Episode 174: Kikujiros Sommer und die wunderbare Welt des Takeshi Kitano
Wir erfüllen immer wieder gerne Publikumswünsche… erst Recht, wenn sie uns in cineastische Diskussionen verstricken. Kikujiros Sommer von Takeshi Kitano aus dem Jahr 1999 ist ein solcher Fall. Takeshi Kitano, in Deutschland vor allem bekannt als Veranstalter der Survival Show Takeshis Castle, ist in seinem Heimatland Japan als wahres Multitalent unterwegs: Comedian, Schauspieler, Regisseur, Künstler und so weiter und so fort. Im Ausland sorgte er vor allem in den 90ern als Regisseur düsterer und bizarrer Yakuza Thriller für Aufsehen. Und Kikujiros Castle ist wiederum was ganz anderes: Road Movie, Tragikomödie, schräger Buddy Movie… irgendwas dazwischen. Und wir können uns nicht so ganz einigen, ob dieses dazwischen nun genial oder doof ist.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 174: Kikujiros Sommer und die wunderbare Welt des Takeshi Kitano Publishing Date: 2024-05-01T06:08:11+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/05/01/episode-174-kikujiros-sommer-und-die-wunderbare-welt-des-takeshi-kitano/
Johannes Franke: Ich finde es interessant, dass er wirklich nur Outcasts begegnet. Weil der Film erzählt ja im Grunde nur einsame oder ausgestoßene Persönlichkeiten. Was natürlich schön ist für den Film, was natürlich schön ist für das Gefühl von wir raufen uns zusammen und wir machen uns gegenseitig eine gute Zeit, auch wenn wir eigentlich in der Gesellschaft nicht stattfinden.
Florian Bayer: Mal ganz, ganz soft einsteigen.
Johannes Franke: Es gibt wieder eine neue Episode. Flo, herzlich willkommen hier in meiner Küche.
Florian Bayer: Ich habe zu Ernst gerade gesagt, wir können heute ja mal ganz soft einsteigen. Disclaimer. Dieser Opener war nicht meine Idee. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Episode vom Muss-Man-Sehen-Podcast. Hallo Johannes.
Johannes Franke: Hallo Flo. Wir werden uns wieder einmal über einen Film unterhalten. Und zwar diesmal keinen Film, den wir uns gegenseitig aufgegeben haben, sondern einen Film, der uns aufgegeben wurde.
Florian Bayer: Wobei das ja auch nicht so 100% stimmt. Uns wurde aufgegeben, doch mal was von Kitano zu machen. Ja,
Johannes Franke: das stimmt.
Florian Bayer: Und dann haben wir einmal die Liste durchgeguckt. Ich glaube, Johannes kannte gar nichts von Takeshi Kitano bis dato.
Johannes Franke: Ich wollte das Castle. Wie heißt das Takeshi? Takeshi's Castle. Aber das wollte er nicht.
Florian Bayer: Dann habe ich einmal so die Liste durchgeguckt. Was gibt es denn so an Kitano-Filmen? Und ich muss ehrlich sagen... Mein Kitano-Wissen ist auch eher so sehr monothematisch und zwar halt vor allem in den 90ern, als er einfach sehr bekannt war im außerjapanischen Filmbereich. Der hat danach auch noch ganz viel gedreht, aber dazu kommen wir später noch. Und ich hab also, die Range an Filmen von Kitano, die ich kenne, reicht von 1990 bis 2001. Und da hab ich dann gesagt, ach komm, lass uns den nehmen, das ist glaube ich am ehesten, der der Johannes gefallen könnte. Und dann haben wir uns für Kiko Chiru Sommer entschieden aus dem Jahr 1999.
Johannes Franke: Nachdem ich den jetzt gesehen habe... Habe ich überlegt, ob es vielleicht doch besser gewesen wäre, einfach mit dem Zeigefinger auf irgendwas zu zeigen, was wir beide nicht kennen.
Florian Bayer: Vielleicht, vielleicht.
Johannes Franke: Aber vielleicht auch nur meine Haltung zu diesem Film, weil ich, ihr ahnt es schon, vielleicht nicht 100% zufrieden bin.
Florian Bayer: Oh, ich bin sehr gespannt darauf. Aber gucken wir uns doch erst einmal an, wer ist denn dieser Mann, der diesen Film gemacht hat. Und normalerweise würde ich ja bei sowas Wikipedia zitieren für den Einstieg, aber das ist so unvollständig. Deswegen habe ich mir selbst einen Einstieg geschrieben. Moment,
Johannes Franke: Moment. Wikipedia ist unfrei... Der Wikipedia-Artikel ist relativ groß.
Florian Bayer: Das geht vor allem um den Eröffnungssatz, der bei Wikipedia immer so schön pointiert ist. Und da steht irgendwas, was Kitano ist, und das ist zu wenig. Ich hoffe, ich habe alles zusammengekriegt. Takeshi Kitano ist ein japanischer... Comedian, Sitcom-Actor, Radio-Host, Schauspieler, Gameshow-Moderator, Hunger-Games-Veranstalter, Videospielentwickler, Filmkritiker, Regisseur, Dichter, Autor, Maler, Dozent, Kolumnist, Politischer Moderator, Synchronsprecher, Intellektueller Provokateur, Musiker und Produzent. Habe ich was vergessen, Johannes?
Johannes Franke: Glaube nicht. Also jetzt im Kopf alles durchgegangen. Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Was hat der alles gemacht?
Florian Bayer: Und wie so viele Europäer und Amerikaner kannte ich Kitano zuerst. Von Takeshis Castle und dann von seinen Filmen und dann hat es auch irgendwie aufgehört, bis auf die Tatsache, dass ich wusste, dass dieser Mann in Japan alles gemacht hat, was man machen kann.
Johannes Franke: Nicht mal Takeshis Castle kannte jeder. Also es ist in europäischen Kreisen schon eher, aber ich glaube in Amerika. Ich habe viele Podcasts gehört, die nicht mal das kannten.
Florian Bayer: Takeshis Castle ist in Deutschland im DSF gelaufen, eine Zeit lang so am Nachmittag. Die haben einfach die richtige Zeit getroffen, wenn Schüler nach Hause kommen und irgendwas gucken wollen, um sich so ein bisschen das Gehirn berieseln zu lassen. Und ich war einer davon. Ich hab das damals im Fernsehen dann einfach geguckt, ne, so Fernseh angemacht, so, ach geil, okay, takkisches Kassel kann man laufen lassen.
Johannes Franke: Ich weiß nicht, ich bin so richtig warm geworden bin ich damit nie, aber vielleicht habe ich es auch nicht im richtigen Alter gesehen, weil um diese Zeit hatte ich gar keinen Fernseher. Ich hatte kaum Zugang zu einem Fernseher in diesem Alter. Ja,
Florian Bayer: okay. Also es ist glaube ich so Leute, die einen Fernseher hatten und dann so die Vorzüge des Kabelfernsehens genossen haben, MTV und Viva, die hatten so als drittes im Programm, ach lass uns mal gucken, ob auf DSF irgendwas geiles läuft. Und das war dann halt doch öfter Takechi's Castle.
Johannes Franke: Weißt du, was auf DSF gelaufen ist? Nachts um eins.
Florian Bayer: Ruf mich an!
Johannes Franke: Das hab ich geguckt, wenn ich so eine Chance hatte. In diesem Alter.
Florian Bayer: Liebe Gen Z, tut uns leid. Ein bisschen Boomer-Humor müsst ihr in dieser Episode ertragen. Takishe's Castle, das hat er in den 80ern gemacht. Davor hat er schon ganz viel anderes gemacht. Und zwar war er vor allem in den 70ern primär als Comedian bekannt, daher kommt auch sein Spitzenname Beat Takeshi. Er war nämlich als Duo zusammen mit Kaneko Kiyoshi unterwegs, als The Two Beats. Und die sind in Stripclubs aufgetreten, in Yakuza-Umfeldern und haben da so ihre typischen Slapstick-Nummern gemacht, die offensichtlich irgendwie so klassische japanische Comedy waren. Die haben auch
Johannes Franke: Gangster, Yakuza-Gangster auf der Bühne dargestellt und Yakuza ist die Mafia dort. Und die haben die dann nach den Auftritten zu sich geholt und mit denen getrunken und hat sie eingeladen, hier isst was, trinkt was und haben denen die wildesten Storys erzählt über irgendwelche Mafia-Sachen. Ich weiß nicht, ob ich das durchgehalten hätte. Ich glaube,
Florian Bayer: wir reden in der Gozu-Folge, wo es um einen anderen sehr, sehr, sehr vielseitig schöpferischen Japaner geht, nämlich Takashi Miike, reden wir relativ lange über die Yakuza, die ja wirklich sehr spannend sind in Japan, nicht einfach nur als Unterwelt, sondern auch so als Subwelt. Die Yakuza haben in Japan ganz lange auch so ein bisschen anders funktioniert als die Mafia in Italien. Es gibt schon Anknüpfungspunkte, aber bei denen war das Soziale und das Verantwortungsvolle für das eigene Viertel war irgendwie noch größer. Und die Yakuza, die waren offiziell quasi. offizielle Yakuza-Magazine. Oh Gott, oh Gott. Und die haben Politik gemacht und die waren einfach Teil der Öffentlichkeit und gleichzeitig am Rand der Öffentlichkeit. Ich glaube, so eine Art von Verbrechen, wie wir sie nie verstehen werden, wo wir irgendwie so an kulturelle Barrieren stoßen.
Johannes Franke: Vielleicht.
Florian Bayer: Es ist aber total spannend.
Johannes Franke: Aber Mafios, also Mafiose-Strukturen haben wir auch kennengelernt, die sehr tief in Politik gegangen sind. Ja,
Florian Bayer: aber anders, nicht so offiziell. Die Yakuza, die standen deutlich mehr in der Öffentlichkeit und waren deutlich weniger verborgen und hatten ihre Stars. und ihre Sympathieträger und es wurde einfach sehr viel mehr nach draußen getragen. Und auch ganz lange, als sie dann so halb... Dann wurden sie ja irgendwann verboten und dann haben sie noch so halboffiziell existiert und dann mussten diese Magazine zumachen, die halt Gossip aus der Yakuza-Welt gebracht haben, so wie wir uns Magazine Gossip aus der Welt der königlichen Familie bringen.
Johannes Franke: Wie hat er ihn umgebracht? Mit einem Messer? Mit einem Gewehr? Welche Vorteile und Nachteile gibt es denn?
Florian Bayer: Frag mich nicht. Das ist auf jeden Fall ein total spannendes Thema, über das wir heute Gott sei Dank wenig reden müssen, weil wir keinen Yakuza-Film gucken. Auf jeden Fall war er dann irgendwann nicht nur Comedian auf der Bühne, sondern auch Comedian im Radio. Medien im Fernsehen und er hat dann verschiedene Sendungen moderiert, sowohl im TV als auch im Radio, vor allem in den 80er Jahren. Und das war auch die Zeit, in der er als Schauspieler entdeckt wurde und zwar von einem sehr großen japanischen Regisseur, nämlich von Nagisa Oshima. der ihn in diversen Nebenrollen besetzt hat. Da hat er irgendwie angefangen. Er ist so ein bisschen da reingestolpert. Er war als Sitcom-Actor da schon unterwegs. Und dann war plötzlich so die Idee, hey, der kann vielleicht auch ein bisschen mehr. Dem können wir auch vielleicht ernstere Rolle geben. Und dann ist er so nach und nach als Nebendarsteller reingerutscht in das Filmbusiness. Und das war auch die Zeit, in der er Takeshis Castle gemacht hat. 1986 bis
Johannes Franke: Man muss so ein bisschen dazu sagen, dass er als Comedian ja so bekannt war und so berühmt war. Ein sehr schwarzer Humor. Also so schwarz. In der Bronx würde er verhaftet werden. Der ist also...
Florian Bayer: Puma! Puma!
Johannes Franke: In Texas würde er erschossen werden?
Florian Bayer: Besser, danke.
Johannes Franke: Okay. Der war immer als Comedian bekannt und als er das erste Mal seine erste ernsthafte Rolle hatte... hat er sich mal ins Kino reingesetzt und geguckt, wie die Leute reagieren und war wahnsinnig enttäuscht, als die Leute gelacht haben, als er aufgetaucht ist.
Florian Bayer: Er hat sich auch in Interviews zu Kiko Chiro geäußert. Er hat gemeint, wenn die Leute in Japan mich sehen, in diesem Film, dann sehen sie halt die ganze Zeit den Clown und den Slapstick-Typen und so weiter. Und es war so angenehm, diesen Film in der europäischen Rezeption nochmal anders wahrzunehmen, wo die Leute halt... viel mehr auf das dramatische Moment gucken, weil sie weniger abgelenkt davon sind, dass der große Clown Takeshi Kitano da rumspringt die ganze Zeit. Er hat dann genau dieses Takeshi ist krasse gemacht und daher kannte ich ihn als erstes. Das war, wie gesagt, 1986 bis 1989 in Japan gelaufen. Riesige Show mit wer überlebt und wer kann am Schluss gegen den bösen Takeshi kämpfen. das jetzt auch nochmal so ein Remake gekriegt hat, das war einfach ein Riesending und das war in Deutschland war es dann irgendwie zusammengeschnitten und neu kommentiert und synchronisiert und, aber das war ein riesiger Hit in Japan und in Europa auch.
Johannes Franke: Man muss sagen, dass diese, ich erinnere mich daran, wie die das hier synchronisiert haben, das klang sehr hart nach Rassismus, muss man sagen. Das war schon, ja, die haben doch teilweise den Akzent irgendwie nachgemacht. Ja, das war echt nicht schlimm.
Florian Bayer: Und es war auch so ziemlich herablassend gegenüber den KandidatInnen, die da aufgetreten sind. In der Show geht es ja wirklich darum, dass Hunderte von Leuten versuchen, eben zu diesem Schloss von Katakechi zu kommen. Das schaffen sie in diesen Minispielen. Und die Minispiele enden meistens damit, dass Leute ins Wasser fallen oder... hart auf den Boden klatschen oder Schleim abkriegen oder wie auch immer ausscheiden. Und das wurde dann natürlich genüsslich ausgebreitet. Und wenn du so viele Leute hast, die da mitmachen, dann hast du halt sehr viele Leute, die stolpern, die fallen. Und es war vor allem dafür bekannt, dass man sich halt einfach drüber lustig machen konnte, wie Leute auf die albernste und teilweise tollpatschigste Art scheitern. In der Zeit war er auch Videospielentwickler. Er hat für das NES ein Spiel programmiert, beziehungsweise an einem Spiel mitgearbeitet. Er selbst hat nicht programmiert, aber hat zumindest das Konzept entwickelt. Takeshis Challenge. das als eines der schwersten Videospiele überhaupt gilt.
Johannes Franke: Oh mein Gott.
Florian Bayer: Und das quasi unspielbar ist, weil du spielst quasi so einen Alltag und musst dann in eine Karaoke-Bar gehen und so einen Scheiß machen.
Johannes Franke: Aber der Markt ist doch sowieso in den 80ern, 90ern voll von völlig unspielbaren Videospielen.
Florian Bayer: Nein. Damals waren Spiele noch richtig schwer.
Johannes Franke: Ja, genau, richtig schwer. wirklich nicht durchkommt. Wie hat der sich denn jetzt noch einen draufgesetzt?
Florian Bayer: Der hat es einfach geschafft, ein Spiel zu machen, bei dem man ganz oft nur scheitern kann, weil man muss ganz genau die richtigen Knöpfe drücken, man muss das Lied richtig rein singen. Das war das Japanische NES, das hatte so ein Mikro noch am Controller. Und da musste man dann Karaoke singen und die Töne treffen. Und dann gab es aber so typisch schrägen Takeshi-Humor. Man hat irgendwie einen Alltag gespielt, aber dann gab es die Frau, die sich von einem trennen will und dann hat man die Wahl, ob man sich mit ihr versöhnen will. oder ob man sie totschlagen will. Das war wohl ziemlich daneben. Ich hab das einmal kurz angespielt und festgestellt, dass ich sehr früh an der Sprachbarriere scheitere. Und hab's dann auch gar nicht weiter versucht, weil's nicht aussah, als ob's besonders viel Spaß machen würde. Er ist dann durch Zufall eigentlich auch so ein bisschen in dieses Regie-Ding reingerutscht, ne?
Johannes Franke: Ja, total zufällig, weil der Regisseur eigentlich, der eigentlich ran sollte, der hatte dann keine Zeit mehr, oder was?
Florian Bayer: 1989, Weiland Kopp. Er sollte die Hauptrolle spielen von Kinshi Fukasaku. Der war der Regisseur von dessen Film Violent Cop. Aber Takechi Kitano hat halt alles gemacht und hatte entsprechend keine Zeit. Und der ganze Drehplan war so krass nach ihm orientiert. Und dann hat er hier diese Radioshow und dann hat er hier diese Aufzeichnung von dieser Gameshow und von diesem Pullitalk und was auch immer. Und okay, wir müssen irgendwie das da reinpressen. Bis zu dem Punkt, wo dann irgendwann Fukasaku gesagt hat, ey Leute, ich hab keinen Bock mehr. sucht euch jemand anderen, um den Scheiß zu machen. Ich kann damit nicht arbeiten. Und dann haben die Produzenten gesagt, Takeshi, wer ist das denn?
Johannes Franke: Krass, der Typ ist jeden Tag im Fernsehen gelaufen. Und ich glaube, er läuft immer noch jeden Tag im Fernsehen.
Florian Bayer: Du kannst in Japan quasi nicht Medien gucken, ohne über Kitano zu stolpern. In den 80ern und 90ern noch viel krasser als heute. Aber bis heute hat er einfach seinen Ruf weg, dass er alles Mögliche in Japan macht.
Johannes Franke: Absoluter Wahnsinn.
Florian Bayer: Und das Krasse ist, das war aber komplett anders, als das, was er davor halt gemacht hat. Davor war er halt wirklich eher so als Comedian unterwegs. Und das war ein ernster Film und er ist dann diese ernsten Filme reingerutscht, er hat nach Violent Corpse Saunatein gemacht, der 1993 auch relativ wohlwollend in Amerika und Europa. wahrgenommen wurde und ich glaube, es war dann so der Moment, wo er so ein bisschen im Westen als Your Favorite Director bekannt wurde, weil Tarantino hat den abgefeiert. Wenn Tarantino gefragt wurde, was sind die besten Filme, die du in den letzten Jahren gesehen hast, hat er halt einen Kitano-Film genannt. Und so wie das damals in den 90ern war, Pulp Fiction und so, wenn Tarantino gesagt hat, den Film müsst ihr gucken,
Johannes Franke: dann haben alle angefangen,
Florian Bayer: diesen Regisseur zu gucken.
Johannes Franke: Sag mal, Chlor, möchtest du eigentlich Tee? Dann machen wir es ein bisschen gemütlicher hier.
Florian Bayer: Oh ja, das ist super. Keine japanische Teezeremonie, sondern einfach stinknormaler, ostfriesischer schwarzer Tee. Mit Klunten.
Johannes Franke: Bünding. Oh, dürfen wir das sagen? Bünding?
Florian Bayer: Und ich bin auf den Regisseur Kitano auch aufmerksam geworden durch dieses Tarantino-Ding. Und zwar wirklich so parallel auch mit dem Takeshis Castle Kitano. Und ich habe die beiden nicht zusammengebracht. Ich habe das quasi parallel rezipiert, aber das waren für mich einfach zwei unterschiedliche Personen. Ich finde auch,
Johannes Franke: dass das in der Rezeption einfach schwer zusammenzubringen ist.
Florian Bayer: Ja, total. Und ich hab dann Hanabi, hab ich als erster Film von ihm gesehen und das war ja auch so sein internationaler Durchbruch komplett aus dem Jahr 1997. Davor hatte er noch einen schweren Unfall, bei dem er fast gestorben ist.
Johannes Franke: Motorrad, ne?
Florian Bayer: Motorrad und es gab auch Spekulationen, dass es ein Selbstmordversuch gewesen sein könnte. Oh,
Johannes Franke: okay.
Florian Bayer: Aber das ist halt auch so Gossip, also keine Ahnung. Er war in den 90ern, war er plötzlich in Europa angekommen als Regisseur, vor allem dank Hannah B., aber auch Violent Cop und Sonatine wurden dann neu rezipiert vom europäischen Publikum, einfach weil er abgefeiert wurde von den amerikanischen Kultregisseuren. Ja, und Hanabi ist tatsächlich mein Kitano-Lieblingsfilm. Das war ein richtig, richtig guter Film. Vielleicht gebe ich dir nochmal irgendwann, dass du einen Kontrast dazu hast. Wobei ich mir gut vorstellen könnte, dass wenn du mit Kikuchiro an bestimmten Stellen unzufrieden bist, dass Hanabi dann auch nichts für dich ist. Weil so ein paar Sachen, wie zum Beispiel eine sehr spezifische Art der Erzählung und eine sehr spezifische Art von teilweise unpassendem, komisch wirkendem Humor, hat er auch in seinen brutalen Filmen. Ja,
Johannes Franke: ich glaube aber, dass das gar nicht die Punkte sind, die mich so... rauswerfen.
Florian Bayer: Dann bin ich noch gespannter. Naja, auf jeden Fall, weil dann in den 90ern war ein großer Star und hat auch Filme gedreht, die in Europa und Amerika wohlwollend aufgenommen wurden. Kiko Chiru Sommerfeld auch in die Zeit. Er hat auch sowas gedreht wie Prada, Dolls und dann allerdings ist er wieder so ein bisschen verschwunden aus dem Blick. der europäischen und westlichen Öffentlichkeit, auch aus meinem Blick, hat in Japan aber munter weitergemacht. Und er hat dann neben einem Samurai-Film, der sich mit Satoichi beschäftigt, was wohl offensichtlich so eine ganz große japanische Kultfigur ist, hat er angefangen, selbstreferenzielle Filme zu drehen. Vor allem Takeshis und Glory to the Filmmaker, wo er sein eigenes Dasein als Regisseur thematisiert. Und ich habe Takeshis so ein bisschen geguckt und finde, das geht schon so in die Richtung. ...unsehbar.
Johannes Franke: Oh, okay.
Florian Bayer: Also er spielt da sehr wild mit Metaebenen und ganz vielen Selbstreferenzen, die man nicht versteht. Und dann findet man es halt auch einfach nicht lustig. Wenn man die Referenzen nicht versteht, die er auf seine Karriere macht, dann gibt es so einen Punkt, wo man sagt, okay, ich bin jetzt einfach draußen. Aber er war auch, er hat eine... politische Show gehostet und hat dann wirklich ernsthaft mit japanischen Gästen, auch mit westlichen Gästen über soziale Probleme geredet. In der Zeit ist er auch ziemlich unangenehm aufgefallen mit so einigen provokanten Statements zum Thema Homosexualität, die alles andere als geil sind. Deswegen müssen die gar nicht so wiederholt werden. Und ich weiß nicht, also Takeshi Kitano war in der Zeit auch jemand, der gerne provoziert hat. War er auch vorher schon. Der gerne auf diesen dämten Humor gesetzt hat und er hat dabei teilweise öfter Grenzen überschritten, die man auch gerade in den 2000ern nicht mehr überschreiten musste. Wo die Gesellschaft eigentlich schon weiter und progressiver war. Und dann nebenbei hat er dann auch ein bisschen gemalt, hat Musik gemacht und alles das halt gemacht, was man macht, wenn man irgendwie kreativ ist und offensichtlich zu viel Zeit hat und ist bis zum heutigen Tag unterwegs. Wir haben ihn in Ghost in the Shell gesehen als Nebendarsteller unter anderem. Er spielt immer mal wieder auch in westlichen Filmen mit.
Johannes Franke: Ich habe das Gefühl, dass es vielleicht stimmen könnte, was ich die ganze Zeit lese, dass nach seinem Motorradunfall das Ganze ein kleines bisschen nachdenklicher geworden ist. Wenn man sich die Filmografie und die Malerei und so weiter, was er danach, als er erst angefangen hat zu malen, als er nach dem Unfall und so. Vielleicht ist auch dieser Film so ein bisschen Reflexion davon.
Florian Bayer: Ja, womit wir zu diesem Film kommen. Ja,
Johannes Franke: ja, endlich. Wir haben lange, machen wir jetzt schon 20 Minuten. Nein, noch nicht ganz, aber...
Florian Bayer: Kiko Chiro oder Kiko Chiros Sommer, wie er im japanischen und auch im deutschen heißt.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: In dessen Mittelpunkt ja gar nicht Kiko Chiro steht eigentlich, sondern Masao.
Johannes Franke: Ja, aber das kriegen wir ja nicht mit so richtig. Aber lass uns mal ganz in Ruhe erstmal zusammenfassen, was eigentlich passiert. Es gibt einen kleinen Jungen, der uns sehr einsam erzählt wird, der auf einem großen Feld steht und wir stellen fest, die Sommerferien fangen an, alle anderen sind weggefahren und er ist allein. Und dann stellen wir fest, er hat nicht mal Familie, mit der er losziehen könnte, sondern er wohnt bei seiner Großmutter und sein Vater scheint tot zu sein und seine Mutter lebt völlig woanders und verdient offenbar Geld dafür, dass er da bei seiner Großmutter leben kann.
Florian Bayer: Massau beschließt nach... dem er Bilder von seiner Mutter gesehen hat in der Wohnung von seiner Großmutter, dass er sie unbedingt sehen will und bricht dann auf und stößt dann mit zwei Freunden von seiner Mutter zusammen, namenlose Freunde, eine Frau und ein Mann, der offensichtlich irgendein Kleinkrimineller ist, wir wissen es nicht genau, er ist der Mister, er wird von ihm immer Mister genannt, dieser Mister wird von Takeshi Kitano gespielt. Die Frau nötigt quasi diesen Mister, der, wie wir später erfahren, Kiko Chiro ist der Titelgebende, Kiko Chiro, doch Masao mitzunehmen und Masao zu begleiten zu seiner Mutter, weil er eigentlich viel zu jung ist, um diese Reise allein zu begehen. Und gibt ihnen Geld mit. Und gibt ihnen Geld mit. Dass Kiko Chiro dann erstmal beim Pferderennen komplett draufkloppt, auf eine wirklich absurde Weise, indem er sich versucht, aus dem Jungen die Zahlen rauszupressen, weil er offensichtlich abergläubig hofft, dass dieser Junge einen siebten Sinn hat für Pferderennen.
Johannes Franke: Die ersten Schätzungen des Jungen haben ja gestimmt. Ja, also probiert man es siebenmal nochmal, bis man pleite ist.
Florian Bayer: Auf jeden Fall kommt es dann allerdings zu einem Umdenken bei Kiko Chiro, unter anderem auch, weil, vor allem weil... Masao fast von einem fremdenbösen, gefährlichen Mann, wie es heißt, missbraucht wird. Und er beschließt dann tatsächlich Kikuchirou Masao zu helfen, seine Mutter zu sehen. Und die beiden brechen auf zu einer Art Roadtrip ohne Geld, ohne Auto, ohne irgendwas, um zu der Mutter zu kommen und begegnen dabei verschiedensten Personen. Und wir begleiten sie auf dieser Reise durch den Sommer.
Johannes Franke: Das ist eine gute Zusammenfassung. Am Ende... Wir haben noch nicht erzählt, dass er bei seiner Mutter ankommt, oder? Er kommt bei seiner Mutter an, aber diese Mutter hat offensichtlich ihr eigenes Leben, hat eine Tochter und einen Mann und wirkt so, als hätte sie keinerlei Interesse mehr an dem Jungen. Was aber nicht näher ausgeformt wird, sondern sie gehen da einfach wieder weg und der Junge weint. findet es scheiße, dass seine Mutter sich nicht mehr für ihn interessiert.
Florian Bayer: Und es findet so eine Art Bonding dann statt, zwischen diesem sehr ruppigen Herumtreiber, Kito Tiro.
Johannes Franke: Sehr, sehr ruppig.
Florian Bayer: Und dem jungen Massau. Und auf dem Weg wird er zu so einer Art Vaterfigur. Er nimmt diese Rolle erst überhaupt nicht an, um sie dann später sehr radikal anzunehmen. Leuten, die sie auf dem Weg kennengelernt haben, versucht er Masao einen schönen Sommer zu bereiten. Und es gibt dann einen sehr großen Block, in dem sie einfach nur merkwürdige Spiele spielen und zusammen am Strand rumhängen. Und erzählt wird zum einen, wie dieser Kikuchiro vielleicht ein wenig wächst auf dieser Reise und wie Masao aber vor allem auch ein Stück älter wird. Also eigentlich schon so eine sehr klassische Coming-of-Age-Geschichte, aber eben durch die Augen von Takeshi Kitano. Ja. Und das heißt, dass es ein Film ist, in dem Tragisches und Komisches munter durcheinander fliegen.
Johannes Franke: Ja, sehr munter durcheinander fliegen. Oh mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes. Ja? Ich befürchte, wir befinden uns in einer Self-Promo.
Johannes Franke: Oh nein!
Florian Bayer: Shit! Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Besprech können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind, also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch noch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an Johann.
Johannes Franke: Ich versuche die ganze Zeit so ein bisschen einen Punkt zu fassen, wo ich anfangen kann, dir Kritiken um die Ohren zu hauen. Ich weiß aber nicht, an welcher Stelle bist du denn? Wie siehst du diesen Film? Kommst du mit diesem Film klar oder hast du auch so... größere Blöcke, die dir Probleme überreiten.
Florian Bayer: Also ich komme mit diesem Film generell als Ganzes sehr gut klar. Es gibt natürlich Blöcke, die merkwürdig sind. Es gibt Blöcke, die mich sehr irritieren, wo ich so nicht genau weiß, was der Film mir erzählen will. Es gibt auch Blöcke, die mich einfach nur nerven, ohne mich zu irritieren. Das betrifft vor allem diese... Es gibt einen gewissen Punkt, wo man das Gefühl hat, dass er versucht, mit Sentimentalitäten zu kaschieren, dass sehr viel Albernes passiert, um einfach Emotionen zu evozieren. Und das... klappt allerdings erstaunlich gut dann an ganz vielen Punkten. Weil ich nehme diesen Film sehr oft durch die Lupe dieses Emotionalen wahr und kann in diesem Emotionalen sehr viel daraus gewinnen. Gerade weil es auch so oft gegen den Strich geht. Also wir haben eine dramatische Geschichte und eigentlich ist es ja so eine traditionelle Geschichte, die sich wunderbar für einen Feel-Good-Movie eignet. Ja. Ein erwachsener Mann, der irgendwie selbst Probleme hat, wendet mit einem kleinen Jungen an und beide lernen voneinander und werden ein Stück reifer. durch das Zusammensein. Und der Film arbeitet das aber halt sehr entgegen der Klischees, die man so kennt ab. Weil dieser Kikuchiro ist kein Sympathieträger. Und der ist auch am Ende kein Sympathieträger. Aber das gibt dem Film so eine gewisse Spannung und auch so eine gewisse Nuanciertheit, die man halt in westlichen Produktionen, die sehr glatt gebürgelt sind, oft vermisst. Ja.
Johannes Franke: Auf dem Papier möchte ich dir recht geben. Wenn ich den Film allerdings sehe, dann habe ich das Gefühl, was du so ein bisschen andeutest, dass er dieses gegen den Strich und dieses nicht die typischen Sachen nehmen, versucht zu kaschieren oder zu auszugleichen mit Übersentimentalitäten. Mit vor allem einer Musik, die mir auf den Geist geht irgendwann, die ich wirklich nicht mehr hören kann, weil die das gleiche Thema immer wieder in kleinen Variationen immer wieder und immer wieder und immer wieder und dieses Klavier und dass das was sonst... Bei Amelie oder sowas super funktioniert, ist in diesem Fall, finde ich, ich fühle mich richtig dolle manipuliert von der Musik.
Florian Bayer: Das Witzige ist ja, dass ich die wirklich großen emotionalen Stärken im Film nicht sehe in diesen Momenten, wo wir eine Zeitlupe haben und das Kind rennen sehen und diese Musik spielen sehen, sondern in diesen Totalen. sehr Kitano-typisch statische Aufnahmen sind. Wir sehen sehr viel in der Ferne passieren und wir haben diese Leerstellen einfach dadurch, dass wir nicht genau sehen, was passiert und wir spüren aber, dass da irgendwie was ist. Also diese Momente, wo Masao und Kiko Chiro einfach nur nebeneinander sitzen, nicht reden, sich gegenseitig anschweigen. Es ist einfach still und man hat das Gefühl, jeder von ihnen hat so sein eigenes Kopfkino. Aber in diesem Kopfkino passiert was und... Das sind für mich die starken emotionalen Momente, die auf jeden Fall, also ich gebe dir vollkommen recht, dass diese Sentimentalitäten der Filme übertreibt, ab einem gewissen Punkt. Vor allem dieses Summer, dieses Titellied, was immer wieder gespielt wird, das hat was Manipulatives und das stresst dann auch ein bisschen. Aber das stört mich gar nicht so, weil diese ruhigen Momente, in denen auch total gegen den Strich Emotionen passieren, die sind wirklich stark.
Johannes Franke: Das stimmt. Ich finde die Totalen tatsächlich auch sehr interessant und sehr schön, wenn er dann tatsächlich mal runterkommt, wenn er tatsächlich von diesem manipulativen, musikalisch sehr präsenten Ding mal runterkommt und einfach nur zeigt. Das finde ich ganz gut. Leider stört mich der Rest zu sehr. Das Problem ist auch, was ich finde, ist, das Kind hat nicht viel Persönlichkeit bekommen.
Florian Bayer: Das Kind ist ganz ruhig. Aber hier würde ich sagen...
Johannes Franke: Das Kind kann aber auch Persönlichkeit haben und still sein. Also es funktioniert trotzdem beides, ne? Es könnte beides gleichzeitig gehen.
Florian Bayer: Hier würde ich sagen, aber das ist vielleicht auch der Punkt, wo die... Der Blick des Kindes, die Wahrnehmung des Kindes eigentlich das Wesentlichere ist. Wir haben den Film ja strukturiert mit diesem Ferienbuch. Es werden immer wieder Kapitel eingeleitet mit diesen... mit diesen Bildern, die manchmal ein bisschen surreal sind, manchmal ganz einfach Bilder aus der Filmhandlung vorwegnehmen und wo dann halt so ein bisschen erzählt wird, das war mein Sommer und da wurde Mr. von Yakuza verprügelt und ist fast gestorben und hier wurde ich fast von einem Fremden vergewaltigt mein schöner Sommer und wir haben hier irgendwie so diese Perspektive des Kindes, aber ich glaube das Wesentliche ist dann auch die Spiegelung in diesem Kiko Chiro, der halt er hat ihn Ja, ein kompletter Herumtreiber und offensichtlich ein kompletter Versager ist, der ohne andere nicht überleben könnte. Der aber dann ein Stück Verantwortung übernimmt.
Johannes Franke: Ja, ja, das ist toll. Ich finde die Figur, seine Figur, Kikuchiro, tatsächlich interessant. Und auch die Entwicklung, die er durchmacht. Das Problem ist bloß, dass diese Spiegelung, die du gerade ansprichst, alles machen muss. Alles in diesem Film, was den Jungen betrifft, muss über den Erwachsenen laufen. Und das, nee, das interessiert mich irgendwann nicht mehr. Mich interessiert das der Junge irgendwann nicht mehr, weil das alles über, das Heavy Lifting muss alles diese männliche Hauptfigur machen, der das alles erzählen muss.
Florian Bayer: Wie ist es denn mit diesen dramatischen Momenten, die der Junge kriegt? Zum Beispiel, wenn er im Auto sitzt und weint, nachdem die Begegnung mit diesem gefährlichen Fremden war.
Johannes Franke: Ja, es ist nicht so viel, oder? Also ich meine, es ist eine, aber das Problem ist, die Begegnung mit dem gefährlichen Fremden, oh mein Gott, fuck, Alter. Das ist viel zu sehr auf Comedy gespielt und inszeniert.
Florian Bayer: Das ist eine der irritierenden Szenen. Ich find's voll schräg. Eine der irritierenden Szenen. Unglaublich. Ich hab noch nie so eine merkwürdige... Darstellung von versuchtem Missbrauch gesehen, weil es scheint mir auch komplett losgelöst zu sein von der Realität. So findet Missbrauch nichts statt.
Johannes Franke: Überhaupt
Florian Bayer: Und es ist dann auch noch diese Reaktion von Kiko Tiro, der dann ja diesen Fremden dann auch nochmal nötigt, um quasi ihn zu bestrafen. Es ist eine ganz merkwürdige Szene. Und um dem Film vielleicht so Benefit of the doubt zu geben, vielleicht will er eine Wahrnehmung von dem Kind erzählen. Ich glaube das nicht wirklich, aber um das kurz so weiter zu spielen, vielleicht will er eine Wahrnehmung von dem Kind erzählen, die so verzerrt ist. das ganze Geschehen so verzerrt. Aber ich glaube, es ist einfach nur eine Kitano-Bizarre, wie er sie öfter mal in seine Filme einbaut, die keinen Sinn ergibt.
Johannes Franke: Und das ist aber auch verharmlosend an der falschen Stelle, weißt du? Ja. Das ist wirklich nicht die richtige Stelle, um eine Comedy zu erzählen. Oder irgendeine... Der Typ sitzt ja, hockt ja vor ihm und zerrt da einfach nur an seiner Hose rum, aber nicht runter oder so, sondern wirklich nur hin und her, vor und zurück. und jammert da vor sich hin, dass er doch jetzt haben will, was er gerne haben will. Es ist total dämlich und es macht, A, macht es keinerlei Beziehung zur Realität auf und B, ist es wirklich verharmlosend auf eine Art und Weise, die ich einfach nicht geil finde.
Florian Bayer: Ich weiß nicht mal, also ich fand es noch nicht mal, es war noch nicht mal so als Comedy oder ich habe es noch nicht mal so als Comedy wahrgenommen, sondern einfach nur als grotesk, als merkwürdig und schräg und dadurch halt dann doch auch so irgendwie verstörend, aber... Ja. Nicht im positiven Sinne. Ich finde die Szene auch total merkwürdig. Ich finde die total strange. Ich komme an diese Szene überhaupt nicht ran und kriege die überhaupt nicht gegriffen. Und dann steht die halt einfach da. Du hast plötzlich diesen Moment, der dich komplett rausreißt, weil davor war ja alles noch so fun and games. Auch wenn es schon hart ist, wie Kiko Chiro mit Masao umspringt. Er ist ja schon ziemlich übergriffig und hat auch so etwas Gewalttätiges in der Art, wie er redet. Und er wird ja auch körperlich übergriffig. Aber trotzdem hat es so eine gewisse Leichtigkeit. Und dann hast du plötzlich diese wirklich merkwürdige Szene, die einfach nur erstmal verstört.
Johannes Franke: Du hast jetzt genau das gleiche angesprochen, was jetzt da noch mit dranhängt, was den Rest des Films betrifft. Weil das ist ja nicht nur diese versuchte Vergewaltigung, die da drin steckt, die irgendwie leichter erzählt wird, als sie sollte.
Florian Bayer: Ich glaube, ich würde nicht sagen leichter, sondern irgendwie, die einfach... merkwürdig erzählt wird.
Johannes Franke: Aber die Gewalt, die Kikichiro dem Kleinen gegenüber ausübt, die in der Sprache und in der Körperlichkeit, die wird auch eben mit einer Leichtigkeit erzählt, die ich sehr beunruhigend finde. Ja. Weil die nicht kommentiert wird sonst vom Film. Das stimmt,
Florian Bayer: ja.
Johannes Franke: Weil er am Ende der Held ist, ne? Und er hat sich nicht großartig verbessert. Er sagt nicht irgendwie, oh, sorry für das, was ich gemacht hab. Tut mir leid, ich reue und so. Du weißt schon. Macht er nicht, ne? Und das sehen wir aber auch nicht. Es wird ja nicht dem Zuschauer vermittelt, dass er das hat. Er muss es ja nicht mal sagen. Aber das wird nicht kommentiert. Und das ist einfach als leichtes Mittel, den Film durchziehend. Nicht geil.
Florian Bayer: Ich würde dir an einem ganz entscheidenden Punkt widersprechen. Also Kiko Chiro ist am Ende nicht der Held. Er wächst während des Films. Aber er wächst nur in seinem Rahmen. Und es stimmt, der Film kommentiert das nicht. Diese Übergriffigkeit und auch dieses... ...physical and mental abusive Ding von ihm. Das kommentiert der Film nicht. Aber ich finde, der Film kriegt dadurch, dass das da ist, kriegt er halt so eine Nuanciertheit, die ihn abhebt von Produktionen aus dem Ausland, die vergleichbar wären, weil er eben... Also wir kennen das ja, dass die Figuren... das Setting wird oft erzählt, dass es so einen ruppigen Typen gibt, der durch ein Kind ein bisschen besser wird. Aber das wird halt auch immer sehr glatt und sehr gefiltert erzählt. Aber dieser Kiko Chihiro wird hier halt wirklich als Mann mit Problemen und als nicht guter Mensch erzählt. Realismus ist das falsche Wort in dem Setting, weil der Film einfach zu sehr drüber ist und unrealistisch ist. Aber es gibt, es spiegelt die Realität besser wieder. Weil... jemand, der sich so verhält, das ist scheiße, dass er sich so verhält. Aber jemand, der sich so verhält, ist trotzdem nicht ein komplett schlechter Mensch. Und das ist so ein Facettenreichtum, der da reingebracht wird, den ich spannend finde, den ich auch wirklich... zu schätzen weiß, weil man das sieht einfach so selten.
Johannes Franke: Das stimmt, das möchte ich dir auf jeden Fall geben. Das finde ich total richtig, weil auch die Figur mich interessiert dadurch, weil die Facetten durchaus da sind. Auch wenn er den ganzen Film durchgrummelig ist und die ganze Film drüber irgendwelchen Leuten versucht auf die Fresse zu hauen und selber auch die Fresse kriegt und so. So einen großen Sprung macht er nicht in der Entwicklung.
Florian Bayer: Nee, macht er nicht, auf keinen Fall. Es ist ein kleiner Sprung.
Johannes Franke: Ja, ja, aber trotzdem hat man das Gefühl, dass er Facetten hat und dass er irgendwie sich entwickelt. Das finde ich gut. Das freut mich. Es gibt ja diese Mr.
Florian Bayer: Strange Szene tatsächlich gleich nach dem Missbrauch. Es gibt so ein paar Referenzen, da erkenne ich darauf, überfreue ich mich so. Wenn sie am Pool sitzen von dem Hotel und Kiko Chihiro zum ersten Mal seinen Rücken enthüllt und wir sehen ganz fett diese Yakuza-Tätowierungen. In Japan sind Tätowierungen ganz krass so ein gesellschaftliches Stigma. Wenn du tätowiert bist, dann warst du Mitglied von der Yakuza. Es ist mittlerweile nicht mehr ganz so krass, weil jetzt sind wir halt auch im 21. Jahrhundert, die Yakuza ist nicht mehr so präsent, wie sie damals war. Aber in den 90ern war es so. Und in den 2000ern, als gesagt wurde, wenn ihr in Japan unterwegs seid und tätowiert seid, guckt, dass man die Tätowierung nicht erkennt. Weil wenn du tätowiert bist, bist du ein Gangster oder ein Ex-Gangster. Und das wird natürlich in dieser Szene erzählt. Wir erfahren hier so ein Stück von ihm und merken, okay, der war nicht immer dieser kleine kriminelle Herumtreiber, sondern er hat offensichtlich eine harte kriminelle Vergangenheit. Und ich glaube, das wird dann auch noch mal so ein bisschen... Er ist ausgefächert in dieser Bulli-Szene, wenn er diese beiden Motorradfahrer anmacht und die ihm einfach diesen Engel geben. Er pöbelt sie nur an, obwohl die sind ja stärker als er. Aber ich glaube, dass David soll auch erzählt werden, dass er noch so ein Stück von dieser Yakuza-Autorität hat. Dass er die anpöbeln kann und die haben furchtbar Angst vor ihm, weil sie nicht einschätzen können, wie weit, wie mächtig ist dieser Typ noch. Und lassen sich deswegen einfach diesen Engel entreißen.
Johannes Franke: Okay, den Spin hatte ich nicht im Kopf. Das ergibt viel mehr Sinn dadurch. Weißt du, was ich meine? Das war einer der Punkte, wo ich dachte, okay, aber auch ein bisschen lustig. Und dafür gebe ich das dem Film, weil ich dann das Gefühl habe, dass der Film einfach mal so Biker, die eigentlich total harte Jungs sein müssten, als so süße, weiche Männer darstellt, die ich total sympathisch und total lieb finde, was ich sehr schön finde an dem Film.
Florian Bayer: Und ich finde, da kommt eben so eine düstere Note rein, die die ganze Zeit dann mitschwingt, nachdem er dieses... nachdem ich ihn einmal so tätowiert am Pool gesehen habe, betrachte ich diesen Kiko Chiro mit anderen Augen, weil irgendwie so ein bisschen mehr erzählt wird, wie ist er zu dem geworden, was er gerade ist, mit allem Unsympathischen, was er in sich trägt. Und umso mehr gibt es dann diese Momente, wo man sagt, wow, er wächst da gerade über sich hinaus. Das ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber diese Kleinigkeit funktioniert. Und das gibt dem Film eine gewisse Tiefe dann einfach in dem Moment.
Johannes Franke: Auf diese Reveal-Szene von dem Tattoo, Folgt so diese Dream-Sequenz von dem Kind. Eine der wenigen Sequenzen, die ich dem Kind zuschreibe, die mir eine Welt des Kindes zeigt, die ich tatsächlich spannend finde. Das ist ja seine Fantasiewelt, wenn ich das richtig interpretiere. Oder sein Traum, nachdem er dieses Tattoo gesehen hat und irgendwie das Ganze versucht einzusortieren. Das finde ich eine super Szene, eine ganz tolle Szene.
Florian Bayer: Er verarbeitet ja auch dieses Trauma der versuchten Vergewaltigung nochmal in dieser Szene. Wir haben ja nochmal diesen bösen Mann da.
Johannes Franke: Das habe ich darin nicht gesehen. Weil das ist nämlich das nächste von dieser Vergewaltigungsszene. ...versuchten, dass ich ihn einmal irgendwie in dem Auto weinen sehe, aber danach das total schnell vergessen ist, was ich so ein bisschen weird finde. Okay, ich verstehe auch, dass der Typ damit schlecht umgehen kann, dass er ihm jetzt nicht so ein therapeutisches Gespräch anbietet, das ist klar, aber dass sich die Verarbeitung dieser traumatischen Situation... gar nicht sonst irgendwie mitbekomme. Und in der Dream Sequence habe ich es nicht gesehen.
Florian Bayer: Ich hatte das Gefühl, also in dieser Traumszene kommt es tatsächlich direkt vor, dass dieser böse Mann plötzlich wieder da ist. Und dann habe ich diese Träume, die wir ja ein paar Mal haben, habe ich aber auch immer wieder gesehen als so ein Stück Verarbeitung, ein Stück Traumaverarbeitung auf verschiedenste Art und Weise. Und auch, glaube ich, so, dass mir tausend Sachen entgangen sind, weil es sind ja diese... Theater-Settings, in denen er sich dann bewegt. Und dann kommen auch irgendwelche japanischen mythologischen Figuren. Und ich bin so ein bisschen raus. Ich kann nur so nachschlagen und sehen, das soll ein Tengu sein, verstehe, das sind die und die Wesen. Aber zumindest öffnet es so diesen Horizont, dass hier in diesen Träumen nochmal ein Stück Traumabwältigung von dem Kind stattfindet.
Johannes Franke: Wenn du jetzt Tengu sagst, dann will ich aber auch wissen, was das ist.
Florian Bayer: Oh Gott. Du willst ja nur den Klugscheißer-Jingles spielen.
Johannes Franke: Tja,
Florian Bayer: ich... Ich will ja nicht. Vielen Dank.
Johannes Franke: Klugscheißen mit Plor
Florian Bayer: Tengu sind japanische Fabelwesen, die hundeähnliche Wesen sind und die irgendeine Verbindung haben zum Himmel. Und zwar zum Himmel nicht nur im Sinne vom göttlichen Pantheon, sondern der Himmel als astronomisches Phänomen. Die tanzen mit den Sternen und zwar wirklich mit den Sternschnuppen und mit den Kometen.
Johannes Franke: Oh,
Florian Bayer: wie süß. Und erzählt wird unter anderem, dass die Tango zum Beispiel für die Mond-und Sonnenfinsternis verantwortlich sind, weil die die Sonne und den Mond jagen und manchmal gelingt es ihnen, sie aufzufressen und dann verfinstert sich der Himmel. Oh,
Johannes Franke: schön. Mythologie ist auch immer wieder schön. Aber wir müssen zurück in den Film.
Florian Bayer: Ich glaube, man muss auch gar nicht so genau wissen, worum es in dieser Mythologie, in diesen mythologischen Figuren geht, um zu sehen, dass das Kind in den Träumen halt ganz viel verarbeitet. Das Kind bringt ja Fantasie und das, was im Alltag passiert, miteinander zusammen und wirft da auch einiges durcheinander. Und irgendwie lernen wir ihn dadurch dann doch auch ein bisschen kennen. Nicht durch das, was das Kind macht, sondern durch das, was das Kind sieht.
Johannes Franke: Aber wenn du schon sagst, was das Kind macht. Was macht denn das Kind eigentlich? Es geht am Anfang einmal los.
Florian Bayer: Das Kind ist sehr stoich. Oder manchmal auch katatonisch.
Johannes Franke: Ich will, was es macht, wissen.
Florian Bayer: Das Kind macht nichts.
Johannes Franke: Ja, tada! Das Problem ist natürlich, du kannst das erzählen. Du kannst sagen, okay, ich will ein Kind erzählen, das irgendwie... Weil ja viele Kinder sowieso sich so ein bisschen von Erwachsenen übermächtig beeinflusst fühlen und dann auch nicht so richtig selbst handeln können und so. Aber dann ist es halt vielleicht auch ein langweiliger Film. Weißt du, das ist das, oder du musst irgendwas dagegen setzen, was dem Ganzen hilft.
Florian Bayer: Was das Kind macht ist, und das wird sehr stark erzählt, das Kind macht, was ihm gesagt wird. Das Kind gibt Kikuchiro die Zahlen, weil er sie von ihm will. Das Kind tanzt für ihn auf der Straße, das Kind lässt sich schminken und versucht per Anhalter Leute zu kriegen. Das Kind hilft ihm bei seinen kriminellen Akten. Das Kind macht die ganze Zeit, was man ihm sagt. Und das mag dir vielleicht ein bisschen zu wenig sein. Aber es wird natürlich erzählt, wie ein Kind funktioniert, weil sie funktionieren, Kinder. Ja, ja,
Johannes Franke: ja, okay.
Florian Bayer: Wenn ich mit meinem Sohn aufbreche und eine Fahrt mache, dann macht er halt auch viel, was man ihm sagt. Und es ist halt ein acht-, neunjähriger Junge. Der hat nicht den Spielraum an Autonomie, die du von einem erwachsenen Protagonisten erwarten könntest.
Johannes Franke: Absolut. Kinder müssen sich auf das verlassen, was Erwachsene sagen. Kinder müssen einfach sagen, okay, du weißt es besser, ich gehe dir jetzt hinterher, weil ich habe keinerlei Erfahrung, ob das jetzt gut ist oder nicht.
Florian Bayer: Und dann nimmt das Kind natürlich in dem, was es macht, vor allem Welt wahr. Und das Kind erlebt Welt. Und das sind auch die Momente nochmal, wo es für mich auch wirklich schöne, auf jeden Fall auch voll sentimentale, aber wirklich schöne Momente gibt. Zum Beispiel, wenn er diesen Jongleuren begegnet. Und einfach mal mit denen ein bisschen Zeit verbringt, während Kiko Chiro selbst versucht zu jonglieren. Ich bin nicht gut genug, aber man sieht, dass Takeshi Kitano gut jonglieren kann, oder? Wenn er versucht zu spielen, dass er nicht jonglieren kann.
Johannes Franke: Das ist süß, weil...
Florian Bayer: So sieht es nicht aus, wenn ich nicht jonglieren kann. Ja,
Johannes Franke: genau. Das ist süß, weil ich nämlich in dem Moment auch darüber nachgedacht habe, wie würde ich denn so tun, als ob ich nicht jonglieren könnte. Und dann bin ich auf das gleiche Ergebnis gekommen wie er. Und das ist natürlich trotzdem Blödsinn.
Florian Bayer: So sieht es nicht aus, wenn jemand nicht jonglieren kann.
Johannes Franke: Das ist süß.
Florian Bayer: Und diese schönen Momente, die er hat, einfach indem er andere Menschen wahrnimmt und von diesen Menschen ja auch was mitnimmt, egal ob das jetzt das jonglierende Paar ist oder ob das der Musiker ist, der Hippie. Ob das die beiden Biker sind, die dann irgendwie zu so einer Art Freunde werden. Oder ob das natürlich ganz stark auch Mister ist oder Kiko Chiro. Das ist halt auch so. Der hat wahrscheinlich den ersten wirklich guten Sommer seines Lebens, so wie er erzählt wird. Und dann nehme ich auch diese Sentimentalitäten mit, weil ich denke, ach, es tut eigentlich ganz gut. Weil es ist wirklich, dieses Kind scheint wirklich ein trauriges Leben zu haben. Dieses Kind scheint es wirklich schwer zu haben und verhält sich auch entsprechend. Und hey, jetzt wird ihm ein bisschen an den Sommer geschenkt. Das ist schön.
Johannes Franke: Ja. Ich finde es tatsächlich auch sehr schön, so vom Gefühl her. Und ich finde es interessant, dass er wirklich nur Outcasts begegnet. Weil der Film erzählt ja im Grunde nur einsame oder ausgestoßene Persönlichkeiten. Was natürlich schön ist für den Film, was natürlich schön ist für das Gefühl von wir raufen uns zusammen und wir machen uns gegenseitig eine gute Zeit, auch wenn wir eigentlich in der Gesellschaft nicht stattfinden. als Kleinkrimineller irgendwie in die Yakuza reingeraten und dann irgendwie, er muss ja auch wieder rausgekommen sein, auf welche Art und Weise auch immer. Vielleicht hat er sich auch irgendwie versucht, da wieder rauszukämpfen und wir wissen es nun. Ja,
Florian Bayer: vielleicht wurde er auch rausgeworfen, weil er ein zu großes Maul hatte.
Johannes Franke: Vielleicht, ja, das große Maul, das könnte es wohl sein. Und dann aber auch der Musiker, der nur unterwegs ist und nirgendwo richtig ankommt und kein Zuhause hat und die beiden Biker, die auch irgendwie so randgesellschaftlich daherkommen und so. Und ich finde es wirklich schön, die zusammenzusehen. Das ist vielleicht die schönste Sequenz, auch wenn sie wahnsinnig lang ist, wie sie einfach nur versuchen, dem Jungen ein schönes Sommer zu machen.
Florian Bayer: Meine Lieblingssequenz, was das betrifft, ist das, wo nichts gezeigt wird. Und zwar, also wir haben ja immer diese Tagebuchdinger, die gezeigt werden zwischendurch. Und dann gibt es ja diesen Moment, wo er seine Mutter sieht mit der neuen Familie und feststellt, die interessiert sich einen Dreck für mich. Und dann total traurig ist. Und dann haben wir Kiko Chiro, der von den Balkan den Engel herauspresst. Und dann sind sie am Strand zusammen. Und dann haben wir einfach, und wir sehen nicht, was sie da machen, und dann haben wir aber diesen Tagebucheintrag, Mr. Played With Me. Und dann sehen wir, wie sie vom Strand weggehen. Und das ist so eine Szene, wo wir nicht sehen, was passiert ist, aber in diesem, er hat mit mir gespielt, da steckt so viel Glück. Und dann haben wir natürlich wieder die sentimentale Musik und sie gehen vom Strand weg. Aber ich finde diese Szene so schön. Und in dieser Szene sagt mir wirklich alles zusammen. Und ich denke, oh mein Gott, wie glücklich. Einfach nur dieses Notieren. Er hat mit mir gespielt. Das ist so schön. Ich krieg ne Gänsehaut, wenn ich nur davon rede. Es ist wirklich ein toller Moment. Und genauso sentimental wie die zehn anderen Momente, aber das entschädigt mich dann. Dann kann ich sagen, okay, ja, dann hat er es fünfmal versucht und dreimal war es zu viel, einmal hat es nicht ganz geklappt, aber dieses eine Mal sitzt es perfekt und er kriegt mich total.
Johannes Franke: Wie viel Prozent dieser Gänsehaut sind, weil du Vater bist?
Florian Bayer: Total spät. Also ich mochte diesen Film auch schon, als ich nicht Vater war.
Johannes Franke: Ja, aber deswegen frage ich auch, weil mich das auch ein bisschen kriegt, aber ich weiß nicht, wie viel Prozent sozusagen bei dir dann noch vom Vatersein dazukommt.
Florian Bayer: Ich glaube, das Vatersein spielt schon eine ziemlich große Rolle. Also oft, wenn ich das Kind sehe, gerade wenn es so in sich gekehrt ist, man kennt das von Kindern, die sind so... gerade mit was unglücklich, die wollen mehr Aufmerksamkeit, die wollen einfach mehr Erwachsene haben, mehr Nähe haben und so weiter. Und aus welchem Grund auch immer, kann man ihnen das nicht immer geben. Und Kinder sind sehr gut darin, oder manche Kinder sind ganz gut darin, sich darin zu fügen und das nicht direkt zu zeigen. Man sieht es ihnen aber an. Und ich finde es so, wie gesagt, der Junge macht wenig, aber es bricht mir teilweise das Herz, ihn zu sehen. Einfach in dieser Einsamkeit, die er hat, in dieser Isolation. Und... So dieses in sich reingefressene, ey, ich brauche Nähe, ich brauche irgendwie eine Bezugsperson, die mich mal lieb hat und nicht meine Großmutter, die mich halt auch nur rumkommandiert, um dann arbeiten zu gehen, weil es nicht anders geht. Und deswegen kann ich diesen kleinen Momenten so viel abgewinnen und deswegen gibt mir diese Szene, die viel zu lang ist, auf die wir jetzt schon ein paar Mal zu sprechen kamen, wo sie wirklich einfach nur absurde Sachen machen. Und die Biker müssen sich verkleiden und tanzen dann nackt und es gibt Trommeln und sie spielen Aliens und so weiter. Es ist pures Glück. Ich find's richtig geil. Und ich weiß, es ist total albern. Wir kommen gleich noch zum Humor des Films zu sprechen. Es ist total albern und absurd und auch irgendwie total dumm. Aber in diesen 20 Minuten, das sind wirklich 20 Minuten, wo wir den Shit sehen, sehe ich das Kind im puren Glück und es ist großartig.
Johannes Franke: Ich komm mit diesen 20 Minuten total gut klar. Während ich mit den vorherigen 40 Minuten, naja, da gibt's immer mal wieder Stellen, wo ich denke, ah. Die Idee ist nicht gut genug, um sie so lange zu halten oder so lange irgendwie drauf rumzureiten oder dreimal, viermal, fünfmal ein neues Auto aufzusuchen, zu hitchhiken. Irgendwie zählst du nichts Neues, sondern das Gleiche nochmal. Es ist so, ah, und wie die da rumspielen, da treffen genau die gleichen Kritikpunkte auch zu eigentlich. Es ist immer wieder das Gleiche und irgendwie, naja, wir drehen uns ein bisschen weiter rechts und drehen da nochmal was Neues. oder sowas, aber das verstehe ich. Da bin ich voll dabei und denke mir,
Florian Bayer: ja gut, okay. Weil du drüber lachen kannst?
Johannes Franke: Ja, vielleicht, weil ich drüber lachen kann und weil ich durch die Augen des Kindes mal sehen kann, was ich vorher nicht kann. Hier kann ich das Kind wirklich, da kann ich durchgehen, weil wir sehen, wie das Kind nicht nur auf den Boden starrt und die Schultern einzieht, sondern wie es nach oben guckt, ich in die Augen schauen kann und durch die Augen auf die anderen.
Florian Bayer: Aber das ist ja auch eine Fallhöhe, dass das Kind die ganze Zeit auf den Boden starrt.
Johannes Franke: Ja, ja,
Florian Bayer: das... bereitet uns ja quasi vor, dass wir diesen Moment leben.
Johannes Franke: Absolut. Ohne den Teil davor wäre der nicht ganz so opulent. Natürlich, klar. Aber da hätte man vielleicht noch ein paar andere Sachen finden können vorher, die man noch mit reinbringt, um den Film nicht nur darauf abzustellen.
Florian Bayer: Ich finde zum Beispiel die Gewalt, die angeteasert wird. Insbesondere diese Mr. Felt Down the Stairs. Das ist ziemlich hart, weil das sehr abrupt kommt. Das ist wie mit Kitano, dass du so ein Schmunzeln hast, weil sie sind halt auf diesem Rummel und er macht die ganze Zeit die Leute dumm an, um dem Kind ein bisschen Spaß zu... geben. Und dann kommt sehr abrupt kommt plötzlich dieser Moment, auch wieder wo du denkst, hey, es war doch gerade Fun and Games. Und dann kommt plötzlich diese radikale Gewalt und du denkst ja kurz im Moment, okay, der könnte jetzt auch tot sein, wenn der da liegt. Also da finde ich, kriegt der Film schon auch so eine düstere Tiefe.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Die finde ich auch gut, tatsächlich, muss ich sagen. Also ein bisschen als dieser Tagebucheintrag kam, Mr. Fell Down the Stairs. habe ich gedacht, okay, das ist jetzt der Clickbait-Moment. Bleiben Sie dran, es kommt noch was Spannendes.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Vor allem, weil ich lange vorher doch immer wieder das Moment hatte, dass ich aufs Handy geschaut habe. Oh nein,
Florian Bayer: wirklich?
Johannes Franke: Wie lange, ja, oder stimmt das jetzt, oder will ich das? Vielleicht gehe ich mal kurz auf Toilette oder sowas. Und dann kommt dieser Moment, in dem ich denke, ja, der Film versucht mir gerade zu verkaufen, dass ich nicht auf Toilette gehe.
Florian Bayer: Aber was hat dich aufs Handy blicken lassen? War es diese poetische Langsamkeit? Also das ist ein typisches Stil von Kishikitano und was man auch viel aus dem japanischen Kino kennt. Diese poetische Langsamkeit, sprich sehr stark. Hatte ich lange Szenen gehalten? Es passiert relativ wenig. Oder waren es diese sentimentalen Momente, die so repetitiv waren? Eben Kind rennt und Musik läuft. Ja, ja. Schnelles Pacing haben, ja.
Johannes Franke: Genau, ich glaube, das Zweite. Das Erste ist etwas, was ich in anderen Filmen, die wir besprochen haben, schon immer gut fand auch. Es gab auch Filme, wo ich gedacht habe, ja jetzt machen wir ein bisschen hinne. Aber bei diesem Film, es ist off, das Timing ist off und die Ideen sind nicht gut genug für das, was es dann an Tempo hat. oder eben nicht hat.
Florian Bayer: Kommen wir mal zum Tempo im Sinne von Humor. Der Film ist ja nicht nur ein Drama, sondern der Film ist ja auch eine Komödie. Musstest du lachen?
Johannes Franke: Ja, ganz viel. Und das finde ich wiederum toll. Und ich glaube, da kann mir Kitano auch in anderen Filmen viel sagen, weil ich es super finde, wie er um die Gewalt drum herum schneidet. Er fängt ja mit der Anbahnung der Gewalt an, dann gibt es plötzlich einen Schnitt und dann sehen wir nur noch das Ergebnis. Und ich finde, er hat da ein super Timing drin. Das finde ich ganz toll.
Florian Bayer: Ich habe nach Humor gefragt, nicht nach Gewalt.
Johannes Franke: Egal, das ist der Humor, der da drin steckt. Das ist doch nicht die Gewalt. Die Gewalt ist mir egal in dem Moment, aber der Humor, der dadurch entsteht, dass plötzlich der Umschnitt auf zwei Leute, die irgendwie im gleichen Gespräch sind, aber Wunden im Gesicht haben. Ich fand das sehr, sehr lustig.
Florian Bayer: Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Wo ich das erste Mal wirklich laut lachen musste, ist diese Schwimmversuchszene. Wenn er sagt, ich zeige dir, wie man schwimmen kann. Mit dem Reifen dann ins Wasser springt, wild um sich schlägt. Dann haben wir den Schnitt, der kopfüber unter Wasser hängt. Und dann Schnitt auf die Hotelangestellten, die einfach nur so in Richtung Kamera starren. Auch übrigens so ein Kitan-Trade-Markt, dieser Blick in Richtung Kamera. Und ich musste wirklich laut lachen, weil das so ein bizarres Bild ist, wenn er da mit dem Reifen unter Wasser hängt.
Johannes Franke: Das ist aber genau das gleiche Konzept.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Machst die Anbahnung, ich zeig dir, wie das geht. Du siehst nicht, wie er struggelt oder wie er untergeht, du siehst nur noch das Ergebnis. Und das finde ich, das Konzept an sich finde ich großartig. Und das zweite Konzept, was er hat, ist die Gewalt hinter einem großen Van zu verstecken oder sowas. Ja. Und dann kommt er nur vorgestolpert, ist gerade geschlagen worden offensichtlich, fällt dahin, rappelt sich auf und rennt wieder hinter den Van, nur um gleich wieder rauszustolpern. Ich finde es super. Sehr, sehr, sehr witzig.
Florian Bayer: Dieses Auslassen. Auch dieses Zeug in der Totalen zeigen. Wir haben ja diesen Moment, wenn sie diverse Versuche machen, um endlich per Anhalter irgendwie mitgenommen zu werden. Und dann ist ihr neues. Die Idee, also Kikio Chiros neu ist die Idee, ist es, einen Nagel auf die Straße zu legen, damit der Reifen platzt, damit sie dem Autofahrer helfen können, der deswegen halten muss und dann mitgenommen werden. Und dann sehen wir so in der Totalen, wie sie das Ding auf die Straße legen, es fährt erstmal ein Auto vorbei, bis sie es richtig platziert haben, dann fährt ein Auto drüber und landet voll im Graben und sie fangen einfach nur an zu rennen. Wie so zwei kleine Kinder.
Johannes Franke: Das ist sehr, sehr lustig. Also es verharmlost wieder einiges, aber das ist egal.
Florian Bayer: Das kannst du nicht, das musst du akzeptieren.
Johannes Franke: Weil das hat nichts mehr mit Realität zu tun. Der Film sagt in dem Moment, mir da wurscht. Und da gehe ich tatsächlich mit. Das finde ich wieder in Ordnung.
Florian Bayer: Und dann die, ach Gott, hier spielt der blind. Ja,
Johannes Franke: oh Gott.
Florian Bayer: Das ist so dumm. Das ist, glaube ich, der typische Kitano. Der kitanoische Slapstick in der krassesten Ausführung. Als er diesen Blinden spielt. Also er spielt blind, damit sie mitgenommen werden. Und dann macht er das aber so übertrieben, dass natürlich klar ist, so werden sie nicht mitgenommen. Und vor allem kriegt das auch nicht hin, das zu spielen.
Johannes Franke: Es ist ja für den Entertainment des Jungen eigentlich, muss man sagen. Ja. Und davon kann ich es wieder verzeihen. Also ich meine, er ist immer noch ein Arschloch, weil er sich über Blinde lustig macht.
Florian Bayer: Aber der Film macht sich ja nicht über Blinde lustig. in dem Moment, sondern über ihn.
Johannes Franke: Genau, der Typ ist halt das Arschloch. Deswegen kam ich damit klar und ich komme auch damit klar, weil er in dem Moment eigentlich versucht, das Entertainment hochzuhalten für den Jungen, bis sie irgendwann mitgenommen werden, dass er eine Chance hat, also keep the moral up, so ein bisschen.
Florian Bayer: Und dann haben wir natürlich noch dieses Gespräch an der Bushaltestelle und ich glaube, das ist der Partner von Takehi Kitano, von diesem Beat-Paar, also diesen Bauern. der nicht ein Bauer ist, an der Bushaltestelle trifft und ihn fragt, was er macht und dann mehrmals antwortet mit diesem Gesicht und versucht zu entlocken, was er arbeitet und er führt mit diesem Typen ein Gespräch und dieser Typ Schafft es nicht seinen Beruf zu sagen? Weil er zuerst sagt, er ist Bauer. Und dann sagt er, er arbeitet in einer Pianofabrik. Aber er arbeitet da als Security-Gar. Und dann von Kiko Tiro immer diese ziemlich fiesen Nachfragen. Mit dem Gesicht machst du das?
Johannes Franke: Es ist eine absurde Szene.
Florian Bayer: Und dann genau, sie warten auf den Bus, der dann aber nicht kommt. Und dann klaut er dem Typen noch das Essen, damit dem Kind was zu essen geben kann. Was auch ganz süß ist, dass er so zu Massau sagt, ja, wir Erwachsenen brauchen nicht immer was. Wir müssen auch mehr Rücksicht auf Kinder nehmen. Das tust du mal.
Johannes Franke: Das finde ich sehr süß. Das sind auch die Momente, wo man merkt, er kann sich immer mehr auf das Kind einlassen und ist nach und nach sogar richtig abhängig davon, mit diesem Kind tolle Sachen zu erleben. Was auf das Ende so ein bisschen hin zeigt, weil ich habe am Anfang vielleicht aus Blödheit verpasst, dass dieser Junge nicht der namensgebende... Hauptdarsteller ist, sondern dass es ja der Typ ist. Der Typ ist aber die ganze Zeit nur Mister. Das heißt,
Florian Bayer: wir wissen es nicht.
Johannes Franke: Und dass der kleine Junge anders heißt, ist mir völlig entgangen. Und ich weiß auch nicht, ob das so ein bisschen halbabsichtlich ist. Ich weiß nicht, hast du das mitbekommen? Kriegst du das gesagt am Anfang des Films? Dass der Junge...
Florian Bayer: Dass der Junge Massau ist, wird gesagt. Der wird mit Namen angesprochen.
Johannes Franke: Okay, weil ich hab dann die ganze Zeit gedacht, naja, der Film heißt halt nach dem Jungen, der einen Sommer erlebt. Und nach und nach versteht man ja, dass der Film vor allem mir erzählen will, was auch der Erwachsene davon hat. Und da haut dann am Ende der Satz, dieses Kind, das fragt, wie heißt du denn? Und er dann seinen Namen sagt. Und ich sage, oh Moment, das ist doch der! Titel des Films. Und ich dann denke, wow, okay, scheiße, es geht eigentlich darum, dass dieser arme Mann, der seine Kindheit wahrscheinlich auch verloren hat an Dinge, die nicht geil waren, und der sein Leben mit den Yakuza verbracht hat und irgendwie jetzt als Kleinkrimineller versucht, ein besseres Leben vielleicht nach und nach zu entwickeln, dass das der Sommer seines Lebens ist. was man eigentlich einem Kind zu gestehen möchte. Und das macht natürlich dann sofort ein emotionales Ding auf, was die ganze Zeit der Film sonst nicht schafft mit seiner Musik, die die ganze Zeit nervt.
Florian Bayer: Wir haben ja so diese zwei ganz wesentlichen Momente. Einmal, wenn Kiko Chiru sagt, oh mein Gott, der ist wie ich. Das kommt so als Muttersehen. dann dieser zweite Moment, wo Kiko Chihiro dann seine Mutter im Altersheim besucht, wo wir merken, er schließt irgendwie Wunden aus seiner Vergangenheit oder versuchst zumindest. Und ja, wie du sagst, es gibt diesen Moment, wo wir sagen, okay, hier ist offensichtlich jemand, der seine Kindheit versäumt hat und dann ist es das auch wert, dass dann 20 Minuten dem Kind und ihm diese Kindheit zurückgegeben wird. Und diese Szene ist ja total absurd, albern, witzig, aber halt auch emotional bewegend. Die verbindet das irgendwie, die macht für mich so einen schönen Abschluss für den Film, weil sie das verbindet, was ja. in diesem Film irgendwie zusammengehört. Dieses alberne, dieses bizarre und dieses aber auch traurige, emotionale. Und wenn dann dieses Goodbye kommt und sie noch einmal winken und Tschüss sagen, jetzt müssen wir uns von unseren Freunden verabschieden, hab ich Tränen in den Augen. Davor denke ich öfter mal, wenn die Musik spielt, ja, das ist jetzt ein bisschen viel. Ja, ich hab's verstanden, okay. Ich hatte die ganze Woche einen Ohrwurm davon, weil die so oft gespielt hat. Aber in dem Moment und da spielt die Musik wieder. Joe Isaichi, ich weiß du. Ich hatte sie genervt, aber ich finde es total schön, dieses Titelstück. Das habe ich auch dank der Musik und dank diesem Gesamtkonzept trennen in den Augen und kann über ganz viel hinwegsehen, was vorher auch so ein bisschen schiefgelaufen ist, was ein bisschen off war, weil das bereitet für mich auch irgendwie so vor auf dieses... Auf dieses Glück.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Das ist es dann halt vor allem, Glück.
Johannes Franke: Ich weiß nicht, ob der Film vielleicht gewonnen hätte, wenn die Musik so 70% weniger genervt hätte.
Florian Bayer: Sagen wir mal 50% weniger. Ich kann's verstehen. Das Lied wird so oft gespielt. Es ist ein ganz großes, es ist das bekannteste Stück von Joe Hichai, der viel zusammengearbeitet hat mit... Mit Kitano. Der aber auch zum Beispiel für Miyazaki gearbeitet hat, für Studio Ghibli. Und der ein sehr gutes Feeling hat für so sehr, sehr emotionale, sehr sentimentale Klavierstücke. Und mich catcht es total. Und ja... Am Anfang gibt es so den Moment, wo ich sage, es ist zu viel, es ist zu viel, es ist zu viel. Und dann gebe ich irgendwann auf und sage, oh. Nimm mich, nimm mich Kiko Chiro und ich bin voll drin.
Johannes Franke: Nee, ich krieg's nicht, ich krieg's, nee, nee, nee.
Florian Bayer: Kitano hat den Kiko Chiro an seinem Vater orientiert, ne?
Johannes Franke: Ja, was natürlich dem Ganzen nochmal eine ganz andere Tiefe gibt. Der Vater war wohl auch irgendwie Gambler und hatte auch Schwierigkeiten, die Familie ordentlich durchzubringen. Ja, und es scheint so ein bisschen so, als ob... Kitano an der Stelle versucht, eine Version zu finden, wie er und sein Vater sich hätten annähern können.
Florian Bayer: Ja, ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Aber ich finde, er trifft, er kommt so in so einen universellen Rahmen, einfach weil es auch so oft drüber ist, weil es so bizarr ist. Es wird einfach erzählt, die Geschichte von dem erwachsenen Taugenichts, der uns am Anfang mit diesem Taugenichts zum Extrem nervt und wir lernen nach und nach zu verstehen, wie er so werden konnte, wie er ist. und merken, dass er sich trotzdem in diesem Ding entwickeln kann und gleichzeitig dem Kind dem vielleicht geholfen wird, dass es nicht so wird wie er.
Johannes Franke: Ich möchte eine dramaturgische Schwäche noch einmal einbringen, wenigstens die Freundin von ihm. Die streiten sich am Anfang gleich und so und man hat gleich so eine Animosität zwischen den beiden und sie schickt ihn aber wirklich los mit dem Jungen. Sie weiß doch eigentlich, was für ein Taugenichts das ist und dass der sofort alles Geld auf den Kopf kloppen wird.
Florian Bayer: Sie will ihn loswerden.
Johannes Franke: Auf Kosten des Kindes?
Florian Bayer: Das Kind ist ihr, glaube ich, ziemlich egal. Sie ist eine Bitch.
Johannes Franke: Jetzt hast du Bitch gesagt.
Florian Bayer: Sie macht ihn von Anfang an runter. Und sie, also wir haben sie dann ja, als sie diese Jugendlichen anmault und dann sagt sie, passt auf, dass ihr nicht so werdet wie er. Und ich glaube, ihre Beziehung ist so sehr toxisch. Nämlich, dass sie sich die ganze Zeit um ihn kümmert. Aber voll genervt davon ist.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und ihn irgendwie durchbringt, weil, keine Ahnung, aus Tradition wahrscheinlich, weil sie schon so lange zusammen sind oder so. Ja. Aber sie ist froh, ihn loszuwerden für den Sommer. Ja. Sie ist froh, dass er mit dem Jungen loszieht und ihr ist scheißegal, was mit dem Jungen wird.
Johannes Franke: Gott, oh Gott, oh Gott. Also das finde ich schon wirklich hart.
Florian Bayer: Ja, ist es. Wie fandst du, weil das ist zumindest was wir von, also wir haben hier sehr viele Trademarks von Kitano und ich weiß, es ist kein typischer Kitano-Film, aber du kannst jetzt auch nicht gut vergleichen. Wie fandst du denn diese Trademarks, zum Beispiel diese sehr ruhigen Einstellungen mit der Kamera?
Johannes Franke: An sich finde ich ruhige Einstellungen mit der Kamera sehr gut. Mich freut das. Allerdings muss dann auch die Idee des Bildes sehr gut sein, wenn du sie so lange hältst. Also das klingt im Film halt eben nicht immer. Das ist das Problem. Aber an sich mag ich das, wenn du etwas entwickeln lässt, wenn du eine klare Einstellung hast und sagst, okay, das setze ich jetzt einfach so. Die Kamera macht keine Spiränzchen, sondern die Schauspieler können einmal wirken. Aber ja.
Florian Bayer: Ich finde, und das hat Kitano in seinen Filmen oft, also vor allem in diesen Yakuza-Filmen, wie gesagt, das sind die Filme, die ich von ihm kenne, das sind diese Totalen, die immer so ein bisschen oft wirken, weil teilweise auch nichts passiert.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Die haben für mich, ich weiß es nicht, es ist eine... Sehr krasse Art von Pacing, die ich durch diese Holprigkeit spannend finde. Es ist einfach ungewohnt. Und es ist ein Pacing, das so ein bisschen schwierig ist teilweise, aber das auch eine Stärke hat, einfach durch seine ungewöhnliche Ruppigkeit. Genau das Pacing ist langsam, aber gleichzeitig ruppig. so wie Doom Metal ein bisschen.
Johannes Franke: Was? Wo kommt der Vergleich jetzt her?
Florian Bayer: Keine Ahnung, das ist mir gerade eingefallen. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber ich finde, das gibt dem Ganzen eine künstlerische Stärke. Und gerade in diesem, und Gitano hat immer diese albernen Sachen drin, wo du denkst, wow, wo kommt dieser Slapstick plötzlich her? Sind wir ja nicht im düsteren Gangster-Thriller. Ja. Aber durch diese... total kriegen seine Filme oft so eine gewisse Würde, finde ich. Selbst in den albernen Szenen.
Johannes Franke: Und es ist nicht einfach nur so, dass man sagt, endlich macht jemand mal was anderes.
Florian Bayer: Nee, nee, nee, es ist nicht nur das. Es ist was Starkes, was Würdevolles, vielleicht sogar was Monumentales. Gerade auch, weil die Filme, die er macht, grundsätzlich ein bisschen niedriges Budget haben. Aber dann schafft er es, so eine gewisse Größe in diesen Bildern zu erzeugen, die über das Geschehen hinausgeht.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Im Sinne von... hier gibt es irgendwas Universelleres drin. Es ist nicht nur die Geschichte von diesen zwei Personen, sondern es kann uns was Allgemeines über das Menschsein erzählen. Und dieser Effekt hängt, glaube ich, ganz stark damit zusammen, dass wir eben diese allumfassenden Bilder haben, in denen sehr viel Leerraum ist.
Johannes Franke: Ja, das stimmt. Ich finde auch, dass der Film tatsächlich etwas über the human condition sagen kann, aber... Ja, das hätte er vielleicht auch in der Hälfte der Zeit sagen können.
Florian Bayer: Vielleicht. Der Film ist tatsächlich ziemlich lang. Für mich hat er sich nicht gezogen. Und ich kenne Kitano-Filme, bei denen ich auch das Gefühl habe, dass es sich zieht. Hanabi zum Beispiel, wie gesagt, mein liebster Kitano, wo ich auch das Gefühl habe, wow, jetzt bist du aber sehr lange auf der Straße unterwegs und es passiert nichts. Ich finde, der Film ist sogar noch... Ich würde behaupten, den Film hat er... nach Hanabi gemacht. Ja. Das ist sein europäischster Film. Okay. Und ich glaube auch dieses, gerade dieses Sentimentale, dieses Slow-Motions, Kind läuft und so das Pacing. Ja, ja. So europäisch war das Pacing von Kitano noch nie, wie es in diesem Film ist. Okay. Und ich glaube, er hat es aber auch übertrieben. Er hat nicht verstanden, was Europäer am gewissen Punkt machen oder Amerikaner. Und er hat versucht, das so ein bisschen zu adaptieren. Und dadurch kommen, glaube ich, so diese... zu vielen Szenen zusammen, in denen wir Zeitlupe haben und die sentimentale Musik und wir sehen einfach nur Menschen rennen. Ich glaube, er wollte damit so ein bisschen Spielberg schaffen. Aber Spielberg ist nicht seine Stärke, sondern seine Stärke ist dieses rohe, dreckige Bild, wo wir eine Totale haben und nicht viel passiert, außer dass eben jemand hinterm Gebüsch verprügelt wird.
Johannes Franke: Ja. Ich finde es interessant, wie er tatsächlich den Film über jeden... Plot um Shift. Ja, also so richtig, man merkt an ganz vielen Stellen, okay, er könnte jetzt einfach dieser einen Linie da folgen, dieser Storylinie, die sich da langsam am Horizont zeigt. Nein. Dann biegt er aber in einen Gang in den Busch ab, wo nichts passiert.
Florian Bayer: Dieser Film ist nicht sehr plot-driven. Man kann die Hand durch die zwei Sätzen zusammenfassen und es gibt keine richtige Main-Quest, sondern ganz viele Side-Quests.
Johannes Franke: Das Ding ist, dass ich bei der Mutter gedacht habe, ja, aber dann geh doch wirklich zurück. Rück und klingel einmal und dann haben wir vielleicht noch einen kleinen Plot, der da auf uns wartet, was mit der Mutter ist und was die für eine Familie oder nicht hat oder ob das wirklich die Mutter ist oder ob die einfach sagt, ja voll geil, bring den Jungen her, endlich, kommt ihr mal, ich hab eure Adresse verloren, keine Ahnung.
Florian Bayer: Aber so ist es doch so viel stärker, weil das ist genau das, was Kiko Chiro macht. Kiko Chiro sagt, kümmere dich nicht drum, das ist bestimmt die falsche Adresse, lass uns das alles unter den Teppich kehren, versuchen wir weiterzumachen.
Johannes Franke: Aber es ist so eine Stelle, wo ich denke, oh hier kommt Plot, hier kommt Plot. dann wiegt er ganz woanders hin ab. Oh, fuck.
Florian Bayer: Wie fandst du denn das Schauspiel?
Johannes Franke: Also vom Jungen, leider muss ich sagen, kriege ich nicht viel. Das, was er macht, macht er gut. Also ich glaube, er könnte, ich kann es nicht beurteilen, er könnte ein guter Schauspieler sein, wenn er mehr bekommen würde. Bei ihm, muss ich sagen, fand ich fantastisch. Minimales Spiel, großartiges Timing. Und schön weggesprochen die Sätze, ohne dass man irgendwie... Wir haben das Original, du hast das Original. Natürlich. Mit den deutschen Untertiteln.
Florian Bayer: Die deutsche Synchro muss richtig schrecklich sein. Oh, fuck, okay. Also ich hab nochmal jetzt so quer Rezensionen gelesen, beziehungsweise... Movie-Pilot, wo man ja immer sehr viele unterschiedliche Stimmen so sehr kondensiert findet. Und da regen sich sehr viel über die deutsche Synchron auch. Also die muss wirklich schlimm sein. Ich glaube, an der Stelle kann man sagen, auch wenn ich die deutsche Synchron nicht kenne, guckt euch das Ding im Original an.
Johannes Franke: Also ich fand's wirklich sehr gut gespielt. Er hat ein sehr gutes Timing in dem, was er spielt.
Florian Bayer: Takahashi Kitano hat so eine sehr eigene Art zu spielen und die hat er in allen seinen Filmen. Also man könnte ihm auch vorwerfen, dass er eigentlich immer so ein bisschen dieselbe Rolle spielt.
Johannes Franke: Ja gut, okay, das gibt es aber auch in anderen Bereichen dieser Welt. Also gerade in Hollywood muss man sagen, gibt es immer wieder Leute, wo man sagt, ja okay, der spielt halt immer sich selbst vielleicht, Fragezeichen.
Florian Bayer: Was mir das Spiel des Jungen ein bisschen nochmal, für mich das Spiel des Jungen nochmal ein bisschen höher stellt, ist ein anderer Film. Und zwar von Makoto Shinozaki, der heißt Jam Session. japanischen Original viel zu lang vom Titel, deswegen könnte ich ihn nicht aussprechen. Es ist aber kein richtiges Making-of, aber es ist ein Behind-the-Scenes von Kiko Chiro, das zwei Stunden geht. Ich glaube, da wurde nichts weggeschnitten. Der hat einfach zwei Stunden Material, Rohrmaterial, was er hatte, ohne es zu kommentieren. Zwischendurch gibt es ein paar Interview-Fatzen von den DarstellerInnen und so. Hat er einfach zusammengeschnitten.
Johannes Franke: Das beschreibt übrigens unseren Originalfilm auch, ne? Da hat man ein bisschen das Gefühl, dass er einfach alles reingeworfen hat, was er hatte.
Florian Bayer: Da sieht man, dass er sehr viel geschnitten hat.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Da sieht man nämlich, wie dieser Junge wirklich ist hinter den Szenen. Okay. Und der Junge hatte echt viel Spaß beim Dreh.
Johannes Franke: Ja, das kann ich mir vorstellen. Und wir sehen,
Florian Bayer: wie dieser Junge wirklich auch, und Takeshi Kitano kann echt gut mit Kindern. Oh,
Johannes Franke: wie schön.
Florian Bayer: Also wir haben öfter so Momente, wo man merkt, wie er den Jungen anweist. Und aber auf so einer professionellen Ebene. Und ihm sagt, was er machen soll. Es gibt so eine total lustige Szene, wo sie einen bestimmten Blick von dem Jungen wollen. ...zwar an der Bushaltestelle, wenn sie versuchen, per Anhalter zu fahren. Ja. Und dann versuchen sie ihn dazu zu bringen, dass er ein bisschen nach unten guckt. Er soll auf seine Nasenspitze gucken.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und dann gehen sie nach und nach alle hin und zeigen ihm, was er machen soll und nochmal. Und er kriegt es nicht so 100 Prozent. Der Junge findet es voll lustig. Und sie haben auch alle Spaß dran. Also es gibt nicht den Moment, wo jemand genervt ist.
Johannes Franke: Oh, wie toll.
Florian Bayer: Aber auf jeden Fall sieht man, dass der Schauspieler sehr anders ist als die Rolle Massau, die er spielt.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: und deswegen kann ich das nochmal ein bisschen mehr würdigen, das Spiel von dem Jungen. Ich glaube, diese Doku muss man nicht komplett gucken. Aber es ist ganz interessant nochmal so, ich habe sie nicht komplett geguckt. Ich bin so ein bisschen durchgeskippt, habe mir so ein paar Szenen angeguckt. Das ist wirklich einfach eine Aneinanderreihung von Behind-the-Scenes. Aber es war ganz interessant zu sehen und da sieht man auch, was alles gedreht wurde, was improvisiert wurde, was geplant war. Und es ist auf jeden Fall ganz spannend auch so zu sehen, wie Kitano arbeitet. Das ist nämlich irgendwie so eine Mischung aus Perfektionismus und sehr viel Improvisiergeist. Und auch so Begeisterung für die Ideen von anderen. Das ist interessant, aber auch gleichzeitig dann teilweise auch sehr konkrete Vorstellungen. Guckt euch das mal an, das ist wirklich ganz witzig. Findet man, glaube ich, auf YouTube. Ich habe es irgendwo online gefunden. Das heißt Jam Session und dann Yamu Session, Kikochiru, Nonatsu, Koshiki, Kaiser Kupan.
Johannes Franke: Und ihr aus Plurs Aussprache wisst jetzt genau, wie es geschrieben wird.
Florian Bayer: Ist auf jeden Fall ganz interessant, wie gesagt. Genau, das hat mir für mich das nochmal so ein bisschen hochgehoben, was der Junge macht.
Johannes Franke: Okay. Kameratechnisch, wollen wir da noch was sagen? Weiß nicht. Also ich fand die Kamera okay und ein paar Szenen tatsächlich so, dass man sagt, ja, das ist ein sehr gutes Bild, aber jetzt nicht durchgängig brillant oder so.
Florian Bayer: Es gibt so zwei, drei ungewöhnliche Experimente, finde ich, von... Also was ich eigentlich von Kitano kenne, wenn er zweimal oder dreimal arbeitet, er mit so Spiegelungen, einmal von drehenden Felgen von einem Autoreifen, wo dann der Junge drin gespiegelt wird und dann gibt es noch so eine Spiegel-Szene. Ich mag diese Totalen von Takeshi Kitano macht und von denen sehen wir viele in dem Film und ich mag dieses Slow-Pacing in den Bildern und das weiß ich sehr zu schätzen und genau, er hat Katsumi Yanagishima mit dem er auch schon bei Boiling Point zusammengearbeitet hat. Ja, okay. Also jemand, der so ein bisschen zur Stammbesetzung von Kitano gehört, der ja gerne mit denselben Leuten viel zusammen macht.
Johannes Franke: Ja. Jetzt haben wir sehr ausführlich und sehr lange über diesen Film geredet. Ich glaube, wir wenden uns mal anderen Filmen zu noch, und zwar in unsere Top 3. Okay. Wir haben eine Top 3 Summer Break.
Florian Bayer: Ja, oder Summer Vacations.
Johannes Franke: Oder Summer Vacation oder was auch immer. Bist du zufrieden mit deiner Liste?
Florian Bayer: Ja, ich hab sehr viel gefunden. Also ich hab sehr viele Honorable Mentions und es fällt mir schwer, meine Top 3 100% sicher zu machen, aber ich glaube, ich stelle noch mal was um.
Johannes Franke: Oh, jetzt geht's schnell los.
Florian Bayer: Irgendwann geht's mich auch los. Das machen wir oft on the fly, dass wir unsere Listen noch mal, also deswegen in diesen Listen steckt immer ein bisschen Willkür und was. jetzt mein Platz 1 ist, könnte demnächst mein Platz 2, 3 oder sogar 5 sein. Aber soll ich mal so 2, 3 honorable mentions raushauen? Ja,
Johannes Franke: hau mal aus.
Florian Bayer: Also was ich, Adventureland.
Johannes Franke: Adventureland.
Florian Bayer: Eine wirklich nette Tragikomödie aus dem Jahr 2009 mit unserem allseits geliebten Jesse Eisenberg und Kristen Stewart. Und es geht darum, dass halt ein junger Typ im Freizeitpark arbeitet im Sommer und da so Erste Liebe, erste Drogenerfahrung und so weiter, so alles, was dazugehört, kommt so ein bisschen aus dieser, der Regisseur ist Craig Mottola, der kommt aus dieser Seth Rogen Ecke. So eine gute Mischung aus Humor und Dramatik, wenn es um Coming of Age geht. The Beach musste ich zumindest kurz einmal erwähnen. Und nicht ganz in meine Top 3 hat es geschafft, The Graduate, die reife Prüfung, den Johannes überhaupt nicht mag.
Johannes Franke: Gott, hört euch die Episode an. Ich habe so viel zu meckern. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht.
Florian Bayer: Willst du loslegen mit deinem Platz 3?
Johannes Franke: Ja, mein Platz 3 ist die Addams Family, die zweite...
Florian Bayer: Where are you?
Johannes Franke: Ja, genau. Wo sie in diesem Sommer Camp sind und das Niederbrennen irgendwann. Es ist so großartig. Es ist ganz toll. Aber wir haben auch ganz lange über Addams Family gesprochen. Da könnt ihr auch euch gerne zwei Stunden lang anhören, was wir darüber zu sagen haben. Ja,
Florian Bayer: schöner Film. Mein... Platz 3 ist Pauline am Strand von Eric Romy aus dem Jahr 1983. Französischer Film, der vom Lieben und Leiden in den Sommerferien erzählt und es ist wirklich, die spielt die ganze Zeit am Strand und im Ferienhaus und sonst nirgends und es fühlt sich so nach wunderbarem Sommer in der Normandie an, von der ganzen Atmosphäre und von dem ganzen Gefühl. Es ist ein sehr schöner Film.
Johannes Franke: Ich rate deinen Platz 1. Dirty Dancing. War jetzt bloß so, weil mir gerade eingefallen ist, oh, ich hab meine Wasserballone getragen. Ich hab in der Recherche, wie jede Liste, die irgendwie mit Sommer zu tun hatte, hatte Dirty Dancing. Ja,
Florian Bayer: krass, ne?
Johannes Franke: Das war so, what the,
Florian Bayer: oh nein. Aber Dirty Dancing ist ein guter Film.
Johannes Franke: Ja, ich weiß, ja, irgendwie.
Florian Bayer: Change my mind.
Johannes Franke: Dazu müsste ich ihn dir aufgeben. Bitte. Aber ich weiß, nein, nein, nein, nein, nein. Ich werde dir nicht Dirty Dancing aufgeben. Vielleicht irgendwann mal, wenn mir gar nichts mehr einfällt. Mein Platz zwei ist ein Tie. Und zwar zwischen zwei Wes Anderson Filmen.
Florian Bayer: Ah.
Johannes Franke: Das eine ist Moonrise Kingdom, der ganz toll ist. Und das andere ist Asteroid City.
Florian Bayer: Irgendwas, irgendein Hotel, irgendwo durch Indien fahren und danach am Strand sitzen. Die T-Shirts haben dieselben Muster wie die Tapeten.
Johannes Franke: Genau. Next. Floor ist nicht mehr so begeistert von Wes Anderson. Aber Asteroid City ist wirklich großartig.
Florian Bayer: Ich glaub, den hab ich nicht gesehen.
Johannes Franke: Du musst ihn gucken, Floor!
Florian Bayer: Ich hab ihn doch schon gesehen. Fünfmal! In fünf verschiedenen Variationen.
Johannes Franke: Hast du die Kurzfilme gesehen, die den Oscar gewonnen haben jetzt? Nee. Die sind großartig, wirklich. Ganz kleine andere. Und die werde ich dir auf jeden Fall aufgeben irgendwann.
Florian Bayer: Oh Gott, nicht noch mehr, was anders. Doch,
Johannes Franke: doch, doch, das wird, oh, dieser Podcast wird irgendwann zu einer, ich quäle Plur mit Wes Anderson.
Florian Bayer: Alles, was du mir an Wes Anderson gibst, kriegst du mit russischen Experimentalfilmen zurück, die nicht kürzer als drei Stunden sind. Vorsicht, du spielst mit dem Feuer.
Johannes Franke: Dann habe ich aber schon zwei voraus. Und das andere war Stalker. Okay, okay.
Florian Bayer: Ich habe auch tatsächlich auf 2 und 1 zweimal den gleichen Regisseur und ich wollte nicht einen Teil draus machen, sondern ich wollte einfach sagen, das ist einer der besten Regisseure unserer Zeit. Und zwar... Es handelt sich um Luca Guadagnino, ein italienischer Regisseur, der aber amerikanische Filme dreht mittlerweile. Und mein Platz zwei von ihm ist A Bigger Splash, ein Film, wo eine Rocksängerin Urlaub macht am Mittelmeer in Sizilien, um ihre Stimme zu schonen, weil die ist etwas mitgenommen. Und dann kommt aber ihr Ex-Lover kommt zu Besuch. Sie wird gespielt von Tilda Swinton, ihr Ex-Lover wird gespielt von Ralph Fiennes. Und. es geht runter und drüber und es gibt auch irgendwann eine Leiche und es ist ganz großartig, weil dieses dieses, zum einen wird gezeigt, so dieses Ferien und so ein bisschen dekadente Ferien und das Leben genießen und gleichzeitig wird immer wieder die Flüchtlingsthematik gebracht, weil der Film ist aus dem Jahr 2015 und es wird immer wieder gesagt und da landen Flüchtlinge und da sind Flüchtlinge. Der Film kriegt dann so einen Twist ins Politische und ist gleichzeitig ein wundervoller Erotik-Thriller.
Johannes Franke: Ja, was? Ein politischer Erotik-Thriller?
Florian Bayer: Ja, genau. Und der aber auch ganz viel das Leben einfach feiert. Es gibt unglaublich viele Szenen, wo du einfach nur denkst, ah, das Leben ist schön. Großartiger Film.
Johannes Franke: Zwei Sachen fallen mir bei den Top-Listen immer wieder auf. Das eine ist, du schaffst es jedes Mal, drei Filme zu haben, die ich noch nie gesehen habe, von denen ich noch nie gehört habe, wo ich nicht weiß, wow, woher nimmst du das alles? Und das Zweite ist... Was war das weiter?
Florian Bayer: Du wolltest einfach nur zwei Sachen sagen, weil wenn du was Wichtiges sagen willst, musst du es in eine Liste packen.
Johannes Franke: Stimmt. Und Platz 1 ist, dass es mir immer wieder auffällt, dass ich immer die gleichen Filme nehme.
Florian Bayer: Nein, das stimmt nicht. Damit tust du dir aber unrecht. Du nimmst halt immer Wes Anderson.
Johannes Franke: Ich nehme halt immer Wes Anderson. Ich esse so lange, bis du alles gesehen hast. Und danach können wir den Podcast einstampfen. Okay, Platz 1 bei mir. Und es würde dich freuen. Zazie Dansele Metro. Ah, schön, schön, schön, schön. Ich fand den so großartig. Das war einer der tollsten Filme, die du mir je gegeben hast.
Florian Bayer: Wow. Wirklich. Louis Buñuel, Nouvelle Vague, Slapstick-Komödie, surreal angehaucht.
Johannes Franke: Dass einmal in einem Satz kommen würde, Nouvelle Vague und einer der besten Filme,
Florian Bayer: die du mir je gegeben hast.
Johannes Franke: Das hätte ich nie gedacht.
Florian Bayer: Großartig, das ist sehr schön. Mein Platz 1, ich habe es ja schon angekündigt, auch von Luca Guadagnino, dessen Namen echt schwer auszusprechen ist. Oscar-prämiert, Call Me By Your Name, aus dem Jahr 2017. Ganz fantastischer Film, spielt auch in Italien im Sommer in den 80ern und erzählt die Liebesgeschichte von einem Jungen, einem 17-Jährigen mit einem Studenten, der für seinen Vater arbeitet. Mit dem bezaubernden Timothée Chalamet. Ah. Und ein unglaublich schöner Film einfach. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Den muss man unbedingt gesehen haben. Das ist auch ein Film, den ich dir irgendwann mal aufgeben werde. Einer der schönsten Liebesfilme der letzten zehn Jahre wahrscheinlich.
Johannes Franke: Okay, dann gehen wir jetzt wieder zurück in unseren Film. Das war unsere Top 3. Und lass uns mal gucken, ob dieser ganzen Humorschiene und dieser doch langen, langgezogenen Geschichte, die nicht sehr plot-driven ist, noch genug Substanz übrig bleibt. Wie viel Substanz hast du in diesem Film wirklich, Plur?
Florian Bayer: Takeshi Kitano hat in einem Interview mit Sight Sound gesagt, dass er einen Roadmovie machen wollte, der so ein bisschen was von Mütterdorf aus hat. Und wenn ich sehe, dass in diesem Film... Kiko Chiro sein Herz findet, seinen Mut findet und seinen Verstand findet, dann sage ich, dieser Film hat doch deutlich mehr Substanz, als man auf den ersten Blick wegen dieser ganzen Slapstick-Einlagen, wegen dieser ganzen Albernheiten und wegen diesem ganzen Kitsch sieht.
Johannes Franke: Nein, du kannst nicht einfach großartige Kunstwerke aus der Vergangenheit nutzen, um dir selbst mehr Substanz anzugedeihen zu lassen. Das funktioniert nicht. Also, nur weil du die Referenz darauf machst, hilft dir das nicht.
Florian Bayer: Es hat nicht die Substanz, weil es die Referenz auf Wizard of Oz hat. Es hat die Substanz, weil wir einfach sehen, dass jemand im Kleinen wächst.
Johannes Franke: Ja, okay.
Florian Bayer: Und auch jemand Großes wächst im Kleinen und jemand Kleines wächst im Großen. Und am Schluss wird gewohnt...
Johannes Franke: Du solltest den Kalender rausbringen früher.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Mit ganz vielen Katzenbildern. Und Wasserfällen.
Johannes Franke: Und blöden Sprüchen.
Florian Bayer: Ich finde, es ist ein Film, der mich ganz banal emotional catcht. Jedes Mal. Und... Ich glaube, er catcht mich eben auch, weil er nicht nur mit diesen kitschigen Repetitionen manipuliert, sondern er catcht mich auch, weil er halt wirklich das Herz am richtigen Fleck hat. Und genau wie sein Protagonist in all dieser Ruppigkeit, in all diesem komischen Off-Pacing und so weiter und in diesem ein bisschen übertriebenen Kitsch und so weiter, hat er das Herz am richtigen Fleck. Und das ist das Entscheidende. Und dann brauche ich keine Pick-and-Cut zu machen, weil dann kann ich mich einfach darauf einlassen und sagen, ey, ja. Danke.
Johannes Franke: Sagte er, nachdem wir anderthalb Stunden Nitpicking betrieben haben.
Florian Bayer: Das ist unser Job. Sonst wäre der Podcast sehr kurz, wenn wir immer nur sagen würden, guck den Film an, denk nicht so viel drüber nach. Und das sag ich ja gar nicht. Man kann ja auch drüber nachdenken und man findet in diesem Film, glaube ich, auch ziemlich viele Sachen, die interessant sind und man könnte, glaube ich, noch viel tiefer in dieses Rabbit Hole reinsteigen, um ganz viele Anspielungen und so weiter zu verstehen. Muss man aber gar nicht, weil er einfach auf dieser ganz basalen Ebene toll funktioniert.
Johannes Franke: Also, meiner Meinung nach kann man sich den Film Super gerne anschauen, wenn man einfach viel Zeit haben will, um darüber nachzudenken, was in diesem Film an Substanz drinsteckt. Da hast du wirklich viel Zeit über viele weite, langgehaltene Einstellungen, die nicht genug Substanz haben, um den Film zu tragen. Leider. Ich finde viele Sachen toll an diesem Film, aber ich glaube... Er gehört leider nicht zu der Kategorie Muss man sehen.
Florian Bayer: Meiner Meinung nach definitiv ein Muss man sehen Film.
Johannes Franke: Tja, plor.
Florian Bayer: Damit wären wir mal wieder am Let's agree to disagree Moment gekommen.
Johannes Franke: Das ist der Moment, wo wir rausgehen und uns prügeln.
Florian Bayer: Machen wir das mal. Aber bevor wir rausgehen und uns prügeln, verabschieden wir noch unser Publikum und sagen noch kurz, was wir nächste Woche machen.
Johannes Franke: Genau, nach dem Journal gibt es noch einen kleinen Hinweis auf nächste Woche und vielen Dank, dass ihr dabei wart wieder. Vielen Dank, plor dir, dass wir diesen Film besprochen haben.
Florian Bayer: Vielen Dank für diesen Filmvorschlag nach draußen an unser Publikum. Wenn ihr Wenn ihr Filme für uns habt, die wir sehen sollten, bitte schlagt sie uns vor, wir gucken die. Auch wenn wir die beide doof finden. Kann auch passieren. Ist bestimmt schon mal passiert.
Johannes Franke: Ist einmal passiert, glaube ich. So an.
Florian Bayer: Ja, stimmt. Aber selbst da habe ich ein paar Punkte gefunden, um den so ein bisschen zu verteidigen.
Johannes Franke: Ja, ich auch.
Florian Bayer: Und wir hatten aber auch diesen anderen Film in meinem Himmel, den du ganz okay fandst, wo ich sehr abgehatet habe.
Johannes Franke: Ja, der, oh Gott. Ja, aber der hatte schon echt schwierige Probleme.
Florian Bayer: Der war sentimental.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Na, auf jeden Fall schickt uns Filme. Wir freuen uns über jeden Vorschlag. Da müssen wir nicht das ganze Ding so alleine mit unseren Filmen bestücken. Wenn ihr wissen wollt, mit welchem Film Johannes mich nächste Woche drangsalieren wird, bleibt dran.
Johannes Franke: Ansonsten bleibt gesund. Bis nächste Woche. Ciao. Ciao. So, Plora, was gibt's jetzt?
Florian Bayer: Was gibt's? Womit willst du mich quälen nächste Woche? Was änderst du?
Johannes Franke: Nein, das hebe ich mir noch auf. Oh, aber das, verdammt, warum habe ich das? Na gut, okay, wir machen erst mal das hier, was ich jetzt vorhabe. Und zwar würde ich dir gerne Adaptation geben. Wir bleiben bei den 2000ern. Und Adaptation ist von Spike Jonze Regie. Aber das Interessantere ist, dass es Drehbuch von Charlie Kaufman ist, der irgendwie immer weirde Sachen geschrieben hat. Ja. Du kennst den Film, oder?
Florian Bayer: Ich kenn den Film und ich mag den Film auch. So viel Zeit schon mal vor mir gesagt. Tut mir ein bisschen leid, dass ich damit schon ein bisschen Wind aus dem Segel nehme, was Kampf betrifft. Aber schaut euch den Film an, wenn ihr ihn noch nicht gesehen habt. Das ist ein total spannender Metafilm. Und Metafilme sind immer interessant. Und dann schauen wir mal. Es ist lange her, dass ich ihn gesehen habe. Vielleicht ändert sich auch meine Meinung. Ja,
Johannes Franke: das ist nämlich bei mir genauso. Sehr, sehr lange her. Und ich fand es so wahnsinnig seltsam, diesen Film. Und hab gedacht, wow, okay, das... So kann ein Film auch sein. Das ist wirklich in einem Alter, wo ich, weiß ich nicht, Anfang 20 war oder so. Und das fand ich halt total crazy, seltsam. Ja,
Florian Bayer: es wird auf jeden Fall spannend. Wir haben ja auch schon mal über einen... über einen Film von Kaufmann geredet, nämlich über I'm Thinking of Ending Things. Und ich glaube, dieser Film ist auch natürlich auch so, genau wie I'm Thinking of Ending Things, so ein bisschen alter weißer Mann denkt über sein Leben nach. Vielleicht finden wir auch was, was wir kritisieren können. Vielleicht ist es auch sehr viel Boomer-Geyammer, was wir in diesem Film haben, was wir früher nicht so wahrgenommen haben. Mal schauen.
Johannes Franke: Ja, okay. Wir haben den Spin schon, wir wissen es schon.
Florian Bayer: Es wird spannend. Schaltet ein nächste Woche, schaut euch den Film an, wie immer. Und vielen Dank fürs Zuhören. Und bis zum nächsten Mal. Bis dann.
Johannes Franke: Bis zum nächsten Mal. Ciao.