohl Anfang des 20. Jahrhunderts, hat jemand geschrieben.
Johannes Franke: Genau,
Florian Bayer: so sieht es aus.
Johannes Franke: 1905 hat das jemand geschrieben. Das war jemand, der ein Franzose... der gesagt hat, das geht nicht, das kann nicht sein, dass er das alles selbst geschrieben hat, weil... Und dann hat er irgendwelche Argumente gehabt, die habe ich mir auch aufgeschrieben, aber die brauche ich jetzt nicht rauszusuchen. Es ist vollkommen wurscht. Auf jeden Fall hat das jemand arg in Zweifel gezogen und hat diesen Dramatiker oder diesen Schriftsteller reingeworfen. Und der hatte auch einen Bruder, der auch in Frage kam. Aber auch der ist über... Also der hat tatsächlich mit seinem Bruder Überschneidungen im Cluster. Also die haben anscheinend zusammengeschrieben. Aber mit Molière ist das nicht zusammenzubringen.
Florian Bayer: Gott sei Dank.
Johannes Franke: Naja, und in 20 Jahren kommt noch mal eine andere Analyse raus.
Florian Bayer: Vielleicht. Aber diese Computeranalysen, was das betrifft, die sind, glaube ich, ziemlich zuverlässig.
Johannes Franke: Ich glaube auch, dass sie ziemlich gut sind, ja.
Florian Bayer: Und dann nähern wir uns dem Ende des Films. Molière, der verlebt ist, der geschafft ist vom Leben auf dem Hof, vom Kampf um Tartuffe, der trauert um seine beste Freundin Madeleine. Und... der sich dann für den eingebildeten Kranken fertig macht, hustend. Und der dann diesen Schwächeanfall spielt. Oder nicht spielt.
Johannes Franke: Ja, der interessanterweise eben den Bogen zum Anfang schlägt, nicht nur von der Szene her. Also er stellt, ist eigentlich die Fortsetzung der Szene, die am Anfang gezeigt wird, als erste Einstiegsszene, wie er sich da fertig macht. Aber auch inhaltlich. zeigt uns die Regisseurin nochmal, wie der Schauspieler in die Rolle kommt. Während wir, wie wir am Anfang gesagt haben, in den Film hineingetragen werden, in dem die Schauspieler auch in ihre Rollen kommen.
Florian Bayer: Und dann haben wir diesen Moment, wo der eingebildete Kranke auf der Bühne immer wieder diese Schwäche anfeuert und dann immer wieder mitfallert. Und draußen stehen die ganze Zeit die Leute und überlegen, was ist davon ist echt, was davon ist gespielt, bis irgendwann mal jemand sagt, jetzt mach mal einen Vorhang echt, das sieht nicht gut aus. Und das Erste, was Molière sagt, nachdem der Vorhang gefallen ist, wie war es? Und erst dann sagt er, mir ist kalt. Aber erst will er wissen, wie es war, weil er hat wirklich, also dieses Spielen ist ein Kampf gegen die eigene Schwäche.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und dann.
Johannes Franke: Das ist das Wichtige auch in dem Moment. Das ist das Wichtige.
Florian Bayer: Und dann haben wir diese Todesszene, also er stirbt, er ist ja später erst zu Hause gestorben. Ja. Aber wir haben diesen Moment, wie er blutend nach Hause getragen wird. Wir haben diese Szenen, die dazwischen geschnitten werden aus seinem Leben. Ja. Und ganz. Krasse Bilder wieder, wie er so von den Leuten angetrieben wird, genauso wie sie damals den Wagen angetrieben haben. Und auch so eine Bewegung, eine fast stehende Bewegung, wenn sie die Treppen rauf gehen, du hast das Gefühl, sie kommen nicht vorwärts. Großartige Bilder.
Johannes Franke: Aber auch wieder sehr, sehr lang, muss ich sagen, diese Szene. Das ist extrem lang.
Florian Bayer: Lang! Ja. Aber was für ein tolles Bild und was für eine dramatische Musik und überall ist Blut.
Johannes Franke: Ja, ja, also die Inszenierungsidee ist großartig, die Musik ist großartig, aber sie ist einfach... Fast zwei Drittel zu lang. Es ist unglaublich.
Florian Bayer: Es dauert ewig. Es ist aber genau der richtige Moment, dann zu sagen, okay, und jetzt Black. Und Ende. Und dann bist du wirklich erschöpft. Dann merkst du erst mal, wie erschöpft du bist. Ja, ja, genau. Und denkst so, shit, das waren jetzt wirklich vier Stunden. Das war wirklich lange. Das war wirklich hart. Nicht shit, Merck. Das waren harte vier Stunden. Gerade weil, genau wegen solcher Szenen, die dich halt nochmal so pushen und die sich selbst... pushen und sich nochmal ziehen und dehnen und noch mehr und noch mehr.
Johannes Franke: Er hatte einen Blutsturz auf der Bühne und zwar bei der vierten Vorstellung dieses Theaterstücks. Also nicht bei der Premiere, wie es der Film so ein kleines bisschen separiert, sondern bei der vierten Vorstellung. Er wusste schon, dass das Ding funktioniert. Es war alles in Ordnung, aber er hat sich halt auch zu Tode gerackert dabei und das war halt auch das Ding. Man sagt, dass er eigentlich auch hätte gesund noch eine ganze Weile leben können, wenn diese ganzen Sachen nicht gewesen wären, wo er sich wirklich hart aufgerieben hat. Einfach psychisch. Und naja, Blutsturz, dann ist er am Bluthusten, er stickt irgendwann so nach und nach und ist da halt echt zu Hause im Alter von 51 Jahren gestorben. Sehr dramatisch. Und ich glaube, der Film inszeniert das zwar sehr dramatisch, aber es ist nicht ganz untertrieben. Es ist einfach hart, jemand auf der Bühne so sterben zu sehen und dann irgendwie noch retten zu wollen. Aber keine Chance, keine Chance. Und die Truppe hat dann noch eine Weile weiter am Hof gearbeitet und ist dann so ein bisschen entweder aufgegangen in die Neuankömmlinge. Es gab dann halt eine andere Truppe, die sie noch mit übernommen haben. Sie haben ja selber auch eine andere Truppe abgelöst, muss man dazu sagen. Sieht man auch im Film kurz.
Florian Bayer: Offensichtlich ihre Vorbilder oder zumindest mal die ersten Vorbilder. Ja,
Johannes Franke: genau. Und die dann auch in seine Truppe mit aufgelöst wurden und diese Truppe ist dann auch teils gegangen und teilweise in die neue Truppe mit aufgegangen.
Florian Bayer: Armand musste sich sehr, also seine Frau, seine deutlich jüngere Frau, musste sich sehr dafür einsetzen, dass er doch eine Beerdigung auf einem Friedhof gekriegt hat. Über den König musste das gespielt werden, über den Erzbischof, weil niemand wollte einen Schauspieler beerdigen auf einem kirchlichen Friedhof. Und das wurde dann aber gemacht, aber in einer ganz kleinen privaten Feier.
Johannes Franke: Und der König soll gesagt haben, als es hieß, Molière ist tot, hat der König gesagt, Molière ist unsterblich. Was auch sehr süß ist, das zeugt von dieser Verbindung, die die irgendwie hatten zusammen.
Florian Bayer: Ja, was auch sehr viel aussagt über das Verhältnis von Molière mit dem König.
Johannes Franke: Ja, also er wurde dann auch irgendwann nochmal verlegt auf einen anderen Friedhof. Zweimal glaube ich sogar verlegt, bis er jetzt dort ist, wo er jetzt auch immer noch ist. Und auch... anzutreffen ist quasi, wo man hingehen kann.
Florian Bayer: Und zu Lebzeiten war er schon sowas wie ein Nationaldichter in Frankreich. Und nach dem Tod erst recht. Und wie gesagt, ist einfach eine der großen Figuren der französischen Geschichte. Und dann ist bei all dem natürlich die Frage, was macht dieser Film? Ist es dann Heldenverehrung, die dieser Film betreibt? Oder zeigt er dafür zu wenig Moliere?
Johannes Franke: Dafür zeigt er zu wenig Moliere, habe ich das Gefühl. Er macht ja so einen Mutfilm mehr, als dass er so zeigt. Also die Dramatik könnte in eine Heldenverehrung übergehen, aber das tut er dann am Ende doch nicht. Es ist einfach nur eine sehr dramatische Inszenierung am Ende. Und man zeigt ja auch ausreichend, was für Probleme und wie es knirscht. in der Truppe und dass es da Schwierigkeiten gibt und so. Also das verschweigt er ja auch nicht. Und auch das Molière dann, ja ich weiß, man sieht halt nicht von seinem Schreibprozess und so. Das ist halt das Problem.
Florian Bayer: Der Film ist einfach viel zu sehr damit beschäftigt, die Epoche zu erleben.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: ja, ja. Und nicht zu kritisieren und nicht zu analysieren, sondern einfach nur zu erleben. Ja. Und auch mit diesem Molière zusammen zu erleben. Und ich glaube, was du am Anfang gesagt hast, ist dabei ganz wichtig, dass halt alles Theater ist.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und... Und das war es vielleicht auch im Frankreich des 17. Jahrhunderts und auch in anderen Ländern im 17. Jahrhundert. Alles ist entweder Theater oder alles ist Tod und Leid.
Johannes Franke: Oh Gott.
Florian Bayer: Du hast die Wahl. Und es gibt einfach den Punkt, wo Molière sich fürs Theater entscheidet. Und das ist dann auch so ein Stück seiner Unsterblichkeit. Und das wird am Schluss ja auch irgendwie mitgegeben. Da haben wir nochmal diesen Rückblick und vor allem diesen Rückblick auch auf das Erleben. Weil eines der letzten Bilder gebührt ja nicht dem Molière, der... irgendwas Großes erschaffen hat, sondern dem jungen Molière, der sich einfach drüber freut, dass er zum König gekrönt wird, weil die Magd, die er sehr mag, die Bohne im Stück Brot hat. Und das ist es vielleicht auch, am Schluss das Erleben, dass das im Mittelpunkt steht und dass wir genau wie dieser Molière das 17. Jahrhundert erleben dürfen.
Johannes Franke: Aber am Ende wissen wir halt nicht sehr viel mehr über Molière, wie er zu seinen Stücken stand, zu seinem Schaffen. Wir wissen kaum etwas über seine Stücke oder über seine Gedanken hinter den Stücken oder sowas. Also insofern ist es halt wirklich eher das Erleben der Zeit, in der er gelebt hat. Und ihn zu benutzen als Möglichkeit, wirklich in alle Schichten reinzugucken, wie du am Anfang gesagt hast, zwischen der Armut und diesem Sonnenkönig. Aber mich würde wirklich mal ein Film interessieren, der das ein bisschen genauer auseinander nimmt, was jetzt eigentlich mit Molière war. Das ärgert mich ein bisschen, weil ich dann denke, ja, okay, ich fand den Film tatsächlich gut, aber ich will doch auch mal was wissen über Molière. Ich habe mir doch innerhalb von viereinhalb Stunden was angeschaut, was Molière heißt. Warum weiß ich denn jetzt so wenig?
Florian Bayer: Dafür kannst du einen Wikipedia-Artikel lesen oder einen Podcast hören. Ich habe zumindest ein paar ganz gute Molière-Podcasts gefunden.
Johannes Franke: Ich fand es wahnsinnig schwer, was zu finden, muss ich sagen. Es ist nicht viel da draußen los mit Molière.
Florian Bayer: The Cannonball hat eine ziemlich gute Episode zu Molière gemacht.
Johannes Franke: Ah, okay. Hättest du mir früher schicken können. Und,
Florian Bayer: Moment, jetzt muss ich gucken, welcher gut war. 400 Years of Molière von Join Us in France Travel Podcast.
Johannes Franke: Ja, den habe ich auch gehört.
Florian Bayer: Den fand ich ganz gut. Und die anderen waren alle recht kurz. Und ich habe heute noch mal was angefasst, das hieß Madeleine und Molière. War anders und wunderlich. Oh. Ich weiß noch nicht, wie gut ich das finde. Die haben ein Molière stirbt und unterhält sich dann mit Madeleine in seinem Tod gespielt tatsächlich. Und ich glaube Molière hätte es gefallen, aber ich bin kein Molière Fan. Aber ne, die finde ich gut. Also zumindest so. Deswegen will ich sie auch hier, auch wenn es vielleicht gar nicht so mein Ding war, fand ich auf jeden Fall toll, dass die da irgendwie. Ein interessantes Konzept, nur sie haben einen Podcast und sie machen eine Episode, wo sich Molière und Madeleine unterhalten. Ja. Sie sind zu zweit und sie haben dafür offensichtlich einen Text geschrieben und es war interessant. Okay.
Johannes Franke: Ja. Na gut. Wollen wir dieses Feld kurz verlassen, um uns auf ein anderes zu begeben, das da Top 3 heißt? Ja,
Florian Bayer: let's do it.
Johannes Franke: Unsere Top 3. Eine Top 3 haben wir. Und zwar habe ich die Top 3 langgehaltene Szenen. Yes. Vielleicht sogar sehr langgehaltene Szenen.
Florian Bayer: Faison le. Ich hab Let's Do It gesagt, ich muss sagen, Faisal, wir sind immer noch französisch unterwegs.
Johannes Franke: Achso, für was? Okay, ich kann kein Französisch, was soll's.
Florian Bayer: Genau, langgehaltene Szenen, du hast ja voll in mein Wespenest gestochen, weil das Zeug ist, auf das ich einfach stehe. Ja,
Johannes Franke: natürlich. Mich hat es auch vor allem interessiert, nicht was ich finden kann, weil ich bin nicht der große Fan von den ganz langsamen Filmen. Aber manchmal gibst du mir ja doch einen, der wirklich toll ist. Ich habe dir auch letztes Jahr ein Marienbad gegeben, was auch ein sehr, sehr langsamer Film ist. Hast du den in der Liste? Nee. Nee, okay. Das dachte ich mir. Weil du dann nicht so, du warst nicht 100% überzeugt von dem.
Florian Bayer: Nee, also ich finde es immer noch ein spannender Film. Und ich finde es auch immer noch ein Muss-Man-Sehen-Film. Aber ich kann den immer noch nicht so ganz einordnen. Mein Platz 3. Ja. Satans Tango. Den ich dir irgendwann mal geben muss, wenn ich dich so richtig leiden lassen will.
Johannes Franke: Gott nein.
Florian Bayer: Der aus ungefähr, keine Ahnung, der Film geht 450 Minuten.
Johannes Franke: Noch länger als der hier.
Florian Bayer: 150 Einstellungen ungefähr. Scheiße. Die Eröffnungssequenz ist eine Kuhherde. Toll. Die über die Straße geht und an den Häusern dieser Stadt vorbei, in der dieser Film spielt. Es geht um ein ungarisches Dorf, das ziemlich heruntergekommen ist und alle sind arm und alles ist dreckig. und alles ist einsam und eintönig und dann haben wir halt einfach diese Kamerafahrt mit dieser Kuhherde, die durch dieses Dorf zieht und 10 Minuten dauert die Szene ungefähr. Das ist krass.
Johannes Franke: 10 Minuten?
Florian Bayer: Ja. Muss man wollen.
Johannes Franke: Ach Gott.
Florian Bayer: Aber es ist genau das Richtige, um in den Film einzuführen und um die Stimmung des Films zu setzen und dir zu sagen, okay, du hast hier eine Herausforderung. Mal schauen, wie lange du drüber schältst.
Johannes Franke: Naja, ich habe auf Platz 3 Ghost Story und da gibt es diese eine Szene, wo sie sich da hinsetzt und den Kuchen isst. Und sie isst den ganzen Kuchen.
Florian Bayer: Scheiße,
Johannes Franke: ja. In vier Minuten. Die Kamera bewegt sich nicht. Sie sitzt einfach nur auf dem Boden und lehnt da an einer Wand und isst diesen Kuchen. Dann steht sie auf und geht ins Bad und wir hören Geräusche, die bedeuten, dass der Kuchen wieder rauskommt. Aber vier Minuten lang diesen Kuchen einfach nur. Was?
Florian Bayer: Großartig.
Johannes Franke: Aber der Film ist großartig und ich komme vollkommen klar. mit dieser Szene. Wenn ich sie eingebettet im Film sehe, muss ich dazu sagen. Ich habe sie nochmal gesehen und habe gedacht, wie bin ich damit klar gekommen? Aber der Rest des Films arbeitet darauf hin und kommt damit auch gut weg dann. Das ist schon okay. Deswegen auch in einer Top 3 und nicht in einer Worst 3. Also es ist wirklich, es ist schon toll.
Florian Bayer: Mein Platz 2, ich werde dynamischer, das wäre auch eine lange Szene, die dir gefallen würde. Boogie Nights, die Eröffnungssequenz von Paul Thomas Anderson. Wir haben über Magnolia gesprochen, einen ganz großen Film, einer meiner Lieblingsfilme überhaupt. Und Boogie Nights ist der Film, den er davor gemacht hat. Da geht es um das Pornomilieu in den 70er Jahren. Und der Film startet mit einer Kamerafahrt durch einen Nachtclub, wo sich die ganzen SchauspielerInnen und MacherInnen von diesem Film treffen und zusammen feiern und koksen und saufen und irgendwie versuchen, einen Job an Land zu ziehen oder das neueste Nachwuchstalent zu entdecken. Und es ist einfach nur ein großartiges 70er-Jahre-Gesellschaftspanorama irgendwo zwischen Hippietum und Kapitalismus und Sex und verrucht und bunt und Disco-Wild. Großartig. Okay.
Johannes Franke: Ich habe auf Platz 2 Casablanca. Es ist nicht minutenlang, aber es gibt diesen einen Moment, weil sie will ja die ganze Zeit von dem Pianisten diesen einen Song hören. Und der weigert sich die ganze Zeit. Und dann irgendwann sagt er, okay, komm. Und spielt You must remember this, the kiss is just a kiss. Und dann sehen wir ein ganz langes Close-Up nur auf ihr. Ja. Sie guckt dann nur. Sie guckt nur vor sich hin. Ja. Und das war's. Und es ist ein ganz toller Moment in diesem Film. Ja, cool. Und die Kamera bleibt ein bisschen zu lang, also eine halbe Minute. Aber auch eine halbe Minute ist im richtig platziert eine lange Sache.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Und es ist ein guter Ruhepol in dem Moment, in dem Film. Ich find's schön. Total schön.
Florian Bayer: Sehr schön. Mein Platz 1. André Tarkowski.
Johannes Franke: Natürlich.
Florian Bayer: Nostalgia.
Johannes Franke: Was? Nicht Sag Hallo?
Florian Bayer: Nicht mein Lieblingsfilm von Tarkowski, aber vielleicht der Film mit der besten Szene, die Tarkowski je gedreht hat. Und zwar geht es in dem Film ganz kurz. Es geht um einen Schriftsteller, der was über einen... über einen russischen Kommunisten schreiben will und der dafür umherreist. Und unterwegs trifft er irgendwann auf so einen ziemlich verrückten Typen. Und dieser verrückte Typ sagt zu ihm, es geht ja im Leben darum, was Besonderes zu machen, was irgendwie noch niemand gemacht hat. Und wenn du das schaffen willst, dann bitte. Ich kann das nicht machen, weil die Leute mich für verrückt halten und jeder wird mich daran hindern. Aber du schaffst das für mich. Und zwar, es gibt da so Terme, die verlassen sind, so alte römische. Und da von einer Stelle... Stelle bis zur anderen mit einer Kerze gehen, die brennt.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und genau, kannst du das für mich machen, bitte?
Johannes Franke: Äh.
Florian Bayer: Und dann haben wir am Schluss, haben wir diese Szene, wo der Dichter das versucht zu machen. Und zwar geht er durch diese Therme mit der Kerze und dann geht sie aus und dann geht er zurück und dann macht er sie nochmal an und dann geht sie nochmal aus. Okay. Und wir haben diese Kamerafahrt mit ihm, wie er versucht mit dieser brennenden Kerze durch die Therme zu gehen, dazwischen scheitert, wieder anzündet. zurückgeht, versucht seine Hand davor zu halten, seinen Mantel davor zu halten und irgendwie einfach nur durch dieses Becken zu schreiten. Es ist eine unglaubliche Szene.
Johannes Franke: Unglaublich lang oder auch intensiv?
Florian Bayer: Unglaublich lang, unglaublich intensiv und du siehst diesen Moment und du siehst, wie er kämpft gegen den Wind und du drückst so die Daumen, dass er es schafft. Du bist voll drin. Und es ist eine wirklich langatmige Szene. Natürlich ist es eine herausfordernde Szene. Du siehst die Szene und du weißt, okay, das ist voll provokant. Und das musst du irgendwie mitmachen. Und ja, das ist Kunst und das ist langweilig. Aber es ist trotzdem krass.
Johannes Franke: Okay. Ich habe auf Platz 1 Playtime von Jacques Tati. Ja. Und wir haben ja auch gesehen, wir haben auch lange darüber geredet. Und dieser Film ist voll von so Szenen, die wirklich sehr lang gehalten sind. Zum Beispiel diese Szene in der Bar, die einen großen, großen Teil des Films ausmacht. Wo einfach nur... Und ohne Dialog ein Haufen Zeug einfach passiert in dieser Bar. Aber was ich eigentlich meine, was ich gerne auf die Liste setzen möchte, ist die Szene, wo wir sehen zwei Fenster, die erleuchtet sind.
Florian Bayer: Yes, ich erinnere mich.
Johannes Franke: Von zwei Wohnungen, die in der Mitte getrennt sind. Aber wir sehen diese Wand nicht, weil wir perspektivisch so sind, dass man denken könnte, dass das eine Wohnung ist, in die wir da reinschauen, durch zwei Fenster. Und dann beziehen sich die Aktionen. In den Wohnungen aufeinander. Man hat das Gefühl, die einen gucken dem anderen zu und andersrum. Und da passieren einfach großartige Sachen. Und die Szene ist wahnsinnig lang gehalten. Ja. Was da in diesen Fenstern passiert ist, ist wirklich toll gemacht.
Florian Bayer: Und trotzdem total dynamisch, ne? Also es ist keine langatmige Szene.
Johannes Franke: Ja, genau. Total. Es ist ganz, ganz, ganz, ganz toll. Und ich finde sowieso, dass Jacques Tati ein Meister darin ist, Szenen lang zu halten und trotzdem dran zu bleiben. Also man will dranbleiben. Es ist wirklich ganz toll. Cool.
Florian Bayer: Ja super, schöne Liste, danke.
Johannes Franke: Ja, gehen wir wieder zurück in unseren Film. Das war unsere Top 3.
Florian Bayer: Und zu unserem Fazit, ich weiß du nennst es Urteil, aber es ist jetzt unser Fazit.
Johannes Franke: Ja, haben wir noch irgendwas zu sagen? Also es gibt Leute, die ihr eigenes Fazit hatten, die zum Beispiel gesagt haben, dass Ariane Muschkin glaubte, dass der Zauber der Mise en Scene sie von der Notwendigkeit befreit, ein gutes Drehbuch zu schreiben. Ich weiß nicht, ob man dem folgen will oder was für ein schlechter Tag der hatte, als er das geschrieben hatte.
Florian Bayer: Das heißt, das ist ihr Konzept von dem Film, was soll das? Sie will das? Ja. Es ist kein ausgefeiltes Drehbuch mit einer großen Charakterentwicklung oder so, aber dafür kriegst du was viel besseres, du Arschloch.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Entschuldigung. Okay,
Johannes Franke: okay. Nein, also ich fand den Kommentar interessant, weil er eben genau das hervorstellt, was sie anscheinend ja wirklich hervorstellen möchte, nämlich dieses unglaubliche, opulente Bild von der Zeit. Ja. Und das Gefühl von der Zeit. Und das... Aber mit einer Biografie erzählen zu wollen, ist halt etwas, was dir die ganze Zeit das Gefühl gibt, ich will jetzt aber auch was Biografisches sehen, bekommst du halt nicht so sehr, also nicht viel. Und deswegen kann ich mir das schon vorstellen, dass man ein bisschen, so ein bisschen da sitzt und denkt, ich hab was anderes erwartet und ich möchte was anderes und deswegen schreibe ich jetzt eine böse Kritik. Aber das, was, wenn du offen bist und dich über das freuen kannst, was du bekommst, dann wirst du schon belohnt.
Florian Bayer: Absolut. Dieser Film hätte auch ohne Molière funktioniert. Ja, das ist es vielleicht und das ist wahrscheinlich auch das, was diesem Kritiker aufgestoßen ist, was ich auch nachvollziehen kann, wenn du einen Film guckst, der Molière heißt und du hast das Gefühl, dieser Film funktioniert auch ohne Molière, vielleicht sogar besser in den Momenten, in denen wir nicht Molière beobachten, sondern durch die Augen von Molière beobachten. Dann ist es vielleicht nicht das, was du willst, wenn du eine, wenn, wenn, nicht das, was du in der Biografie suchst, das kann ich total nachvollziehen, auf jeden Fall. Und dann guckt, dann, dann ist es tatsächlich eher so eine Biografie wie Chaplin oder wie Oppenheimer, die du gucken willst, wo du wirklich was über diese Person erfährst. Ich glaube dadurch, dass sie, dass sie das macht mit diesen improvisierten Szenen, mit diesen wilden Szenen, die einfach nur Sittengemälde sind, befreit sie sich davon, sowas machen zu müssen. Und diese Befreiung ist wichtig, weil... Ich glaube, Heldenverehrung von Molière, lange Geschichten über Molière, die genau erzählen, was er alles gemacht hat, findet man mehr als genug in der französischen Kulturgeschichte.
Johannes Franke: Ist das so? Keine Ahnung. Ich habe versucht zu recherchieren, Zeug über Molière. Es ist nicht so leicht. Ich fand es schwer.
Florian Bayer: Es gibt auch einen neuen Molière-Film, ne? Ja,
Johannes Franke: es gibt noch einen anderthalbstündigen, normale, zur Filmung. Ich weiß nicht, wie der ist. Keine Ahnung.
Florian Bayer: Ist wahrscheinlich furchtbar öde, nachdem man diesen Film gesehen hat. Aber keine Ahnung, ich will ihn nicht vorurteilen.
Johannes Franke: Auf eine ganz bestimmte Art und Weise glaube ich, dass dieser Film Molière gerechter wird, als wenn man seine Daten runterrasselt. Und das finde ich toll.
Florian Bayer: Ich bin froh, dass er so geworden ist, wie er ist. Weil, also ich glaube, vier Stunden und dann Molières Lebensgeschichte einmal für die Schule aufbereitet, hätte mich eher genervt.
Johannes Franke: Aber man versteht halt auch schon viele Szenen nicht, ne? Man weiß nicht, was nur diese Szenen sind.
Florian Bayer: Man muss bereit sein zu erleben und nicht alles genau zu verstehen und einzuordnen. Voll. Johannes, vielen Dank, dass du mir den Film gegeben hast.
Johannes Franke: Voll danke, dass du den geguckt hast, dass du dir viereinhalb Stunden angetan hast und dass wir jetzt so ein bisschen aufgearbeitet haben. Es ist ja auch ein Stück meiner Kindheit und ich hatte mich immer gewundert, dass niemand was damit anfangen konnte, außer die Hardcore-Theaterleute, mit denen ich so abgehangen habe.
Florian Bayer: Die kannten diesen Film, das ist eigentlich krass, das ist traurig, das ist so ein vergessener Film. Und vielleicht, das ist meine Hoffnung zum Bisschen mit dieser Episode, dass wir den Film vielleicht wieder zumindest bei ein paar Leuten ins Gedächtnis rufen und sagen, Es ist ein tolles Historien-Epos über das 17. Jahrhundert mindestens. Das sollte man sich anschauen.
Johannes Franke: Ja, und ich glaube auch, dass man ihn als Schauspieler besonders angucken sollte. Wenn ihr Schauspieler werden wollt oder seid oder was auch immer und diesen Film noch nicht gesehen habt, dann macht das mal noch. Er sagt zwar nicht viel über die Sachen, die tatsächlich auf der Bühne passieren, aber über dieses Leben und dieses Lebensgefühl, das mich auch damals überhaupt angestoßen hat, das zu machen. Unter anderem. Leute,
Florian Bayer: vielen Dank fürs Zuhören.
Johannes Franke: Ja. Wir sind jetzt über zwei Stunden fast. Naja, ungefähr. Und wir werden nächste Woche etwas aus deinem Wunschkasten nehmen. Weißt du schon, was du nimmst? Ja,
Florian Bayer: ich weiß schon, was ich nehme.
Johannes Franke: Okay, aber lass uns nochmal den Jingle kurz spielen. Hört euch mal den Jingle an und dann erzählt mir Plo, was er mir geben möchte.
Florian Bayer: Bis dahin, euch eine schöne Woche. Danke fürs Zuhören. Bis nächste Woche. Bis dann.
Johannes Franke: Ciao.
Florian Bayer: Wir müssen mal wieder ein bisschen mehr Unterhaltung für die Massen. Ich weiß es nicht. Ein Film, der so ein bisschen so ein Millennial-Film ist, den ich als junger Erwachsener extrem geil fand.
Johannes Franke: Jetzt willst du mir Titanic geben.
Florian Bayer: Den muss ich dir auch irgendwann geben. Oh nein! Aber ein bisschen mehr Indie. Und ich glaube, der wurde manchmal so als David Lynch für Arme verschrien. Ist er meiner Meinung nach überhaupt nicht. Okay. Tolle Mischung aus Surrealismus und Satire. Donnie Darko.
Johannes Franke: Ah! Oh Gott, von wem ist denn Johnny Darko noch?
Florian Bayer: Ja, von einem Regisseur, der außer Johnny Darko nichts Gutes mehr gemacht hat. Aus dem Jahr 2001 von Richard Kelly. Der es leider nicht geschafft hat, an diesen Erfolg anzuknüpfen, der, soweit ich mich erinnere, vor allem ein Videotheken-Erfolg war. Ein Film, der im Kino nicht gut lief, aber dann so einen Kultfilm-Status auf dem zweiten Vermarktungsweg entwickelt hat.
Johannes Franke: Das kann ich mir auch vorstellen bei dem Film, muss ich sagen. Krass.
Florian Bayer: Du hast ihn gesehen, du kennst den?
Johannes Franke: Du hast ihn mir irgendwann mal gezeigt, glaube ich.
Florian Bayer: Oh, ein O.T.B.G. Film.
Johannes Franke: Ja, ja, ja, ja. Ich glaube, es war auch einer, wo ich danach sauer war, dass du ihn mir gezeigt hast.
Florian Bayer: Werden wir sehen. Auf jeden Fall Donnie Darko für alle Millennials da draußen.
Johannes Franke: Okay, ich zähle auf euch. Euch alle vier, die uns für diese Episode gefolgt seid. Kommt das nächste Mal wieder für Donnie Darko.
Florian Bayer: Bis dahin, ciao. Bis dahin.
