Episode 182: Die zwölf Geschworenen – Wütende Männer in der Sauna
12 Angry Men aus dem Jahre 1957 mutet uns ganz schön viel Gelaber zu. Der Inbegriff eines Laberfilms. Zwölf Geschworene kommen aus einer Verhandlung, in der ein Angeklagter junger Mann von 18 Jahren schuldig oder unschuldig gesprochen werden soll, seinen Vater umgebracht zu haben. Der Blick in die Verhandlung wird uns verwehrt, stattdessen müssen wir uns mit der Diskussion der Jury begnügen, die nun eine Entscheidung treffen soll. Schuldig oder nicht schuldig.
Am Anfang sind sich 11 von 12 Männern absolut einig. Er ist schuldig. Doch Geschworener Nummer 8 meldet leise Zweifel an und bittet darum wenigstens eine Stunde darüber zu reden, statt den jungen nach 5 Minuten auf den elektrischen Stuhl zu schicken. Und das passiert dann auch. Wir folgen 12 sehr unterschiedlichen Männern, beim Versuch den Fall zu verstehen. Um rechtskräftig entscheiden zu können, müssen alle übereinstimmen.
Geschworener Nummer 8 schafft es nach und nach, in jedem anderen einen Funken Zweifel zu finden, der den Jungen rettet. Bis auch der letzte harte Hund überzeugt ist, dass es berechtigten Zweifel an der Schuld des Angeklagten gibt. Ein Film der späten 50er, der sich sicherlich hier und da selbst in seiner Zeit angetackert hat, aber nicht umsonst gab es 1997 eine recht gute Neuverfilmung. Das Thema scheint also zeitlos zu sein… oder sogar an Aktualität gewonnen zu haben… oder Plor? Um dir mal einen Softball zuzuwerfen.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 182: Die zwölf Geschworenen – Wütende Männer in der Sauna Publishing Date: 2024-06-26T08:25:09+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/06/26/episode-182-die-zwoelf-geschworenen-wuetende-maenner-in-der-sauna/
Florian Bayer: Aber wie er inszeniert wird als dieser Messias der Runde, ist teilweise ganz schön trüber. Vor allem am Anfang, wenn die Leute in den Raum gehen, sich unterhalten und so weiter. Und er steht am Fenster mit diesem entrückten Blick. Ich bin was besseres als ihr. Ich habe Moral und Werte. Zehn. Elf. Zwölf. Okay, ich hab sie alle zusammen.
Johannes Franke: Du hast deine Spielkarten zusammen, Flo.
Florian Bayer: Meine zwölf Spielkarten mit jeweils Werten für Rationalität und Angriness ist natürlich ganz wichtig.
Johannes Franke: Ganz wichtig, ja, ja. Nummer drei, glaube ich.
Florian Bayer: Weißt du, so ein richtig schönes zwölf geschworenen Quartett. Und dann sagst du, ich hab geschworene Nummer acht, Rationalität vier. Und dann sag ich, oh, aber ich hab geschworene Nummer vier, Rationalität sieben.
Johannes Franke: Mindestens sieben.
Florian Bayer: Ja, sie gehören mir. Ich krieg den Rassisten und den ängstlichen Typen dafür.
Johannes Franke: Es gibt doch immer diese eine Stichkarte. Alles sticht. Die nur in einer einzigen Sache drunter liegt, unter anderem die man dann nie irgendwie gewinnt.
Florian Bayer: Total bescheuert, Quartett ist so ein dummes Spiel.
Johannes Franke: Okay, herzlich willkommen hier zum Muss-Man-Sehen-Podcast, wo wir das Zwölf-Geschworenen-Quartett aufmachen.
Florian Bayer: Hallo Johannes, schön wieder hier zu sein. Hallo liebes Publikum.
Johannes Franke: Schön, dass du da bist, Plor. Hier in meiner Küche, die Sonne scheint, wir haben Tee. Oh, gleich am Anfang. Möchtest du Tee, Plor?
Florian Bayer: Sehr gerne.
Johannes Franke: Wir werden heute über die Zwölf-Geschworenen reden. 12 Angry Men aus dem Jahre 1957 von
Florian Bayer: Sidney Lumet, sein Regie-Debüt. Und Johannes hat diesen Film vorgeschlagen.
Johannes Franke: Yes!
Florian Bayer: Wieder gutes, altes Hollywood-Kino aus der guten alten Zeit.
Johannes Franke: Wo man den Film 12 Angry Men genannt hat.
Florian Bayer: Und wo Filme auch, wenn sie schwere Themen hatten, auch immer noch so eine gewisse Unschuld vor sich hergetragen haben. Und ich glaube, das hat auch 12 Angry Men in sich. Bei all dem harten Tobak-Denissier. Es geht nämlich immerhin darum, ob ein junger Mann, der gerade volljährig ist, zum Tode verurteilt werden soll.
Johannes Franke: Du darfst nicht zu viel verraten, ich habe einen Text geschrieben. Den werde ich nun zum Besten geben, nachdem ich dir Tee eingeschenkt habe, Plor.
Florian Bayer: Ach, danke. Ja,
Johannes Franke: vielleicht habe ich es einfach zu früh gemacht mit dem Tee. Wir sind irgendwie aus dem Tritt raus. So, es gibt Tee und es gibt einen kleinen Text darüber, was uns hier erwartet. Für diejenigen, die den Film lange nicht gesehen haben. Für diejenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, macht... aus. Meine Güte, wie kommt ihr dazu, hier einzuschalten, ohne den Film zu sehen?
Florian Bayer: Ihr guckt auch keine Let's Plays, wenn ihr das Spiel spielen könntet, also guckt ihr auch keinen Let's Watch, wenn ihr den... Egal.
Johannes Franke: Das ist unser neues Konzept, ein Let's Watch. Okay, gut. Ich erzähl mal, worum es geht. 12 Angry Men aus dem Jahre 1957 mutet uns ganz schön viel Gelaber zu. Der Inbegriff eines Laberfames. Zwölf Geschworene kommen aus einer Verhandlung, in der ein angeklagter junger Mann von 18 Jahren schuldig oder unschuldig gesprochen werden soll, seinen Vater umgebracht zu haben. Der Blick in die Verhandlung selbst wird uns verwehrt. Stattdessen müssen wir uns mit der Diskussion der Jury begnügen, die nun eine Entscheidung treffen soll. Schuldig oder nicht schuldig. Am Anfang sind sich elf von zwölf Männern absolut einig. Wer ist schuldig? Doch Geschworene Nummer 8 meldet leise Zweifel an und bittet darum, wenigstens eine Stunde darüber zu reden, statt den Jungen nach fünf Minuten auf den elektrischen Stuhl zu schicken. Und das passiert dann auch. Wir folgen zwölf sehr unterschiedlichen Männern beim Versuch, den Fall zu verstehen. Um rechtskräftig entscheiden zu können, müssen alle übereinstimmen. Geschworene Nummer 8 schafft es nach und nach, in jedem anderen einen Funken Zweifel zu finden, der den Jungen rettet. Bis auch der letzte harte Hund überzeugt ist. dass es berechtigten Zweifel an der Schuld des Angeklagten gibt. Ein Film der späten 50er Jahre, der sich sicherlich hier und da selbst in seine Zeit angetackert hat. Aber nicht umsonst gab es 1997, glaube ich, eine recht gute Neuverfilmung. Das Thema scheint also irgendwie zeitlos zu sein oder sogar an Aktualität gewonnen zu haben. Oder Plor, um dir mal einen sehr soften Softball zuzuwerfen.
Florian Bayer: Ja, natürlich. Es ist... Was wir hier haben, ist total eine soziologische Versuchsanordnung. Wir haben unsere sehr spezifischen Charaktere, auch durchaus nuanciert mit verschiedenen Charaktereigenschaften, die aber doch jeder auf seine Art so ein bisschen Stereotyp oder sagen wir lieber prototypisch für bestimmte Haltungen in der Gesellschaft stehen, für bestimmte Personen.
Johannes Franke: Ich bin froh, dass du prototypisch sagst und nicht stereotypisch, weil das ist ja durchaus ein Unterschied.
Florian Bayer: Großer Unterschied. Und die entsprechend natürlich... perfekt dazu geeignet sind, um zu zeigen, wie funktioniert soziale Dynamik, wie funktioniert Gruppendruck, wie funktionieren Debatten, wie funktioniert Diskurs und wie verhalten sich Menschen im Diskurs auf sehr unterschiedliche Weise. Teilweise moralisch sehr integer, teilweise einfach von der falschen Moral geleitet und teilweise halt... auch tatsächlich mit dieser schrecklichen Ignoranz, der wir heute im politischen Diskurs oder im sozialen Diskurs ja auch ständig begegnen.
Johannes Franke: Falsche Moral. Jetzt wird es spannend, Flor. Kann Moral falsch sein?
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Ich würde für Moral. Moral hat ja keinen Universalitätsanspruch. Vielleicht Ethik kann nicht falsch sein, aber Moral kann auf jeden Fall falsch sein. eine rassistische Weltanschauung hat, dann hat er einen spezifischen moralischen Kompass, nachdem er sehr genau agiert. Das heißt, er hält sich an seine moralischen Regeln und gleichzeitig liegt er trotzdem daneben. Aber er ist zumindest integer.
Johannes Franke: Ich hätte nicht denjenigen fragen sollen, der Philosophie studiert hat. Ja, natürlich hast du recht. Ich habe bei Moral, es ist immer so schwierig. Das ist genau, was dieser Film auch einem zeigt. Es ist jetzt nicht unbedingt so leicht. Bei dem Rassisten ist es relativ leicht. Sie sagen, wir drehen uns hier mal alle um und sagen dir ganz eindeutig, hier kein Rassismus, bitte. Aber es ist moralisch trotzdem nicht immer eindeutig und leicht festzulegen, was hier der Fall ist.
Florian Bayer: Definitiv ein... Was tatsächlich eine große Stärke des Films ist, meiner Meinung nach, ist, dass er natürlich am Anfang einen Protagonisten etabliert. Und der sitzt auch zumindest in den ersten Minuten des Films ganz eindeutig elf Antagonisten gegenüber. Aber im Laufe des Geschehens, wenn wir unsere Figuren kennenlernen und verstehen, wieso sie so handeln, wie sie handeln und was ihre Gedanken dahinter sind, dann wird sehr viel von diesem Antagonismus aufgelöst. Also sehr viele Geschworene, die am Anfang, wo man denkt, okay, ihr gehört einfach zu dieser stillen Masse, die einfach das macht, was alle machen, kriegen nach und nach irgendwie so einen Wertekompass verpasst und wir verstehen sie. Und teilweise, selbst wenn wir nicht ihrer Meinung sind, können wir trotzdem ihre Meinung schätzen und können sagen, ja, ich verstehe total, wo diese Person herkommt und es ist total in Ordnung und es ist nachvollziehbar, dass sie am Anfang schuldig gestimmt hat. Heck, ich hätte wahrscheinlich am Anfang... schuldig gestimmt.
Johannes Franke: Ja, weiß ich nicht genau. Es geht ja um den elektrischen Stuhl. Ich glaube, bei fast allen Fällen hätte ich erstmal schon aus Prinzip auf nicht schuldig blitziert.
Florian Bayer: Lassen wir mal den elektrischen Stuhl weg. Nein,
Johannes Franke: das kann man nicht. In diesem Film geht es um den elektrischen Stuhl. Das ist wahnsinnig wichtig.
Florian Bayer: Aber das wäre ziemlich lame, wenn du jemanden, wo du eigentlich glaubst, dass er schuldig ist, das zum Thema moralischer Kompass, wenn du jemanden, der eigentlich schuldig ist, unschuldig bezeichnen würdest, nur weil der elektrische Stuhl Das verzerrt total den Versuchsaufbau. Deswegen lassen wir mal den elektrischen Stuhl weg. Machen wir es schwerer.
Johannes Franke: Ja, aber der Film macht es sich leichter.
Florian Bayer: Der Film macht es sich leichter, absolut. Wobei der Film jetzt auch kein großes Plädoyer gegen die Todesstrafe ist.
Johannes Franke: Nein, leider nicht.
Florian Bayer: Aber wenn wir das rein aus kriminologischer Sicht betrachten, kann ich bei ganz vielen total gut verstehen, warum sie auf schuldig plädieren. Ja,
Johannes Franke: natürlich.
Florian Bayer: Wie gesagt, rein aus kriminologischer Sicht würde ich wahrscheinlich am Anfang auch zu schuldig tendieren. Weil die Details, die dann im Gespräch nach und nach herauskommen, die diese Schuld in Zweifel ziehen, liegen am Anfang nicht auf dem Tisch. Man kann durchaus auch die Frage stellen, ist Nummer 8 auch so ein bisschen ein verlorener Idealist, der dann feststellt,
Johannes Franke: oh verdammt,
Florian Bayer: es gibt ja doch Hand und Fuß für das, was ich gerade hier mit moralischer Freude vor mir hertrage.
Johannes Franke: Der ist ja überhaupt nicht überzeugt am Anfang. Ich finde es total schön, weil ich in diesen Film so reinkomme, wie ich in jede Diskussion reinkommen sollte. nämlich mit, hm, lass uns doch einfach mal zusammen überlegen, was hier ist. Und nicht mit, nee, ich habe aber diese Meinung und ziehe ich jetzt durch bis zum Ende. Weil dieser Typ ist einfach nur, er sitzt da und denkt sich, also es kann eigentlich nicht sein, dass wir nach fünf Minuten schon sagen, der Junge muss auf den elektrischen Stuhl. Wir müssen uns wenigstens hinsetzen und darüber reden.
Florian Bayer: Weil es um ein sehr schweres, sehr gewichtiges Thema geht. Natürlich, um einfach mal Devil's Advocate zu geben.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Wenn es um leichtere Themen geht, kann das auch ganz schön nervig sein, wenn du einen in der Runde hast, der sagt, okay, nein, alle sind dafür, alle sind sich einig, aber ich möchte darüber reden, obwohl es was ist, wo man sagt, okay, es ist klar, wir sind alle einer Meinung. Aber natürlich, ich gebe dir recht, natürlich ist das hier ein schwierigeres Thema und das ist besser, aber sonst kann es durchaus auch sein, dass das einfach der nervige Querulant ist, der es unglaublich schwer macht, Entscheidungen zu treffen und vernünftig zu handeln.
Johannes Franke: Du meinst diese Meetings, die eigentlich drei Stunden gehen, aber nur fünf Minuten hätten dauern müssen.
Florian Bayer: Es hätten E-Mails sein können. können. Ja, genau. Und diese Meetings gibt es zu oft und so Personen...
Johannes Franke: Willst du sagen, dieser Film hätte eine E-Mail sein können?
Florian Bayer: Ja. Und so Personen wie Nummer 8, so sehr wir ihn schätzen in diesem Film, sind natürlich auch mitverantwortlich, dass sich solche Meetings in die Länge ziehen können. Und dass du dann einfach das Gefühl hast, okay, wir haben jetzt zwei Stunden geredet, wir sind zu keinem Ergebnis gekommen und wenn wir weiter so machen, werden wir auch in drei Stunden nicht zu einem Ergebnis gekommen sein.
Johannes Franke: Ja, also an sich lässt sich also kein Prinzip daraus ableiten, sondern es geht nun speziell darum, dass es hier um die Todesstrafe geht. Das möchte ich nochmal sagen, Floor. Es geht in diesem Film auch definitiv darum, dass es die Todesstrafe ist, die da wartet. Absolut,
Florian Bayer: das ist total wichtig. Und das ist ja auch der moralische Kompass von Nummer 8. Das ist ja das, was er sagt, dass es hier eigentlich... Bevor wir leichtfertig das Leben von jemandem hingeben,
Johannes Franke: sollten wir zumindest fünf Minuten geredet haben.
Florian Bayer: Ja, okay, natürlich, das ist Nummer sieben. Das ist zum Beispiel der Arschige Ignorant, der einfach nur das Ding so schnell wie möglich fertig haben will. Hätten er für nicht schuldig gestimmt, hätte er seine Hand für nicht schuldig gehoben am Anfang.
Johannes Franke: Das ist interessant, weil wir am Anfang gleich gesagt haben, es geht um Peer Pressure. Ich bin so ein kleines bisschen am überlegen, wo der... Es ist nicht so eindeutig deutlich zu sehen in vielen Situationen. Ganz am Anfang wird ja gefragt und die heben nicht alle so zögerlich die Hand, sondern es geht relativ schnell. Die gucken sich auch nicht um und sagen, was macht der neben mir oder sowas. Das wird nicht inszeniert. Also zumindest in meiner Erinnerung nicht. Ist das bei dir anders im Kopf? Weil ich habe am Anfang das Gefühl, die sind schon eindeutig von der Verhandlung so geprägt. Also gar nicht so vom Peer Pressure her, sondern einfach alle haben die Evidence vor sich und denken sich, naja gut, was soll's anderes sein.
Florian Bayer: Wir haben, und jetzt gehe ich sehr genau auf das Bild drauf, deswegen habe ich ganz kurz einen kleinen Vorteil gegenüber Johannes, weil ich gerade das Bild nochmal vor Augen habe. Wir haben sechs Geschworene, die sehr schnell die Hand heben.
Johannes Franke: Okay, also die Hälfte, genau die Hälfte.
Florian Bayer: Die Hälfte. Wir haben fünf Geschworene, die sehr zögerlich sind. Und auch so ein bisschen, wie man es erwartet. Geschworener Nummer zwei zum Beispiel wird ja am Anfang so als das schwächste Glied in der Kette etablieren.
Johannes Franke: Oh, da weghältst du Link.
Florian Bayer: Und der hebt als letzter die Hand. Aber auch zum Beispiel Nummer fünf, der selbst aus dem Ghetto kommt, der einzige von den Geschworenen, der vom sozialen Background am ehesten so Erfahrungen gemacht hat wie der Angeklagte, hebt auch relativ spät die Hand. Und es hat unterschiedliche Gründe, warum die beiden die Hand heben. Aber der Kern bei beiden ist es natürlich... dass sie irgendwie zu dieser Gruppe dazugehören wollen, dass sie Teil von dieser Gruppe sein wollen. Ja,
Johannes Franke: ja, ja.
Florian Bayer: Bei dem einen ist es Angst und Schwäche und bei dem anderen ist es auch so Herkunft hinter sich lassen. Und auch der Alte, der Erste, der Nummer 9, der Erste, der dann umschwenkt zu nicht schuldig, hebt zögerlich die Hand.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und auch nicht sonderlich überraschend, der mit Migrationshintergrund, wir haben übrigens einen sehr weißen Cast. Wir haben einen, ich habe sehr ignorant Super Mario dahin geschrieben. Oh nein! Wir haben einen mit Migrationshintergrund, der offensichtlich Osteuropäer ist. Ich habe ihn sehr italienisch gelesen. Okay. Es wird, glaube ich, aber auch nicht korrekt. Konkret gesagt, aber er ist der Einzige mit Akzent und selbst der Mann, der aus dem Ghetto kommt, der sagt, ich kenne mich aus, ich weiß, wie man so ein Sprungmesser hält. Selbst der ist ein sehr prototypischer weißer Amerikaner mit Erfolgsgeschichte.
Johannes Franke: Ja, es ist ja sehr weiß und sehr männlich. Es sind ja wirklich 12 angry men. Und die Neuverfilmung macht das ein bisschen anders, glaube ich. Da gibt es so eine Frau, zwei Frauen. Ich weiß es nicht ganz genau aus den 90ern. Aber ich glaube, dass es für den Film schon wichtig ist, dass es Männer sind, weil du... Und im Grunde hier zwar den Versuch einer Peer-Jury, du sollst ja eigentlich eine Jury zusammensetzen, die sehr divers ist und die irgendwie auch aus dem Milieu des Angeklagten kommt. Das ist ja das Wichtige dieses Systems. Ja. Aber das war damals noch nicht so möglich, weil es Frauen verboten war, dabei zu sein. Es ging einfach nicht. Und dann hast du auch andere Bereiche, die dann eher unterrepräsentiert sind, die einfach nicht da in diese Lage geraten.
Florian Bayer: Es gibt ja durchaus, also zumindest vom Gericht und offensichtlich auch vom Film, den Versuch hier einen diversen Cast zu haben. In diesem sehr weißen und sehr männlichen, trotzdem eine gewisse Diversity. herzustellen. Wir haben die Intellektuellen, wir haben die Reichen, wir haben die Armen, wir haben die einfache Mittelschicht. Wir haben die, die sehr nachdenklich sind und sich sehr viel Zeit nehmen. Wir haben die, die einfach nur Spaß haben wollen. Also es gibt ja offensichtlich schon irgendwie den Versuch, hier so eine gewisse Diversity zu haben, die ja auch wichtig ist, um zu zeigen, wie unterschiedlich sich verschiedene Menschen je nach ihrem Background, je nach ihrer Herkunft verhalten können in solchen Situationen.
Johannes Franke: Es kommt einem bloß aus dieser Perspektive von heute doch ein so ein bisschen sehr undivers vor. Diversität ist ja eher in der Geisteshaltung der Menschen oder in der Mentalität der Menschen.
Florian Bayer: Ja, und selbst da kann man sagen, naja, also ich meine... Sie machen halt das, was die 50er Jahre an Diversität hinkriegen. Sie sagen, okay, wir haben hier unseren Banker. Wir haben hier unseren einfachen Arbeiter. Wir haben hier unseren Migranten, der es geschafft hat, sich ein kleines Restaurant aufzubauen. Oder nee, ein Uhrmacherladen ist es, ne?
Johannes Franke: Der Uhrmacher, ja.
Florian Bayer: Wir haben hier eine amerikanische Erfolgsgeschichte. Wir haben hier den Architekten, der offensichtlich intellektuell darunter ist. Wir haben einen alten Mann, der sein Leben hinter sich hat, der Weisheit gesammelt hat, der nochmal weise Worte geben kann. Ja. Und wir haben den Choleriker. Also es sind ja schon so Typen, die sich sehr unterscheiden voneinander. Ja,
Johannes Franke: aber eben eher charakterlich.
Florian Bayer: Charakterlich, ja. Und naja, gut, einkommenstechnisch.
Johannes Franke: Ja, der Detektor hat natürlich mehr Einkommen als jetzt der, vielleicht der Uhrmacher, vielleicht schon. Oder dann auf jeden Fall der, der aus dem, auch aus dem, ich wollte schon Ghetto sagen.
Florian Bayer: Das hab ich jetzt einmal gesagt.
Johannes Franke: Aus dem Flammen kommt. Also es ist schon ein Unterschied, das stimmt schon.
Florian Bayer: Ja, also wir haben reiche Leute, wir haben arme Leute, wir haben Leute mit Migrationshintergrund, wir haben Leute aus verschiedenen sozialen Milieus. Mehr Diversität schaffen die 50er Jahre nicht.
Johannes Franke: Aber irgendwie erwarte ich heute dann doch mehr als das.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Aber das ist ja auch so ein Stable in unserem Podcast, dass wir über Filme reden, die älter als 20 Jahre sind und sagen, Das waren andere Zeiten.
Johannes Franke: Wir bescheren uns jedes Mal, aber es nützt nichts.
Florian Bayer: Und die Frage ist dann halt auch immer, was macht das mit dem Film und was macht das auch mit dem Film heute? Und hier nimmt das von seiner Zeitlosigkeit weg. Wie sehr kann es den Film dated erscheinen lassen? Was denkst du denn bei diesem Film?
Johannes Franke: Also was dated oder nicht dated betrifft, die Frage ist ja suggestiv gestellt. Also natürlich sind wir heute... mit genau diesen Problemen, Rassismus und Klassen und so weiter, total beschäftigt. Das sind eines der großen, wichtigen Themen, die wir haben in unserer Zeit. Und das wahrscheinlich seit Ewigkeiten. In den 50ern gab es das genauso wie heute. Aber ich habe das Gefühl, dass wir uns in einen Bereich katapultiert haben, in dem wir endlich auch offener darüber reden. Dass es vielleicht nicht immer auf offene Ohren stößt, aber dass wir es endlich tun. Und dass solche Filme diese Diskussion durchaus anschieben können. Ich würde gerne,
Florian Bayer: ganz wichtiger Punkt für mich, der Film handelt nicht nur von Rassismus. Wir haben einen eindeutigen Rassisten in der Gruppe und der wird dann auch sehr cool konfrontiert von allem. Die Gründe, warum Jurymitglieder sich für schuldig entscheiden oder später für unschuldig, sind halt sehr verschieden. Ich glaube, man kann ihn nicht oft auf die Herkunftsfrage reduzieren, auch wenn die natürlich eine Rolle spielt. Sondern es ist dann doch eben mehr und es geht auch um wirklich ganz universelle menschliche Verhaltensweisen. Wer hat Angst? Wer ist wütend? Wer ist sehr logisch und sehr kalkulierend und so weiter. Und dann haben wir so ein... Potpourri in diesem Ensemble an verschiedenen Verhaltensweisen und auch an verschiedenen Arten, wie diese Verhaltensweisen zusammenkommen. Wollen wir einfach mal kurz auf die zwölf Geschworenen eingehen, wen wir da alles haben?
Johannes Franke: Ja, wir haben als erstes den Vorsitzenden. der nicht ganz freiwillig es scheint mit diesem Job zu tun hat.
Florian Bayer: Er hat keinen Bock darauf.
Johannes Franke: Er ist auch ein bisschen beleidigt, als er dann später von dem einen so ein bisschen angemacht wird und er dann sagt, ja, mach du es halt, was soll das? Ich habe keine Lust, ich mache das nicht mehr, ich habe keine Lust.
Florian Bayer: Ja, ziemlich schnell sagt er so, naja, übernimm du doch den ganzen Scheiß.
Johannes Franke: Genau, also er hat nicht wirklich Lust. Und ich finde es interessant, weil er der Einzige ist, der nie so richtig erklärt, warum er welche Entscheidung trifft.
Florian Bayer: Er ist komplett überfordert mit seinem Job. Er muss der Vorsitzende sein, er hat sich um so viel Zeug zu kümmern und dann schafft es halt gerade so noch schnell daneben die Hand zu halten und ich glaube, jeder, der verschiedene Sachen gleichzeitig gearbeitet hat, kennt das. Es kann sehr schnell was unten durchfallen. Und es ist eine... Auf geht's, da Atmosphäre, es ist ein enger, heißer Raum. Ich kann es ihm nicht mal übel nehmen. Er ist einfach mit diesem Vorsitz so sehr beschäftigt, dass seinem, also eigentlich sollte er gar nicht mit abstimmen. Es ist eigentlich egal, weil er muss versuchen, da Ordnung reinzukriegen in diese 12 Angry Men, beziehungsweise F Angry Men, wenn er sich selbst rausnimmt. Und er macht das ganz okay, finde ich tatsächlich. Also er hat keinen Bock drauf, aber er nimmt das irgendwie an und er nimmt Vorschläge aus der Gruppe an, er bringt Vorschläge rein und wurstelt sich da so irgendwie durch.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Ich finde auch, dass er über die Zeit ein bisschen gewinnt an Selbstsicherheit und an Durchsetzungsvermögen. Weiß ich nicht ganz genau, aber er weiß irgendwann besser, mit den Leuten umzugehen.
Florian Bayer: Nummer zwei. Wir haben über Prototypen und Stereotypen geredet. Ich glaube, bei Nummer zwei finde ich neben einem weiteren Charakter auch was, was in Richtung Stereotypie geht. Wir haben hier den typischen kleinen. ...dören, ängstlichen Kerl mit zu großer Brille, der gleich am Anfang sagt, ja, das ist das erste Mal, dass ich neugierig bin, ich bin so aufgeregt. Und der dann auch wirklich sehr schwach ist, sehr lange. Und der natürlich so ne Redemption-Art kriegt mit zwei großen Momenten, wo er aufstehen darf und sich selbst verteidigen darf und andere verteidigen darf. Genau. Es ist tatsächlich ne niedliche Rolle. Es ist vielleicht ne Rolle, die ein bisschen... ein bisschen mehr Nuancen verdient gehabt hätte?
Johannes Franke: Ja, es ist eine Rolle, finde ich, die am comichaftesten im ganzen Film ist. Weil die so, ja, weiß ich nicht, ob es die Figur so wirklich gibt, aber in den 50ern, in den Filmen zumindest, sehe ich tatsächlich immer mal wieder solche Figuren.
Florian Bayer: Aber es ist halt auch tatsächlich eine Klischeefigur, die der Männlichkeit gegenübergestellt wird. Er hat auch diese Trademarks, die als schwach und feminin gelten. Er ist der Femininste in der Runde, er hat auch die höchste Stimme.
Johannes Franke: Ja, ja.
Florian Bayer: Und das ist schon was, wo man denkt, ja, da schlagen halt auch die Hollywood-Klischees zu. Also solche Menschen gibt es ja ganz viel in Hollywood-Filmen.
Johannes Franke: Nummer drei ist interessant, weil Nummer zwei ja gerade gesagt hat, dass er das zum ersten Mal macht. Und Nummer zwei sagt, was? Ich mach das ständig.
Florian Bayer: Nummer drei.
Johannes Franke: Nummer drei sagt dann, ich mach das ständig. Und ich denke, oh, okay, okay, aber aus welcher Motivation heraus machst du das ständig?
Florian Bayer: Nummer 3, wahrscheinlich unser angriest man und unser größter Antagonist während des Films, der, der sich als letztes dann doch für nicht schuldig entscheidet. Und der eine tragische Backstory kriegt, die dazu führt, dass er am Anfang für schuldig gestimmt hat und sehr lange auch auf diese schuldig beharrt. Und der sehr viel persönlichen Zorn mitbringt in dieses ganze Gespräch und der es auch bis zum Ende nicht schafft, im Diskurs da rauszukommen aus seiner persönlichen Erfahrung.
Johannes Franke: Ja, über den werden wir ganz viel reden müssen am Ende noch. Aber ich finde den am Anfang auch schauspielerisch fast am stärksten. Fast stärker als Henry Fonda.
Florian Bayer: Lee Jacob heißt der Darsteller von ihm, von Nummer 3. Und ich finde ihn auch richtig gut. Ich finde ihn unglaublich stark. Ich finde, der Film braucht so eine Figur. Es gibt so Momente, wo er Menschlichkeit kriegt. Das ist das, was ich meinte. Es wird nicht nur Stereotyp gearbeitet, sondern er kriegt Nuancen und er kriegt Menschlichkeit. Menschlichkeit hat er sowieso von Anfang an sehr viel.
Johannes Franke: Sehr, sehr viel.
Florian Bayer: Und wir fühlen da auch irgendwie mit. Und am Schluss ist er ja auch wirklich eine traurige Gestalt, die in sich zusammengebrochen ist. Ja, eine sehr starke Figur. Eine natürlich total wichtige Figur für den Film.
Johannes Franke: Ja. Nummer 4. Unser rational denkender Mensch.
Florian Bayer: Ich liebe Nummer 4.
Johannes Franke: Es ist großartig. Ich finde, wir kommen ja noch zu Henry Fonda Nummer 8, der das Ganze anstößt, der sagt, wir sollten länger als nur 5 Minuten darüber reden. Ich finde Nummer 4 ist der beste Gegenentwurf zu Henry Fonda. Der wirklich rational an die Sache rangeht und sagt, Moment, ich habe da lange drüber nachgedacht, ich weiß ganz genau, ich habe alles analysiert, das sind die Facts. Und der auch wirklich jedes Argument... in seinem Kopf anscheinend durchexerziert. Bis es zu einem Argument irgendwann kommt, wo er auf einen Widerspruch stößt. Und dann switcht er auch sofort um. Sehr logisch.
Florian Bayer: Und er bleibt dabei auch kühl. Es ist kein großer emotionaler Moment, sondern es ist wirklich diese Sache, oh, jetzt bin ich überzeugt. Ich entscheide mich um für nicht schuldig.
Johannes Franke: Und er bekommt einmal die Frage, schwitzt du nie? Nein,
Florian Bayer: er schwitzt nie. Ich finde ihn klasse. Ich finde tatsächlich, man wünscht sich eigentlich eine Jury, die aus mehr... Personen wie ihm besteht, einfach weil das auch eine Jury ist und sagen wir mal, es wären zwölf Leute, die so sind wie er, würden sich nicht alle für schuldig entscheiden wahrscheinlich und es wäre eine andere Debatte mit einer besseren Diskussionskultur, als wir unter diesen zwölf Leuten haben. Nummer 5, da haben wir unseren Mann aus den Slums gespielt von Jack Klugmann. der auch sehr zögerlich am Anfang ist beim Ja und der auch zu denen gehört, die relativ schnell dann umschwenken und der insofern sehr wichtig ist für die Debatte, weil Insight-Wissen reinbringen kann, das einfach notwendig ist, um zu verstehen, wie bestimmte Dinge laufen konnten oder nicht laufen konnten, insbesondere eben der Mord mit dem Messer. Nummer 6 war tatsächlich auch ein bisschen blass. Das ist unser einfacher Arbeiter. So ein Typ von der Straße, der eigentlich auch einen ziemlich klaren Wertkompass hat. der sich aber nicht sonderlich doll einbringt in dieses ganze Ding. Und wenn er sich einbringt, dann eher, um einmal durch den Raum zu rufen, jetzt halt doch mal die Schnauze. Das sagt er auch zu dem Rassisten zum Beispiel. Also da merkt man, da hat er schon einen eindeutigen Wertkompass, aber er setzt sich nicht auf so einer intellektuellen Ebene mit dem Fall auseinander, wie manche andere im Raum.
Johannes Franke: Nummer sieben ist derjenige, der einfach nur zu seinem Ball spielen will. Baseball, glaube ich, ist es. Um die und die Zeit will er dort sein, bis dahin muss das alles durch sein. Ganz am Anfang drängelt er auch, los, lass uns das Ganze einsacken und dann können wir alle nach Hause gehen und ich geh zu meinem Spiel und alle sind glücklich. Und auf ihn geht dann Nummer 8, den wir gleich haben, ein und versucht ihm irgendwie zu sagen, komm, eine Stunde haben wir Zeit, dann kannst du immer noch zu deinem Spiel gehen und alles ist gut. Aber irgendwie kriegt er seine Hummeln aus dem Arsch nicht raus. der läuft die ganze Zeit in der Gegend rum und sagt, komm, lass uns, was machen wir hier? Was soll das?
Florian Bayer: Nummer 7 ist der, der der Runde am wenigsten Respekt entgegenbringt. Ja. Wir sind ja in den 50ern. Heutzutage ist es keine große Sache. Ich sitze hier mit Mütze vor Johannes. Aber er zieht die ganze Zeit über seinen Hut nicht aus. Und das ist in den 50ern, ist das nochmal ein anderes Ding. Er geht da schon rein mit dieser Attitüde, das Ding muss so schnell wie möglich vorbei sein. Ich bin hier nur auf der Durchreise. Macht mal hin.
Johannes Franke: Und er hat auch keinen Hut im klassischen Sinne. sondern das, also du kennst dich vielleicht mit Hüten nicht so aus und ihr da drüben, weiß ich nicht, wie viel ihr euch mit Hüten auskennt, aber dieser Hut ist kein ganz klassischer Hut, sondern er sieht sehr nach so einem sportiven Ding aus, was man im Stadion trägt. Vielleicht nicht dieses typische Basecap, was es heute ist, aber für damals ist es schon ein sehr sportiver Hut.
Florian Bayer: Er ist auch der Einzige, der... nicht traditionell gekleidet ist. Die haben eigentlich alle weißes Hemd mit Krawatte an. Und er ist doch eher so ein bisschen bunter unterwegs. Er hatte auch am Anfang lange seinen Mantel noch an, bis er ihn dann ablegt. Und er sieht schon so aus wie, ey, ich geh jetzt zum Spiel. Ich werd gleich Spaß haben. Nummer 8, Henry Fonda.
Johannes Franke: Der Produzent übrigens unseres Films. Ja,
Florian Bayer: der das Stück total geil fand und der gesagt, vor allem die Rolle Nummer 8 geil fand, der gesagt hat, oh ja, ich will der strahlende Held sein.
Johannes Franke: Und der hat das Ding tatsächlich produziert und hat dann gesagt, nie wieder. Nie wieder. Und der hatte nur einen Film, wo ein Raum groß bespielt wurde mit zwölf Schauspielern. Das war ihm schon zu viel. Er hat gesagt, um Gottes Willen, ich werde nie wieder produzieren. Das fehlt so auch für mich.
Florian Bayer: Und dann noch mit niedrigem Budget.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Er hat sein eigenes Geld investiert. Und er hat auch offensichtlich bei Gehalt Einschränkungen gemacht mit Gewinnbeteiligung dann. Allerdings hat der Film nicht so eingeschlagen, dass ihm das was gebracht hätte.
Johannes Franke: Das ist das Problem, ja. Also ich glaube, er hat sogar weniger verdient als die anderen. Also ganz sicher bin ich mir nicht. Aber es klang so. Auf jeden Fall ist er unser strahlender Held, der am Anfang sagt, komm, lass uns wenigstens mal drüber reden und rausfinden, was da drin steckt, bevor wir ihn auf den elektrischen Stuhl schicken.
Florian Bayer: Und ich liebe Henry Fonda, Henry Fonda ist ein toller Schauspieler, aber wie er inszeniert wird als dieser Messias der Runde, ist teilweise ganz schön trüber. Vor allem am Anfang, wenn die Leute in den Raum gehen, sich unterhalten und so weiter und er steht am Fenster mit diesem entrückten Blick, ich bin was besseres als ihr. Ich habe Moral und Werte.
Johannes Franke: Du kannst noch ein bisschen zurückgehen, wenn der Schwenk über die zwölf Geschworenen im Saal selbst stattfindet, kurz bevor der ganz lange Blick auf diesen zwölf, achtzehnjährigen Jungen stattfindet und die dann weggeschickt werden. Er ist so versunken in seiner moralischen Überlegung. Also ich weiß nicht, ob ich das nur sehe, aber ich habe gleich am Anfang gedacht, oh Mann, der wird einem ganz schön, der könnte einem echt auf die Nerven gehen.
Florian Bayer: Und der trägt ja auch diese Attitüde vor sich her. Total. Er hat dieses, ich habe, ich... ich rede ein bisschen kryptisch, ich lasse nicht gleich alles raus. So mit dieser Überzeugung, jetzt reden wir. Liebe Freunde. Er ist ein Prediger.
Johannes Franke: Und dieses ruhige, dieses betont ruhige, damit alle anderen auf seinen Level runterkommen. Ja. Also, ja, ja. Aber nichtsdestotrotz, er macht erstmal das Richtige und sagt, okay Leute, wir reden.
Florian Bayer: Nummer 9. Der Älteste in der Runde. Der Erste, der umschwenkt von schuldig zu nicht schuldig. Und der erst, der eigentlich von Anfang an unseren Protagonisten Nummer 8 ernst nimmt, der sehr schnell sagt, ich habe hier jemanden gesehen, der sich getraut hat in einem Raum, in dem elf Leute sagen, schuldig, nicht schuldig zu sagen, das verdient Respekt und den Respekt bringe ich ihm auch entgegen, deswegen stelle ich mich auf seine Seite. Kann drüber debattieren, ob das rational die vernünftige Herangehensweise ist, aber... Und es weist auf jeden Fall auf einen starken moralischen Kompass hin auch.
Johannes Franke: Ja, es ist das, was man als vielleicht noch jüngerer Autor einem Alten sofort zuschreibt. Der geht natürlich auf Respekt. Und wir haben hier einen weisen alten Mann, der dann auch den anderen älteren Herren im Gericht wirklich gut durchschaut hat. Und derjenige, der die alle beobachtet und so. Es ist fast eine Comic-after-Art und Weise, den alten... zu beschreiben. Aber es ist funktioniert für den Film sehr gut.
Florian Bayer: Und natürlich ist er wahrscheinlich von den Leuten, die dann nach und nach zum Team unschuldig gehören, der, der am meisten Input bringt, wenn es darum geht, den Fall aufzuklären. Oh Gott, den Fall aufzuklären. Ich habe einen Podcast gehört, eine Episode über diesen Film. Und da hat jemand erzählt, naja, ich war auch öfter mal als Juro... Juror und was offensichtlich Richter zu Juries immer wieder sagen ist, don't be 12 angry men.
Johannes Franke: Don't do it. Macht es nicht. Ich hab das auch ein paar Mal gehört von verschiedenen Seiten. Leute, die dann, also von einer sogar, die da selber Judge ist und die das auch jedes Mal sagt. Bitte seid nicht 12 angry men. Versucht nicht alles nochmal aufzurollen und zu psychologisieren und dann nochmal drin rumzustochern. Das haben wir alles hier gemacht, in diesem Raum. Bitte ergeht euch nicht in irgendwelchen Hypothesen, die alle nicht mehr zusammenpassen. Ihr redet euch im Kopf und Kragen irgendwo in eine völlig falsche Richtung.
Florian Bayer: Trefft eine Entscheidung.
Johannes Franke: Ich kann es auch verstehen, weil das sollst du ja auch nicht machen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das gut funktioniert. Also jetzt in dem Film funktioniert es super, aber jetzt dann nochmal Detektivarbeit leisten zu wollen, ist eigentlich der falsche Zeitpunkt.
Florian Bayer: Nein, nein, genau, darum geht es ja auch nicht im geschworenen Gericht. Geschworene sind dafür da als Vertreter des... des Volkes, die Entscheidung zu treffen, anhand dessen, was Staatsanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft an Beweisen hingelegt haben.
Johannes Franke: Und dann geht man nicht los und kauft sich nochmal so ein Messer, um das auf den Tisch zu knallen, beziehungsweise in den Tisch zu rammen.
Florian Bayer: Das wäre ein sehr kurzer Film geworden, übrigens, wenn sie das Messer bei ihm entdeckt hätten und er ausgeschlossen worden wäre.
Johannes Franke: Wir haben ansonsten daneben noch Juror Nummer 10, der Rassist der Runde, der sich dann am Ende um Kopf und Kragen redet und dann nur noch da sitzt und tatsächlich auch zu verstehen scheint, was er da gemacht hat, was er da gesagt hat und dass das vielleicht jetzt nicht das Schlauste war.
Florian Bayer: Der zweite... meiner Meinung nach am ehesten Stereotype-Charakter. Er kriegt schon im Laufe des Films am Anfang gar nicht so sehr, aber im Laufe des Films wird er mehr und mehr als dieser Rassist geframed. Er hat einfach nicht mehr viel Charakter. Und dann am Schluss ist ja auch seine Story-Arc ist ja in dem Moment vorbei, in dem er einmal sein wahres Gesicht enthüllt und zeigt, dass es wirklich nur um Rassismus geht. Und dann ist es ja auch einfach vorbei.
Johannes Franke: Und das ist vielleicht die einzige Schwäche, die ich dieser Figurenkonstellation geben möchte. Weil... Es ist eigentlich total stark, diesen Rassismus da reinzubringen, aber es ist sehr schwach, dass wir keine Motivation für den Rassismus sehen. Ja,
Florian Bayer: genau und es ist auch einfach, man könnte es anders inszenieren, weil dieser viel spannender ist, dieser offensive direkte Rassismus, ist ja gerade bei solchen Entscheidungen der verborgene Rassismus, die sind die verborgenen Vorurteile, die wir auch bei manchen Juroren so ein bisschen durchführen.
Johannes Franke: Ja, das stimmt, so ein bisschen.
Florian Bayer: Am ehesten tatsächlich bei unserer Nummer drei, aber die halt irgendwie... Die einfach spannender ist. Weil ja klar, natürlich, hier hast du plain Racism. Das ist doch klar, das sind alle dagegen. Da kann sich jeder umdrehen.
Johannes Franke: Ja, ja, genau.
Florian Bayer: Und damit machst du es natürlich den anderen Elf und dem Publikum ein bisschen zu leicht.
Johannes Franke: Ja. Wobei ich finde, dass es schon auch in dem Moment eine Kraft hat. Also wenn wir schon dabei sind, ne? Also der Moment, wo er sich im Kopf von Kragen redet und er dann nach und nach merkt und sich gar nicht stoppen kann. Er ist in dieser Rage und er redet und redet. Und man merkt schon... Dass er den nicht mehr erreicht und den nicht mehr erreicht und dann irgendwie aber dann beim nächsten versucht anzudocken und immer verzweifelter wird und versucht da irgendwie noch einen Faden zu finden und dann feststellt, ah scheiße, jetzt bin ich irgendwo gelandet, wo keiner mehr andocken kann. Ich fand das schon gut gemacht und es hat auch eine gewisse Kraft entfaltet.
Florian Bayer: Ich bin so ein bisschen indifferent über diese Szene. Es ist ja eine sehr berühmte Szene. Er redet, er wird immer krasser in seinem rassistischen Rant und nach und nach stehen die Leute auf. und drehen sich um. Das ist als Symbol super stark. Dieses, wir wollen das nicht hören.
Johannes Franke: Ich finde dieses Symbol aber auch super platt, muss ich sagen.
Florian Bayer: Es ist total, ja, es ist auch platt. Ich finde die Umsetzung ein bisschen hölzern, ein bisschen staged, ein bisschen zu sehr. So ein Moment, wo man das Gefühl hat, das ist vielleicht ein bisschen zu sehr Theaterstück.
Johannes Franke: Meinst du seinen Rant oder meinst du die Reaktionen der Juroren?
Florian Bayer: Die Reaktionen der Juroren.
Johannes Franke: Das finde ich nämlich auch.
Florian Bayer: Seinen Rant finde ich zu viel. definitiv drüber. Also es ist einfach, es gibt solche rassistischen Leute wie er ist. Aber nur wenige von so rassistischen Leuten reden so. Sondern die machen das anders. Die machen das vielleicht nicht um die Geschickter.
Johannes Franke: Ja. Ich glaube schon, mir kommt das bekannt vor, was er da macht. Mir kommt das schon bekannt vor als menschliche Regung und als menschliche Ausdrucksform. Es gibt Leute, wenn die in ihrer eigenen Bubble leben die ganze Zeit. Was wir ja auch tun. Aber wenn die in ihrer Bubble ganz hemmungslos darüber reden. und miteinander so umgehen. Das ist heute ein bisschen anders, weil du heute als Rassist wahrscheinlich hyper aware bist darüber, dass der Rest der Gesellschaft vielleicht nicht so einverstanden ist. Vielleicht warst du das damals nicht unbedingt. Weil Rassismus viel mehr Tabuthema war und es viel weniger offen angesprochen wurde, was für ein Problem das ist.
Florian Bayer: Ich glaube, es ist nicht mal die Härte der Worte, die er benutzt. Das kann ich mir schon vorstellen. sondern die Art, wie er sie paraphrasiert. Und ich habe manchmal das Gefühl, es ist so ein bisschen rassistischer Rant durch die Brille eines Antirassisten oder, das ist schon zu viel gesagt, eines Menschen, der sich selbst als tolerant wahrnimmt und als nicht rassistisch. Und dadurch hat es manchmal so ein bisschen was... Es ist im Ganzen... Es ist halt irgendwie auch so ein bisschen hölzern, wie er das raushaut. Und wisst ihr nicht, die sind doch alle so. Und nochmal, und die sind doch alle so. Und so diese Phrasen wiederholt. Für mich geht ein Stück Realismus verloren in diesem Moment.
Johannes Franke: Ich sehe da nur, dass er versucht, die Leute irgendwie zu greifen, die nach und nach verschwinden. Deswegen paraphrasiert er ja immer weiter und immer weiter und versucht dann den Nächsten und den Nächsten noch irgendwie an sich ranzuholen, damit er wieder Boden unter den Füßen bekommt.
Florian Bayer: Stark finde ich in diesem Moment tatsächlich, dass der... Alle drehen sich um, aber Nummer zwei bleibt sitzen. Nummer zwei guckt ihn mit ernstem Blick an.
Johannes Franke: Es ist nicht Nummer zwei.
Florian Bayer: Nummer drei, Entschuldigung. Nummer 4.
Johannes Franke: Nummer 4, genau. Nummer 4,
Florian Bayer: unser Rationaldenkender. Guckt ihn mit ernstem Blick an. Und es gibt, glaube ich, diesen Moment, wo dann Nummer 10 tatsächlich denkt, oh, da habe ich einen Verbündeten. Und dann sagt der aber,
Johannes Franke: setz dich hin. Und halt's Maul.
Florian Bayer: Und zwar richtig geil. Ich liebe Nummer 4. Er macht das sehr gut, ja. Ich liebe Nummer 4.
Johannes Franke: Und wir sind in dem Moment gar nicht bei ihm. Das ist ja fast ein bisschen schade, aber wahrscheinlich sehr gut. Es gibt ja die Totale dann. wie er da steht und seinen Adolf Hitler macht und die anderen drehen sich halt um. Und er sitzt da, die Nummer 4, und sagt ganz in Ruhe und aber sehr deutlich und sehr bestimmt Shut the fuck up und setz dich hin.
Florian Bayer: Er sagt nicht das F-Wort. Wir sind im Amerika des Hayscots.
Johannes Franke: Aber es gibt sozusagen auch keine Nahaufnahme von ihm, wie er das sagt. Und trotzdem... Ist all die Energie und alles an Ausdruck da. Ich brauche sein Gesicht dafür nicht. Es ist toll gemacht.
Florian Bayer: Nummer 11, unser
Johannes Franke: Migrant. Er kommt aus Europa,
Florian Bayer: er hat einen unspezifischen Dialekt. Hast du irgendwas rausgehört?
Johannes Franke: Ich habe nichts rausgehört, keine Ahnung. Es könnte italienisch sein, aber eher noch osteuropäischer.
Florian Bayer: Und so ein bisschen der Nette in der Gruppe,
Johannes Franke: der auch ganz drin ist,
Florian Bayer: um Konflikte zu entschärfen und auch ein paar freundliche Worte übrig zu haben für alle, mochte ich auch. Fand ich auch eine interessante Figur. Er hat ein bisschen wenig Rolle für den eigentlichen Diskurs.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Aber er steht für so eine spezifische Art von Herangehensweise an Diskurs und vor allem auch an Streit, mit der ich sehr gut andocken kann.
Johannes Franke: Er hat später diese Rede über das System, das Jury System. Ja. Und ich glaube, das war der richtige Zug, dem Ausländer diese Rede zu geben. Ja. Weil für ihn steht das für das Land, wo er... gerne sein möchte. Man kann sich vorstellen,
Florian Bayer: wie er auf dem großen Dampfer ist und die Freiheitsstatue sieht und sich an die Relingstelle und dann diesen Text raushaut. Er ist ja der, der am sauersten ist auf den Basketballtypen. Als der seine Meinung ändert und er sagt zu ihm, was? Du änderst deine Meinung, damit du zu dem Spiel kommst? Jetzt hör mal zu, du entscheidest dich für schuldig oder nicht schuldig, weil du verdammt nochmal daran glaubst, was du sagst und nicht, weil du einfach willst, dass das so schnell wie möglich vorbei ist.
Johannes Franke: Das ist das Land, in das er gekommen ist. Das war ihm als Immigrant wahnsinnig wichtig, in dieses Land zu kommen, in dem diese Freiheit, die dieses Land programmiert, waren alle, auch genutzt wird. Und nicht blind genutzt wird im Sinne von mir egal, sondern wenn du schon die Möglichkeit hast zu entscheiden, dann setz dich verdammt nochmal hin. Und überleg dir, was du willst.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Und ich verstehe ihn total. Ich finde aber die Rede, die er hält, ein bisschen sehr preachy.
Florian Bayer: Voll Oberlehrer. Das ist so eine krasse Predigt. America, the wonderful, the beautiful, whatever.
Johannes Franke: Wahnsinn. Da war ich ein bisschen so, oh, was kommt mir am Schämen? Aber es sei ihm gegeben, alles in Ordnung.
Florian Bayer: Und wir sind halt auch Anfang 20. Jahrhunderts, wo der Melting Pot Amerika irgendwie noch so das Ideal war. Die Leute aus Irland kommen, aus Italien.
Johannes Franke: Stimmt,
Florian Bayer: ja. Das 19. Jahrhundert ist noch nicht so lange her. Es kommen diverse Flüchtlinge, Migranten. und so weiter, aus den verschiedensten Ländern, aus den verschiedensten Gründen. Und alle eint, dass sie dieses Ideal der Freiheit und der Demokratie sich in Amerika erhoffen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Aus welcher Diktatur auch immer sie geflohen sind. Nummer 12. Amerika. Wo wir gerade bei Amerika sind. Der amerikanischste von allen. Ja,
Johannes Franke: kann man schon so sagen. Marketing-Spezialist. Er ist aber auch so wahnsinnig oberflächlich. Ja. Und so wahnsinnig. Also es kommt an der Beliebtheitsskala direkt hinter dem, der nur zum Baseball ist. Er sitzt echt da und spielt mit denen Tic-Tac-Toe und malt denen irgendwelchen Kram auf. Hier, guck mal, das habe ich entworfen und da machen wir Werbung mit. Oh, der ist so, ich möchte ihm so in die Fresse schlagen.
Florian Bayer: Er ist so der junge Berliner Start-Upper, also so jung ist er gar nicht mehr, aber so einer, der Spaß hat und das alles witzig findet und flapsig und verdammt nochmal, es geht hier um die Todesstrafe, es geht hier um einen 18-jährigen Angeklagten. Aber immerhin ist er der. der seine Meinung ab und zu mal hin und her wächst. Also wenn sich einer, in dem Film ist es eigentlich so, wenn sich einer für nicht schuldig dann entschieden hat, ins andere Team gewechselt ist, dann bleibt diese Person auch. Und er ist der Einzige, der wirklich unsicher ist. Und ich kaufe ihm diese Unsicherheit auch ab. Weil er nämlich aus diesem Ich-Spiele-Absolute-Selbstsicherheit-und-Kontrolle-Kommt. Und umso spannender ist es zu sehen, was für ein unsicherer und auch unerfahrener Mensch sich dahinter verbirgt, der noch überhaupt nicht weiß, wo er steht im Leben.
Johannes Franke: Und ich finde es total spannend, weil er ja nun wirklich eigentlich prototypisch für Amerika steht. Ich habe fast das Gefühl, dass so ein bisschen Mitgefühl des Autoren durchspringt. Der sagt, ja, wir sind auch alle da, wir stehen auch alle vor solchen Problemen und wissen einfach nicht, was ist jetzt das Richtige. Und dann gehen wir mal in die Richtung und mal in die Richtung und stochern eigentlich nur drin rum und hoffen, dass irgendwie das Richtige bei rauskommt. Also ich habe so ein bisschen Mitgefühl, aber irgendwie nervt er mich auch echt kolossal. Absolut.
Florian Bayer: Vielleicht ist es auch so leicht, ihn zu hassen, weil man ein Stück von sich selbst da drin wiederfindet von dieser Unsicherheit. Weil diese Unsicherheit ist ja ein ganz wesentlicher Bestandteil des Films. Wir kriegen keine finale Erlösung in diesem Film. Wir kriegen nicht gesagt, ob die jetzt mit ihrem Urteil richtig liegen. Wir wissen nicht, ob dieser Junge schuldig oder unschuldig ist.
Johannes Franke: Das ist die beste Entscheidung für den Film überhaupt. Absolut.
Florian Bayer: Und diese Unsicherheit ist ein ganz wichtiger Kern, weil es geht gar nicht... es geht gar nicht um die Frage, ob er unschuldig oder ob er schuldig oder unschuldig ist. Das ist überhaupt nicht wichtig. Es geht halt um andere Sachen. Aber diese Orientierungslosigkeit, die spüren wir halt auch in diesen Momenten. Weil ich finde, am Anfang, wenn das dargelegt wird von der Gegenseite, von denen, die sagen schuldig, dann hat das alles total Hand und Fuß. Und ich habe den Film schon öfter gesehen. Aber jedes Mal, wenn ich ihn sehe, denke ich so nach den ersten zehn Minuten, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber wie schafft es jetzt Henry Fonda nochmal da irgendeinen Zweifel reinzusehen. Weil es ist so eindeutig.
Johannes Franke: Ja. Aber er macht das gut. Er macht eine Verhandlung. Er sagt denen, okay, Leute, lasst uns einfach eine Zeit festlegen. Dann wissen wir, das Ganze ist endlich und ihr könnt auf jeden Fall nach Hause gehen.
Florian Bayer: Oder zu eurem Spiel.
Johannes Franke: Eine Stunde. Lass uns nur einfach sagen, wir machen eine Stunde, wir sprechen einfach drüber. Mal gucken, mal gucken, wo es hinläuft. Und wenn wir nach der Stunde sagen, ja, ach, was soll's, keine neuen Erkenntnisse, dann ist das auch so. Und der eine fängt gleich an, Anekdoten rauszuholen. Oh ja, wenn wir jetzt eine Stunde Zeit haben, erzähle ich euch mal von dem, was ich gerade erlebt habe. Und ich denke, oh mein Gott, dafür ist es nicht da.
Florian Bayer: Das ist nicht der Gedanke. Und dann machen sie das, was sie eigentlich nicht sollen. Sie rollen diesen Fall nämlich komplett neu aus.
Johannes Franke: Oh mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes. Ich befürchte, wir befinden uns in einer Selbstprobung.
Johannes Franke: Oh nein!
Florian Bayer: Shit! Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind. Also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren sollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de.
Johannes Franke: Genau, schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah,
Florian Bayer: das soll schnell durchkommen. Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch.
Florian Bayer: Geh mal kurz die Timeline durch. Okay. Ich will nicht so viel über den Fall reden, aber damit wir es einmal so vor uns liegen haben. Ja, ja. Um 8 Uhr.
Johannes Franke: Okay, so deutlich. Okay, ich bin gespannt.
Florian Bayer: Wird der Angeklagte aus dem Haus, nachdem er mehrmals von seinem Vater geschlagen wurde. Ja. Und er kauft sich ein Messer. Mhm. Also ich versuche bei den Fakten zu bleiben. 8.45 Uhr, er trifft sich mit Freunden. Und um 9.45 Uhr verlässt er sie wieder. Und kommt um 10.00 Uhr. nach Hause. Und jetzt gibt es diese unterschiedlichen Versionen der Geschichte. In der einen ist er im Kino.
Johannes Franke: Weiß aber nicht mehr, welcher Film es war.
Florian Bayer: Weiß nicht mehr, welcher Film. Kommt nach Hause um 11.30 Uhr. findet seinen toten Vater. Und angeblich hat er sein Messer auf dem Weg vom Kino verloren.
Johannes Franke: Es ist ihm aus der Tasche gerutscht.
Florian Bayer: Es ist ihm aus der Tasche gerutscht und verloren gegangen, fallen gelassen, wie auch immer. Oder alternative Variante.
Johannes Franke: Er ist nicht zum Kino gegangen.
Florian Bayer: Er ist nicht zum Kino gegangen, bleibt nach Hause, reitet sich weiter mit seinem Vater, tötet ihn und rennt um 10 nach 12 weg, was zwei Augenzeugen bestätigen. Ich kann die verstehen, die Schuldigstimmen. Ich habe es schon mal gesagt. Wir haben die Augenzeugen. Ich hab das gesehen, wie er mit dem Messer auf seinen Vater eingestochen hat. Durch eine Bahn, aber relativ nah, Fenster an Fenster. Und wir haben den Nachbarn, der sagt, die haben sich laut gestritten und er hat ihn richtig zur Sau gemacht. Wir haben ein Motiv, wir haben Zeugen fürs Motiv und wir haben eine Zeugin für die Tat. Wir haben eine Tatwaffe, wir wissen, dass er sich die Tatwaffe ge... eine Tatwaffe gekauft hat, exakt so ist wie die Waffe, mit der der Vater umgebracht wurde. Wir wissen, dass er ein schlechtes Verhältnis zu seinem Vater hatte. Das sind erstmal harte, harte, harte Indizien dafür, dass er schuldig ist.
Johannes Franke: Ja, aber ist nicht die Gesellschaft, in der er aufgewachsen ist, schuldig. Sorry. Gesellschaftsphilosoph geht mit Müll durch. Naja, also die, die, die, ich glaube, die Frage im Film ist ja überhaupt nicht, ob er es war oder nicht. Das ist vielleicht so ein kleiner Teil, daran wird das Ganze abgehandelt, aber darum geht's doch eigentlich auch gar nicht im Film. Also es geht ja darum, wie man sowas bewertet, wie man zur Conclusion kommt und so. Ich find's sehr spannend, dass Henry Fonda so diese Arbeit macht, die eigentlich so ein Verteidiger oder so ein Staatsanwalt, je nachdem, machen sollte. Nämlich... die Gegenseite zu diskreditieren. Der kann das gar nicht gesehen haben, die kann es nicht gesehen haben, die hat doch eigentlich eine Brille. Also solche Sachen, zu sagen, das geht nicht. Und ich gehe hier mal jetzt extra langsam lang, um zu zeigen, dass er es nicht in der Zeit hätte schaffen können, zu seiner Wohnungstür zu kommen, um ins Haus zu gucken, um den Typen da rausrennen zu sehen. Also die Methode ist alt bekannt und dass sie nicht im Gerichtssaal passiert ist, ist ein bisschen... Seltsam. All das, was hier zur Sprache kommt, ist echt seltsam, dass das nicht in der Gerichtsverhandlung zur Sprache gekommen ist.
Florian Bayer: Aber tatsächlich haben wir ja in den USA dieses System mit den... Mit den Strafverteidigern, die vom Gericht gestellt werden.
Johannes Franke: Ja, und die haben keine Lust.
Florian Bayer: Die machen offensichtlich teilweise einen wirklich schlechten Job. Wir haben gar nicht so selten, gerade wenn es so Mordprozesse gibt, dass es Revisionen gibt. Und die Begründung der Angeklagten ist, mein Anwalt hat richtig Scheiße gebaut damals. Der hat ganz viele Sachen ignoriert und oft auch zu Recht, weil die Anwälte dann überarbeitet sind, zu viele Fälle gleichzeitig haben. Und dementsprechend... Nicht mal aus Böswilligkeit, sondern einfach nicht die Zeit haben, noch mal ins Detail zu gehen, um Lücken zu finden in den Geschichten.
Johannes Franke: Es ist ja auch so, dass in dem Film, glaube ich, das gesagt wird, dass wenn du einen Fall hast, der nicht sehr viel Reputation verspricht, also nicht sehr viel Ansehen bringt, dann schnell hinter dich bringen, damit du den nächsten Fall finden kannst, der vielleicht ein bisschen mehr Ansehen bringt, um dich nach vorne zu bringen als Anwalt.
Florian Bayer: Ja. Und so ein Fall von so einem typischen, naja, halt ein Latino, der seinen Vater umgebracht hat aus dem Slum, wo die Staatsanwaltschaft sehr viel in der Hand hat, da muss man nicht so viel Energie rein investieren. Das ist traurig, aber das ist wahrscheinlich die Realität.
Johannes Franke: Ja, wir haben ja dieses Jury-System nicht. Ich finde es interessant, Jury-Duty scheint etwas zu sein, was einfach jeder... in Amerika kennt und womit jeder zu tun hatte. Und jeder war schon mal mindestens auf einem Treffen, wo gesagt wurde, du bist dabei, du bist dabei oder du bist dabei. Manche haben es halt ihr Leben lang irgendwie geschafft, da drum rum zu kommen dann. Aber zumindest auf so einem Treffen als Auszuwählender waren sie eigentlich alle mal.
Florian Bayer: Es ist in den USA eine bürgerliche Pflicht. Wenn du einen Brief kriegst vom Gericht, sie sind als potenzieller Jurykandidat ausgewählt, dann gehst du da hin, sonst gibt es Ärger, sonst wird das teuer.
Johannes Franke: Ja, genau. Und dann kommst du da hin mit mehr als zwölf Leuten. Du bist dann nämlich in einem großen Pool und dann dürfen die beiden Gegenparteien sich Leute aussuchen. In dem Versuch, so wie auf einer Wippe zu sagen, okay, wir versuchen hier für meinen zu Verteidigenden oder für meinen Fall der Ankläger irgendwie... die richtige Mischung an Leuten, an Peer-Leuten zu finden. Leute, die möglichst aus dem Milieu kommen, aus dem der Angeklagte oder eben der Anklagende kommt.
Florian Bayer: Diese Vorauswahl ist ganz spannend, weil es gibt dann ja dieses Vetorecht von sowohl Staatsanwaltschaft als auch Rechtsanwaltschaft. Dann werden die Geschworenen befragt vom Rechtsanwalt und vom Staatsanwalt und die versuchen herauszufinden, wie ticken die und vor allem, was wissen die von dem Fall. Weil gerade im Mordprozess, da liest man ja auch mal was in der Zeitung dazu und dann ist die Frage, wie emotional sind die dabei. War jetzt ganz spannend, wir hatten Anfang des Jahres groß den Trump-Prozess. Da gab es ja viel Berichterstattung auch um die Auswahl der Geschworenen, wo es wirklich schwer war, Geschworene zu finden, weil natürlich haben sowohl Staatsanwaltschaft als auch Rechtsanwaltschaft die Frage gestellt, haben sie eine starke Meinung zu Trump. Und finde mal, wie das so ist. Mal in Amerika eine Person, die keine starke Meinung zu Donald Trump hat. Das ist ziemlich schwierig.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Das ist echt ein Problem. Und es geht nicht nur um die Meinung zu etwas, zu jemandem, der vor Gericht steht, sondern auch zu deinem Background, zu einem Fall. Wenn du vor zehn Jahren vergewaltigt wurdest und du hast einen Vergewaltigungsprozess vor dir, dann wirst du damit anders umgehen. Und das muss irgendwie alles ausbalanciert werden.
Florian Bayer: Um den Bogen zu schlagen zu uns, wir haben ja die Schöffengerichte. Und ein Freund von mir. Der hat auch als Cheffe gearbeitet. Der hat das tatsächlich öfter gemacht, auch in Strafprozessen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und hat so ein bisschen davon erzählt. Also es ist so eine sehr Waterdown-Version von dem, was wir als geschworenen Gericht in Amerika kennen. Meistens ist es ja so, dass zwei Cheffen da sind. Aber der Richter hat das letzte Wort.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Also die Rolle des Richters ist nochmal stärker als in den USA. Aber du als Cheffe. Bist du dann auch in Strafprozessen? Ja. Was bei den Schwunggerichten ja auch ist. Ich weiß nicht, wie es bei so schweren Straftaten ist, weil das hat er zumindest nicht gemacht.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und es kann auch sein, dass es da in Deutschland nochmal anders ist. Aber er war zumindest, wenn es um Verbrechen gegen das Rauschmittelgesetz ging und Liebstahl und sowas, da war er auch dabei und hat dann tatsächlich auch Input gegeben und war wichtig für die Strafmaßfindung anscheinend. Das ist ja in den USA so ein bisschen anders. Das Strafmaß wird vom Richter bestimmt und die Jury darf nur noch Daumen heben oder senken.
Johannes Franke: Wobei anders als in diesem Film das Strafmaß eigentlich auch erst nachher festgelegt wird, nicht vorher.
Florian Bayer: Genau, das Strafmaß wird eigentlich nachher festgelegt. Das ist natürlich für die Dramaturgie wichtig, dass wir das vorher wissen. Aber es gibt ja so eine Range von, wie das Strafmaß aussieht. Und das liegt dann nochmal in meinem Messen des Richters oder der Richterin. Aber es ist schon, wenn du dich zurückziehst als Geschworene, dann gibt es diese Range, wo du schon ungefähr weißt, wo das hinläuft, wenn du für schuldig stimmst.
Johannes Franke: Ja. Aber interessantes Konzept. Die Frage ist allerdings für mich, während des Films, ist das ein gutes Konzept, wenn eine Person es braucht, um alle anderen davon zu überzeugen, dass der elektrische Stuhl für diesen Jungen vielleicht keine gute Idee ist. Und wenn dieser verdammte Henry Fonda nicht gewesen wäre, Nummer 8, dann wären alle sofort nach 5 Minuten rausgegangen und hätten gesagt, ja los, brutzelt den Jungen. Ist das ein gutes System? Ich weiß nicht.
Florian Bayer: Das ist natürlich auch, also das tangiert auch das komplett utopische Moment dieses Films.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Weil der Film hat sehr viele realistische Momente und in seiner Grundaussage, wie Gesellschaft funktioniert, ist er sehr realistisch. Aber die Art, wie jemand, der allein gegen elf steht, elf Leute peu à peu auf seine Seite zieht, hat auf jeden Fall ein fantastisches Moment.
Johannes Franke: Ja, aber, aber, aber, ich habe gehört in der Recherche und gesehen in der Recherche, gelesen in der Recherche, such dir einen Sinn aus, dass es nicht selten passiert, dass eine Person alle anderen mit umstimmt. Es scheint echt oft vorzukommen.
Florian Bayer: Und dann kommen wir natürlich auch zu einer sehr bedeutenden Frage. darf das, soll das?
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Gewinnt der, der am besten debattieren kann. Genau das. Das ist natürlich das Wesentliche. Nummer 8 gewinnt nicht, weil er moralisch höher steht, sondern auch, weil er ein guter Redner ist.
Johannes Franke: Er schafft es, das herzuleiten für alle und ihnen nach und nach auf eine unglaublich gute, geduldige Art und Weise, ihnen nach und nach das beizubringen. Und wie so ein richtig guter Lehrer, der vorne steht und sagt, Komm, lass uns das nochmal, wir gehen das Ganze in Ruhe durch. Es tut nicht weh. So weißt du, wir reden einfach nur nochmal drüber. Und dann sie nach und nach dahin führt.
Florian Bayer: Und in ganz vielen Fällen auch ohne Sachargumente. Ja. Seine Argumente sind ganz oft emotionaler und nahlicher Natur. Genau. Und ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass jemand wie zum Beispiel Nummer... 6, der einfache Maler, dass der das so schaffen würde. Das heißt, wenn er für Nein gestimmt hätte, für unschuldig, hätte es wahrscheinlich nicht geschafft, die Elfer auf ihre Seite zu ziehen. Und der Alte allein hätte es wahrscheinlich auch nicht geschafft.
Johannes Franke: Ja, das stimmt, ja.
Florian Bayer: Und eigentlich, wenn wir realistisch rangehen... Ich weiß nicht, ob es so... Ja, wahrscheinlich schafft es so jemand wie Nummer 8. Wahrscheinlich ist es genau der Typ, den du dafür brauchst. Und Nummer 5, Nummer 4. Nummer 4 und Nummer 3 hätten es wahrscheinlich auch geschafft, andere umzustimmen. Stellen wir uns ein anderes Szenario vor, wo zwölf Geschworene zusammensitzen. Alle stimmen für nicht schuldig. Nur Nummer 3, unser Choleriker, stimmt für schuldig. Der könnte es schaffen, mit ordentlich Rabatz Leute zu überzeugen, dass sie auf seine Seite kommen.
Johannes Franke: Ja, aber mit dem ordentlichen Rabatz, den er hier macht, macht er ja mehr Feinde. Also nicht so schlimm wie bei dem Rassisten. Aber er ist ja so stark, dass manche auch sich zurückziehen deswegen und sagen, also wenn du so mit mir umgehst, dann lass ich das Ganze.
Florian Bayer: Aber am Anfang schafft er es auch wirklich, Leute zu verunsichern. Also zum Beispiel Nummer 2, der Kleine, hat die ganze Zeit Angst vor ihm. Der will gerne umgesetzt werden.
Johannes Franke: Ja, das stimmt. Und auch der Amerikaner,
Florian Bayer: der unser Marketingfuzzi, der lässt sich davon auch total verunsichern. Und es braucht dann schon so jemanden wie der Alte, wenn er rantet und sagt, wer hat jetzt dagegen gestimmt? Wer hat jetzt auch auf nicht schuldig gestimmt? Dann muss der Alte aufstehen und sagen, Stopp, ich war das.
Johannes Franke: Das ist eine super Situation, oder? Weil er wirklich jemanden findet und sagt, du warst das, das war der Jüdische. Ich glaube, der soll Jude sein.
Florian Bayer: Soll der Jude sein? Ja.
Johannes Franke: Der eigentlich im ursprünglichen Skript ist der ja eigentlich Italiener. mit 20, 21 Jahren. Und der Schauspieler, der dafür reingekommen ist, der ist Mitte 30. Der hat gesagt, seid ihr sicher, dass ich das machen soll? Ich pass da überhaupt nicht rein.
Florian Bayer: Das sieht nicht nach meiner Worte aus.
Johannes Franke: Genau. Und dann hat Sidney Lumiere gesagt, ja komm, lass das mal meine Sorge sein, du passt da voll keine rein. Und ich finde, er passt da sehr, sehr gut rein. Und er macht das wirklich sehr, sehr gut. Aber den hat er auf den Kieker und sagt, du hast doch da jetzt dagegen gestimmt. Und es ist ein super toller Moment, wie der Alte aufsteht und sagt, hier, ich war's und ich erzähl dir auch warum.
Florian Bayer: Nummer 3 ist für viele tolle Momente verantwortlich. Ich finde es großartig, wenn es die erste Konfrontation mit Nummer 8 gibt. In der Nummer nochmal erklärt, was seine rationalen Argumente dafür sind. Und dann haben wir diese Diskussion, die damit endet, dass unser Choleriker Nummer 3 sagt, we let's slip him through our fingers. Nummer 8 fragt, was ist, bist du etwa der Executioner? Bist du der, der ihn hinrichten wird?
Johannes Franke: Ja, ich wäre gerne einer von denen, sagt er dann.
Florian Bayer: Und dann nennt er ihn Sadist und dann gibt es ja diesen I kill him Moment.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Der ein bisschen drüber ist, aber der natürlich eine fantastische Szene ist, weil kurz davor, fünf Minuten davor haben sie drüber diskutiert, dass dieses I kill dass das ernst gemeint ist, wenn das jemand sagt. Und dann kann er natürlich ganz ruhig sagen, du wolltest mich nicht wirklich töten, oder? Es gibt ja viele Zeugen, dass du mich töten wolltest.
Johannes Franke: Es ist ein bisschen drüber.
Florian Bayer: Ich bete dafür, dass mir kein Unfall passiert, auf dem Nachhauseblick.
Johannes Franke: Es ist wirklich... Gut gesetzt, dramaturgisch einfach sehr, sehr gut gesetzt. Und das sind diese kleinen Fallen, in Anführungsstrichen, in die er einfach reintappt. Die er auch später dann mit dem Foto und so weiter, aber das können wir später noch machen.
Florian Bayer: Der Film ist ja tatsächlich ziemlich unannounced, was diesen Hintergrund betrifft. Weil er, wenn es sehr früh sein Sohn sagt, ich hab ihn wie scheiße behandelt, hab mit ihm seit drei Jahren nicht mehr geredet. Und dann diese Szene, wie er so traurig auf sein Foto guckt, nochmal von seinem Sohn. Es ist vielleicht manchmal so ein bisschen drüber, was ihm geht. Es wird halt dadurch gerettet, dass er das... wirklich, wirklich gut spielt. Lee Jacob.
Johannes Franke: Wirklich sehr, sehr gut gespielt. Ich finde auch die Situation, wie er das erzählt, so ganz selbstverständlich, ja, also, da habe ich ihn mal gesehen. wie er mit zwölf da, oder wie alt er war, vor einer großen Schlägerei weggerannt ist. Und dann, ich hab mich richtig geschämt für ihn, also wirklich. Und dann hab ich, seitdem hab ich ihm beigebracht, wie man ein richtiger Mann ist. Und wir haben unserem Vater früher mit Sir angeredet. Könnt ihr das euch noch vorstellen? Heutzutage ist das ja nicht mehr so. Weißt du, so dieser, und es ist so, so drüber eigentlich, aber er spielt das so gut, dass man da voll reingeht. Und dass man tatsächlich am Ende, jetzt gehen wir doch aufs Ende ein. Ganz am Ende sein Rant, er ist ja der Endgegner, er ist der Letzte, der sich da... Es ist wirklich wie ein Videospiel,
Florian Bayer: oder? Er ist der volle Endgegner,
Johannes Franke: auf jeden Fall. Ein Gegner nach dem anderen. Mario läuft durch die Welt durch und einer nach dem anderen muss fallen. Und er ist der Letzte und weigert sich mit Händen und Füßen, wie ein kleines Kind eigentlich, weil er einfach nicht davon loskommt, von diesem, die Jugend, ich bin so enttäuscht von der Jugend heute, die kriegt nichts mehr auf die Reihe und hat mich... der ich hart dafür gearbeitet habe, dass es der Jugend gut gehen kann, hat mich im Stich gelassen. Dieser Schmerz sitzt so tief, dass er dann nicht rauskommt. Und wie er das nach und nach versteht, finde ich einfach großartig gespielt.
Florian Bayer: Er hat ja diesen kompletten Zusammenbruch dann. Also auch was davor natürlich krass ist, ist dieser Gruppendruck dann in die andere Richtung. Ich meine, Henry Fonda sagt zu ihm, you're alone. Und wir sehen, wie sie ihn alle anstarrt und wie er dann nochmal anfängt auszubrechen. Und dieser Wechsel von der Wut und der Wut, zu der puren Verzweiflung, purer Traurigkeit und die Art, wie er dann not guilty rausheult,
Johannes Franke: das ist schon sau stark. Ich hab Tränen in den Augen. Wirklich. Das ist wirklich toll gespielt.
Florian Bayer: Das ist ein toller Moment, weil er als Antagonist dann halt auch, er kriegt genau in diesem Moment, wo er seine Schwäche zeigt, kriegt er so ein Stück Menschlichkeit und wir haben dann ja auch eine unfassbar versöhnliche Geste, wenn alle rausgehen und Nummer 8 geht zu ihm mit dem Mantel und gibt ihm den Mantel.
Johannes Franke: Und es ist nicht mal so, dass er ihm irgendwie ermuntert auf die Schutter klopft oder sagt, ach komm, jetzt gehen wir ein Bier trinken und unterhalten uns oder was auch immer oder ihm irgendwas sagt, sondern es ist nur diese Geste. Er hat sich gerade nackig gemacht, er hat sich gerade so verletzbar gemacht und er gibt ihm den Mantel quasi als Schutzschild wieder zurück. Deine Würde, hier hast du sie wieder, alles in Ordnung und er geht wirklich da raus und man hat das Gefühl, okay, der hat wirklich was gelernt. für sein Leben.
Florian Bayer: Wir sehen ihn ja auch am Schluss, wenn sie aus dem Gerichtsgebäude rausgehen, sehen wir ihn ja sehr nachdenklich, sehr weit entfernt. Wir werden gleich noch ein bisschen was zur Kamera sagen müssen. Auf der Treppe und er wirkt eigentlich Er ist die Person, die am stärksten von diesem ganzen Gespräch verändert wurde. Bei anderen Leuten, weil kaum einer von denen findet tatsächlich eine Veränderung statt.
Johannes Franke: Bei dem Rassisten wissen wir es nicht ganz genau. Ja,
Florian Bayer: der Rassist bleibt ein Rassist. Der sagt nur nicht schuldig, weil er jetzt enttarnt wurde. Aber zum Beispiel unser Nummer 4, Nummer 5, unser Rationalist, der bleibt so wie er ist. Und es ist ja auch, spricht ja auch nichts dagegen, weil er hat ja absolut in seinem Charakter hat er die Meinung logisch nachvollziehbar geändert. Henry Fonda wird sich nicht ändern. Henry Fonda macht in diesem Film keine Entwicklung durch, der bleibt Jesus. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser
Johannes Franke: Marketing-Typ In der Marketing, da ändert nichts an sich.
Florian Bayer: Natürlich. Und der, der zum Basketballspiel will, der ändert auch nichts an sich. Oder dass er es zum Spiel rechtzeitig schafft. Er schafft es tatsächlich zum Spiel. Das ist das Happy End. Er schafft es rechtzeitig zum Spiel. Yay! Aber ich finde ja auch, also Henry Fonda hat auch seine, die Figur Nummer 8 hat auch eine ganz große Schwäche. Ganz am Anfang haben wir nämlich eine Badszene. Und ich denke, was machst du da, wenn er dieses typische öffentliche Handtuch, das so einmal rumgeweht ist. nimmt und sein Gesicht einmal komplett reinsteckt. Und ich als Corona-Geschädigter der letzten Jahre sitze da und denke, jetzt bist du tot.
Johannes Franke: Ja, du hast gerade alles mitgenommen, was geht. Geil. Ja, achso, apropos Veränderung. Wer geht als Veränderung durch? Moment, Moment. Ja. Ich hatte einen Gedanken dazu, den habe ich wieder verloren. Egal. Achso, der ganze Film stützt sich auf dieses eine Konzept. was ganz viele Filme so als Rezept haben. Und du hast gesagt, ich darf nie wieder diese Filmregeln...
Florian Bayer: Uh, das ist keine Heldengeschichte. Dieser Film ist keine Heldengeschichte.
Johannes Franke: Das Schöne ist, diese Regeln sagen auch, dass eine Figur im Film eine... eine Epiphanie braucht, um verändert da wieder rauszugehen. Und der Film stützt sich ja darauf, dass es im Grunde elf Epiphanien braucht, um diesen Film ordentlich über die Runden zu bringen. Ich finde es interessant, dass er sich genau darauf stützt. Eigentlich geht es ja nur darum, dass wir eine Epiphanie nach der anderen haben. Ja,
Florian Bayer: aber niemand von denen entwickelt sich. Wie gesagt, die Charaktere bleiben alle gleich.
Johannes Franke: Das stimmt. Naja, nicht alle. Aber ja, fast alle.
Florian Bayer: Alle bis auf den einen. Nimm mir noch einen, der sich verändert im Laufe dieses Films. Also wenn du so auf die Heldengeschichten tropfst, haut alles voll daneben. Henry Fonda ist von Anfang an unser Held. Der hat keinen Zweifel, der wird nicht zurückgehalten. Der geht auch nicht auf eine Reise, sie sind die ganze Zeit in diesem scheiß Raum eingesperrt.
Johannes Franke: Ja, aber es geht ja wirklich. Am Ende, die Frage ist, wenn es um die Hauptfiguren geht. Henry Fonda ist zwar die Hauptfigur, aber eigentlich für mich geht es tatsächlich um diesen Typen mit seinem Sohn. Und das ist die Heldenreise.
Florian Bayer: 1000 faces my ass.
Johannes Franke: Ich bin kein großer Fan von der Heldenreise. Seit du das gesagt hast, muss ich dir das immer wieder unter die Nase reiben, weil es einfach Spaß macht.
Florian Bayer: Keine dieser 1 Personen steht im Mittelpunkt. Ich finde jede Person, manchen Tag, klar, manchen bisschen mehr, manchen bisschen weniger, kriegt ihren Moment oder ihre Momente. Aber letzten Endes geht es vor allem um diese soziale Konstellation, in der sie sich bewegen und in der irgendwie Gesellschaft und Diskurs ausgehandelt wird. Wie bewegen wir uns in der Gruppe?
Johannes Franke: Okay, die große Frage, die sich mir natürlich stellt, während ich den Film gucke und begeistert bin. Wie schafft der Film das, im Gegensatz zu Marvel, die einen Haufen Buhai machen, zwölf Leute in einem Raum zu zeigen, die sich einfach nur unterhalten? Wieso lieben wir diesen Film?
Florian Bayer: Das krasse ist, es gibt... unfassbaren Kontrast zwischen dem, was auf der Leinwand geschieht und zwischen dem, wie wir es als Publikum wahrnehmen. Was auf der Leinwand geschieht, erzählt uns nämlich eigentlich, dass diese Zeit, die da passiert, in dem Raum, die vergeht, dass sie unglaublich träge ist.
Johannes Franke: Es ist heiß.
Florian Bayer: Es ist ätzend. Die sitzen da rum. Die langweilen sich auch. Das ist zermürbend. Die sind fertig mit den Nerven. Und du guckst diesen Film und er ist ja unglaublich kurzweilig. Ich hab letzte Woche, als du gesagt hast, als du im Vorgespräch gesagt hast, ah und wahrscheinlich werde ich dir den geben, Hab ich so ganz spontan gesagt, Billy Wilder? Ich wusste es tatsächlich nicht mehr, dass das Sidney Lumet ist. Ich hab ihn aber nicht ohne Grund Billy Wilder zugeordnet, weil der Film halt auch das hat, was Billy Wilder hat.
Johannes Franke: Das stimmt.
Florian Bayer: Dass er es schafft, dieses Geschehen ohne große Action sehr kurzweilig zu erzählen. Wir sagen die ganze Zeit, wir kommen noch zur Kamera zu sprechen, wir kommen noch zur Kamera zu sprechen, weil es natürlich auch so ist, wir werden das gleich sehr schön dahinlegen, aber der Film... macht das, was man perfekt, was man unsichtbaren Schnitt nennt. Du denkst, während du diesen Film guckst, denkst du gar nicht darüber nach. Oh, und jetzt sind mehr Totalen als davor, jetzt sind mehr Nahen als davor, davor war doch alles Totale. Denkst du überhaupt nicht drüber nach, weil er schafft diese ganzen technischen Finessen, die er drin hat, um diesen Miniraum zu inszenieren. Das ist halt einfach mal ein fucking Kammerspiel. Schafft er es so unterzubringen, dass du dir einfach keine Gedanken über die Technik machst, sondern reingezogen wirst?
Johannes Franke: Absolut. Ich glaube aber auch, dass es einen inhaltlichen Grund gibt. Und ich glaube, der Grund, Das liegt ein bisschen darin, dass wir auch den heute noch mögen. Liegt glaube ich auch darin, dass Henry Fonda eine Diskussionskultur herausfordert. und fordert darüber, zusammen nachzudenken, was wir heute in so Talkshows und so weiter nicht mehr haben und wonach wir uns, glaube ich, miteinander durchaus sehnen. Nämlich, dass wir, ich weiß nicht, ob ihr da draußen immer mal ganz alte Talkshows anschaut. Es gibt auf YouTube ganz alte Talkshows.
Florian Bayer: So geil, weil sie alle rauchen dürfen.
Johannes Franke: Ja, genau. Da sitzt dann Helmut Schmidt da, raucht eine nach der anderen und die sitzen dann zusammen und überlegen richtig, wie machen wir es denn? Heute kommst du als Politiker in eine Talkshow mit einer Meinung und wenn du nicht mit der gleichen Meinung wieder rausgehst, dann bist du schwach gewesen.
Florian Bayer: Dann hast du verloren.
Johannes Franke: Und dann hast du verloren. Und ich glaube, das ist ein großes Problem. Früher war alles besser. Nein, das nicht. Aber ich glaube, das ist ein Teil, dadurch, dass wir so eine schnelllebige Welt entwickelt haben und uns das vor Herausforderungen stellt, dass das etwas ist. wo wir noch zu knapsen haben dran, wo wir mal gucken müssen, ob wir das noch irgendwie hinkriegen, dass wir wieder eine Diskussionskultur entwickeln, wo wir gemeinsam da sitzen können und uns einfach überlegen können, wie machen wir es denn? Und ich darf auch mit einer anderen Meinung rausgehen, als ich reingegangen bin. Ich finde es wahnsinnig wichtig.
Florian Bayer: Und trotzdem hat man am Schluss im Film das Gefühl, es gibt Gewinner und es gibt Verlierer, oder? Also Nummer 8 hat klar natürlich gewonnen. Nummer 3 hat irgendwie verloren.
Johannes Franke: Nein, es gibt nur Gewinner. Es gibt nur Gewinner? Ich glaube, es gibt nur Gewinner.
Florian Bayer: Selbst der Racist?
Johannes Franke: Ja, natürlich, selbst der Racist, gerade der. Der musste einfach mal einmal gesagt bekommen, dass er totaler Scheiße ist.
Florian Bayer: Dann ist der Film aber wirklich eine Utopie. Dann hat der Film wenig Realität.
Johannes Franke: Ja, natürlich ist das eine Utopie, absolut. Das, was er da fordert, dass wir uns einfach mal hinsetzen und darüber nachdenken, obwohl es keine augenscheinliche Dringlichkeit gibt, weil alle ja gedacht haben, naja, der ist halt schuldig. Das sagt doch schon alles.
Florian Bayer: Ich schätze den Film halt auch tatsächlich für eine spezifische Form von Realismus, die in seinen Dialogen sind. Aber ich sag's schon so. Weil es scheint immer auf so einer universellen Ebene realistisch zu sein. Das ist natürlich irgendwie so kompakt. Das ist kompakte Zeit, das sind kompakte Menschen. Kein Mensch ist so prototypisch wie die Figuren da drin. Und trotzdem, hinter dieser ganzen universellen Fassade sind da sehr viele Momente, wo du sagst, ja, So funktioniert Diskurs auch und so funktioniert Diskurs halt heute noch. Und nicht nur, wenn man sich aussprechen lässt, sondern auch, wenn man sich gegenseitig anschreit, weil die schreien sich an. Ja, ja,
Johannes Franke: ja, klar.
Florian Bayer: Das sind die 12 Angry Men, der heißt ja nicht umsonst so.
Johannes Franke: Aber trotzdem beweisen alle diese Männer, also fast alle, Stärke, indem sie sich umstimmen lassen. Indem sie sagen, okay, ja, wenn ich mir das so anschaue, wenn ich es von deiner Perspektive aus sehe, dann kann ich sehen, dass da reasonable doubt ist.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Und das möchte ich dir geben und deswegen lasse ich mich umstimmen.
Florian Bayer: Abgesehen von den dreien, die aus Gruppendruck sind.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Und den zwei, die einfach nur nicht schuldig stimmen, weil sie von der Gruppe kaputt gemacht wurden. Also der Rassist hat keine Überzeugung mehr am Schluss. Der sagt einfach nur nicht schuldig, weil er keinen Bock mehr hat. Der wurde einfach fertig gemacht, den haben sie weich geklopft.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und um ehrlich zu sein, Nummer drei wurde auch weich geklopft. der kann auch dieses Nichtschuldig nur noch rausholen, weil es zu viel ist für ihn emotional.
Johannes Franke: Naja, aber er ist ja auch herzlich auch selbst weichgeklopft, muss man sagen.
Florian Bayer: Er hat sich auch selbst weichgeklopft, ja, das stimmt. Sidney Lemays Regie-Debüt.
Johannes Franke: Das ist der Hammer, oder? Das ist der absolute Wahnsinn. Er hat vorher TV gemacht. Ja. Darf man nicht unterschlagen, weil so ein Film ganz ohne Erfahrung ist vielleicht auch ein bisschen viel, aber er hat vorher vor allem TV gemacht. Und jetzt ist er irgendwie in dieser ganzen aufregenden Gruppe in New York. Die haben damals Method angefangen, diese Schauspieler. Und er war irgendwie auch in so einer Gruppe, in so einer Method-Entwicklungsgruppe und ist dann wieder rausgeflogen, weil er gesagt hat, das ist mir zu engstirnig.
Florian Bayer: Das ist voll der Bullshit. Was soll damit? Ich find's super.
Johannes Franke: Und hat da verschiedene Leute kennengelernt. Und dann ging's halt eins zum anderen. Die Leute sprechen und gingen sich Empfehlungen gegenseitig und dann hat er den Stoff in die Hand bekommen.
Florian Bayer: Und wir haben hier so ein traditionelles amerikanisches Kammerspiel, dass man... gerne vergisst, dass Sidney Lumet später zu den Großen des New Hollywood gehören sollte. Mit so Filmen wie Serpico und Dog Day Afternoon, der meiner Meinung nach einer der besten New Hollywood Filme überhaupt ist, hat er es wirklich geschafft, große, dreckige, räudige und spannende Filme zu machen. Er hat viel mit Al Pacino zusammengearbeitet und hier haben wir seinen Beginn in den 50ern mit einem wirklich sehr traditionellen Kammerspielfilm. So traditionell, man vergisst gerne. Wenn man das Ding vor sich sieht, denkt man, na klar, ist ein Theaterstück. Ja, Theaterstück ist ein Fernsehfilm.
Johannes Franke: Es wurde fürs Fernsehen geschrieben. 1954 lief das Ding auf CBS. Für Series One, was auch immer das war. Aber es war irgendein, es ist ein Teleplay von Reginald Rose.
Florian Bayer: Und es wurde live gesendet. Die haben draufgehalten und haben... Ah,
Johannes Franke: das weiß ich nicht genau.
Florian Bayer: Es ist insofern schon zumindest so ein bisschen Theater.
Johannes Franke: Krass, ja.
Florian Bayer: Und so wurde es auch von Henry Fonda entdeckt. Der hat das geguckt und dann gesagt, ja, das würde ich... Ganz gerne machen.
Johannes Franke: Genau, also das darf man nicht falsch rum sehen. Henry Fonda hat das ganze Ding angestoßen.
Florian Bayer: Henry Fonda hat das Ding angestoßen. Es war auch klar, wenn das Ding gemacht wird, dann ist er Nummer 8. Da gab es nicht dran zu rütteln.
Johannes Franke: Und er hat dann eben Sidney Lumet in die Regie gehoben. Und die haben dann eben entsprechend Budget oder eben relativ wenig Budget gehabt. Und durften, konnten nur 21 Tage drehen, glaube ich. Es gab es irgendwo anders noch die Zahl 19, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Es kann sein, dass sie unter der Zeit rausgekommen sind, die sie eigentlich zur Verfügung hatten. Ich glaube, sie waren 21 Tage geplant und er hat es in 19 Tagen gedreht. Das hängt dann natürlich damit zusammen, dass er sich wirklich, wirklich viel Zeit für die Proben genommen hat. Wir haben zwei Wochen lang geprobt, was heute völlig undenkbar ist für Dreharbeiten. Also wenn du ganz genau von vorne bis hinten ganz genau weißt, was du machst, zwei Wochen lang geprobt hast, wer wo steht, wer was wie sagt und warum, dann kannst du das Ding viel schneller drehen. Und er hat auch das Licht, das verändert sich ja durchaus im Laufe des Films, wenn das eingerichtet war auf eine bestimmte Stelle, dann wurde in diesem Licht an dieser Stelle alles gedreht, was mal im Film an dieser Stelle passiert. Das heißt, die haben Back-to-Back, erste Szene, letzte Szene, mittendrin eine Szene, da eine Szene. gedreht und die Leute mussten, dadurch, dass sie zwei Wochen lang geprobt haben, ging das, einfach von einer Szene in die nächste switchen, wo sie in einer ganz anderen Situation sind. Das macht man auch heutzutage in Dreharbeiten, aber da ist es mehr so, dass man von Drehort zu Drehort springen muss. Und dann werden natürlich alle Szenen im Schloss gleich hintereinander gedreht, obwohl die vielleicht am Anfang und am Ende des Films existieren. Auf jeden Fall war es durchaus eine Herausforderung für alle und er hat es trotzdem geschafft. das in 21 oder eben 19 Drehtagen irgendwie hinzukriegen. 365 Takes haben sie gedreht.
Florian Bayer: Ja, 337.000 Dollar hat das ganze Ding gekostet. Und obwohl es ein Kammerspiel ist, schaffen sie es halt auch wirklich. Atmosphäre ist so wichtig. Und du hast von Anfang an, also das ist halt auch wirklich von der Kamera gut gemacht, dass du reingeführt wirst in den Raum. Du hast sehr schnell ein Gefühl für diesen Raum, wie er aufgebaut ist. Du hast diesen Totalen, du hast es wirklich so von oben auf die Leute. verstehst diesen Raum sehr früh und obwohl der Raum aufgemacht wird und du verstehst, wer wo sitzt, wie was ist, hast du von Anfang an auch dieses Beklemmungsgefühl, weil alle verschwitzt sind, der Ventilator geht nicht, die Fenster gehen nicht richtig auf.
Johannes Franke: Sehr gut gemacht.
Florian Bayer: Und dann sitzen die da und du spürst den Schweiß und die Tränen, die in diesem Raum sind. Oh, es muss so schrecklich stinken da drin nach einer ganzen Zeit. Und dann, und wie gesagt, das ist was, was einem nicht auffällt, weil Sidney Lumet das wirklich gut versteckt hinter seiner Erzählung und weil es einfach die Erzählung trägt, hast du aber... von der Kamera einen Wandel während der Filmhandlung. Es passiert etwas, nämlich, dass es enger wird. Dass die Kamera näher an die Leute rangeht. Dass die Atmosphäre immer klaustrophobischer wird. Und dass du irgendwann wirklich diese Nahen hast. Auch sehr viel so auf Gesichter drauf, auf der Höhe der Gesichter und Leute, die einfach nur gucken. Und es wird dadurch intensiver und es wird enger.
Johannes Franke: Um mal ganz kurz die technische Seite noch zu beleuchten. Wide-Angle-Lenses, also Weitwinkelobjektive. lassen auch einen Raum größer erscheinen. Also rein physikalisch ist das so. Da kannst du gar nichts gegen machen, wenn du ein Weitwinkelobjektiv benutzt. Das macht das Gefühl von einem offenen, weiten Raum. Und das gilt auch für die Zwischenräume zwischen den Leuten. Man hat mehr das Gefühl, dass die Leute weiter auseinanderstehen bei einem Weitwinkelobjektiv. Und je kleiner das Objektiv wird, also je weniger Raum das Objektiv abbildet, rein physikalisch wird alles physisch... enger. Du hast das Gefühl, dass die Wand viel näher dran ist. Du hast das Gefühl, dass zwei Personen, die nebeneinander sitzen, umso enger nebeneinander sitzen. Und ich finde das so großartig, diese Technik für sich zu nutzen und zu sagen, wenn das schon so ist, dann lass uns das ordentlich einsetzen. Dann lass uns dieses Gefühl dadurch entwickeln. Und das ist ein Debüt von ihm. Und trotzdem hat er sich auf allen möglichen Ebenen schon so weit ausgekannt, dass er das wirklich umsetzen konnte. Natürlich auch der Kameramann, der dann sagt, ja, lass uns das so machen oder so machen.
Florian Bayer: Forrest Kaufman, um den Namen einmal zu sagen, weil es wirklich gute Kamera ist.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Und die andere Sache ist die, Henry Fonda ist am ersten Tag aufs Set gekommen und hat gesagt, meine Güte, die... Die Backdrops, die ihr habt hinter den Fenstern, hinter den Fake-Fenstern, die ihr da habt, die sehen ja scheiße aus. Das geht doch nicht. Ich war gerade bei Alfred Hitchcock. Da konnte man in die Sets quasi reinlaufen. Das sah so echt aus. Das war richtig gut. Und was habt ihr hier gemacht? Und Sidney sagt, nein, nein, nein, alles gut. Macht ihr keine Sorgen. Wir haben alles mit dem Kameramann genau getestet und überlegt. Das sieht gut aus am Ende. Aber es war wohl echt so live, sah das crappy aus. Vor allem, weil die Perspektive auch irgendwie ein bisschen seltsam ist, weil du eigentlich in einem hohen Gebäude bist, aber trotzdem aus einer Forschperspektive auf das eine große Gebäude schaust, was da im Hintergrund ist und so. Und irgendwie ein bisschen wonky ist es schon.
Florian Bayer: Ja, ich habe so das Gefühl, von Anfang an geht die Außenwelt eigentlich so ein bisschen verloren. Du bist in diesem Raum drin und ich habe... überhaupt nicht auf das Traum hingeachtet. Selbst wenn sie am Fenster stehen und versuchen zusammen das Fenster aufzureißen, dann haben wir ja wirklich einen langen Shot. Obwohl wir das vermeintliche Außen sehen, betrifft es mich nicht sonderlich. Also es interessiert mich einfach nicht, weil ich zu sehr bei diesen Menschen schon drin bin. Wenn Henry Fonda auf die Nerven geht, wenn er da steht und so verloren aus dem Fenster kommt.
Johannes Franke: Wenn wir schon bei Technik sind, noch eine kleine Sache, weil ich das wahnsinnig beeindruckend finde. Zwölf Leute an einem Tisch, die sich unterhalten, zu filmen. und aufzulösen von einem Blick, wer guckt wohin, zu einem anderen, ist wahnsinnig schwierig. Ich gebe euch ein kleines, kurzes Beispiel, damit ihr euch vorstellen könnt, was ist. Wenn ihr im Theater sitzt, vor der Bühne, dann habt ihr quasi eine unsichtbare Wand vor euch, die zwischen der Bühne und euch existiert. Das heißt, ihr habt eine ganz klare Perspektive vom Zuschauer auf die Bühne. Wenn ihr jetzt euch hinter die auf der Bühne stehenden Leute denken würdet, dann würden die beiden handelnden Personen den Platz wechseln. Der eine, der gerade noch links stand, steht jetzt rechts vom Gefühl her, weil ihr auf die andere Seite gegangen seid. Wenn man das im Film einfach so macht, die Kamera von einer Seite, also den Zuschauer, von der einen Seite auf die andere Seite zu wechseln, dann verwirrt euch das völlig, weil ihr nicht wisst, dass ihr gerade von einer Seite auf die andere Seite gelaufen seid, weil die Kamera nicht gelaufen ist, sondern nur geschnitten hat.
Florian Bayer: 180-Grad-Regel wird das auch genannt, dass du dich in einem ganz bestimmten Kreis mit der Kamera aufhalten musst, um zu verhindern, dass ein... Publikum das Gefühl hat, haben die gerade den Platz getauscht.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Und Leute, die keine Erfahrung haben mit Filmen, die machen das einfach, weil sie Fehler machen.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Es gibt tatsächlich Beispiele im Low-Budget, No-Budget-Bereich, wo unerfahrene Kameraläute, unerfahrene RegisseurInnen einfach die Regel verletzen. Und dementsprechend wirkt es dann irgendwie komisch. Und vielleicht merkt man als Zuschauer noch nicht mal so auf den ersten Blick, was komisch ist. Aber es kommt einem komisch vor. Und es gibt natürlich auch ein paar, die das gerne brechen, wie zum Beispiel Jolly Gouda.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Um das auch noch einmal in den Raum zu werfen. Es gibt durchaus Filme, die das auch schaffen, diese auch ganz tolle japanische Filme, die das schaffen, diese 180-Grad-Regel kaputt zu machen und trotzdem, oder damit zu spielen und damit eine bessere Orientierung zu erzeugen. Aber für so einen traditionellen Film, wo du willst, dass der Zuschauer sich im Raum zurechtfindet und weiß, wer wo sitzt, halte dich an diese Regel.
Johannes Franke: Genau. Und wenn du jetzt ein Gespräch zwischen zwei Leuten hast, ist das relativ einfach. Du musst dich immer nur auf der einen Seite der gedachten Linie zwischen Publikum und Akteuren bewegen mit der Kamera. Solange du diese Linie nicht überschreitest, ist alles in Ordnung. Wenn du aber drei Leute hast, wird es schon komplizierter.
Florian Bayer: Und drei Leute geht noch, hier haben wir zwölf.
Johannes Franke: Und hier hast du zwölf Leute, wo du ständig am Überlegen bist, wo ist die Linie zwischen diesen beiden Leuten und wo kann ich mit der Kamera hin, damit wir nicht durcheinander geraten als Zuschauer. Es ist kompliziert wie Hölle und ich kann mir vorstellen, dass dieser Film absolute Hölle war aufzulösen. Also für einen Kameramann, um Gottes Willen, wo waren wir gerade und wo kann ich hin mit der Kamera? Furchtbar.
Florian Bayer: Und es funktioniert dann letzten Endes, wenn wir den fertigen Film sehen, funktioniert es so gut. Du findest dich zurecht im Raum. Ja, du hast nie das Gefühl, lost zu sein. Und ich meine, ein Film muss es auch erst mal schaffen, dass man, keine Ahnung, die ersten 45 Minuten gesehen hat, dass man das Gefühl hat, ja, ich kenne diese zwölf, zwölf Personen, von denen keiner einen Namen kriegt. Und trotzdem kenne ich sie.
Johannes Franke: Ja, und ich weiß, wo wer sitzt.
Florian Bayer: Und genau.
Johannes Franke: Das ist krass. So, jetzt haben wir diesen Ausflug gemacht ins Technische, aber ich würde gerne nochmal zurück in die moralische Sache der ganzen Sache gehen. Was ist denn nun eigentlich wichtiger? Ein Schuldiger, ein Mörder, den wir freilaufen lassen oder ein Unschuldiger im Gefängnis?
Florian Bayer: Ich finde die Frage ist, als Demokrat, der sehr auf unser Rechtssystem steht, finde ich es diese Frage sehr einfach zu beantworten. Natürlich ist es wichtiger, dass ein Unschuldiger nicht verurteilt wird und deswegen haben wir ja auch dieses... was in fast allen demokratischen Rechtssystemen sehr hohes Gewicht hat, dieses Indubio Pro Reo, dass du sagst, du musst, wenn es Zweifel gibt an deiner Schuld, dann wirst du nicht verurteilt. Du musst eine gewisse Sicherheit haben, dass du nicht für ein Verbrechen... verurteilt wirst, dass du nicht begangen hast. Und die beste Möglichkeit, das sicherzustellen, ist halt, dass ganz klar dir nachgewiesen werden muss, dass du schuldig bist. Nicht umgekehrt, nicht, dass du deine Unschuld beweisen musst.
Johannes Franke: Ich finde es interessant, weil dieser Grundsatz natürlich in unsere Demokratie so ein bisschen eingebacken ist. Und ich das ja auch ganz ohne Frage mit mir rumtrage. Und ich an dieser Stelle, wo die im Bad da sind, und der eine sagt, ja, aber was, wenn wir einen Unschuldigen einbuchten? Und er dann antwortet... Suppose he really did kill his father and we let him go free. Und diese Szene macht durchaus trotzdem was mit mir, obwohl dieser Grundsatz so sehr in mir verankert ist. macht das was mit mir? Vielleicht auch, weil es was mit Henry Fonda macht in dem Moment, weil er anfängt nachzudenken nochmal und auch nochmal dieses Thema aufgemacht wird. Und das ist ja auch ein großes Thema. Aber ich fand es spannend in dem Moment, dass es überhaupt irgendwas mit mir macht, weil ich ja eigentlich der wirklich absoluten Überzeugung bin, dass wir auf gar keinen Fall so weit kommen können, dass wir einfach Leute auf Verdacht einsperren.
Florian Bayer: Du kannst Menschenrechte oder Bürgerrechte, oder wie auch immer du sie nennen willst, solltest du in erster Linie immer als Abwehrrechte gegenüber dem Staat. definieren. Das ist, glaube ich, ganz wichtig. Und das ist ja so ein ganz zentraler Aspekt unserer Gesellschaft, unserer Gesellschaftsordnung, dass wir sagen, du hast diese Grundrechte und du musst vor dem Staat geschützt werden. Der Staat ist in diesem Narrativ, und das ist auch unser Grundgesetz, der Staat immer eine potenzielle Bedrohung. Und wenn es zum Beispiel heißt, du hast die Meinungsfreiheit, du darfst nicht diskriminiert werden wegen Alter, Geschlecht und so weiter, ist der primäre Bezug immer der Staat. Der Staat ist die Gefährdung davon. Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass du sagst, du hast diese Abwehrrechte als Bürger, weil sonst, wenn das umgedreht ist, dann besteht immer die Gefahr, dass der Staat sich zur Tyrannei entwickeln kann. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber keine Ahnung, in 100 Jahren. Und deswegen sind diese Abwehrrechte so zentral. Und zu diesen Abwehrrechten gehört auch, dass der Staat dich nicht... verurteilen kann, ohne ganz klar nachgewiesen zu haben, dass du schuldig bist. Und ich glaube, das ist ein ganz hohes Gut und das sollten wir festhalten mit allem, was uns zur Verfügung steht.
Johannes Franke: Auf jeden Fall. Aber interessant, ich finde es wahnsinnig spannend, über diesen Film an diese Themen heranzukommen.
Florian Bayer: Ja, total.
Johannes Franke: Aber um mal eine kleine Pause da reinzubringen, wollen wir uns um unsere Top 3 kümmern.
Florian Bayer: Jingle
Johannes Franke: Unsere Top 3 So, wir haben eine Top 3 und zwar die Top 3 großer Cast. Zu groß? Kann man sich all diese Menschen merken? 12 Angry Men hat wirklich einfach einen riesigen Cast. Ich meine, du hast 12 Leute in einem Raum und du musst mit allem irgendwie klarkommen. Du musst sie alle verstehen, du musst alle ordentlich einführen und erklären, was für Motivationen dahinter stecken. Ich find's schon echt riskant.
Florian Bayer: Auf jeden Fall ist das. Ich muss loslegen.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: mein Platz 3. Sehr weit nach oben gerutscht dann doch. Ja, es ist kein großer Cast im Sinne von, das sind CharakterdarstellerInnen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Aber es ist ein großer Cast, der verdammt gut ist. Ocean's Eleven aus dem Jahr 2001 von Steven Soderbergh. Der es schafft mit, oh nein, da habe ich was vorweggenommen von dir.
Johannes Franke: Platz zwei.
Florian Bayer: Der es schafft mit diesen, wirklich mit diesen Stars, ein Ensemble zusammenzustellen, wo jeder... seine Momente kriegt. Und wo jeder einfach cool, lässig, charmant ist. Also ich meine, George Clooney, Matt Damon, Julia Roberts, Brad Pitt, Andy Garcia, Don Cheadle. Es sind viele wirklich große Namen und alle tragen dazu bei, dass das ein tolles Charakterfest ist.
Johannes Franke: Absolut, absolut. Ich habe ihn neulich erst wieder gesehen und ich habe gedacht, das ist so ein Film, wo man retrospektiv sagt, ja, aber das ist so ein typischer männlicher, das mögen doch alle sehr. männlichen Freunde von mir, die mögen diesen Film, warum mag ich den? Aber er ist einfach wirklich geil. Er ist wirklich richtig gut.
Florian Bayer: Der Film ist oberflächlich as fuck, aber er macht so viel Spaß und es ist so ein toller Film.
Johannes Franke: Ja. Bei mir auf Platz 3 ist The Breakfast Club.
Florian Bayer: Oh, der Red Pack.
Johannes Franke: Weil sie einfach alle da sitzen, weißt du, das ist so ein Ensemble.
Florian Bayer: Red Pack? Bread Pack. Von dir erwarte ich eigentlich das Red Pack, aber das sind nicht so viele wie das Bread Pack.
Johannes Franke: Genau. Aber es ist halt super, super schön, weil die einfach, wie auch in diesem Film, In diesem Film, die sitzen alle in diesem einen Raum und müssen nachsitzen und unterhalten sich und es gibt so kleine Geschichten und wer steht zu wem in welchem Verhältnis. Es ist ein super Film. Ich liebe The Breakfast Club. Haben wir den gemacht? Den haben wir gemacht, oder? Haben wir den gemacht?
Florian Bayer: Nein, wir haben über das Breadpack geredet.
Johannes Franke: Aber wir haben über...
Florian Bayer: Die schlimme Variante geguckt, St. Elmo's Fire. Ja,
Johannes Franke: oh Gott,
Florian Bayer: oh Gott. Das war unser Breadpack-Film, weil wir den beide nicht gesehen hatten und wissen wollten, was es damit auf sich hat. Ja. Der hat nämlich keinen guten Ruf, der Film. Zu Recht. Wir haben festgestellt, ja, das ist nicht unbedingt ein besonders guter Film, aber es ist ein toller Trailer.
Johannes Franke: Ja, wirklich toller Trailer. Na gut, okay, also The Breakfast Club. Ja. Klassiker.
Florian Bayer: Mein Platz 2, wenn man an großen Cast denkt, dann ist es halt, Frauen haben es immer noch schwerer als Männer in Hollywood. Aber nicht nur deswegen habe ich mich auf Platz 3, auf Platz 2 für The Hours entschieden. Von Stephen Daltrey, ein Film, der sich mit der großartigen Autorin Virginia Woolf auseinandersetzt, die wahrscheinlich so zu meinen Top-AutorInnen Anfang 20. Jahrhundert, wenn generell 20. Jahrhundert zählt. Und der hat es geschafft, Geschichten zu erzählen, die um sie herum kreisen mit Meryl Streep, Julianne Moore, Nicole Kidman, Toni Collette, Claire Day.
Johannes Franke: Oh mein Gott.
Florian Bayer: Und ein paar Männer sind auch noch dabei, wie zum Beispiel John C. Reilly und Ed Harris. Also auch ein paar große männliche Schauspieler, aber vor allem ist es natürlich ein großes Frauenstück mit einem großartigen Frauenensemble und fantastische Darstellerinnen. Auch wirklich ein guter Film, aber er lebt vor allem dadurch, dass wir hier quasi das Who-is-who des Actings haben. Okay.
Johannes Franke: Da fällt mir noch eine Honorable Mention ein, die ich dann am Ende mit reinwerfen muss. Aber erstmal Platz 2, Ocean's Eleven. Du hast es schon gesagt, es ist großartig. Es ist einfach Entertainment pur. Es macht sehr viel Spaß.
Florian Bayer: Wir sollten mal über Ocean's Eleven reden. Ich mag den Film auch sehr. Ich glaube, es wird so, wir feiern gemeinsam und haben Spaß dran.
Johannes Franke: Und ich finde, dass die Nachfolger nicht alle einfach nur schlecht abstinken. Es gibt echt ein paar ganz gute Sachen dabei.
Florian Bayer: Also ich fand Ocean's Twelve echt lame. Der hat mir gar nicht gefallen, vor allem, weil der es irgendwie schafft, diese Figuren, die so charmant und so cool sind, im ersten Teil zu entzaubern. Ocean's 13 dagegen, fand ich wiederum ziemlich unterhaltsam. Und ich habe den Ocean's 8 noch nicht gesehen. Ein All-Female-Cast?
Johannes Franke: Bin mir nicht mehr sicher, ob ich den gesehen habe. Ich glaube nicht.
Florian Bayer: Aber das war wieder so ein Film, wo die rechte Bubble ausgetippt ist. Ja,
Johannes Franke: natürlich.
Florian Bayer: Ja, George Clooney und jetzt, was macht ihr jetzt? Frauen? Das gibt's ja nicht. Wo sind meine Penisse? Hier, genau.
Johannes Franke: Kein Film ist perfekt, wenn er nicht mindestens eine ordentliche Portion Penis hat. Okay.
Florian Bayer: Mein Platz 1, stellvertretend für every Paul Thomas Anderson Film ever, aber natürlich mein liebster Magnolia.
Johannes Franke: Natürlich. Dein All-Time-Favorite, so vom Gefühl her.
Florian Bayer: Lauter, lauter... Kandidaten für den Oscar als bester Nebendarsteller, weil der Film auch tatsächlich keinen so richtig spürbaren Hauptdarsteller hat, aber Philip Seymour Hoffman in einer seiner besten Rollen, Tom Cruise in seiner besten Rolle, Julianne Moore fantastisch, John C. Reilly groß und William H. Macy, der hier unfassbar gut spielt. Was für ein Film. Nicht nur wegen des Casts, sondern auch wegen so vielen anderen Gründen einfach ein meintender Werk.
Johannes Franke: Ich muss auf Platz 1 eine Filmreihe setzen, die ich jetzt nicht unbedingt auf die besten Filme aller Zeiten setzen würde, aber einfach wegen des Cast-Gedanken, das ist großartig. Lord of the Rings.
Florian Bayer: Oh.
Johannes Franke: Einfach so, die Leute zusammenzukriegen, dass die miteinander funktionieren, dass die eine gute Chemie miteinander haben. Ja. Das musst du erstmal hinkriegen.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall.
Johannes Franke: Also Peter Jackson hat das wirklich, also was das betrifft, volle Punktzahl, würde ich sagen. Ja.
Florian Bayer: Vor allem, weil die... Weil diese ganzen großen Darsteller, die wir hier drin haben, auch wirklich Raum kriegen zu zeigen, warum sie so großartig sind. Also jemand wie Ian McKellen oder John Rhys-Davies auch, der als Gimli kaum wieder zu erkennen ist. Ich würde mal als Gegenentwurf dazu noch vorsichtig Harry Potter sagen, der es vielleicht anders macht. Der sich vollstopft, der alle Menschen, die jemals in England gute Filme gemacht haben oder Charakterdarsteller waren. spielen irgendwo in Harry Potter mal mit.
Johannes Franke: Das stimmt, ja.
Florian Bayer: Jeder englische Schauspieler, jede englische Schauspielerin kriegt in Harry Potter irgendeine Rolle. Und zwar die ganzen großen alten Leute. Aber sie kriegen dann halt eine Rolle, wo sie zwei Sätze sagen und dann wieder verschwinden.
Johannes Franke: Ja, Downton Abbey ist noch so ein Fall. Die war auch, die Serie ist einfach wirklich ein toller Cast, getragenes Ding. Ich hätte noch als honorable mention Murder on the Orient Express. Ich weiß, du magst sie nicht. Du findest die Geschichte zu lame.
Florian Bayer: Du meinst den neuen?
Johannes Franke: Nee, ich mein den von 74 jetzt in diesem Fall.
Florian Bayer: Aber tatsächlich ist mir das Acting da nicht so groß in Erinnerung geblieben.
Johannes Franke: Das geht nicht ums Acting, es geht um großer Cast, das wir viele Leute haben.
Florian Bayer: Viele Menschen. Okay, viele Menschen, dann nehm ich ran von Akira Kurosawa mit den Schlachtzähnen.
Johannes Franke: Und ich hätte noch acht Frauen als Cast. Oh ja. Das ist ein toller Film. Ja,
Florian Bayer: das stimmt. Wow. Und da hast du auch, glaub ich, ziemlich bekannte Namen da drin.
Johannes Franke: Ja, das stimmt, ja.
Florian Bayer: Ah, spannend, ja.
Johannes Franke: Okay, dann gehen wir wieder raus aus unserer Liste und zurück zu 12 Angry Men.
Florian Bayer: Das war unsere
Johannes Franke: Top 3. Und zu unserem? Fazit. Ist die Stimme ausgegangen?
Florian Bayer: Ich versuche irgendwie deine übertriebene Stimme, die jetzt im Jingle kommt, und zwar jetzt.
Johannes Franke: Das Urteil.
Florian Bayer: Genau die meinte ich, die wollte ich vorweg nehmen.
Johannes Franke: Ja, das hat nicht funktioniert. Ich will es nochmal versuchen, Flo. Ah,
Florian Bayer: zieht.
Johannes Franke: Ja, nicht schlecht, aber ich sage Urteil.
Florian Bayer: Ich weiß.
Johannes Franke: Okay, wollen wir ins Urteil reinrennen? Ja. In unser Verderben. Fang du mal an.
Florian Bayer: Ja, ich muss anfangen. Das ist dein Vorschlag gewesen und ich bin dir sehr dankbar, dass du mir vorgeschlagen hast, weil ich hatte wieder sehr schöne... Der Film ist lang. Das ist krass. Man merkt das gar nicht, dass der so lang ist. Also ich hatte wieder sehr schöne 100 Minuten mit diesem Film. Hab mich sehr gefreut, auch wieder an so Sachen erinnert. Weißt du, du kommst in den Raum und denkst, krass, ich weiß gar nicht mehr genau, wer da alles drin war. Und dann fangen sie an zu reden und so die ersten Sätze sind gewechselt und du denkst so, ach ja. Und jetzt kriege ich die Personen alle wieder so ein bisschen zugeordnet und zusammen. Hab mich ein bisschen gestört an diesem doch sehr messianischen von... Von unserem Hauptdarsteller, von unserem Protagonisten Henry Fonda. Aber nach wie vor ein sehr zeitloser Film. Ich habe keines der Remakes gesehen.
Johannes Franke: Ich auch nicht. Nicht richtig. Ich habe nur ganz kurz mal geguckt, was das war in den 90ern.
Florian Bayer: Ich habe auch nicht das TV-Original gesehen, das mittlerweile offensichtlich remastered wurde. Und man kann sich das jetzt auch angucken. Und ich würde behaupten, vielleicht lohnt sich das da auch mal reinzugucken. Bis dahin würde ich sagen, es ist einfach ein fantastischer Good Old Hollywood 50s Film.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: trotz Kammerspiel-Atmosphäre sehr Großes erzählt.
Johannes Franke: Ja. Was wir leider nicht besprochen haben, und ich weiß, es ist immer lame, im letzten Moment noch was reinzubringen, aber das ist mir jetzt aufgefallen. Ich weiß, du findest das doof. Aber der alte Mann, wie er den anderen alten Mann, das haben wir am Anfang angesprochen, also muss es jetzt den Kreis auch schließen. Es ist doch irgendwie auch süß und gut erzählt, oder? Dieser alte Mann, der nichts... der nie gefragt wurde um seine Meinung. Das ist hoch spekulativ. Er sieht das bloß in diesem Typen. Und es beweist überhaupt nichts, wie so vieles in diesem Film. Nichts beweist. Man nur Zweifel sät an der eigenen Meinung. Aber ich finde das wirklich schön hergeleitet. Vielleicht am Ende doch ein bisschen sehr melancholisch, vielleicht ein bisschen kitschig auch. Aber der Mann, der endlich mal gefragt wird und der auch was beitragen möchte, und sich vielleicht deswegen besonders gut erinnert, in Anführungsstrichen gut erinnert, weil er einfach auch gefragt wird und er dann auch wirklich beitragen möchte und helfen möchte, das aufzuklären. Ich finde das eine total schöne Beobachtung einfach.
Florian Bayer: Dieser Alte spielt ja auch noch eine Rolle, um den Kreis wirklich vollends zu schließen, dann ganz am Schluss. Zwei Namen erfahren wir in diesem Film von den ganzen Nummern.
Johannes Franke: Ah ja, genau.
Florian Bayer: Wenn sie am Schluss aus dem Gerichtssaal gehen und dann der Alte wirklich unsere... Nummer 9 rennt Nummer 8 hinterher und fragt uns. Es gibt einfach einen kurzen Namensaustausch. Und es ist natürlich so, es ist sehr drauf, aber es ist natürlich so ein Stück Menschlichkeit. Sie werden jetzt zu Menschen, weil sie jetzt ihren Namen wiederkriegen. Sie sind nicht mehr nur Zahlen in diesem System.
Johannes Franke: Mr. Davis und Mr. McCardle. Also ich glaube, ich kann deinem Fazit gar nicht mehr so viel dazugeben. Ich finde es einen großartigen Film, ganz beeindruckend, dass man sich einfach nur hinsetzt und zwölf Leuten dabei zuschaut, wie sie... Und man will mitmachen, man will dabei sein und mitdiskutieren und überlegen. Man will mit diesen zwölf Leuten zusammen überlegen. Und das schaffen selten Filme so in der Immersivität. Ja. Das finde ich toll. Insofern absoluter Muss-man-sehen-Film. Nicht nur, weil er aus den 50ern ist und ich einfach sage, guck alles, was in den 50ern passiert ist. Und ja, ich freue mich. Vielen Dank, dass ihr dabei wart. Vielen Dank, Flo, dass du hingeguckt hast.
Florian Bayer: Danke, dass du mir den Film gegeben hast. Euch vielen Dank fürs Zuhören. Nächste Woche gibt es Gott sei Dank mal keinen Film von uns beiden, sondern einen Publikumswunsch. Und worum es dabei geht, erfahrt ihr clickbaity nach diesem wunderschönen Outro von Johannes, der noch einmal den Universal-Titelsong auf Ukulele spielt. Immer live.
Johannes Franke: Immer live. Genau,
Florian Bayer: ich vor jeder Episode und nach jeder Episode live.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Bis dahin, euch eine schöne Woche.
Johannes Franke: Tschüss. Bling, bling, bling, bling. Okay, bis gleich. So, wir haben endlich wieder einen Wunsch aus der Zuhörerschaft.
Florian Bayer: Das Endliche, ein Wunsch, das ist so voll gelogen, genau wie beim TV-Gewinnspiel gesagt wird. Es hat noch keiner angerufen. Wir haben tatsächlich eine ziemlich lange Liste von Wünschen.
Johannes Franke: Verdammt.
Florian Bayer: Du, ja genau, du bist gemeint. Wir haben deinen Wunsch nicht ignoriert. Du stehst auf dieser Liste. Wir haben echt eine lange Liste und wir wollen nicht nur Publikumswünsche abhandeln. Deswegen wird es dazwischen immer mal wieder auch Vorschläge von uns geben. Aber wir haben diese Liste und auch dein Film wird drankommen. Wirklich, versprochen.
Johannes Franke: Und wenn ihr noch keinen Film vorgeschlagen habt, dann schreibt uns einfach. Ihr wisst Bescheid.
Florian Bayer: Weil was uns noch fehlt, ist eine noch längere Liste an Publikumswünschen.
Johannes Franke: Wir müssen ja die nächsten zehn Jahre noch durchhalten.
Florian Bayer: Stimmt. Also es kann durchaus sein, dass dein Wunsch, genau dich meine ich jetzt, nicht dich, sondern dich, vielleicht erst 2025 kommt. Wie gesagt, die Liste ist relativ lange. Und es kann sein, dass du, genau du, du stehst glaube ich ein bisschen weiter unten, aber du stehst recht weit oben. Also du bist wahrscheinlich dann demnächst dran. Aber was haben wir denn jetzt eigentlich?
Johannes Franke: Und zwar hat uns jemand mit einem schmissigen Namen, so Benutzernamen, wie man die halt auswählt. Und zwar Benutzer 1146618506 hat uns geschrieben.
Florian Bayer: Bei Spotify, ne?
Johannes Franke: Bei Spotify, da kann man kommentieren. Leider können wir nicht antworten auf Spotify, das ist technisch nicht vorgesehen. Aber er hat uns drei Möglichkeiten gegeben. Entweder Paper Moon, Angel Heart oder Shawshank Redemption. Was nehmen wir davon? Shawshank Redemption.
Florian Bayer: Denn wenn wir schon Publikumswunsch erfüllen, dann soll es auch einer sein, der bei IMDb ganz oben ist. Bei den beliebtesten Filmen ever.
Johannes Franke: Ist das so?
Florian Bayer: Der ist auf Platz 1.
Johannes Franke: Der ist auf Platz 1. Oh mein Gott. Okay, ja gut. Paper Moon kann ich mithalten, es tut mir leid.
Florian Bayer: Vor dem Paten 1 und 2. Das ist der beliebteste Film bei allen IMDb-Usern. Der beste Film aller Zeiten. Laut den Menschen, die IMDb lesen und angemeldet sind. Fuck.
Johannes Franke: Okay, das hast du also schnell recherchiert, Flo. Und dann werden wir uns jetzt... Auf nächste Woche, Freunde, schaltet wieder ein, wenn es wieder heißt,
Florian Bayer: die verurteilten 1994 Shawshank Redemption muss man sehen.
Johannes Franke: Oh Gott,
Florian Bayer: das ist weh. Was für ein Outro.