Episode 199: Martyrs und der brutale Horror der New French Extremity
Im Jahre 1971 gelingt es dem jungen Mädchen Lucie aus einem Fabrikgelände irgendwo in Frankreich zu fliehen. Was ihr dort widerfahren ist, weiß niemand, weil das Mädchen nicht über ihr Martyrium sprechen will. Aber die Untersuchungen des Tatorts lassen schreckliches erahnen. Lucie kommt in einem Kinderheim unter, wo sie sich mit der gleichaltrigen Anna anfreundet. Die Dämonen ihrer Vergangenheit lassen sie jedoch nicht in Ruhe.
Fünfzehn Jahre später glaubt sie ihre Peiniger von einst gefunden zu haben, Sie bricht in das Haus einer vierköpfigen Familie ein und erschießt die beiden Eltern und ihre Kinder. Kurz darauf trifft Anna ein und versucht die Spuren der Morde zu beseitigen und ihre Freundin zu beruhigen. Aber auch hier lauert Lucies Trauma: Verkörpert in einer monströsen Frau, die sie verfolgt, einzig mit dem Ziel sie zu verletzen. Und, wie sich kurz darauf herausstellt, birgt auch das Haus hinter seiner bürgerlichen Fassade ein düsteres Geheimnis.
Martyrs aus dem Jahr 2008, ist ein spätes Kind einer französischen Horror Nouvelle Vague, die aus der New French Extremity geboren wurde… und nicht nur so etwas wie ein Abschluss dieser kurzlebigen Welle, sondern auch irgendwie ein passender Abschluss für meine Versuch, Johannes den Horror nahe zu bringen. Nach dem vielen “Das könnte dir vielleicht gefallen…” jetzt einfach mal radikal, brutal, komplett kompromisslos und einfach nur böse. Also dann, Johannes, wie scheiße fandst du diesen Film?
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 199: Martyrs und der brutale Horror der New French Extremity Publishing Date: 2024-10-23T08:54:10+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/10/23/episode-199-martyrs-und-der-brutale-horror-der-new-french-extremity/
Johannes Franke: Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass man sich als Horrorfilm-Fan vor einen Horrorfilm setzt, weil man das Vergnügen in Anführungsstrichen dieser Gewalt haben will. Ja,
Florian Bayer: absolut.
Johannes Franke: Und das sehe ich in diesem Film gar nicht so richtig. Weil dieser Film kein Vergnügen draus macht. Absolut. Wirklich gar kein Vergnügen.
Florian Bayer: Johannes. Ja. Wo hast du denn den Film gesehen?
Johannes Franke: Ich habe ihn zu Hause auf meinem großen Beamer geschaut, um mir das Ganze in einem glorious 4K richtig schlimmen großen Bild anzuschauen. Wo,
Florian Bayer: auf welcher Plattform hast du denn den Film gesehen?
Johannes Franke: Ich habe ihn in einer synchronisierten Version gesehen, weil ich ihn nicht im Original gefunden habe. Und zwar auf Amazon, bei diesem Dingens, wo man dann für sieben Tage kostenlos so einen Kanal zubuchen kann.
Florian Bayer: Du hast wahrscheinlich die um fünf Minuten gekürzte Fassung gesehen. Oh. Wirklich? Ja, du musst den Film jetzt nochmal gucken.
Johannes Franke: Okay, gut. Dann, wir schneiden kurz und dann komme ich wieder, wenn ich die 5 Minuten nachgeholt habe.
Florian Bayer: Hallo, liebes Publikum. Wir reden heute über den Film Martyrs aus dem Jahr 2008 von Pascal Loger. Einem Genre, um das ich mich die ganze Zeit so ein bisschen erlängelt habe, weil ich nicht wusste, ob ich das Johannes antun will. Und jetzt... Beim Halloween-Monat dachte ich, ja doch, ich will das Johannes antun. Und einfach, bevor Johannes irgendwas sagen kann, steige ich einfach mal ein, um welchen Film es sich handelt. Es geht um einen Film aus einer Horrorwelle, die aus der New French Extremity entstanden ist und darum geht es.
Johannes Franke: Psst,
Florian Bayer: du.
Johannes Franke: Ja, du. Der nun folgende Programmteil enthält sensible Informationen über den Handlungsverlauf. Es gibt Spoiler. Bevor ihr weiterhört, ihr habt den Film, obwohl, nein, guckt ihn euch nicht an. Hört euch unser Gespräch darüber an. Okay, und jetzt, Blo,
Florian Bayer: worum geht's? Im Jahre 1971 gelingt es dem jungen Mädchen Lucie aus einem Fabrikgelände irgendwo in Frankreich zu fliehen. Was ihr dort widerfahren ist, weiß niemand, weil das Mädchen nicht über ihr Martyrium sprechen will. Aber die Untersuchungen des Tatorts lassen Schreckliches erahnen. Lucie kommt in einem Kindheim unter, wo sie sich mit der gleichaltrigen Anna anfreundet. Die Dämonen ihrer Vergangenheit lassen sie jedoch nicht in Ruhe. 15 Jahre später glaubt Lucie, ihre Peiniger von einst gefunden zu haben. Sie brichten das Haus einer vierköpfigen Familie ein und erschießt die beiden Eltern und ihre Kinder. Kurz darauf trifft Anna ein und versucht die Spuren der Morde zu beseitigen und ihre Freundin zu beruhigen. Aber auch hier lauert Lucies Trauma. Verkörpert in einer monströsen Frau, die sie verfolgt, einzig mit dem Ziel, sie zu verletzen. Und wie sich kurz darauf herausstellt, birgt auch das Haus hinter seiner bürgerlichen Fassade ein. düsteres Geheimnis. Martyrs aus dem Jahr 2008 ist ein spätes Kind einer französischen Horrornovelle Vague, die aus der New French Extremity geboren wurde. Und nicht nur so etwas wie ein Abschluss dieser kurzlebigen Welle, sondern irgendwie auch ein passender Abschluss für meinen Versuch, Johannes den Horror nahe zu bringen. Nach dem vielen, hm, das könnte dir vielleicht gefallen, ich versuch's mal mit ein bisschen Komik und so weiter. Jetzt einfach mal ganz radikal, brutal, komplett kompromisslos und einfach nur böse. Also dann, Johannes, wie scheiße fandst du diesen Film?
Johannes Franke: Du erwartest, dass ich gleich einsteige mit, um Gottes Willen, wie konntest du mir das antun? So eine Scheiße, da steckt überhaupt nichts drin, da ist ja nur Body-Horror und das war's. Ich habe auch überlegt, ob ich so einsteige, aber es würde der Wahrheit nicht nah genug kommen. Der Film hat mehr als das, muss man schon sagen. Ja?
Florian Bayer: Und erstmal Kudos für dich, dass du das gesehen hast. Fragen wir mal anders, wie schwer war es für dich, diesen Film durchzustehen?
Johannes Franke: Naja, ich mein, wenn du mir nicht aufgegeben hättest, ich hätte ihn ausgemacht. Natürlich, weil ich kein großer Horrorfilm-Fan bin. Und ich bin froh, wenn ich sowas wie The Lighthouse sehe, weil ich denke, okay, ich hab mich doch überwunden, hab doch einen Quasi-Horrorfilm gesehen und bin belohnt worden mit etwas. Und ich bin dazu geneigt, diesen Film so ein... bisschen in diese Richtung zu schieben, aber nicht so weit wie The Lighthouse leider, muss ich sagen.
Florian Bayer: Es ist ja wirklich ein berüchtigter Film. Als der damals rauskam, war der ganz viel im Gespräch. Ein Grund, warum ich ihn gesehen habe, weil es überall hieß, das ist so ein bisschen der Endboss der französischen Horrorfilme, die aktuell auf dem Markt sind. Traust du dich, den zu gucken? Schaffst du es? Hältst du es durch? Und so weiter. Also es wurde sehr viel über seine Brutalität geredet. Zum einen wurde das natürlich auch im Marketing benutzt. Es gibt Geschichten, vor allem vom Regisseur Pascal Logier, dass bei der Premiere Leute in Ohnmacht gefallen sind. Eine Frau soll angeblich vorm Saal gekotzt haben. Aber auch tatsächlich war das so ein Mund-zu-Mund-Propaganda-Ding, dass es hieß, dieser Film ist echt hart und dieser Film packt nochmal eine Schippe drauf auf das Ganze. Und ich als so motivierter Horrorfilm-Zuschauer gehe dann rein und denke so, ja, ach Quatsch, kann mir nix. Ich bin vieles gewohnt. Ich habe auch tatsächlich im... In meiner filmischen Video-Serie. ...schlimmere Filme gesehen. Aber ich war dann trotzdem überrascht, wie hart und brutal und wie krass der Film ist. Und ich finde, vor allem macht er einige Sachen, gerade was die Darstellung von Gewalt betrifft, insbesondere im letzten Drittel richtig. Und hebt sich dadurch auch auf ein ganz anderes Niveau, als die Filme, von denen er eigentlich abstammt, beziehungsweise mit denen er eigentlich verwandt ist. Und das fand ich unglaublich spannend an diesem Film.
Johannes Franke: Wenn du sagst, du bist vieles gewohnt, meinst du damit Skinny Meringue oder sowas?
Florian Bayer: Nein, nein, nein. Ich meine, was die Darstellung von körperlicher Gewalt bedeutet.
Johannes Franke: Ja, okay.
Florian Bayer: Weil das ist natürlich das, was wir hier vor uns haben. Wir haben hier einen Film, der New French Extremity. Und ein ganz wesentliches Merkmal dieser Bewegung, die so Ende der 90er, Anfang der 2000er angefangen hat, ist, dass Körperlichkeit thematisiert wird und dass Körperlichkeit extrem gezeigt wird.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Interessanterweise in ihren Anfängen eher im Erotikbereich. Also die ersten Filme, die so der New French Extremity verordnet werden, sind von FilmemacherInnen hauptsächlich, die sehr viel Sex dargestellt haben und dabei dann auch gerne Sex unsimuliert dargestellt haben. In Brea, die bekannteste, die hat mit Romans XXX 1999 einen Film gemacht, in dem unsimulierte Sexszenen gezeigt werden. Und mit Amar Serg einen Film 2001, in dem das Sexualleben von zwei minderjährigen Menschen gezeigt wird. inklusive einer Vergewaltigung, was sich auch sehr viel Kritik eingebracht hat, weil die Vergewaltigung so dargestellt wird, dass es einem Mädchen sich dann der Vergewaltigung hingibt. Aber dann auch andere Regisseurinnen, wie zum Beispiel Virginie Despendant, die mit Besmois 2000 auch so einen Film gemacht hat, der Sex so ein bisschen mehr mit Gewalt kreuzt. Und dann infolgedessen Gaspar Noé, den wir ja auch schon mal hatten mit Klimax in diesem Podcast, mit einem seiner jüngeren Filme. Der mit Irreversibel vor allem 2002 einen ziemlich krassen Film gemacht hat mit einer sehr krassen Vergewaltigung im
Johannes Franke: Zentrum. Aber dann irritiert mich ein bisschen, dass dieser Regisseur hier sich so wahnsinnig aufgeregt hat darüber, dass er eine 18 plus Rating bekommen sollte. Weil Pornografie, wo die New French Extremity anscheinend ihren Wurzeln hat, da ist ja klar, dass die bei 18 plus lag. Und hier hat er sich total aufgeregt. Ich werde zensiert, es wird ja keiner sehen, wenn ich das nicht mindestens 16 plus bekomme und so. Und ich kann es irgendwie verstehen, wenn das tatsächlich bedeutet, dass dieser Film irgendwo in einer Ecke landen wird, die keiner sehen wird, dann wird man sich als Regisseur, ich würde mich aufregen als Regisseur. Aber zum einen hast du es ein bisschen herausgefordert mit dem Film, muss man sagen. Und zum anderen sind doch die New French Extremity Leute dann irgendwie auch gewohnt, dass sie dann zensiert werden, in Anführungsstrichen.
Florian Bayer: Es war ein ganz krasser Unterschied, weil die New French Extremity, die Leute, die damals Ende der 90er, Anfang der 2000er Filme gemacht haben, die kamen alle aus dem Arthaus. Und das hat sich ja auch so ein bisschen dann in diesen Horror, der da rausgewachsen ist, auch rübergetragen. Das waren Arthouse-RegisseurInnen und denen wird einfach mehr durchgelassen. Die kommen leichter.
Johannes Franke: Gerade im Brandkreis.
Florian Bayer: Weil es halt auch irgendwie, genau, weil es dramatische Gründe hat, weil ein philosophischer Kern dahinter steckt. Ein bisschen anders war es dann halt mit diesen Horrorfilmen, die rausgeboren wurden. Und um das vielleicht noch ganz kurz als historischen Verschen reinzubringen. Die Horrorfilme, die danach entstanden sind, werden gerne der New French Extremity zugeordnet. Ich habe das Gefühl, es ist auch nochmal so ein bisschen was anderes. Es sind viel zu wenige Filme, um zu sagen, das ist so eine richtige Bewegung. Das ist sowieso schwer, auch bei der New French Extremity und Pascal Auger hat den Begriff ja auch abgelehnt, hat gesagt, damit will ich nichts zu tun haben, das ist gar nicht meins. Ist von einem Kritiker das Wort. Jemand, der gesagt hat, James Bond hat gesagt, die Filme sind alle so brutal und so, das hängt auch hin hier. Das hat den Begriff gebracht und der wurde dann aber mehr und mehr euphemistisch gebraucht.
Johannes Franke: Kritiker brauchen immer Schubladen, in die sie etwas einsortieren.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Ich finde die Schublade auch toll. Die Schublade passt.
Johannes Franke: Du bist ja auch ein Kritiker.
Florian Bayer: Es gibt einfach so eine Reihe an Firmen, die irgendwie zusammenpassen. Und die Horrorfilme? stehen da so ein bisschen außen, weil die noch andere Einflüsse hatten und so ein bisschen im Gleichschritt mit Horror in den 2000ern gelaufen sind. Weil in den 2000ern ist plötzlich allgemein Terror und Torture auch zurück in den Horrorfilmen gekommen, nachdem die 90er unglaublich brav waren. Die 90er waren schrecklich deprimierendes Jahrzehnt für Horrorfans, die das Genre ernst nehmen, weil es gab nur noch Ironie und Metaebenen. Sowas wie Scream und Teenager-Horror.
Johannes Franke: War aber auch nötig, muss man sagen. Gab ja nicht umsonst diese Kehrtwendung. Ja,
Florian Bayer: aber es war halt... Es war nötig tatsächlich, weil die 80er sich irgendwann komplett verrannt haben im Splatter und im Schund. Aber es war dadurch sehr brav. Die 90er waren ein braves Jahrzehnt für Horror. Wenn du dir Screamer anschaust, ist es kein, zumindest im Verhältnis zu anderen Horrorfilmen, über die wir geredet haben, kein sonderlich brutaler Film. Es wird effizient getötet, es fließt zwar Blut, aber es ist jetzt nicht so, dass du die ganze Zeit Leute unmenschlich leiden hast. Und in den 2000ern, nicht nur in Frankreich, sondern auch in Amerika und vor allem in Amerika, ist plötzlich die Gewalt zurückgekommen und das körperlich. Also... 28 Days Later, darüber haben wir geredet. Ja, ja, ja. Der Terror kam zurück.
Johannes Franke: Ja, ja.
Florian Bayer: Es gab wieder Zombie-Gemetzel. Und dann kamen diese ganzen Filme, die orientiert waren an den Terrorfilmen in den 70ern. Teilweise direkte Remakes. Also 2003 hatten wir einen Texas Chainsaw Massacre Remake. Ja. 2006 einen This Is Half Ice Remake. Und dann aber auch diese Filme, die ganz gezielt so diesen Torture Porn gemacht haben. Insbesondere Saw und Hostel, die ich übrigens beide nicht sonderlich gut finde. Okay. Aber es gab im amerikanischen Kino so eine neue Körperlichkeit. Und parallel gab es dann auch französische Horrorfilme, die irgendwie ein bisschen dran waren an dieser New French Extremity, aber auch diese Körperlichkeit hatten. Sprich, es wurde körperliche Gewalt und körperlicher Zerfall wurde sehr explizit dargestellt. Und die berühmtesten davon sind mit Sicherheit Trouble Every Day von Claire Denis. Da haben wir nochmal wieder eine Filmmacherin. Also wir haben wirklich gerade in dieser Zeit, das Genre war sehr von Frauen getragen. Was unter anderem daran lag, dass in den Anfängen der New French Extremity sehr viele Regisseurinnen weibliche Themen gebracht haben. Und es hat sich dann irgendwie auch so in den Horror übertragen, dass Frauen viel im Fokus standen. Das haben wir auch in diesem Film. Es ist ein sehr weiblicher Film, auch wenn es von einem Dude ist.
Johannes Franke: Ziemlich ein Dude.
Florian Bayer: Ein totaler Dude. Und dann der berühmteste ist wahrscheinlich High Tension oder Eau Tension aus dem Jahr 2002. Wo es darum geht, dass eigentlich eine klassische Entführungsgeschichte, wo eine Frau den Torturer ihrer Geliebten jagt. Und dann so ein Film wie Inside aus dem Jahr 2007, in dem es um eine Schwangere geht, die nachts bedroht wird. Oder Frontiers, wo es um Straßenschlachten geht und Kannibalenhorror, der damit verbunden ist. Das Besondere bei diesen Filmen war grundsätzlich, dass sie im Gegensatz zu den amerikanischen Vorbildern komplett auf Ironie gepfiffen haben. Sie haben sich wirklich ernst genommen. Die Settings waren im Gegensatz zum amerikanischen Horrorfilmen grundsätzlich düster und deprimierend. Hm. Im amerikanischen Terrorfilm haben wir immer dieses Ding, glückliche Familie, alles ist gut und dann bricht der Horror ein. In den französischen Filmen hat alles schon scheiße gestartet. Wir haben Menschen, die irgendwie einsam sind, die traurig sind, denen es nicht gut geht und denen dann noch Schlimmeres passiert. Haben wir auch in diesem Film. Und die Filme waren generell, aber das ist schon sehr subjektiv, weniger auf Voyeurismus aus, was die Gewalt betrifft, obwohl sie sehr explizit gezeigt haben. Und haben mehr versucht, so eine Art von... Mitleid zu evozieren, wie auch immer ihnen das gelungen ist, mal mehr, mal weniger gut. Und viele von diesen Filmen sind auch nicht gut, um das dazu zu sagen. Es ist wirklich, wir haben hier, keine Ahnung, 10, 15 Filme vielleicht. Und es gibt ein paar gelungene, es gibt ein paar schlechte und vieles dazwischen. Matthäus steht eigentlich am Ende von dieser Entwicklung. Matthäus war so einer der letzten, großen dieser Horrorfilmreihe.
Johannes Franke: Ich würde jetzt sagen, Gott sei Dank, aber ich habe mit dem Genre nichts zu tun. Ich darf da nichts dazu sagen.
Florian Bayer: Und es ist ein extremer Film. Ja,
Johannes Franke: es ist ein sehr extremer Film. Ich muss sagen, ich verstehe die Horrorfilm-Gemeinschaft nicht so richtig, nachdem ich den Film jetzt gesehen habe. Weil selbst die anderen ernsthafteren Filme wie Get Out, den wir ja auch besprochen haben, der ja gar nicht so schlecht war und so, die so Horrorthemen haben, die sich ein bisschen ernster nehmen. Ich habe immer trotzdem das Gefühl gehabt, dass man sich als Horrorfilm-Film vor einen Horrorfilm setzt, weil man das Vergnügen in Anführungsstrichen dieser... Gewalt haben will. Ja,
Florian Bayer: absolut.
Johannes Franke: Und das sehe ich in diesem Film gar nicht so richtig. Weil dieser Film kein Vergnügen draus macht. Absolut. Wirklich gar kein Vergnügen. Man als Zuschauer nicht da sitzt und denkt, okay, das macht jetzt der Filmemacher dafür, damit ich diese Szenen sehen kann, sondern er hat eine andere Motivation. Was ich als Zuschauer toll finde, was ich aber für einen Horrorfilm-Fan völlig daneben sehe, wo ich denke, wo hast du denn jetzt noch Spaß?
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Warum guckst du dir den Film überhaupt an?
Florian Bayer: Es gibt ja zwei Arten. von Gewaltkonsum im Kino. Zum einen dieses Slapstick-hafte, wie bei Evil Dead, wo du wirklich Spaß dran hast, wo es witzig ist, dass jemand geköpft wird. Aber es gibt auch das Zweite, und das ist der Begriff, den ich schon ein paar Mal gebracht habe in unseren Horrorgesprächen. Diese Angstlust, dass du was sehen willst, was dich schockiert, was unangenehm für dich ist, weil es irgendwie eine Art Katharsis bringt. Wenn du eine Shakespeare-Dragödie siehst, dann wirst du auch traurig sein, zweifelst und so weiter.
Johannes Franke: Absolut. Aber auch die Angstlust sehe ich in diesem Film nicht, weil der Film macht mir keine Angst, weil ich nicht die Alltagssituationen habe, die ich in anderen Filmen habe, wo ich sage, das kann mir auf dem Nachhauseweg passieren, scheiße. Sondern, ja, wenn ich dann als Kind entführt worden wäre und dieses Martyrium hinter mir gehabt hätte, weil irgendwie und so weiter, dann könnte ich vielleicht Angst haben auf dem Weg nach Hause. Aber das habe ich ja nicht. Das ist ja völliger Quatsch. Ich kann super aufstehen und auf Toilette gehen, obwohl alles dunkel ist.
Florian Bayer: Das stimmt. Das ist ein Film, der nicht auf diese Art Angst macht. Dabei gibt es ja diese klassischen Horror-Tropes. Also das Monster, was sie verfolgt. Diese monsterte Frau, die insgesamt viermal vorkommt und die ziemlich gnadenlos ist.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Das ist ein Film.
Florian Bayer: Ist ja ein Horror-Trope, wie man es auch so aus diesen japanischen Horrorfilmen kennt. So diese Figur, die sich irgendwie komisch bewegt, die den Körper verrenkt. Übrigens ganz großartig, es gibt auf YouTube ein Making-of von dem Film.
Johannes Franke: Das sieht man, wie sie diese Frau,
Florian Bayer: die das spielt, in das Kostüm gesteckt haben. Und die macht das echt gut.
Johannes Franke: Das sind keine Facts,
Florian Bayer: die hat sich krass einfach verrenkt. So, dass es unmenschlich aussieht. Und dann auch mit diesem Kostüm. Das ist ja erstmal, es ist ein Monster, es ist gruselig. Also ich finde, es ist allein schon gruselig, weil es einfach so ein klassisches Horror-Trope ist.
Johannes Franke: Das Problem ist, also nicht das Problem, ganz im Gegenteil, was ich gut finde an dem Film ist, it defeats the purpose. Ich weiß, wo es herkommt, nämlich aus dem psychologischen Background. Das ist alles im Kopf von dieser Frau und ich weiß das sehr schnell, dass das im Kopf der Frau ist. Das ist kein Mysterium, das sich lange aufbaut, wer ist dieses Monster, sondern wir wissen relativ schnell, okay, dir hat dieser Frau nicht geholfen, also verfolgt dieses Problem sie ihr Leben lang und macht sie am Ende so fertig, dass sie sich umbringt. Das ist, finde ich, als... Bild und als filmmacherischer Kniff vollkommen cool und legit, aber es macht halt aus dem Horrorfilm etwas, was nicht mich betrifft.
Florian Bayer: Es arbeitet ja schon mit Horroreffekten, also es ist ein Film, der Jumpscares hat, es ist ein Film, der ruhig ist und dann diesen Momenten, wo das Monster auftaucht, laut wird, auch dieses klassische Ding um die Ecke schauen, wo ist es und dann ist es da.
Johannes Franke: Das stimmt, ja, ja.
Florian Bayer: Also dieses Zusammenzucken, hat das auch nicht?
Johannes Franke: Doch, das stimmt schon, das hatte ich schon. Aber der psychologische Effekt bleibt halt aus, weil ich den nicht habe. Obwohl, ich habe auch Traumata zu bewältigen und so. Und ich glaube, dass Leute, die sich geritzt haben wegen irgendwelcher Traumata, die können da auch nochmal anders andocken. Ich habe mich nicht, als Reaktion auf mein Trauma habe ich mich nicht geritzt. Ich habe den Bezug nicht. Vielleicht müsste man mit jemandem reden, der... eher nochmal so in diese Richtung auch reagiert hat.
Florian Bayer: Wahrscheinlich müsste man in dem Film sogar eine Triggerwarnung voranstellen für genau solche Leute, die zu selbstverletzendem Verhalten neigen.
Johannes Franke: Wo ich mir auch vorstellen kann, dass man sich durch diesen Film, wenn man sich nicht retraumatisiert fühlt, wenigstens gesehen fühlt, was wiederum eine heilende Wirkung haben könnte unter Umständen.
Florian Bayer: Wobei es in dem Film natürlich sehr drüber ist. Also das stellt nicht die Realität von Menschen mit SV dar, sondern es zeigt ein ganz... ganz krasse, monströse Erscheinung, die auch ihre Erklärung findet in dieser jahrelangen Folter. Wir wissen nicht, wie lange sie gedauert hat, aber was wir ahnen können, ist, dass, wenn wir später erfahren, was da passiert ist, dass das extreme Spuren hinterlässt, die sonst kein Mensch spürt. Ich fand aber auch, um vielleicht nochmal zu diesem Monsterangriff zurückzukommen, die Gewalt an für sich auch erschreckend, weil sie halt sehr präzise ist, weil wir haben wirklich blutige Zähne und wie diese Frau dann Lucie angreift und ihren Körper zerfetzt und wirklich mit Messern und sie zerschneidet, bis kaum noch Körper zu erkennen ist. Das hat bei mir einfach dieses ungute Gefühl ausgelöst, dass ich meine mit Angstlos. Ich muss nicht andocken können, es ist nicht eine Form von Empathie, sondern es ist einfach eine Form von Körperlichkeit. Ich werde mir meiner eigenen Körperlichkeit bewusst, wenn ich sehe, was mit diesem Körper von Lucie angestellt wird, was da passiert.
Johannes Franke: Ich verstehe. Aber das ist ja dann eher das Gefühl von Ekel bei mir. Bei mir ist es dann nicht Angst, Lust oder sowas, sondern es ist dann wirklich so ein sehr unangenehmes Zusammenzucken, weil man es am eigenen Körper so ein bisschen spürt, merkt, wo es höllisch wehtun würde.
Florian Bayer: Ich würde auch sagen, es ist nicht Ekel. Ekel empfinde ich bei so Trauma-Filmen, wo dann auch so Blut, Kotze und Gedärme zusammenkommen. Das ist eigentlich eher so, ich spüre meinen eigenen Körper. Ich habe das Gefühl, diese Schmerzen nachvollziehen zu können.
Johannes Franke: Während wir hier wie zwei Connoisseurs über Horrorfilme und über Verletzungen reden, wollen wir Tee trinken? Ich habe Tee vorbereitet, wie immer.
Florian Bayer: Vielen Dank,
Johannes Franke: ja. Gib mir mal deine Tasse rüber.
Florian Bayer: Dankeschön. Ich finde der Film, also und was wirklich gut ist für seine Atmosphäre, wir haben hier einen sehr poetischen Einstieg nach dem harten Beginn. Also wenn wir sehen, wie dieses Kind flieht, die wirklich noch nicht alt ist. Und dann haben wir diesen poetischen Einstieg, der auch mit so sehr romantischer Musik spielt. Übrigens, um die Musik nochmal hervorzuheben, die ist durch den ganzen Film ziemlich großartig. Von Seppuku Paradigma. französisches Elektronik-Duo, die schon auch andere Filme gemacht haben. Dann haben wir diese romantische Musik und diesen eher fast schon versöhnlichen Einstieg. Und dann fackelt der Film aber nicht lange. Wir haben kurz diese Familienszene. Das ist gar nicht so kurz.
Johannes Franke: Es ist gar nicht so kurz. Und das will ich dem Film volle Kanne zugute halten. Weil der Film es schafft, in dem Moment zu sagen, übrigens, es geht eigentlich gar nicht um dieses Mädchen da, sondern die kommt vielleicht irgendwann mal wieder. Und vielleicht fragt ihr euch auch, ob die Tochter jetzt oder ob die Mutter jetzt die von früher sein soll oder was auch immer. Aber du bist so lange in dieser Familiengeschichte drin, dass du mit denen genug Zeit verbringst, dass es dir leid tut um die Figuren, wenn die umgebracht werden. Und dass du auch fast vergessen hast, dass die ja eigentlich Rampage-mäßig da reinkommen müsste. Und dann tut sie es und du bist nicht verwundert, aber du bist dann schon so ein bisschen, ach, oh Gott, fuck, stimmt, da war ja was. Ja,
Florian Bayer: und ich finde, es kommt schon wie ein ziemlicher Schock, weil also du bist... Genau, du bist irgendwie plötzlich in einen anderen Film geworfen, weil du diese typische heile Weltfamilie hast.
Johannes Franke: Total.
Florian Bayer: Das sind so fünf bis zehn Minuten, wo wir die sehen, die am Frühstück schließen.
Johannes Franke: Ich weiß nicht, warum die Frau eine Maus mit an den Frühstückstisch bringt, aber ansonsten, die Tochter ist total sweet.
Florian Bayer: Aber ist nicht auch ein bisschen awkward, wie sie beim Familiengericht den Sohn einmal verurteilen und alle sitzen zusammen und jeder darf einmal sagen, was für ein Loser der Sohn ist.
Johannes Franke: Oh Gott, ja stimmt. Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Also ich bin hier verdrängt.
Florian Bayer: Aber dann... Und der Vater wird erschossen, die Mutter wird erschossen, es gibt auch nicht viel Rücksicht, der Sohn wird erschossen und die Tochter schafft es noch ein bisschen zu fliehen, aber wir sind die ganze Zeit bei der Killerin. Wir sind bei Lucie, wie sie da einmal ihren Rachefeldzug durchzieht.
Johannes Franke: Da sind wir in klassischer Home-Invasion-Film, oder? Ja. Vor allem, weil wir nicht wissen, ob die Familie jetzt schuld ist oder nicht schuld ist. Verdient hat sie es in keinem Fall, ich bin kein Fan von Selbstjustiz. Da schön Polizei rufen und so und ihre beste Freundin sagt ja auch am Telefon. Moment mal, was hast du gemacht?
Florian Bayer: Und wir geben der Familie auch erstmal den Benefit of the Doubt, weil wir sehen, dass Lucie komplett durch ist. Die ist einfach fertig mit den Nerven. Sie wird von diesem Monster verfolgt. Sie kann überhaupt nicht mehr klar denken. Sieht den Sohn, erschießt sie gnadenlos. Der sitzt da unbewaffnet.
Johannes Franke: Obwohl sie schon ein bisschen zögert. Sie wartet ein bisschen länger.
Florian Bayer: Es gibt so einen ganz kurzen Hesitate-Moment. Ja, ist wirklich kurz.
Johannes Franke: Aber den finde ich wichtig. Ich finde wichtig, dass sie eine Menschlichkeit in dem Moment bekommt. Die Eltern, die sie gefoltert haben, okay, sofort umbringen, verstehe ich. Aber dann die Kinder der Familie, das zeigt auch so ein bisschen so, weil sie ja auch später sagt, siehst du, ich habe sogar die Kinder umgebrannt. Warum bist du nicht weg, scheiß Monster?
Florian Bayer: Du erzählst das jetzt so, als hättest du das von Anfang an so gelesen, das sind die Täter und sie haben es verdient.
Johannes Franke: Nee, das nicht. Das ist nicht klar für mich. Die Familie ist erstmal als Familie da. Mir ist nicht klar, was die da... mit ihr zu tun haben und ob sie jetzt zurecht umgebracht werden oder nicht. Zurecht sowieso nicht, ne? Aber in ihrer Welt zurecht. Und man zweifelt schon an ihrer Urteilsfähigkeit. Ja. Also an der Urteilsfähigkeit der Killerin. Das heißt, man hat den Film eigentlich bis jetzt, ist es so, dass es eine Home-Invasion ist, die nicht unbedingt berechtigterweise passiert.
Florian Bayer: Und die sehr kurz andauert. Wenn die in ihrem Trautenheim alle gleich tot sind, dann ist nicht mehr viel Home-Invasion-Horror.
Johannes Franke: Ja, das stimmt eigentlich. Aber...
Florian Bayer: Trotzdem, wir können uns das gut merken, weil ich finde, für meine Konklusion ist das nachher perfekt. Wir haben hier schon zwei Horrortropes. Wir haben dieses Monster, was man irgendwie so aus dem japanischen Horrorfilm vor allem kennt, wie aus The Ring, dieses Wesen, das aus dem Fernseher steigt. Und wir haben die Home Invasion. Und jetzt haben wir aber erstmal, jetzt kommt die zweite Protagonistin, nämlich Anna hinzu, die Lucy im Kinderheim kennengelernt hat, die sich offensichtlich angefreundet haben und noch mehr. Und dann lernen wir diese Beziehung zwischen Anna und Lucy kennen. Und was ist das für eine Beziehung?
Johannes Franke: Ja, man merkt es ja dann irgendwann. Es gibt ja einmal diese Stelle, wo sie sie küsst und Lucie versteht nicht, was da passiert und denkt sich, nein, nicht. Für sie ist es offensichtlich nicht das. Aber ich nehme auch an, dass sie einfach zu traumatisiert ist, um irgendwas in der Richtung aufzubauen an Beziehungen. Vielleicht hätten sie auch eine Chance. Auf jeden Fall glaube ich, dass sie von Anna, Anna heißt sie?
Florian Bayer: Ja,
Johannes Franke: Anna. Anna, dass das eine romantische Intention hat.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall. Die Frage ist... Was an Lucie zieht Anna so sehr an? Und es wird ja so ein bisschen deutlich, ich glaube auch im späteren Verlauf des Films, dass Anna so ein bisschen so ein Helfer-Syndrom hat. Ja. Und das sehr stark auch von der Schwäche oder von diesem Leiden von Lucie angezogen fühlt.
Johannes Franke: Ja, okay.
Florian Bayer: Und dass sie offensichtlich... Es als ihren Job ansieht, auch hinter Lucie aufzuräumen.
Johannes Franke: Ja, ja, ja, genau. Das stimmt, absolut.
Florian Bayer: Und da ist sie bedingungslos. Sie hält ihre Freundin. Ihre Freundin hat eine ganze Familie umgebracht.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: ja. Und sie fängt jetzt an, die Leichen zu entsorgen. Sie ruft nicht die Polizei.
Johannes Franke: Sie ist nicht völlig bedingungslos, weil sie die Mutter dann doch noch versucht, wieder rauszubuxieren, weil die Mutter noch nicht gestorben ist. Ja. Die liegt dann nämlich da mit dem Loch im Baum, was ihr reingeschossen wurde in den Bauch und wacht aber plötzlich wieder auf. Und man denkt sich, hä, Moment mal. Aber gut, nehmen wir das als Realität des Films an. Und dann versucht sie, sie rauszubuxieren. An ihr vorbei, an Lucie vorbei. Und ihr das Leben noch zu retten und zu sagen, aber tut mir leid, bis zum Wald kann ich dich bringen. Danach bist du auf dich selbst gestellt. Und dann komme ich wieder zurück und tue so, als wäre alles in bester Ordnung.
Florian Bayer: Helfersyndrom.
Johannes Franke: Helfersyndrom, ja, du hast natürlich recht, absolut.
Florian Bayer: Und ich fand das eine tolle Auflösung, vermeintliche Auflösung, dass das Monster noch da ist, weil die Mutter noch lebt. Das wird dann ja so ein bisschen nahegelegt, dass Lucie sieht, oh nein, Anna rettet. Die Mutter, ich werde immer noch von dem Monster belästigt, das kann nur das sein. Und dann eine ziemlich brutale Szene, von vielen brutalen Szenen, die wir noch sehen werden, wenn Lucie, der Mutter, den Kopf einschlägt mit dem Hammer,
Johannes Franke: um sie endlich loszuwerden. Ich würde bei dem Helfer-Syndrom nochmal ansetzen wollen. Mir ist aufgefallen, gerade eben ist mir das eingefallen, das Thema ist ja ganz groß auch Survivors Guild. Also Lucie kommt aus ihrer Folter da raus und schafft es irgendwie. Und kommt in diese Anstalt dann, wo sie sich kennenlernen. Und diese Figur, die sie verfolgt, ist ja diese Frau, die sie nicht retten konnte. Beziehungsweise nicht gerettet hat. Wie viel sie konnte oder nicht konnte, wissen wir nicht. Ich würde sagen, in gar keinem Fall hat sie irgendeine Schuld an irgendetwas. Und rennt möglichst als Kind einfach da raus. Sie hat ja irgendwelchen Leuten Bescheid gesagt, aber leider gab es ja dann nichts mehr zu finden anscheinend. War ja alles weg. Aber diese Frau verfolgt sie dann ein Leben lang in ihrem Kopf. und sorgt eben dafür, dass sie sich selbst ritzt. Und ritzen ist zu wenig gesagt. Massive Wunden zufügt. Und diese Survivors Guild, glaube ich, und das gibt es in der Psychologie relativ viel, überträgt sie ein bisschen auf den Partner. Nämlich auf Anna. Die wiederum Survivors Guild-Formen hat ihr gegenüber. Also Lucie gegenüber. Weil sie sowas Krasses dann auch nicht erlebt hat. Und sich dann denkt, wer sowas Krasses erlebt hat. Dem muss ich irgendwie helfen, damit klar zu kommen. Das ist nicht nur ein Helfer-Syndrom, sondern ich glaube, dass auch ein bisschen übertragenes Survival gilt.
Florian Bayer: Ja, kann ich mir gut vorstellen. Zumal wir von Anna erfahren, dass sie offensichtlich auch ein schwieriges Leben hatte. Nicht im Ansatz vergleichbar mit dem von Lucie, aber sie war auch im Kinderheim. Ja,
Johannes Franke: ja, genau.
Florian Bayer: Wir haben ihr Telefonat später mit ihrer Mutter, wo klar ist, dass sie ein sehr schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter hat.
Johannes Franke: Und das wiederum ist ja auch so ein Ding, dass ganz viele Leute, die sowas erlebt haben, bei anderen dann immer wieder sagen, Naja, aber so schlimm wie die hatte ich es nicht. Das ist so ein bisschen, das ist so ein, weiß ich nicht, warum, kann ich es psychologisch nicht genau auseinandernehmen, aber das ist ganz, ganz häufig so, wenn du Scheiße erlebt hast, machst du die eigene Scheiße ein bisschen besser, indem du sagst, aber so schlimm wie die anderen hatte ich es nicht.
Florian Bayer: Vielleicht auch ein Grund, warum Menschen Horrorfilme schauen.
Johannes Franke: Oh, ja, oh, da geht es sich der Kreis.
Florian Bayer: Hier geht es vielleicht schlecht,
Johannes Franke: aber so schlecht geht es ja auch nicht.
Florian Bayer: Ich werde wenigstens von einer Kettensäge zerteilt.
Johannes Franke: Gut.
Florian Bayer: Und dann haben wir diese Mordszene von Lucie an der Mutter nochmal mit dem Hammer. Ja. Und diese letzte Begegnung mit dem Monster. Und ich finde diese Szene so stark, wenn das Monster, also wenn sie dann sagt, so jetzt habe ich es wirklich getan, jetzt sind wir alle tot. Und dann kommt dieses Monster. Ja. Und wir haben diese Umarmung zuerst.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: So fast schon zärtlich. Ja,
Johannes Franke: ja, ja.
Florian Bayer: Und dann weiterhin das Quälen, das Märtyren. Aber auch. zärtlich. Sie schneidet ihr dann ganz langsam die Arme auf. Davor hatten wir mal Lucie rennt weg. Das Monster ist hinter ihr her, schneidet ihr in den Rücken, hackt auf sie ein, wo es nur geht. Und jetzt haben wir einen ganz ruhigen Moment zwischen den beiden, fast schon romantisch. Und schneidet ihr langsam die Arme auf und verletzt sie ganz langsam. Und wahrscheinlich der krassesten, krassesten, triggernden Moment für Leute, die irgendwie zur SV neigen. Wir sehen dann parallel zum ersten Mal die Perspektive von Anna auf dieses Geschehen und sehen, ja, sie hat sich... Es ist nur in ihrer Vorstellung, aber es ist eine ziemlich harte Szene und eine ziemlich krasse Szene und sie hat eine gewisse Poesie. Sie ist schrecklich, sie ist schwer zu ertragen, aber sie hat eine gewisse Poesie.
Johannes Franke: Die Frage ist so ein bisschen, da stelle ich mir das erste Mal schon, ohne dass es irgendein Ende in Sicht ist und normalerweise kommt das am Ende bei mir, dass man sich fragt, ah ok, ist das schon etwas, was der Film an Botschaft, gibt es da irgendeine Botschaft drin, ist das etwas, was mir... Was mir vermittelt werden soll vom Filmemacher, hat er sich irgendwie gedacht, da stecke ich das da jetzt rein, damit man versteht, dass manche Menschen einfach so ein Trauma erlebt haben, dass sie das nicht aufholen können, dass sie, egal was sie machen, egal wie viel Therapie oder sonst irgendwas passiert, sie nicht aufholen können, was ihnen Schreckliches passiert ist.
Florian Bayer: Es spielt auf jeden Fall eine Rolle. Also ich finde, der Film hat viele Themen, die er aufgreift. Natürlich ist gerade im ersten Drittel eines davon... Traumata, der Umgang mit Traumata, der Umgang mit... Partnern, die Traumata haben. Auch der versucht es zu verstehen. Und der versucht das auch im Radikalen zu verstehen, weil es gibt ja eigentlich kein weiter. Wenn wir verstehen, was Lucie widerfahren ist, du kannst dir eigentlich nichts Schrecklicheres mehr vorstellen. Sie wurde jahrelang gefangen gehalten, sie wurde übelst misshandelt. Und in diesem krassen, fast schon grotesken Erleben, wird auch irgendwie was Universelles gesagt. wird auch irgendwie gesagt, ja, Dinge, die geschehen, haben Auswirkungen auf die Psyche und vernichten Menschen und wenn du siehst, wie vernichtet Menschen wirken oder wie durch Menschen wirken, es gibt immer einen Hintergrund dazu und es gibt immer eine Geschichte dazu. Deswegen ist das Bild ja auch so stark, dass es der Dämon der Vergangenheit ist, der sie verfolgt. Das ist einfach, das ist die Geschichte dahinter und dieses ganze Verhalten, was von außen total bizarr und verstörend wirkt, ist in ihrem... in ihrem eigenen Erleben total klar und eindeutig, sie wird einfach von dem Monster der Vergangenheit verfolgt. Also es ist nicht wie Platz für Subtilitäten. Es ist einfach voll, so ist das, das passiert davon.
Johannes Franke: Und ich glaube auch nicht, dass es hätte subtil sein müssen. Also das ist ja, das ist ein klares Bild und es vermittelt alles, was wir wissen müssen. Und es ist ein Horrorfilm, es ist vollkommen okay.
Florian Bayer: Subtilität kennt dieser Film nicht. Nein. Das wird sich auch jetzt weiter fortführen. Wir haben nämlich jetzt einen der großen Twists im Film, nämlich Lucie tötet sich. und wir haben gerade eigentlich so das Gefühl, wir hatten hier zwei Protagonistinnen, die sind jetzt etabliert und dann...
Johannes Franke: Wir hatten eine Protagonistin eigentlich und die bringt sich jetzt um und ich denke, Moment, Moment, Moment, ich möchte mich irgendwo festhalten. Ach, da ist noch diese andere, okay. Aber ich bin nicht genug in der anderen drin beim Gucken leider. Ich brauche sehr, sehr lange, um mich an ihr festzuhalten oder an ihr anzudocken und als ich es dann geschafft habe, war die schon katatonisch. Ja. Da war ich schon wieder so, ach scheiße, ich kann mich nicht mehr festhalten.
Florian Bayer: Anna entdeckt den Keller. Im Haus. Und auch was so ein bisschen zu erwarten war, natürlich hat die Familie Dreck am Stecken. Und es gibt diesen Keller, der übrigens ganz anders aussieht als diese Fabrik, die wir am Anfang gesehen haben. Das ist nämlich jetzt ein klinisches Labor mit den Bildern von diesen Märtyrern an der Wand, die irgendwie entgeistert schauen im Moment ihres Todes. Und dann findet sie in diesem Keller... in einer Zelle eine Frau, die diesen Monster, das Lucille verfolgt hat, sehr ähnlich sieht, mit einer Eisenmaske auf dem Kopf, die offensichtlich mit Schrauben festgemacht ist, die da festgebunden ist und sie nimmt sie raus und versucht sich um sie zu kümmern. Wir haben wieder Anna, die sich um Menschen kümmern muss. Sie ruft nämlich nicht irgendwie eine Krankenwagen an, sie ruft nicht die Polizei, sie flieht nicht aus dem Haus, sondern sie bringt diese Frau hoch ins Badezimmer und wir haben die bis dato brutalste Szene des Films und das ist ausgerechnet eine Care-Szene. Nämlich wenn Anna... Anna, dieser Frau, dieser gematerten Frau, die Maske abzieht, die Eisenmaske, und dann Schraube für Schraube aus dem Kopf zieht. Hier wurde sehr viel geschnitten im Deutschen.
Johannes Franke: Also, das ist die Stelle im Film, wo ich denke, jetzt ist der Horrorfilm-Drope drin, wo du eigentlich als Zuschauer auf die Bärenmann schreist und sagst, Auslachen, Polizei rufen,
Florian Bayer: niemand! Niemand, kein Mensch würde jetzt runterklettern.
Johannes Franke: Nein.
Florian Bayer: Ich würde diese Leiter sehen. Ich würde rimmeln, so schnell ich kann.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Ich kletter doch nicht runter.
Johannes Franke: Vor allem, und dann bist du schon runtergeklettert, hast diese Frau gefunden, okay, du hilfst ihr auch noch. Aber dann fängst du nicht an, an ihr medizinisch rumzuschrauben. Du hast gar keine Ahnung, was passiert, wenn du dieses Teil abnimmst. Die stirbt dir unter Umständen sofort weg, weil kein Arzt da ist und das sofort alles auffängt und macht.
Florian Bayer: Einfach nur, wir müssen weg hier.
Johannes Franke: Völliger Quatsch. Deswegen verliert mich der Film an dieser Stelle einen Moment lang.
Florian Bayer: Ich finde es tatsächlich total albern, wenn sie da runter geht. Das ist das Horrorklischee. Das ist dieses, nein, tust du nicht. Nein. Kein vernünftiger Mensch.
Johannes Franke: Auf gar keinen Fall.
Florian Bayer: Aber ich finde die Szene, wenn sie sich um die Frau kümmert, die funktioniert für mich, weil es zu ihrem Charakter passt. Ich finde, diese Anna ist in dem Moment so weit etabliert, in ihrer Art Menschen zu helfen, dass dieser Moment, es wirkt nicht rational, was sie da macht, aber es wirkt auch nicht rational, dass sie die Leichen von der Familie vergräbt. Und diese Anna hat...
Johannes Franke: Nein, aber da gibt es noch jemanden, für den es sich lohnt, das zu machen. Aber die beste Freundin ist gerade gestorben. Ja,
Florian Bayer: aber es gibt eine, da ist eine Frau, die Hilfe braucht und die ist sehr verletzt. Ja,
Johannes Franke: aber wenn sie Hilfe braucht, dann nicht von dir nur.
Florian Bayer: Nein, genau, aber das ist nicht, wie Anna denkt. Lucille braucht auch andere Hilfe. Lucille braucht auch nicht Hilfe von Anna, sondern von anderen Menschen.
Johannes Franke: Nein, Lucille braucht Hilfe von Anna. Lucille hat nämlich niemanden, der an sie glaubt.
Florian Bayer: Ja, aber Anna glaubt ihr ja auch nicht.
Johannes Franke: Nein, aber Anna gibt diese Hilfestellung. Und sagt, ja okay, ich sage dir jetzt, dass ich dir glaube, damit ich dir helfen kann, darüber wegzukommen.
Florian Bayer: Ja, aber Lucy bräuchte ja eigentlich professionelle Hilfe.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: aber die hat eine tiefe psychische Störung.
Johannes Franke: Die hat offensichtlich nicht darauf angesprochen. Ja. Aber du hast eine neue Person gefunden, die einen Helm ran getackert bekommen hat. Und das machst du dann einfach auf? Nein. Auf keinen Fall.
Florian Bayer: Aber wir kriegen so eine großartige Szene dadurch geschenkt. Eine wirklich schreckliche Szene. Weil jeder einzige Nagel, jede einzelne Schraube, die da aus dem Kopf gezogen wird, tut weh. Und dieses Fürsorgliche, das Anna ihr gegenüber entgegenbringt.
Johannes Franke: Das erste, was sie holt, ist Alkohol.
Florian Bayer: Pure Brutalität. Das ist ein... solch krasser Kontrast, dass wir eine so brutale Szene haben, die aus Fürsorge geboren wird. Ich finde es ganz großartig als Bild und schmerzhaft. Ich sitze da und finde es ganz schrecklich. Und ziehe mich zusammen und trotzdem auch diese Szene funktioniert einfach dadurch, durch diesen starken Kontrast, durch diese Kontrastierung von der Fürsorge anders mit der Gewalt, die sie damit quasi stellvertretend nochmal dieser Frau antut, die sowieso schon ganz viel gelitten hat.
Johannes Franke: Ich möchte einmal an der Stelle sagen, dass tatsächlich die große Qualität zwischendurch ist, dass alles, was wir sehen, wahnsinnig echt ist. Also selbst wenn sie diesen völlig unmöglichen Helm von ihrem Kopf holt, es sieht alles echt aus. Die Gewalt sieht echt aus, die Schmerzen sehen echt aus, die Schauspieler sind so gut, dass man ihnen alles glaubt. Insofern hat der Film auf dieser Ebene alles richtig gemacht.
Florian Bayer: Es fühlt sich sehr echt an, die Bilder sind wirklich gut. Und der Film findet auch immer die richtige Mischung aus poetischen Bildern und diesen naturalistischen Bildern. Und er schafft es sehr, sehr natürlich zwischen diesen zwei sehr unterschiedlichen Erzählverfahren hin und her zu schalten auch. Und ja, genau, wenn es zur Gewalt kommt, dann ist da meistens nicht mehr viel Poesie, sondern da ist dann wirklich einfach nur Schmerz. Und der Schmerz ist durch die Leinwand spürbar. Und gerade in dieser Szene habe ich sehr gelitten. Und das ist halt auch so krass, weil diese Frau ja wirklich, sie ist komplett durch, du hast eigentlich wie eine wandelnde Leiche vor dir und diese ganzen Verletzungen, die sie hat, sie ist komplett abgemagert.
Johannes Franke: Furchtbar. Und über sie wird natürlich erzählt, das Konzept von den Idioten, die dann später kommen und das gleiche mit Anna machen, dass sie über das, was sie erlebt hat, diese... Jetzt, sie sieht anscheinend Käfer, die auf ihrer Haut sind und die sie wegkriegen will.
Florian Bayer: Und sie macht das so rabiat dann, wie sie sich in die Haut reinschneidet.
Johannes Franke: Furchtbar.
Florian Bayer: Und so nutzt sie das, den Haar abzusägen mit dem Messer und überall ist Blut. Sowieso, wir sind immer noch in diesem, wir sind die ganze Zeit im Haus dieser gutbürgerlichen Familie. Und mittlerweile warten wir im Blut. Einfach durch diese Attacken Lucie gegenüber, den Mord an der Familie. Und jetzt durch diese Frau, es ist einfach, die Wände sind vollgespritzt mit Blut. Anna ist sowieso auch mit Blut voll. Und... Dann rennt diese Frau weg durch dieses Haus, durch diesen Tatort und natürlich kommt dann der Eingreifstrupp. Anna, du dumme Sau.
Johannes Franke: Aber wirklich, ich meine, ich habe schon vorher gedacht, kurz bevor die gekommen sind, habe ich gedacht, ja, kommt dann niemand vorbei zu Besuch? Hast du nicht Angst, dass da jemand kommt und sich fragt, was mit der Familie ist? Warum bleibst du da die ganze Zeit? Es wird ja auch nicht richtig erzählt, wie lange sie da jetzt geblieben ist. Nein. Es ist ja nicht absehbar, ob sie jetzt zwei Stunden oder fünf Tage dort ist. Schwer zu sagen. Naja,
Florian Bayer: Stunden auf jeden Fall. Sie hat ja das Telefon, nachdem sie mit ihrer Mutter telefoniert hat, einfach abgelegt. Und dadurch war niemand erreicht bei der Familie.
Johannes Franke: Das muss man erstmal bemerken. Das dauert eine Weile. Also ich würde fast sagen, zwei Tage mindestens.
Florian Bayer: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, bis zum Abend. Nee, warte mal. Sie hat am Abend, sie hat in der Nacht, hat sie sie verkramen. Und wenn die kommen, ist Nachmittag. Ja, sie war, okay, sie war einen Tag da. Sagen wir einen Tag. 24 Stunden. Und dann kommen die Geheimgesellschaft und wir haben zwei Drittel des Filmes rum und wir kommen zum letzten Drittel. Anna wird gefangen genommen.
Johannes Franke: Wir haben einmal eine Explainer-Teil,
Florian Bayer: die aber ganz großartig ist. Katrin Begin, die die Mademoiselle spielt, die offensichtlich so etwas wie der Guru dieses ganzen Ladens ist. Und die auch wirklich eine Mischung ist aus religiöser Fanatikerin und Und aufopferungsvoller Mutter, wie auch immer, für ihre Schäfchen. Ja,
Johannes Franke: sie hat ein bisschen was Mütterliches. Ich finde die Entscheidung gut, aber ich kriege es bei der Schauspielerin nicht rübergebracht.
Florian Bayer: Wirklich nicht?
Johannes Franke: Ich finde, auf dem Papier klingt es total gut, aber irgendwie ist sie so erklärbar mäßig trotzdem da.
Florian Bayer: Ich finde die ganz fantastisch. Und wir erfahren, was hier los ist. Die quälen Menschen, weil sie Märtyrer erschaffen wollen. Und Märtyrer sind in ihrer Vorstellung Menschen, die so viel gelitten haben. Dass sie ohne zu sterben einen Schritt auf die andere Seite machen, dass sie sehen, was hinter dem Diesseits ist. Und sie sagen, es gibt in der Geschichte Menschen, die hatten diesen Zustand. Man sieht das an den Augen, deswegen haben sie auch diese Bilder da hängen von den Menschen, die sehr gelitten haben, die irgendwie entrückt schauen. Und sie versuchen, andere Menschen auch in diesen Zustand zu versetzen, damit die ihnen in diesem Zustand erzählen, was sie gesehen haben. damit sie erfahren, was hinter der Welt ist. Das ist das ganze
Johannes Franke: Ziel. Wollen wir mal ganz kurz auf das Christentum scheißen an der Stelle? Ja,
Florian Bayer: voll christlich.
Johannes Franke: Meine Güte. Märtyrer waren ursprünglich eigentlich nur Zeugen einer bestimmten Sache. Entweder etwas, was sie erlebt und gesehen haben oder einer Idee, die weiterverbreitet werden soll. Eigentlich hat das mit Leiden und Tod nichts zu tun.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Das Christentum allerdings hat eine düstere Zeit gehabt, in der sie Leute, weil sie bestimmte Sachen gesagt haben, umgebracht haben. Und Mörthürer, die einfach nur eigentlich berichten sollten von etwas, was sie gesehen oder erlebt oder was auch immer haben. Haben dann unter Umständen Sachen gesagt, die den Christen nicht so gefallen haben. Und dann sind die halt umgebracht worden. Und dann wurde plötzlich die Verbindung hergestellt zwischen ich erzähle etwas und ich sterbe dafür. Und ich erzähle es trotzdem, weil ich daran glaube und ich sterbe dafür. Huch, plötzlich bin ich ein Märtyrer, der für seinen Glauben stirbt.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Scheiße.
Florian Bayer: Christentum ist eine extrem jenseits-und extrem todorientierte Religion. Und diese Märtyrer-Verehrung. und auch diese Verehrung von Leid und von Tod mit Leid in Verbindung, also bis Jesus ist das das beste Beispiel.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Das ist das, was für die Christen ein Ideal ist. Der Mensch, der Gott geworden, der Mensch gewordene Gott, der leidet und stirbt für uns am Kreuz auf die schrecklichste Art und Weise. Und ich meine, also das Christentum hängt sich einfach mal Kreuze dahin. Das ist total krass. Das ist wie wenn Leute, die, keine Ahnung, die Martin Luther King verehren, sich eine Kugel hinhängen würden.
Johannes Franke: Alter.
Florian Bayer: Das ist total schräg. Ich meine, das ist das Symbol des Leids und des Todes. So ist euer großer Anführer gestorben oder wie auch immer ihr ihn nennen wollt. Und ja, natürlich geht es da voll um Religiosität. Und es geht voll darum, wie funktioniert Religion und wie funktioniert Leiden in Religion. Und was für ein Stellenplatz wird Leiden der Religion eingeordnet. Und dann haben wir Anna, die gefangen genommen wird. Und... die neue Märtyrerin werden soll.
Johannes Franke: Ja, beziehungsweise wollen sie das versuchen, wie 17 Jahre schon.
Florian Bayer: Genau, wie bei vielen anderen auch. Und dann macht der Film was total krasses. Also der Film ist wirklich schlimm. Und das letzte Drittel ist auch nochmal wirklich hart. Was der Film aber meiner Meinung nach wirklich gut macht, ist in dem Moment, dass er die Gewalt komplett banalisiert. Im besten Sinne des Wortes. Weil wir erfahren, die ganze Zeit haben wir dieses Abstrakte und die Menschen haben gelitten. Und man hat diese Horrorvorstellung, die so fantastisch ist und spirituell fast schon Gewalt als große Erscheinung. Und dann stellen wir fest, Gewalt heißt einfach, sie wird festgebunden, sie wird gefüttert und sie wird verprügelt.
Johannes Franke: Massiv.
Florian Bayer: Und zwar regelmäßig. Es gibt diese krasse Repetition. Da wurden auch übrigens im Deutschen ganz viele Blöcke entfernt. Wir haben wirklich eine Repetition, immer wieder füttern, prügeln. Und zwar ganz banal, da kommt einfach ein Typ. der stark ist, der sie abkettet und der dann auf sie eintricht, bis sie ohnmächtig ist. Nichts anderes.
Johannes Franke: Das ist das erste Mal in dem Film, dass ich tatsächlich richtig das Interesse verloren habe, weil das tatsächlich nur noch einfach Gewalt war. Und ich gedacht habe, ja, jetzt habe ich aber auch keinen Grund mehr hinzugucken, weil das hat keinen Hintergrund mehr. Ich weiß jetzt, worauf sie hinaus wollen, das muss ich nicht erst noch erfahren. Und das, was ich da jetzt sehe... Das bietet für mich keinen Mehrwert mehr. Während der Film vorher sehr viel Gewalt zeigt, die ich eigentlich nicht sehen will und weswegen ich auch kein Fan von Horrorfilmen bin, die aber irgendwie eine Motivation und ein Gefühl dahinter hat und ich verstehe, weil das die Story voranbringt und weil es Hintergründe erklärt und mir ein Gefühl mitvermittelt. Und hier einfach nur stur, banal Gewalt zu zeigen, bedeutet zwar was in dem Zusammenhang. Und später im Film denke ich dann, ja okay, vielleicht brauchtest du das auch irgendwie, um da hinzukommen, weil wir auch irgendwie mit der steigenden Anzahl von Schlägen und von Blut und so in diesen katatonischen Zustand kommen als Zuschauer, wie sie als Figur in dem Film ja in diesen Zustand irgendwann kommt, sind wir als Zuschauer genauso, dass wir denken irgendwann, okay, wir sind so fertig mit den Nerven von all dem. Dass wir mit ihr zusammen in einen Zustand verfallen, der uns vielleicht auch ein bisschen mehr erklärt, was dieses Märtyrer-Zustandsding sein soll.
Florian Bayer: Ich finde, der Film macht was ganz Wichtiges in diesem Moment. Und zwar zeigt er uns einfach, das ist die eigentliche Gewalt. Und die ist komplett unspektakulär. Und deswegen ist sie so schwer zu ertragen. Die besteht einfach nur in dieser systematischen Gewalt, in dieser Wiederholung. In diesem permanenten Schänden. nichts hat, was irgendwie, wie du sagst, du verlierst das Interesse und gleichzeitig bist du auch abgestoßen davon, weil es einfach nichts mehr von diesem spektakulären Aufregenden hat, von Monstern, die dich verfolgen und so weiter, sondern es ist einfach nur stumpfsinnige, dumme Gewalt. Und der Film erzählt das meiner Meinung nach richtig und ich finde, der macht das richtig stark und ich werde darauf gleich nochmal zurückkommen, wenn ich sage, was ich glaube, was unter anderem Thema des Films ist, was ganz wichtig ist. Und er macht das so gnadenlos, dass du als Zuschauer, der irgendwie diese Gewaltlust auch hat, wenn du sie hast, krass den Spiegel vorgehalten bekommst, weil das macht nicht Spaß.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Das darf keiner sehen. Ja. Und trotzdem wirst du gezwungen, das 10 Minuten durchzustehen, 15 Minuten durchzustehen, wie dieser Mensch einfach nur gefüttert und geschlagen wird, auf stufsinnigste Weise gefoltert. Da ist keine Kreativität im Spiel.
Johannes Franke: Das ist der Moment, wo ich denke, wenn du als Gruppe von 5 Bros dir gedacht hast, oh komm. Wir gehen mal zur Videothek, sagen wir mal, früher. Oder wir leihen uns irgendwo einen Film. Wir finden online einen Film und wollen den einfach zusammen gucken. Wir wollen einen schönen Horrorfilm gucken. Und dann machst du dieses Ding an. Das hat nichts mit Trash-Horrorfilm-Party, was auch immer zu tun. Überhaupt nicht. Und du hast keine Lust, neben vier deiner Bros zu sitzen und diesen Szenen anzugucken. Das funktioniert so nicht. Ja,
Florian Bayer: und das macht der Film halt richtig gut. Weil er in dem Moment alle Erwartungen... die man an das Genre hat, richtig fies zur Seite kehrt. Und in dem Moment macht er wirklich das, was Kunstfilme gemacht haben, was Arthouse-Kino gemacht hat, wenn es Gewalt dargestellt hat, was so Regisseure gemacht haben wie Pasolini. Die Gewalt einfach in einer sehr trivialen Weise dargestellt, dass sie unerträglich ist und offensichtlich was anderes erzeugen soll als die Gewalt, die wir so oft im Horror-Kino sehen. Und dann haben wir diesen Moment, wo Lucy nicht aufgibt, sondern sich eher hingibt dem Ganzen. Wir haben diese Gespräche, Anna nicht aufgibt, sondern sich hingibt vielmehr. Wir haben diese Gespräche mit einer imaginären Lucy. Wir haben die romantische Musik plötzlich und sie macht es einfach mit, sie hat ja losgelassen irgendwie und ist dann weiter in diesem Gewaltzirkel und wird weiter gematert und dann kommt die Botschaft an sie und auch irgendwie an den Zuschauer, ja sie ist fast geschafft, noch ein bisschen.
Johannes Franke: Und dann möchte ich kurz einhaken, dass ich das wenigstens kurz untergebracht habe, weil Lucille bekommt ja von... Anna einen Haufen Hilfe am Anfang. Ja. Und ich finde es schön, dass das in dem Moment sich umdreht. Weil Lucille sich jetzt quasi endlich um Anna kümmern kann mal. Ja. Obwohl Lucille ja nicht da ist. Aber so vom Gefühl her. Ja. Kann sie was zurückgeben und Anna kann sich auf Lucille verlassen im Grunde. Ja.
Florian Bayer: Und dann haben wir die Szene. Nach diesem ist es fast geschafft. Finde ich fast ein bisschen ärgerlich mit dem Film, weil dann macht er doch wieder das, was andere Horrorfilme machen. Nämlich das Spektakuläre. Ja. Ich finde, die Häutung hätte nicht sein müssen. Weil es war gerade so gut, diese Banalität dargestellt. Und dann haben wir doch wieder kreative Horrorgewalt. Anna wird gehäutet.
Johannes Franke: Das Remake macht ausgerechnet das ja dann tatsächlich richtig dolle. Im Remake sieht man das häuten. Ich habe den Film nicht gesehen, aber ich habe viel in der Recherche darüber gelesen noch.
Florian Bayer: Ich habe es auch nicht geguckt. Ein stolzes Remake nicht gucken.
Johannes Franke: Soll ein richtig schlechter Film sein.
Florian Bayer: Pascal Logie hat sich richtig drüber aufgeregt. Er hat gesagt, was soll das, diese scheiß Amerikaner nehmen sich was, was besonders ist, was einzigartig ist und machen dann... diesen Schund da draußen. Übrigens Pascal Lugier hat das selbst gemacht. Pascal Lugier hat angefangen in Amerika zu drehen. Es gibt genau einen guten Film von Pascal Lugier. Du hast ihn gesehen? Ihr habt ihn auch gesehen, wenn ihr den geguckt habt für Vorbereitungsdiese Folge. Pascal Lugier hat keine guten Filme mehr danach gemacht.
Johannes Franke: Es wurden ihm halt Remakes angeboten. Das ist halt so ein bisschen das Ding. Du nimmst halt auch, was du kriegen kannst, wenn du nichts anderes kriegst.
Florian Bayer: Er hat The Tall Man gemacht, was so ein ganz billiger amerikanischer Horrorfilm ist und dann Ghostland 2018, wo er versucht hat, nochmal so ein bisschen dieses... Dieses New French Extremity mehr im amerikanischen Kino zu etablieren, aber es hat dann bei schon so ein bisschen gewirkt wie, nee, die Zeit ist vorbei, Junge. Wir sind gerade in der Post-Horror-Zeit. Mit dieser Körperlichkeit gewitzt gerade kein Blumentopf. Auf jeden Fall, sie wird gehäutet. Wir haben da noch einmal kreative, spektakuläre Gewalt. Wir haben sie da gehäutet hängen und die Frau, die sich die ganze Zeit um sie kümmert, schreit plötzlich und sagt, sowas hab ich noch nie gesehen. Sie hat die Augen, sie hat den Blick. Sie ist transzendent. transzendiert oder wie auch immer.
Johannes Franke: Siehst du diesen Blick in diesen Fotos von diesen Leuten, die sie dir als Beispiel angeben?
Florian Bayer: Nein, natürlich nicht. Das ist alles, dazu komme ich gleich noch, das ist alles eine Illusion. Das ist alles Bullshit. Das ist eine komplett psychopathische Sekt und dann jagen sie noch etwas hinterher, was gar nicht existiert. Diese Menschen sind einfach entrückt, weil sie so viel gelitten haben, dass du einfach entrückt bist irgendwann. Du siehst nicht das Jenseits, sondern du siehst deinen nahenden Tod und willst nur noch sterben und hast aufgegeben. Okay. Alle reisen an, auch nochmal unsere Mademoiselle. Die Sektenführerin, die dann auch mit Anna spricht und zum ersten Mal in der Geschichte ihrer Folter, wir wissen nicht, wie viele Menschen sie gefoltert haben, hauptsächlich Frauen, übrigens sagen sie irgendwann, weil Frauen empfänglicher sind für dieses Martyrium angeblich.
Johannes Franke: Näher an Gott.
Florian Bayer: Und Anna antwortet ihr, zum ersten Mal kriegen sie eine Antwort. Alle reisen an, um die Antwort zu hören. Mademoiselle bereitet sich vor, der Folterer von Anna, ne nicht der Folterer von Anna, einer ihrer Gehilfen steht vor der Tür und wartet auf sie und sie macht sich bereit und er fragt. hat sie wirklich was erzählt, was sie gesehen hat und Mademoiselle sagt, ja, ohne jeden Zweifel, ganz klar detailliert. Und dann fragt er, ja, was ist es denn? Und dann sagt sie nur noch, Luthe zweifelt. Und er schießt sich. Und wir dürfen noch einmal in Annas Augen blicken, wie sie da hängt, gehäutet, bevor der Film zu Ende ist.
Johannes Franke: Ja, wir kriegen keine Antwort. Zu Recht, oder? Ja, also vollkommen zu Recht. Das hätte den Film um 100% schlechter gemacht, wenn in irgendeine Antwort gekommen wäre. Wollen wir jetzt schön lange darüber reden, was sie gesagt hat oder welche Möglichkeiten es gibt, was sie gesagt haben könnte und warum sich Madame umbringt? Was das alles vielleicht... Es gibt ja so viele Möglichkeiten. Ich habe eine Möglichkeit gefunden in mir, die nirgendswo im Internet auffindbar ist. Oh,
Florian Bayer: das kann ich kaum glauben. Lass hören.
Johannes Franke: Aber die ist so schlecht. Aber ich habe eine eigene gefunden. Lass uns erstmal die anderen durchgehen. Mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: Ich befürchte, wir befinden uns in einer Selbstprobe.
Johannes Franke: Oh nein.
Florian Bayer: Shit. Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind. Also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren wollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer, euer Podcast. Spotcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de Genau,
Johannes Franke: schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah, das soll schnell durchkommen.
Florian Bayer: Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch. Also, wenn sie sich umbringt. Also, Madame geht ja davon aus, dass Anna tatsächlich im Jenseits war und jetzt berichten kann.
Florian Bayer: Und dass sie ihr die Wahrheit sagt.
Johannes Franke: Und dass sie ihr die Wahrheit sagt, genau. Und das nehmen wir jetzt einfach mal an.
Florian Bayer: Erste Möglichkeit. Anna hat zu Mademoiselle gesagt, das ist wunderschön. Das ist der schönste Ort, den du je erlebt hast.
Johannes Franke: Du musst sofort dahin.
Florian Bayer: Mademoiselle ist komplett ungeduldig. Kann nicht länger warten, erschießt sich.
Johannes Franke: Aber warum sagt sie dann den anderen nicht auch Bescheid?
Florian Bayer: Genau, warum sagt sie zweifelnd, was für ein Arschloch-Move?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Warum macht sie das nicht zu einer Selbstmordsektor und nimmt ihre Freunde mit?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Möglichkeit Nummer zwei. Ja. Anna hat gesagt, dort wartet auf Leute wie dich die Hölle. Mademoiselle ist komplett durch, kann sich nur noch erschießen.
Johannes Franke: Aber das Ding ist, in dem Moment denke ich, ja gut, dann bin ich möglichst lange am Leben.
Florian Bayer: Vielleicht wird ja bis so lange ich lebe doch noch was erfunden. Ja.
Johannes Franke: Also das glaube ich nicht. Das kann ich eigentlich nicht vorstellen.
Florian Bayer: Und um hier nochmal eine kleine Abzweigung zu machen. Möglichkeit eins, Anna lügt. Möglichkeit zwei, Anna sagt die Wahrheit.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Bei diesen ganzen Sachen. Genau. Möglichkeit drei. Anna sagt, finde es selbst heraus.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Mademoiselle.
Johannes Franke: Nimmt ihr ein Rad an, ich weiß nicht. Nein.
Florian Bayer: Und Möglichkeit vier, die mir noch einfällt, ist, dass Anna ihr nichts sagt, sie es aber jetzt endlich wissen will und sich deswegen erschießt.
Johannes Franke: Die Situation, in der sie ist, ist ja durchaus ein bisschen geladen, irgendwie aufgeladen, geladen mit Emotionen. Auch wenn wir schwer haben, es zu deuten. Sie nimmt sich, sie schminkt sich ab. Sie nimmt sich diese Fake-Wimpern ab und so weiter. Wer macht das? Sie bereitet sich vor auf ihren Tod. Sie bereitet sich vor, ihren Schöpfer zu treffen. So vom Gefühl her. Das heißt, eigentlich muss es schon irgendwas quasi Religiöses haben. Und sie hat eine Wortwahl. Ich weiß nicht, wie es im Französischen ist. Sagt sie nur dieses eine Wort?
Florian Bayer: Luthe. Ja. Zweifelt.
Johannes Franke: Zweifelt. Es ist eine Aufforderung. Weil im Deutschen oder im Englischen auch sagt sie zweifelt weiter. Das ist natürlich eine Verzerrung, weil ich natürlich in meinem Kopf dann denke, wenn sie sagt zweifelt weiter, dann gibt es eine Aufforderung, das weiterzumachen, was sie bisher gemacht haben. Wenn es aber kein weiter impliziert, dann ist es eine ganz andere Sache, da müsste ich da anders drüber nachdenken.
Florian Bayer: Mach mal mit dem weiter.
Johannes Franke: Ja, das hat sowieso mit meiner Theorie an sich gar nicht so viel zu tun, weil ich glaube, dass ihr versprochen wurde, wenn sie jetzt niemandem auf Erden irgendwas sagt oder so, dann kann sie sich... von ihrer Schuld reinwaschen und darf im Jenseits der Hölle entfliehen.
Florian Bayer: Okay, aber das heißt, dann machen die anderen doch weiter.
Johannes Franke: Dann machen die anderen weiter, weil es darf sich keiner aus dem Jenseits einmischen in das Diesseits.
Florian Bayer: Verstehe, das ist eine sehr fantastische Erklärung, aber interessant.
Johannes Franke: Und natürlich gibt es da wieder A, B. A, Anna denkt sich das aus und erzählt ihr das einfach, damit sie sich möglichst umbringt. Oder B, Anna lügt nicht.
Florian Bayer: Ja, um mal meine Interpretation reinzuwerfen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Surprise, surprise, es ist vollkommen egal, was Anna gesagt hat.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Ich glaube, wir haben es hier mit einem Metafilm zu tun. Sowieso. Und deswegen kriegen wir keine Antwort, weil eigentlich sind wir ja die ganze Zeit die, die darauf warten. Wir sind es, die mit Anna mitgelitten haben, wir sind es jetzt, die ihr folgen, wir warten darauf, dass sie uns die Antwort gibt.
Johannes Franke: Wir sind im Grunde diese Gesellschaft, die da zu Besuch kommt und darauf wartet, was verkündet wird.
Florian Bayer: Und sie sagt zweifelt, weil es einfach keine, es gibt diese Katharsis einfach nicht und das betrifft uns als Horrorfilmzuschauer. Wir erwarten diese Katharsis, wir gucken Gewalt, wir gucken schreckliche Sachen, wir gucken diese Monsterangriffe, wir gucken die Home Invasion, wir gucken, wie jemand gefoltert wird. Das Ganze, weil wir hoffen, damit irgendwie ein... eine höhere Bewusstseinsebene zu erreichen. Und wir finden diese höhere Bewusstseinsebene nicht. Wir finden diese höhere Bewusstseinsebene zum einen nicht, weil wir einfach, weil wir das nur aus dritter Hand kennen. Wir erleiden nicht das, was Anna erleidet oder was Lucie erlitten hat. Und deswegen muss für uns die Antwort einfach, deswegen darf es für uns einfach keine Antwort geben, weil wir nichts anderes sind als diese Gewaltkonsumenten, die andere leiden lassen, die quasi die Stellvertreter leiden lässt oder aus der Welt. dritter Hand Leid konsumiert. Und das ist natürlich auch so ein wunderschöner Abschlusskommentar zu dieser New French Extremity, zu dieser neuen Horrorwelle. Weil das haben die 2000er die ganze Zeit gemacht. Horrorfilme, die sie versucht haben, gegenseitig zu überbieten in ihrer Krassheit. Zu sagen, jetzt wir haben noch mehr Gewalt, wir haben noch mehr Gewalt. Und wenn du den Film gesehen hast, dann hast du wirklich den endgültigen Horrorfilm gesehen. Und dieser Martyrs zeigt uns die Gewalt. Als das Banale, was sie ist in diesem letzten Drittel. Er zeigt uns davor ganz viele andere Horrorfilm-Tropes, aber wenn es dann zur thematisch relevanten Gewalt kommt, zeigt er uns, wie banal sie ist. Und wenn wir dann suchen, und jetzt, das alles haben wir durchgestanden, wo ist sie an? Dann sagt er, leck mich.
Johannes Franke: Natürlich.
Florian Bayer: Und dafür liebe ich diesen Film.
Johannes Franke: Aber heißt das, dass der Film implizit eine Handlungsanforderung abgibt und sagt, wenn du erleuchtet werden willst, musst du selbst durchs Materium gehen?
Florian Bayer: Der Film sagt es. bringt nichts, was du hier machst. Der Film sagt, du verschwendest deine Zeit.
Johannes Franke: Okay. Also er versucht sich mit diesem Trick als Endpunkt der New French Extremity zu gestalten?
Florian Bayer: Danach kam nichts mehr. Er ist nicht nur der Endpunkt der New French Extremity, sondern ist auch der Endpunkt dieses körperbetonten Horrors der 2000er. Danach kam nur noch Schrott. Und das schafft er. Und ich finde, er schafft es mit einer krassen Schlusspointe für sich und auch irgendwie mit einer krassen Schlusspointe für dieses Horrorjahrzehnt. Krass. Und als Genreliebhaber sehe ich diesen Film und denke, wow, der trifft voll ins Schwarze.
Johannes Franke: Das Ding ist, während ich diesen Film gucke, kann ich, der ich mit Horrorfilmen nicht viel anfangen kann, nicht das drin sehen, was ich darin sehen kann, was wir jetzt besprechen. Ich muss das alles im Nachhinein nachholen. Ich muss das im Gespräch mit dir machen und ich muss das im Gespräch in Anführungsstrichen mit dem Internet machen. Indem ich irgendwie anderen Leuten dabei zuhöre, wie sie darüber reden oder irgendwelche Informationen rauskrame und so. Oder einfach nur in meinem stillen Kämmerlein reflektiere danach. Während des Films kriege ich das nicht hin, weil ich die ganze Zeit völlig überfordert bin von allem. Weil ich kein Horrorfilm-Fan bin. Weil ich die ganze Zeit on the edge da sitze. Und denke, oh Gott, hoffentlich ist das jetzt das letzte Mal, dass irgendjemand den Rücken aufgeritzt bekommt. Ich hoffe, dass ich jetzt nicht nochmal sehe, wie die da gehäutet da liegt. Das sind alles so Sachen, die mich zu sehr beschäftigen, als dass ich den Film genießen kann. Und das genießen kann, was dieser Film eigentlich macht so. Und was er vielleicht so an Botschaft oder an Thematik mit drin hat. Und das muss ich alles im Nachhinein nachholen, meine Hausaufgaben machen.
Florian Bayer: Verstehe. Das ist so ein bisschen wie wenn man einen Kunstfilm guckt und... der Kunstfilm thematisiert, keine Ahnung, Barockmalerei und einen spezifischen Künstler und du kennst den Künstler und die Gemälde von ihm nicht. Du siehst diesen Film und es ist für dich ein Rätsel und du kommst überhaupt nicht klar und dann am Schluss recherchierst du und denkst, ah ja, interessant, was er gemacht hat, aber während du den Film guckst, denkst du einfach nur, ich fühl mich kacke.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: ich will das nicht.
Johannes Franke: Genau. Ganz genau.
Florian Bayer: Ja, aber also du hast jetzt wirklich was Extremes gesehen, ne? Ja. Du hast, also,
Johannes Franke: es gibt's durchgestanden.
Florian Bayer: Du hast es durchgestanden. Ja. Und es ist wirklich, du hast einen der krassesten Horrorfilme der 2000er, wenn nicht sogar der letzten 30, 40, 50 Jahre. Vielleicht einer der krassesten Horrorfilme aller Zeiten hast du gesehen. Und du hast das geschafft. Ja, ich verstehe es. Du bist für das Genre verloren? Ja,
Johannes Franke: voll. Aber das ist nicht mein Genre. Aber das ist nicht mein Film.
Florian Bayer: Du kannst jetzt zumindest sagen, ich habe Martius gesehen und Skin of a Rink und Suspiria. Ich weiß, dass ich mit Horror nichts anfangen kann. Egal, ob es in Humor verpackt ist oder in abstrakte Geräusche oder in harte körperliche Gewalt. Ich weiß, Horror ist nicht mein Ding.
Johannes Franke: Möchtest du jetzt das T-Shirt auspacken, das du mir gedruckt hast? I survived, skin in my ring.
Florian Bayer: And all I got was this.
Johannes Franke: Ja genau, all I got was this T-Shirt.
Florian Bayer: Ja, es ist ein Genre-Film. Es ist ein Film für Genre-Liebhaber. Und gleichzeitig ist es meiner Meinung nach ein Film, der das Genre halt auch irgendwie nochmal packt und nochmal selbst zur Disposition stellt. Pascal Luchy hat gesagt, als er das Ding geschrieben hat, war er depressiv. Finde ich, sieht man den Film an. Durchaus. Pascal Lougier hat gesagt, das, was ich hier drehe, ist, ich versuche einen klassischen Horrorfilm zu drehen, aber immer wenn du glaubst zu wissen, was der Film jetzt eigentlich für ein Horrorfilm ist, will ich eine komplett neue Richtung einschlagen. Und Pascal Lougier hat mit wenig Geld, er hat wenig finanzielle Mittel, also zumindest für das, was er sich vorgestellt hat, eine Million oder so hat der Film gekostet, zwei Millionen. Und er hat unglaublich Probleme gehabt, Finanziers dafür zu finden. Und er hat... In den Interviews mehrmals gesagt, die Dreharbeiten waren echt schwer, weil wir wenig Geld hatten und ich hatte so sehr genaue Vorstellungen von Bildern, die ich gerne umgesetzt hätte und das war schwierig mit dem Budget, das wir hatten. Er hat sich unter anderem von John Dark, von diesem Stumpffilm inspirieren lassen, weil wir dieses Bild haben von der Gemahrtaten, von der Märtyrerin, die da hängt. Und ich finde, ihm ist das aber gelungen in diesem Rahmen. In diesem Rahmen eines Horrorfilms. Er wollte einen Horrorfilm machen. Er ist inspiriert gewesen von Hostel. Hostel ist ein wirklich schlechter Horrorfilm. Er hat Hostel gefunden und hat gesagt, jetzt will ich einen Film über Schmerz machen. Und er hat es geschafft, mit diesem niedrigen Budget was unglaublich Dichtes zu erzählen, was Cleveres und was trotzdem keine Kompromisse eingeht. Und das finde ich schon extrem bewundernswert.
Johannes Franke: Bevor wir hier fast schon ins Fazit ausatmen, ich möchte noch zwei, drei Fragen klären. Ja. Die mir wichtig sind. Der Film sagt irgendwie, Schmerz und Leiden sind nicht das Gleiche. Du musst, wenn du Schmerzen hast, nicht unbedingt leiden.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Zumindest ist das das, was diese Gruppe andeutet. Die sagt, wenn du darüber hinaus kommst, was wir hier mit der Filmkreise machen, dann wirst du erleuchtet und du spürst dieses Leiden nicht mehr. Der Schmerz ist vielleicht da, aber du bist über allem.
Florian Bayer: Ja. Neue Bewusstseinsebene.
Johannes Franke: Ist das vielleicht ein problematischer Move? Ich weiß es nicht. Für diese Gruppe auf jeden Fall. Setzt der Film sich dazu sehr drauf und verkauft mir das auch?
Florian Bayer: Nein. Sonst würde sich Mademoiselle nicht am Schluss erschießen. Und es bleibt so.
Johannes Franke: Aber wir wissen ja nicht, warum sie sich erschießt. Und deswegen ist das jetzt kein... Argument, was du reinführen kannst, weil das unterschiedliche Gründe haben kann. Aber das,
Florian Bayer: was gezeigt wird, bleibt so abstrakt und so vage, dass nicht ganz klar ist, ob wir hier eine Erleuchtung sehen oder einfach nur ein komplettes Wegsein. Oder hast du das Gefühl, der Film inszeniert dir den Zustand, in dem Anna am Schluss ist, als erleuchteten Zustand?
Johannes Franke: Nee, zumindest als Zustand, in dem sie ihr Leiden überwindet.
Florian Bayer: Ja, das stimmt.
Johannes Franke: Das schon. Und das finde ich schon so ein bisschen problematisch. So nach dem Motto, du kannst dich entscheiden, deinen Schmerzen nicht als Leiden wahrzunehmen. Das sagt mal Leuten, die wirklich echt harte Schmerzen haben. Und psychische Natur als auch physische Natur.
Florian Bayer: Aber da vielleicht auch zur Ehrenrettung des Films, er macht das im Extrem. Und davor zeigt er die ganze Zeit Menschen, die leiden, die wirklich einfach leiden.
Johannes Franke: Ja, das stimmt.
Florian Bayer: Also er ist ja nicht so, dass er... Diese Schmerz-Leid-Kopplung hat er ja die ganze Zeit. Also dass die leidet und... ihr werden körperliche Schmerzen zugefügt, auch als Ausdruck ihrer seelischen Leiden.
Johannes Franke: Ja, es ist nicht so, dass er jeder Figur das gibt, sondern es gibt diese Ausnahmefigur, die es schafft, über dieses Leiden hinauszukommen. Okay, okay, ja. Aber trotzdem, also mich hat es so ein bisschen so, weiß ich nicht, ob ich das jetzt so gut finde. Was noch mit ihr zu tun hat, was ich noch gerne mit dir besprechen würde, oder das wenigstens einmal kurz reinbringen würde, was passiert mit einem Glauben, den sie ja hat? Dem sie nachrennt, wenn er zum Wissen wird.
Florian Bayer: Gute Frage. Das macht dich fertig.
Johannes Franke: Völlig fertig, oder? Also ich meine, wenn du etwas die ganze Zeit, du hast einen Glauben, der ja darauf basiert, dass man es nicht weiß. Und irgendwie ein ganzes Universum, also jetzt was Religion betrifft zum Beispiel, was Christentum betrifft oder was auch immer, egal welche Religion, aber du hast ein ganzes Universum drum herum gebaut, um etwas, von dem du es nicht wissen kannst. Und wenn aus diesem Glauben, das ursächlich damit zu tun hat, dass du es nicht wissen kannst, plötzlich wissen wird, du verlierst ja allen Grund. alle Grundlage für alles. Und allein deswegen kann man sich ja schon umbringen.
Florian Bayer: Jeder Motivationstrainer würde ja sagen, du brauchst Ziele, unerfüllte Ziele. Wenn sich alle deine Ziele erfüllt haben, was machst du noch? Wofür lebst du überhaupt noch? Und gerade bei sowas wie Glauben, Fragen suchen, ist das ja ganz wesentlich, wenn du die perfekte Antwort gefunden hast und das alles weißt. Was machst du da noch?
Johannes Franke: Es gab einen guten Artikel online, den ich nicht gelesen habe, sondern der irgendwie immer wieder zitiert wurde in irgendwelchen anderen Zusammenhängen. der das verglichen hat mit einem Besuch im Casino-Abend. Wenn dir am Anfang des Abends gesagt werden würde, du wirst auf gar keinen Fall auch nur einen Cent verdienen, gehst du dann noch ins Casino?
Florian Bayer: Sehr gute Frage.
Johannes Franke: Was ist das?
Florian Bayer: Eigentlich weißt du es ja. Du gehst ja ins Casino und weißt, dass du Geld verlieren wirst, zumindest long term.
Johannes Franke: Aber dieses Suspense, dieses Strafverfächtnis, vielleicht noch mal ein bisschen, ein bisschen nicht und so. Und wenn es klar ist vorher, warum... machen.
Florian Bayer: Ja, genau. Dann ist es irrelevant.
Johannes Franke: Ja, und deswegen auch dieses Wort Zweifel. Ja. Zweifelt. Um weiter die Motivation haben zu leben.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Ich glaube, dass der Zweifel einen daran...
Florian Bayer: Es ist vielleicht tatsächlich ganz banal, sie bringt sich um, weil sie keinen Lebenssinn mehr hat.
Johannes Franke: Ja, vielleicht ist das.
Florian Bayer: Und sie will den anderen nicht diesen Lebenssinn nehmen und deswegen sagt sie, machen sie weiter. Ich meine, es ist total schrecklich, was sie machen. Ja. Es ist offensichtlich ihr Lebensinhalt. Sie haben was gefunden, was ihnen wichtig ist. Jeder Mensch hat Hobbys. Manche versuchen, ihr Handicap beim Golf zu verbessern. Sie versuchen halt, Erlösung zu finden, indem sie Menschen zu Tode foltern.
Johannes Franke: Ja, jeder hat so sein Ding. Auf jeden Fall. Okay. Weißt du, dass sehr viele Leute mit diesem Regisseur danach nicht mehr zusammenarbeiten wollten?
Florian Bayer: Ja. Vor allem die beiden Hauptdarstellerinnen, also vor allem die, die Lucie spielt, Mylène Jaminois, Ich finde übrigens beide Darstellerinnen sehr gut.
Johannes Franke: Sehr, sehr gut, ja.
Florian Bayer: Die hat gesagt, ja, die Dreharbeiten waren emotional ganz schön schwierig. Und ich habe öfter mal geheult, wenn ich nachts nach Hause komme. Und Pascal Loger ist offensichtlich etwas cholerisch.
Johannes Franke: Ja, offensichtlich sie auch. Das hatte sie als Vergleich angebracht, dass er so ähnlich ist wie sie, was das betrifft. Und sie sind arg aneinander geraten und es hat nicht wirklich gut funktioniert am Ende. Und es hat sich auch jemand was gebrochen, nämlich einen Fuß.
Florian Bayer: Mojana Alaoui, die die Anna spielt, ist ziemlich tief gefallen. Es gibt dieses Making-of auf YouTube, habe ich vorhin schon gesagt, am Anfang der Episode, 90 Minüter. Wenn man das sieht, hat man ungefähr eine Vorstellung davon, wie Pascal Auger unangenehm werden kann. Weil er sitzt da und erzählt, was er sich vorstellt und er plant sehr genau. Und man merkt, wenn er unzufrieden mit was ist. Und es wirkt auch so wie jemand, bei dem sich die Unzufriedenheit so langsam aufstockt.
Johannes Franke: Oh, okay.
Florian Bayer: Also ich kann mir vorstellen, dass es kein angenehmer Zeitgenosse für die Zusammenarbeit ist. Und vor allem nicht, wenn er der Regisseur ist und als der sieht, der das Heft in der Hand hat. Andererseits hat die Dokumentation einige wirklich nette Szenen. Zum Beispiel sehen wir, wie der Typ, der Michelle heißt, glaube ich, seine Rolle heißt Michelle, der Anna verprügelt. Wie er die Schauspielerin in den Arm nimmt nach einer
Johannes Franke: Szenen. Ach, ja.
Florian Bayer: Und es gibt dieser... Wir sehen, wie Anna, wie die Schauspielerin, dieses Gerät testet, wo sie gehäutet wird, das sich so dreht. Und dann ist ein, sie haben in Kanada gedreht, in Montreal. Ein Kanadier hilft ihr, diese Metalldinger festzumachen und sagt, wie das funktioniert, wie schnell sich das dreht. Und sagt, wo sie sich abstützen muss, damit sie nicht unbequem liegt. Und dann sagt er, ah, das ist ein bisschen eng hier. Und dann meint sie, soll ich mich ausziehen? Und er ist offensichtlich total pikiert davon und sagt, nee, nee, nee, lasst ruhig an, alles gut. Und dann... Pascal Loger sitzt daneben, macht sich drüber lustig und meint, du machst gerade unseren armen kanadischen Freund total fertig. Und dann macht sie noch weiter und meint, nein, nein, ich habe kein Problem damit, ich kann meine Klamotten jetzt ablegen. Es gibt in diesem Making-of einige sehr schöne Szenen. Und super interessant, diese Shotgun-Szene am Anfang, wenn der Vater erschossen wird und mit diesem Rückfluss an die Wand teleportiert wird. Diese Szene wird relativ lange gezeigt. Ich glaube, es war eine der ersten Szenen, die sie gedreht haben. Wird halt einfach gezeigt, wie der Stuntman dann per Rücke gepackt wird. Und an ein Seil gebunden wird und zurückgezogen wird. Und ich dachte nur so, wow, das sieht schmerzhaft aus.
Johannes Franke: Das ist hart.
Florian Bayer: Der knallt nämlich gegen diese Treppe auch. Oh Gott. Und sie fragen auch nach jedem Take, fragen sie alles, okay, geht's gut, hast du dir irgendwo wehgetan? Ja. Und es sieht richtig hart aus, weil mit einer enormen Wucht wird der an die Treppe gezogen.
Johannes Franke: Wahnsinn. Was Stuntmen alles ausmachen. Also das ist schon echt krass. Ich möchte einmal noch ein Bild einfügen, was mir einfach aufgefallen ist, wo ich gedacht habe, oh cool. Also. Der Film bezieht sich auf so ein Nachtmarmotiv. Weil einmal dieses Monster ganz am Anfang, glaube ich, noch in der Anstalt, wo das Kind da das erste Mal gezeigt wird, wie es sich ritzt, beziehungsweise die Auswirkungen davon zu sehen sind. Und sie dann sagt, ich war das nicht, ich war das nicht. Ich glaube, da ist das, wo dieses Monster einmal wie so auf ihrem Bett hockt. Wie so ein Nachtmarr. Und es gibt dieses Bild von einem Nachtmarr, der auf der Brust von jemandem sitzt. Als Albtraumsymbol im Grunde und in diesem Fall als traumatisches Symbol für das Trauma. Und das fand ich sehr, sehr gut, weil ich an der Stelle schon eigentlich weiß oder wissen kann, dass diese Figur nicht existiert, sondern dass die im Grunde nur die Vergangenheit ist, die sie verfolgt. Fand ich sehr schön einfach als Bild und sehr intelligent gemacht an der Stelle.
Florian Bayer: Du meinst garantiert Johann Heinrich Füßlis Nachtmar aus dem Jahr 1790? Und ich habe das Gefühl, Pascal Auger hat ein Faible für die Kunst aus der Barockzeit. Dieses Memento Mori. Es fällt mir gar nicht so viel konkret ein, aber die Art, wie er Bild aufbaut, hat oft diese Ästhetik und diese Wirkung von diesen düsteren Barockgemälden. Pest und 30-jähriger Krieg. Und du weißt, wir werden sowieso alle sterben. Keiner von uns wird älter als 30. Und das Ende ist nah. Es gibt so eine witzige Szene, in der Pascal Auger sich... die Filmplakate anguckt, die gemacht wurden von einem Fotografen. Meint, ja, die wurden letzte Woche in Paris geschossen oder so. Jetzt soll ich mir eins aussuchen, ich finde die alle scheiße. Und das bekannte Plakat, das ist auch das, was wir als Cover für diese Episode nehmen werden, ist Anna und Lucie, die einfach zusammenstehen und irgendwie so in die Ferne schauen vom dunklen Hintergrund. Das sieht aus wie ein amerikanischer Actionfilm, so die mit Öl verschmierten Frauen, die irgendwas repariert haben. Und dann sagt er, aber das nehme ich wahrscheinlich. Und dann geht er die... durch und wir stellen auch fest, warum. Weil es wird von Bild zu Bild schlimmer. Und er war beim Fotoshooting nicht dabei. Offensichtlich großer Fehler. Und er meinte einfach die Plakate, die hier gemacht wurden. Ich verstehe, was der machen wollte, der Fotograf, aber die haben nichts mit meinem Film zu tun.
Johannes Franke: Scheiße. Ja, das ist echt ein Problem. Als Regisseur musst du echt in jedem fucking kleinen Prozess dabei sein und alles entscheiden. Das ist schon echt hart.
Florian Bayer: Ja. Der Film hat es schwer, wie gesagt, der hat es mit der Finanzierung schwer und der hat es auch mit der Veröffentlichung schwer. Du hast es schon gesagt, der hat eine FSK, nicht FSK, in Frankreich eine Freigabe ab 18 gekriegt, was kaum vorkommt.
Johannes Franke: Ja, das ist einfach, Pornos kriegen das halt. Genau.
Florian Bayer: Und das heißt, wenn der Film ab 18 ist in Frankreich, heißt das, das Ding läuft kaum in einem Kino und ist unglaublich schwer zu vermarkten und dann haben sie dagegen einen Einspruch erhoben und haben versucht, das durchzusetzen mit Intervention von der… Kultusministerin.
Johannes Franke: Ja, krass, ne?
Florian Bayer: Was von Erfolg gekrönt war, das Ding wurde dann ab 16 freigegeben. Und ich verstehe total Frankreich, das ist ein anderer Ort als Deutschland. Ja. Aber in Deutschland hat der FSK ab 18 gekriegt und das ist ein Fall, wo ich sagen würde, ja, dieser Film ist ab 18, dieser Film ist nicht ab 16.
Johannes Franke: Ja, aber war der nicht trotzdem im Kino?
Florian Bayer: Er lief im Kino, ja, in Deutschland laufen Kino, äh, ab 18 im Kino. In Deutschland ist es nicht so ein großes Ding, wenn Filme ab 18 sind. Ja,
Johannes Franke: genau.
Florian Bayer: New French Extremity, Horrorfilme, waren alle ab 18. Die meisten. Der wurde, kam auf einen Index, Was heißt so jugendgefährdend, Kategorie A oder so, also nicht so schlimm. Was aber für den Vertrieb auch irgendwie kacke ist und für die Werbung und so weiter. Und als das Filmlabel Tiberius Film sich die Rechte für das amerikanische Remake gesichert hat, zu dem wir ganz kurz noch gleich was sagen, haben die sich auch die Rechte für das Original gesichert und haben nochmal eine geschnittene Fassung rausgebracht. Das ist die, die wir jetzt überall sehen, die um fünf Minuten geschnitten ist, mit 14 fehlenden Szenen. Ich gucke gerade bei Schnittberichte. Die ist dann quasi freigegeben. Und vor allem wurde die der, jetzt kommt es, der SPIO-JK, das ist die Juristenkommission der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, wurde der hingestellt und die sollten dafür ein Gutachten machen. Und die machen das offensichtlich und sagen einmal, ja, das Ding ist nicht so bedenklich. Und die haben das dann gemacht und haben zu dieser geschnittenen Fassung, haben sie gesagt, ja, okay, können wir machen, kann man machen.
Johannes Franke: Na toll, jetzt sitze ich da und denke mir, scheiße, ich, ich, Ich habe diesen Film durchgestanden. Und jetzt habe ich nicht mal die endgültige, definitive Fassung gesehen, sondern nur so ein...
Florian Bayer: Ich glaube, es ist schon krass genug so. Und es ist vor allem Repetition. Also am Schluss dieser Block, der fehlt. Ich habe diesmal übrigens auch die Reimfassung gesehen und dachte, Moment, irgendwie komisch. Und dann nochmal so ein bisschen quer geguckt online. Und dann findest du, was fehlt. Und es sind einfach ein paar... Blut ziehen und ein paar Kleider ziehen. Du hast das Wesentliche gesehen. Du hast nicht ganz so viel Repetition erlitten im Schluss, im letzten Drittel.
Johannes Franke: Die ich sowieso schon nicht brauchte.
Florian Bayer: Aber ich bin trotzdem total stolz auf dich.
Johannes Franke: Danke, danke, danke. Ich bin auch ein bisschen stolz auf mich. In Nordamerika hat die Weinstein Company das Ganze als Distributor gekauft und Bob Weinstein hat dann irgendwann gesagt, nein, wir bringen es doch nicht ins Kino, sondern haben es direkt auf DVD veröffentlicht. Die hatten zu viel Angst, die haben das nicht hingekriegt. Ja. Krass, oder?
Florian Bayer: Ja, voll krass.
Johannes Franke: Warum? Warum kaufst du für viel Geld diese Rechte und dann bringst du es so verstohlen unter der Hand quasi auf DVD raus? Was ist denn da los?
Florian Bayer: Ja, das ist so. So ist das amerikanische, die amerikanische Filmwelt manchmal. Ja. Es gibt ein Remake erst im Jahr 2015. Dieses Remake hat einen... unfassbar schlechten Ruf. Ich habe es nicht gesehen allein aufgrund des Rufes. Ich habe zwei, dreimal überlegt, vielleicht könnte ich den irgendwann mal gucken, aber das hat mich so abgetörnt, was ich darüber gelesen habe und was alle Menschen drüber sagen, egal ob Filmkritik oder Pascal Loger, dass ich gedacht habe, nee, weißt du, vielleicht muss ich das Ding auch nicht unbedingt gucken.
Johannes Franke: Naja, dann landet das Ding in der Tonne,
Florian Bayer: was soll's. Ich habe mich nicht mehr groß mit auseinandergesetzt, aber offensichtlich verfehlt er das. die wesentlichen Punkte vom Original und wird einfach zu so einer Gewaltshitshow. Genau das, was Marthias meiner Meinung nach von den anderen Filmen abhebt, dass er das eben nicht ist. Dass er es schafft, sich sehr reflektiert mit Gewalt auseinanderzusetzen, sowohl in der Realität als auch im Medium.
Johannes Franke: Ja, der Regisseur hat übrigens gesagt, das Schwierigste am Film war, die Frauen die ganze Zeit am Weinen zu behalten. Was ist das für ein Kommentar? Was ist das denn? What the fuck? Okay. Wollen wir uns einfach mal in unsere Top 3 hineinflüchten?
Florian Bayer: Auf in die Top 3.
Johannes Franke: Okay. Vier. Unsere Top 3.
Florian Bayer: Fliehen wir zu den Filmen, zu den schrecklichsten Filmen, die wir je gesehen haben. Tolle Idee.
Johannes Franke: Toll. Was für eine Flucht. Das Ding ist... Ich hab ja gar keine Horrorfilme groß gesehen. Alles, was ich an Horrorfilmen gesehen habe, hab ich von dir.
Florian Bayer: Yay! Es müssen ja keine Horrorfilme sein. Es gibt ja auch andere schreckliche Filme. Du weißt doch, Showgirls, echt beängstigend.
Johannes Franke: Ja, ich hätte sowas wie Amour mit reinbringen können, weil das schrecklich krass ist. Aber nein, es passt nicht in meine Vorstellung von schrecklichen Filmen.
Florian Bayer: Geil, dass du Michael Haneke erwähnst. Er wird oft als Vorbild für die Nouvelle Vague genommen, äh für die Nouvelle Vague, für die New French Extremity herangezogen mit Honey Games.
Johannes Franke: Da habe ich nämlich meinen Platz 3.
Florian Bayer: Ja, genau. Zwei jugendliche Psychopathen offensichtlich brechen bei einer Familie ein und nehmen die als Geiseln und spielen mit ihnen tödliche Spiele und foltern sie und quälen sie. Und das Besondere ist, wir werden irgendwann, wie wir feststellen, zu Komplizen von ihnen. Sie machen das nämlich für uns, für das Publikum. Es gibt... relativ wenige, aber sehr entscheidende Szenen, in denen einer der beiden Killer mit uns redet und uns fragt, ob es uns denn noch gefällt, ob wir noch Spaß daran haben.
Johannes Franke: Sehr seltsame Stelle. Aber wir haben darüber geredet. Hört euch die Episode an.
Florian Bayer: Wir haben echt krasse Filme besprochen, dafür, dass du so Filme nicht magst. Ja,
Johannes Franke: weil du derjenige bist, der die ganze Zeit denkt, wie kann ich Johannes ärgern?
Florian Bayer: Den hast du vorgeschlagen. Oder es war ein Publikumswunsch?
Johannes Franke: Nein, das war ich nicht.
Florian Bayer: Es war ein Publikumswunsch. Das war Melanie,
Johannes Franke: glaube ich. Was? Nein. Du tust mir diese scheiße Antwort. Da kannst du nicht rausreden.
Florian Bayer: Schauen wir nochmal Funny Games. Ich bin ziemlich sicher, dass das ein Publikumswunsch war. Laura.
Johannes Franke: Laura? Wer ist Laura?
Florian Bayer: Lieber Florian, lieber Johannes, Funny Games würde ich euch gerne vorschlagen. Weiß ich nicht. Wurde uns in unserer Frühzeit einer unserer ersten Publikumswünsche. Oh, wow.
Johannes Franke: Danke, Laura.
Florian Bayer: Vielen Dank, Laura. Mein Platz 3 ist die 120 Tage von Sodom. Aus dem Jahr 1975 von Pasolini. Werde ich dir nie geben. Ich finde, mit Theorema habe ich dir einen Pasolini-Film gegeben, der gereicht hat. Nicht mal ein besonders guter Film, die 120 Tage von Sodom. Ich gehöre eher zu denen, die sagen, muss nicht sein. Ein Film, der halt einfach mal zwei Stunden aus Folter besteht.
Johannes Franke: Ja, was soll das? Wozu? Warum?
Florian Bayer: Dann wird Kot gegessen.
Johannes Franke: Schrecklich. Oh, Flo. Ich habe von dir schon immer mal wieder davon gehört und deswegen bin ich so froh, dass ich ihn nicht gesehen habe und dass du ihn mir auch nicht geben wirst. Obwohl wir ja manchmal hier das Spiel spielen, wir gucken Filme, damit ihr sie nicht gucken müsst. Aber naja, lassen wir das. Ich gehe da nicht näher drauf ein, sonst kommst du auf dumme Ideen.
Florian Bayer: Dein Platz 2?
Johannes Franke: Mein Platz 2 ist Mann beißt Hund.
Florian Bayer: Oh ja, stimmt.
Johannes Franke: Oh fuck, Alter. Das ist so ein Mockumentary, also wie ein Dokumentarfilm gemacht. Wo einfach das Filmteam einem Serienkiller, ist der am Anfang Serienkiller? Der ist schon von Anfang an Serienkiller.
Florian Bayer: Er verdient damit sein Geld, das ist sein Beruf.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Das ist schon eine Weile her. Ich glaube, mit Anfang 20 habe ich ihn gesehen und danach nie wieder. Und ich bin nach wie vor traumatisiert davon.
Florian Bayer: War das ein WG-Film?
Johannes Franke: Das war ein WG-Film. Du hast den vorgeschlagen. Ja, du bist schuld.
Florian Bayer: Tut mir leid. Mein Platz 2 ist... Inside, beziehungsweise Al Intérieur. Ein Film, der in dieser französischen Horrorwelle geschwommen ist. Ein Jahr vor Mathieu's aus dem Jahr 2007. Auch kein überragender Film. Und ein Film, den ich richtig reglich finde, weil es wird ein Home-Invasion-Film mit einer anonymen Killer und einer Schwangeren, die von diesem bedroht wird. Und irgendwann fängt der Film an, die Schwangerschaft exploitechenmäßig auszuschlachten.
Johannes Franke: Das hast du erzählt, oh Gott.
Florian Bayer: Wir sehen, wenn die Frau stürzt. Röntgenaufnahmen von ihrem Bauch, wie das Baby hin und her geschleudert wird.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Es ist kein guter Film und es ist ein Film, der meiner Meinung nach das macht, was zu viele Filme aus der Horrorzeit damals gemacht haben, nämlich die Gewalt einfach nur als Spektakel und ich finde es richtig widerlich.
Johannes Franke: Boah. Ich habe auf Platz 1 Eraserhead. Um nicht nur Filme zu haben, die wirklich scheiße sind, die ich nicht sehen will. Funny Games wollte ich auch sehen, das war auch ein guter Film und ich war nicht gänzlich dagegen. Aber Eraserhead ist tatsächlich etwas, was ich mochte, ist zu viel gesagt, aber Eraserhead hat so viele ekelhafte und seltsame Szenen. Der ist so ein weirder Film, wo man nicht richtig weiß, ist das jetzt gut, will ich ihn lieber ausmachen oder gucke ich weiter? Aber irgendwie hatte der was Besonderes und war wirklich sehr beeindruckend.
Florian Bayer: Der wird lang für ein Debüt.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Müssten wir vielleicht auch mal irgendwann machen.
Johannes Franke: Ich kann ihn nicht beschreiben, kannst du ihn beschreiben?
Florian Bayer: Es geht darum, dass ein junger Mann bei seiner Freundin und ihren Eltern zum Essen ist und dann stellt sich heraus, dass sie ein Kind gekriegt hat von ihm. Und sie haut ab und er muss sich um dieses Kind kümmern, aber dieses Kind ist ein missgestaltetes Alien-Baby. Wir wissen nicht genau, was mit diesem Kind nicht stimmt, aber es wirkt nicht wie ein Mensch, sondern eher wie ein Insekt fast schon. Und er macht Babysitting bei seinem Kind und wird dann geplagt von schrecklichen Albträumen.
Johannes Franke: Okay, ja. So hätte ich es nicht beschreiben können. Keine Ahnung. Ich hatte diese Szene, wie sie da am Tisch sitzen und das ist in meinem Kopf eingebrannt, wie das ist seltsame. Dieser Typ ist auch einfach der Schauspieler, den sie dafür haben. Wahnsinn. Okay,
Florian Bayer: mein Platz 1. Ich bleib bei der New French Extremity, weil die wirklich harte Filme hervorgebracht hat. Und zwar Irreversibel von Gaspar Noé. Okay. Ein Film, ein Rape Revenge Film.
Johannes Franke: Mhm.
Florian Bayer: wo es darum geht, dass eine Frau vergewaltigt wird und ihr Freund dann loszieht, um diese Vergewaltigung zu rächen. Aber der Film wird von hinten nach vorne erzählt. Okay. Memento-Style aus dem Jahr 2002. Das heißt, es geht damit los, dass der vermeintliche Täter umgebracht wird. Und dann erfahren wir nach und nach, wie es dazu kommen konnte. Und im Zentrum des Films steht eine wirklich, wirklich, wirklich schreckliche Vergewaltigungsszene. Aber in dem Film passieren auch andere wirklich, wirklich schreckliche Dinge. Ein echt harter Film. Ich werde dir irgendwann nochmal einen Gaspar Noé Film geben, aber nicht den, sondern als er sich dann, Gaspar Noé wurde vielleicht sogar noch besser, als er sich angefangen hat von der New French Extremity so ein bisschen abzulösen und sein komplett eigenes Ding zu machen und dabei wurde er immer, immer spiritueller. Okay. Ich werde dir irgendwann Enter the Void geben aus dem Jahr 2009, nur ein Jahr nach Machthürs, wo eine Seelenwanderung nach dem Tod aus der Ich-Perspektive gezeigt wird und der... Höhepunkt des Films ist die POV einer Vagina, wie ein Penis in sie eindringt.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: ich will. Großartiger Film.
Johannes Franke: Irgendwas, von dem habe ich gehört.
Florian Bayer: Man lacht, man heult, man hat Lust, irgendwas zu zertrümmern. Das ist ein total irrer Film.
Johannes Franke: Man verflucht Floor dafür, dass man den Film gucken muss.
Florian Bayer: Ja, vor allem geht der fast drei Stunden.
Johannes Franke: Oh Gott. Okay, bitte warte noch eine Weile.
Florian Bayer: Du hast damit zurück zum...
Johannes Franke: Ja, zurück zum Film. Das war... unsere Top 3.
Florian Bayer: Du hast nämlich wirklich genug gelitten. Ich bin total dankbar, dass, ich bin wirklich dankbar, dass du das gemacht hast, dass du dich drauf eingelassen hast. Ja, ja. Und ich habe aber auch ein bisschen schlechtes Gewissen.
Johannes Franke: Sehr gut, sehr gut, sehr gut. Das möchte ich dir jetzt auch nicht nehmen, das schlechte Gewissen. Behalt das ruhig eine Weile.
Florian Bayer: Und ich werde dich erstmal mit Horror in Ruhe lassen. Yes!
Johannes Franke: Oh Gott.
Florian Bayer: Aber nächste Woche bist sowieso du dran und, ah nee, nächste Woche bist du nicht dran. Nein!
Johannes Franke: Wisst ihr was?
Florian Bayer: Wir haben Jubiläum.
Johannes Franke: Das hier ist nämlich die 199. Episode. Und nächstes Mal haben wir 200 Folgen Muss man sehen.
Florian Bayer: Wir feiern Jubiläum und wir haben beschlossen, wir werden einfach eine Folge machen, wo wir nochmal auf unser Oeuvre zurückblicken.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: genau. 200 Jahre Muss man sehen Podcast. Was ist passiert? Was waren die besonderen, was war aufregend, was war großartig, welche Gaststars hatten wir? Wo sind wir live aufgetreten? Wir gucken auf alles drüber, wir lassen nichts aus. Der berühmte Vorfall mit Johannes, der nackt Äpfel klauen geht, wird auch vorkommen.
Johannes Franke: Es sind so viele Sachen passiert, das könnt ihr euch nicht vorstellen. Ja, ganz so spektakulär wird es vielleicht auch nicht, aber wir machen einmal die Tröte. Und so.
Florian Bayer: Aber wir müssen trotzdem nochmal ganz kurz ein Fazit zu diesem Film machen. War das ein guter Film? Muss man den Film sehen?
Johannes Franke: Wenn ihr mit Horrorfilmen klarkommt und wenn euch das transzendieren lässt, dann gebt euch den Film, um auch eine Erkenntnis dazu bekommen, was am Ende des Lebens passiert, was ist am Ende des Tunnels. Das werdet ihr sehen, wenn ihr diesen Film guckt. Ansonsten lasst die Finger davon. Wenn ihr auch nur irgendwie einen kleinen Zweifel daran habt, ob ihr diesen Film durchsteht, dann wisst ihr, nein, ihr steht den Film nicht durch, guckt ihn. nicht.
Florian Bayer: Ein Film, der vollkommen zu Recht regelmäßig in besten Listen der besten Horrorfilme aller Zeiten auftaucht. Meiner Meinung nach sehr weit vorne, was das betrifft. Ein echt harter Film, ein echt brutaler Film. Man muss das sehen wollen, aber ich finde, es gibt einem etwas und gerade Genre-Fans werden, glaube ich, dem Film viel abgewinnen können. Aber ich kann sehr gut verstehen, wenn man diesen Film nicht sehen will.
Johannes Franke: Ist übrigens auch kein Film, wo man sich gegenseitig... battelt und sagt, ja, ich habe den schlimmsten Film aller Zeiten gesehen und euch vielleicht angestachelt fühlt, weil wir sagen, traust du dich, diesen Film zu gucken? So ein Film ist das nicht. Wir machen Party und deswegen battlen wir uns und sagen, wer kann die schlimmsten Szenen irgendwie. Der Film, wenn du nicht darauf vorbereitet bist, wenn du nicht damit leben kannst, dann traumatisiert dich dieser Film. Also nicht einfach nur anstacheln lassen deswegen.
Florian Bayer: Es ist wirklich eine persönliche Entscheidung, ob man den sehen will. Ich bin sehr froh, dass es diesen Film gibt und ich glaube in der Filmwelt ist Platz für solche Filme und es ist auch eine Notwendigkeit für solche Filme, gerade in Zeiten, in denen sehr viel billiger Horror gedreht wird und das war Anfang der 2000er, Mitte der 2000er dann in dieser Gewaltwelle. Es ist gut, dass es dann auch so ein Kontrastprogramm dazu gibt. Johannes, vielen Dank! Und euch auch vielen Dank, dass ihr mit mir auf diese Horrorreise gegangen seid.
Johannes Franke: So, bist du jetzt glücklich, dass wir den Spooktober gemacht haben?
Florian Bayer: Ich bin so glücklich. Ich freue mich auf unsere Jubiläumsepisode und ich freue mich sehr darauf, was du mir danach geben wirst.
Johannes Franke: Ich glaube, wir sollten einen Publikumswunsch mal wieder machen.
Florian Bayer: Gute Idee.
Johannes Franke: Das ist es nämlich. Aber nächste Woche erstmal Party, Party, Party. Zweiundletzte Episode. Und danach geht's weiter und wir beziehen euch wahnsinnig gerne mit ein. Ihr dürft... uns ganz viele Wünsche schicken, was wir denn mal besprechen sollen, weil wir kochen nur in unserem Eigensaft sonst. Und ihr dürft euch auch gerne schreiben, was ihr für Gedanken zu den Filmen habt, die wir besprechen. Vielleicht ganz andere Gedanken als wir haben. Und das Ganze dürft ihr auch gerne öffentlich tun, damit alle anderen teilhaben und auch mitreden.
Florian Bayer: Schreibt uns, kommentiert. Wir freuen uns über alles. Und ansonsten, wir freuen uns auf die 200. Episode. Bleibt uns noch weiter gewogen.
Johannes Franke: Bis dahin. Ciao. Ciao.
Florian Bayer: Tam,

Einerseits war’s interessant dem Podcast zuzuhören, anderseits sind die Schilderungen und Erzählungen über das Christentum grundfalsch. Schade, das Materialisten sich immer so nihilistisch äußern müssen und ihre Weltanschauung dementsprechend kundtun – was auch das Ende des Films betrifft. Mehr möchte ich zu alledem nicht äußern, außer, das ich’ selber nicht einmal Christ bin oder religiös, mitnichten. Gar nicht. Aber mich stört es immens, wenn Materialisten mit ihrem Absolutheits-Anspruch um die Ecke kommen. Unglaublich teilweise. Von Philosophie und Naturwissenschaft sollte mehr verstanden werden.