Episode 195: Die Vögel – Tierhorror und Mommy Issues
Als Melanie Daniels den Anwalt Mitch Brenner in einem Vogelfachgeschäft kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Die beiden Lovebirds verabreden sich einvernehmlich zu einem Wochenende in Mitches Häuschen am See, in dem er sein nettes altes Mütterchen pflegt. Nebenbei lernen beiden ein bisschen was über Ornithologie. Ende.
Naja, gut. Das erste Treffen der beiden klingt eher, als könnten sie sich auf den Tod nicht ausstehen. Und so richtig einvernehmlich ist das Treffen der beiden in Mitchs nettem Häuschen auch nicht.
Mitch hat nie zugestimmt, dass sie ihn in seinem Häuschen besucht. Sie stalkt ihm hart hinterher und lässt ihm statt eines Pferdekopfes auf dem Bett zwei Vögel im Wohnzimmer da. Überraschenderweise findet Mitch das gar nicht so creepy und zwischen den beiden entwickelt sich eine sexuelle und vielleicht auch romantische Spannung. Aber so richtig ausleben können sie das ganze nicht, da sich nach und nach sämtliche Vögel der Umgebung zum Flashmob verabreden und über wehrlose Menschen herfallen.
Der Horror bricht über das Städtchen herein und tatsächlich sterben einige Menschen durch Vogelangriffe. Irgendwann sind sie überall. Die Menschen flüchten, wie auch schließlich unsere Protagonisten, die in eine ungewisse Zukunft fahren.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 195: Die Vögel – Tierhorror und Mommy Issues Publishing Date: 2024-09-25T09:04:19+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/09/25/episode-195-die-voegel-tierhorror-und-mommy-issues/
Florian Bayer: Wenn die Kinder vor den Vögeln rennen, er hat die auf Laufbänder gestellt und hat die rennen lassen.
Johannes Franke: Ich will Outtakes davon sehen. Weil du hast Kinder in drei Reihen hintereinander auf diesen Laufbändern. Und sobald ein Kind vorne stolpert, fallen sie alle um.
Florian Bayer: Herzlich Willkommen zum ersten Halloween Special vom Mussmannsehen Podcast.
Johannes Franke: Das ist peinlich.
Florian Bayer: Wir machen einen ganzen Monat lang Horror. Einen ganzen Monat lang Horror. Das wird so großartig. Ich freu mich so drauf.
Johannes Franke: Du hast es irgendwie geschafft, Weihnachten, was ich schon schrecklich finde, auszutauschen gegen Halloween. Was mich so... Ich verstehe an sich den Spaß daran zu sagen, okay, wir machen mal einen Monat lang irgendwie nur so Gruselzeugs. Das Problem ist, ich sag Gruselzeugs. Du sagst Horror. Ich mag Horror nicht. Plor, wie kannst du mir das antun?
Florian Bayer: Ich hoffe es irgendwann zu schaffen, dir die Schönheit des sich Fürchtens zu lehren.
Johannes Franke: Ja, also ich meine, ich habe die Schönheit des Fürchtens durchaus kennengelernt, aber nicht bei mir, sondern ich gucke mir gerne andere Leute an, wie sie meinetwegen im Kino im sicheren Sessel sitzen, auf die Steinleinwand starren und sich trotzdem in Lebensgefahr fühlen. Ich finde das Konzept an sich sehr geil. Aber ich komme damit nicht klar. Vor allem nicht bei so Body-Horror-Zeugs. Ja,
Florian Bayer: das kann ich total gut verstehen. Aber so der Adrenalinrausch von einfach einem guten, ordentlichen Krusel, von einem perfekt gesetzten Jumpscare, einfach von einer unguten Atmosphäre.
Johannes Franke: Das ist das Billigste, was du überhaupt machen kannst. Natürlich.
Florian Bayer: Jumpscares wird es von mir auch tatsächlich nicht sonderlich viel geben. Okay,
Johannes Franke: gut.
Florian Bayer: Wir machen einen Monat lang Horror und wir werden aber trotzdem unserem Konzept treu bleiben. Sprich, eine Woche schlage ich einen Film vor, eine Woche Johannes. Und wie es das Schicksal so will, muss Johannes anfangen. Und... Der absolut keine Horrorfilme mögende Johannes muss mir einen Horrorfilm vorschlagen und er hat sich diese Woche entschieden für
Johannes Franke: The Birds. Die Vögel von Alfred Hitchcock. Das zahmeste, was mir eingefallen ist, wenn es um Horror geht. Und ich weiß auch gar nicht, ob du der Meinung bist, dass das in Horror hineinpasst oder ob es eher doch sehr grusellastig ist.
Florian Bayer: Nein, absolut. Ich habe gefeiert, als du den vorgeschlagen hast. Ich finde, der passt total gut rein. Der passt eher zu Halloween. Das ist ein guter Start, finde ich.
Johannes Franke: Okay, okay. Weil... Man muss dazu sagen, dass viele Leute, die so modernen Horror besonders mögen, über The Birds nur lachen. Und dass The Birds zwar damals irgendwie schon auch so seinen Shock-Value hatte, aber auch damals schon Leute gesagt haben, ja jetzt wird's billig, geh wieder zu den Thrillern zurück.
Florian Bayer: Ja, ich glaube die Frage ist einfach, was man von einem Gruselfilm oder von einem Horrorfilm erwartet.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und wir leben in einer Zeit, in der Horror sehr effektiv ist. getrieben ist. Also es gibt natürlich auch den Post-Horror, der die ganze Zeit so in der Nische nebenher läuft. Aber der Mainstream-Horror ist sehr Effekt getrieben und das war ja eigentlich schon immer so ein bisschen. Und dann sticht so ein Film wie Die Vögel, der halt seine Art von Terror sehr viel subtiler kommuniziert, sticht halt irgendwie heraus und sticht vor allem, kann auch für Genre-Fans unangenehm herausstechen, was ich nie verstanden habe. Ich finde tatsächlich, der hat unglaublich viel, was zu einem guten Horrorfilm dazugehört. Vielleicht nicht die krassen Schocks, vielleicht nicht die krasse Angst, aber andere Sachen, die ich ganz wesentlich finde für gelungenen Horror. Und ich hoffe, wir finden das auch jetzt, wenn wir drüber reden, was den zum guten Horrorfilm macht. Weil für mich ist es absolut ein Horrorfilm.
Johannes Franke: Das finde ich sehr schön. Dann habe ich nämlich auch unsere Aufgabe erfüllt. Ich hatte ein bisschen Sorge. Und ich weiß auch nicht, ob dann... Ich weiß schon, was ich dir als nächstes geben werde. Aber nächste Woche bist du erstmal dran. Und dann gucken wir mal, ob ich in dem Bereich bleibe. Aber naja. Du wirst mir ja schlimmere Sachen geben, habe ich gehört. Um das mal zu spoilern schon. Aber wir... sagen am Ende der Episode, was es nächste Woche gibt. Erstmal diese Woche zu Die Vögel von Hitchcock. Und ich habe einen kleinen Text vorbereitet, damit wir wissen, worum es geht. Als Melanie Daniels den Anwalt Mitch Brenner in einem Vogelfachgeschäft kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Die beiden Lovebirds verabreden sich einvernehmlich zu einem Wochenende in Mitches Haus am See, in dem er sein altes, nettes Mütterchen pflegt. Nebenbei lernen die beiden ein bisschen was über Ornithologie. Ende. Naja, oder so ähnlich. Also gut, das erste Treffen der beiden klingt eher so, als könnten sie sich auf den Tod nicht ausstehen. Und so richtig einvernehmlich ist das Treffen der beiden in Mitchs Häuschen auch nicht. Mitch hat nie zugestimmt, dass sie ihn in seinem Häuschen besucht. Sie stalkt ihm hart hinterher und lässt ihm statt eines Pferdekopfes auf dem Bett zwei Vögel im Wohnzimmer da. Überraschenderweise findet Mitch das... gar nicht so creepy und zwischen den beiden entwickelt sich eine sexuelle und vielleicht auch eine romantische Spannung, aber so richtig ausleben können sie das Ganze nicht, da sich nach und nach sämtliche Vögel der Umgebung zum Flashmob verabreden und über wehrlose Menschen herfallen. Der Horror bricht über das Städtchen herein und tatsächlich sterben einige Menschen durch Vogelangriffe. Irgendwann sind sie einfach überall. Die Menschen flüchten, wie auch schließlich unsere Protagonisten. die in eine ungewisse Zukunft fahren. Plor, ich habe an dieser Stelle keine richtige Frage vorbereitet. Ich habe mich an mein 16-jähriges Ich erinnert und frage dich, bist du gut zu vögeln? Ich kriege jetzt 5 Euro von Chari, deswegen frage ich das. Oh,
Florian Bayer: wirklich? Sind die schlechten Pants jetzt die Rache dafür, dass ich gesagt habe, ich will Horror haben? Ja,
Johannes Franke: genau. Schari, ich krieg dir 5 Euro. Schön.
Florian Bayer: Ich bin überhaupt kein Vogelfan.
Johannes Franke: Du bist kein Vogelfan?
Florian Bayer: Um das einfach mal komplett zu ignorieren, was du hier gemacht hast. Ich bin kein Vogelfan. Ich bin grundsätzlich nicht so der große Haustierfan. Also ich finde Vögel nicht gruselig oder so, aber ich... Ich verstehe es nicht, warum man sich Vögel als Haustier hält. Also noch weniger als bei Hunden, Katzen,
Johannes Franke: Mäusen. Eine Schildkröte oder sowas.
Florian Bayer: Meine Freundin hat eine Schildkröte. Achso. Und das war von Anfang an klar, sie kauft die sich und sie kümmert sich drum. Wie so ein Vater. Aber wenn du die, du, ich bin der Schildkröte-Gassi. Und tatsächlich habe ich mit der Schildkröte auch nicht viel zu tun, außer dass ich an ihr vorbeigehe, wenn sie im Aquarium rumplanscht.
Johannes Franke: Okay. Das heißt, du guckst dir die nicht einfach mal ein bisschen an und freust dich daran, dass diese Schildkröte halt einfach existiert in deinem Wohnzimmer?
Florian Bayer: Ich bin kein Haustiermensch. Nee, tatsächlich. Und sie fällt mir manchmal auf, wenn sie so eine Nervositätsattacke hat, wenn man ins Zimmer kommt und dann springt sie ganz schnell ins Wasser und es macht Platsch, dann fällt sie mir auf, dass sie existiert. Ich finde tatsächlich die ganze Technik drumherum total geil, weil das ist ja eigentlich, also so eine Schildkröte ist ja eigentlich eher so ein Nerd hier, wo es drumherum viel mehr Spaß macht, weil du hast ja diese Zeitschaltuhr und du musst dann die Jahreszeiten einstellen und die... Tageszeiten, entsprechende Jahreszeiten, wann ist Sonnenaufgang, wann ist Sonnenuntergang und so weiter und wie ist die Wassertemperatur und so, das ist ganz geil.
Johannes Franke: Und das Gefrierfach für die Schildkröte im Winter.
Florian Bayer: Und im Winter kommt sie in den Kühlschrank. Wir haben einen eigenen Kühlschrank dafür, weil ich neige zum Schlafwandeln. Ich habe gesagt, ich habe Angst, wenn die Schildkröte bei uns im normalen Kühlschrank ist, dass ich nachts aufstehe, mir nachts eine Krone und der Schildkröte in den Körper beiße.
Johannes Franke: Oh Gott, oh Gott, oh Gott, oh Gott. Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Ploa, jetzt habe ich Bilder im Kopf. Was soll das? Wir haben einen Horrorfilm im Monat.
Florian Bayer: Nein, aber die Schildkröte kommen in den Kühltrank. Nee, im Winter in den Kühltrank. Ich finde Tiere einfach nicht spannend. Und Vögel gehören zu den Tieren, die ich am wenigsten spannend finde. Ja. Das Flatter im Käfig würde mich auch tierisch nerven.
Johannes Franke: Ich hatte einen Vogel als Kind. Zwei Vögel.
Florian Bayer: Kanarienvogel.
Johannes Franke: Kanarienvögel. Und die sind halt irgendwie nach und nach gestorben. Was Tiere so machen. Ich weiß nicht mehr genau aus welchen Gründen, aber ich glaube, ich habe das Gefühl gehabt, ich war nicht gut zu den beiden. Oh. Als Kind weiß man nicht genau, wie lange leben Tiere und so. Und ich habe ein kleines bisschen mir die Schuld gegeben, dass sie irgendwann gestorben sind. Oh Gott. Seitdem wollte ich keine Vögel mehr haben, aber habe Katzen gehabt. Ja,
Florian Bayer: und du hattest viele Katzen.
Johannes Franke: Ja, ich hatte immer Katzen. Egal, Haustiere hin und her. Aber du kannst mit Vögeln nichts anfangen. Könntest du dir vorstellen, dass Vögel das, was sie im Film machen, tatsächlich machen?
Florian Bayer: Sie machen es ja. Es gibt ja Berichte davon, dass Vögel auch mal aus... diversen Gründen, weil sie ihre Jungen schützen, weil sie sich bedroht fühlen, weil sie tatsächlich einfach einen Rappel haben oder weil sie irgendeine Infektion haben, Menschen angreifen. Es ist tatsächlich, dass Vögel vereinzelt Menschen angreifen, ist nichts Ungewöhnliches. Mir ist es Gott sei Dank noch nie passiert. Obwohl ich viel am Meer war und so. Möwen scheinen kein besonders prädestiniert dafür zu sein, so Attacken zu starten.
Johannes Franke: Ja, also der Film hat sich Möwen ausgesucht, als Teil der
Florian Bayer: Ja. Aber er macht daraus ja schnell so ein kollektives Vogelding. Ja,
Johannes Franke: das stimmt.
Florian Bayer: Weil es kommen dann Rahmen dazu und Spatzen und wir haben irgendwie so alles, die ganze Vogelschale. Wir haben eigentlich eine nette Vogelhochzeit mit dem Ziel, Menschen zu töten.
Johannes Franke: Aber ich finde, bei Möwen hat man oft das Gefühl, ja, aber was können die schon machen? Und dann erinnert man sich daran, dass ja dem Cousin sowieso damals passiert ist, dass der ist mit dem Eis rumgelaufen und die Möwe hat sich das Ding geschnappt und so. Oder irgendjemand hat mal auf den Kopf geschissen bekommen und so. Das ist mir auch. Das sind so kleine Sachen, wo man aber dann auch denkt, ja, okay, wenn ich das extrapoliere und dann fünf Vögel auf einmal auf einen losgehen, kann ich es mir schon vorstellen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Vögel sich so zusammenrotten in einem Film.
Florian Bayer: Wir haben ja Gott sei Dank auch relativ gegen Ende des Films eine Ornithologin, die uns einmal sagt, Leute, was ihr hier erzählt, ist alles kompletter Quatsch. Was hier in diesem Film passiert, macht keinen Sinn. Das passiert einfach nicht. Das ist nicht echt. Und wenn wir ganz später zu den Deutungen kommen, dann können wir auch nochmal die Frage stellen, was... Was passiert da und wie kann man das interpretieren und wie kann man das deuten? Und Gott sei Dank hat uns die Filmwissenschaft, weil die sich total gerne auf Hitchcock stürzen, auch schon so ein ganzes Paket an Deutungsmustern. Das heißt, es wird auch unglaublich schwierig, was Neues zu finden, weil so die großen Deutungspakete, was passiert hier? Oedipus-Komplex, gesellschaftliche Spannung, sexuelle Spannung und so weiter. Das haben wir alles schon. Versuchen wir eine Interpretation von diesem Film zu finden, die nicht schon von der Filmwissenschaft... breitgetreten wurde.
Johannes Franke: Ich glaube, ich habe eine, aber die ist nicht meine. Das ist von meiner Freundin, die.
Florian Bayer: Oh, sehr gut. Aber das ist total cool. Vielleicht finden wir heute was Neues. Ich glaube, ich finde nicht so wirklich was Neues. Ich kann nur das machen, was dann Filmwissenschaftler immer gerne machen, wenn sie sich feststellen, es gibt nichts Neues, dass sie anfangen, bestehende Theorien so zu erweitern und so zu umschreiben. dass sie klingen, als ob sie neu wären, ihre eigenen. Und in Wirklichkeit ist es dann am Schluss doch wieder, seine Mutter ist sauer auf die neue Freundin.
Johannes Franke: Ja. Oder ihre sexuelle Lust und ihr Eindringen in das Leben der anderen.
Florian Bayer: Aber dazu kommen wir viel später. Wollen wir einfach mal anfangen mit das, was Johannes total ätzend finden wird. Ich will über Hitchcock reden.
Johannes Franke: Oh Gott. Weißt du, es gibt so viel über diesen Film zu berichten, was Hitchcock in kein gutes Licht stellt.
Florian Bayer: Absolut.
Johannes Franke: Und ich denke die ganze Zeit in der Recherche, Irgendwie habe ich keine Lust, mich mit Hitchcock auseinanderzusetzen. Es klingt alles scheiße, was ich über ihn im Zusammenhang mit diesem und dem folgenden Film mitbekomme. Vor allem eben im Zusammenhang mit Tippi, unserer Hauptdarstellerin. Und irgendwie denke ich dann, ich will eigentlich Hitchcock abstrafen und sagen, ich rede einfach nicht über ihn, sondern nur über den Film. Aber Hitchcock lebt. nicht mehr. Also ich kann ihn eigentlich gar nicht abstrafen.
Florian Bayer: Hitchcock war ein Arsch. Und Hitchcock war vor allem zu Tippi Hedren ein Arsch.
Johannes Franke: Ja, das müssen wir genauer angucken.
Florian Bayer: Da werden wir auf jeden Fall drauf zu sprechen kommen. Ich glaube, was auf jeden Fall total Sinn macht, weil es ist ja nicht unser erster Hitchcock-Film. Genau genommen ist es unser vierter Hitchcock-Film.
Johannes Franke: Ui, unser vierter?
Florian Bayer: Na, wir hatten auf jeden Fall den Mieter, wir hatten das Fenster zum Hof, wir hatten der unsichtbare Dritte.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und wir hatten, ne, das waren drei. Und dann ist es nur er.
Johannes Franke: Stimmt, ja.
Florian Bayer: Und ich habe so das Gefühl, wir hatten noch Mr. und Mrs. Smith, das ist unser fünfter Hitchcock-Film, aber Mr. und Mrs. Smith, unseren ersten Hitchcock, den wir besprochen haben, den wollen wir lieber vergessen.
Johannes Franke: Den vergessen wir lieber, der war furchtbar. Aber die Episoden dazu jeweils lohnen sich auf jeden Fall anzuhören und da reden wir auch sehr viel über Hitchcock. Aber Flo möchte gerne nochmal ein bisschen was über Hitchcock und seine...
Florian Bayer: Vielleicht einfach einmal wirklich nur ganz kurz, damit wir wissen, wo wir stehen. Und ich habe das beim letzten Mal, als wir über den Lodger gesprochen haben, das ganz gut hingekriegt, die Hitchcock... Phasen so ein bisschen einzuteilen. Das heißt, wenn man einen Film sieht, kann man immer ungefähr sagen, ja okay, in der Phase befindet er sich. Und das so ein bisschen zusammengewürfelt aus filmwissenschaftlichen Quellen und Wikipedia. Tatsächlich auch nichts Wildes. Also wir haben zum einen die Stummfilmzeit, die relativ kurz ist. Die deutsche Phase, also von 1925 bis 1929, wo er dann auch den Lodger gedreht hat, seinen ersten richtigen Film, den er als auch seinen ersten richtigen Film bezeichnet.
Johannes Franke: Er hat ja viel mit Murnau sich beschäftigt und war bei ihm zu Gast und hat geguckt, wie macht... der das denn, wie dreht der denn Sachen und so. War sehr beeindruckt von ihm, von seinem Expressionismus und so weiter und hat das versucht mit in seine Arbeit einzunehmen.
Florian Bayer: Es war auch eine expressionistische Phase, gerade von der Bildsprache war er damals sehr expressionistisch unterwegs. Und dann kommen wir auch schon zu der großen britischen Phase, nämlich von 1929 bis 1939, wo er zu einem der bekanntesten und schließlich auch tatsächlich am besten bezahlten Regisseure Englands aufgestiegen ist. Hat zu den großen Autoren gehört. Im englischen Kino unterwegs sind und war quasi das, was die Briten die ganze Zeit gesucht haben. Sie hatten ihren großen Vertreter, sie hatten ihren Regisseur, ihr Idol, ihren Star. Und dann ist er nach Hollywood abgehauen.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Wo er aber auch nur Probleme haben einfach. Ja,
Florian Bayer: das war die dritte Phase, die erste Hollywood-Phase.
Johannes Franke: Möchtest du übrigens Tee plor, dann könnte ich, während du über Hitchcock referierst, dir einfach ein bisschen Tee einschenken.
Florian Bayer: Und zwar die Phase von 1939 bis 1947, wo er mit David O. Salznick zusammengearbeitet hat. Und quasi als der große britische Star nach Amerika kam und da auch so einige wirklich große Klassiker, die auch heute noch rezipiert werden, gedreht hat, namentlich Rebecca und Verdacht und das Rettungsboot. Und in dieser Phase hat er angefangen, sich mehr und mehr von diesem Studiosystem zu emanzipieren, was vor allem daran lag, dass er extrem unzufrieden war mit dem, was die Studios von ihm verlangt haben und was die wollten. Und dann kommen wir auch schon in diese Phase, in der er jetzt diesen Film gedreht hat, nämlich von 1949 bis 1964. seine zweite Hollywood-Phase. Und das war wirklich seine große Zeit. Das war die Zeit, als er zusammen mit seinem Freund, dem Kinobesitzer Sidney Bernstein, die Produktionsfirma Transatlantic Pictures gedreht hat und dann mit wechselnder Studiobeteiligung seine großen Hollywood-Filme gedreht hat. Zuerst mit Warner Bros. zusammen, dann später mit Paramount und schließlich mit Universal. Und da sind die großen Filme entstanden, die... heute vor allem genannt werden, wenn man an Hitchcock denkt. Sowas wie Cocktail für eine Leiche. Das ist sein erster Farbfilm. Der Fremde im Zug. Das Fenster zum Hof. Vertigo. Psycho. Und dann schließt sich 1963 schon so als Ende dieser großen Phase die Vögel. Und daran anschließend kommt die fünfte Phase, die so ein bisschen sein Spätwerk ist, die tatsächlich meiner Meinung nach unterschätzt ist. Wo er noch einige richtig gute Filme gedreht hat. Nicht Marnie. Marnie ist ein schrecklicher Film. Aber Frenzy und Familiengrab waren hervorragende Filme. Gehören mit zum Besten, was Hitchcock je gedreht hat. Und genau, wir sind in dieser Endphase der großen Studiozeit. Er hatte 1960 mit Psycho einen riesigen Erfolg, den er sehr kostengünstig gedreht hat. Und hat dann beschlossen, mit Universal zusammenzuarbeiten. Die waren von MCA übernommen worden, kurz davor. Und mit denen hat er dann richtig lange zusammengearbeitet, quasi bis zu seinem Ende. Was auch unter anderem daran lag, dass er der drittgrößte Aktionär von denen war. Das vergisst man immer so. was für ein mächtiger Mann Hitchcock in Hollywood war. Der hat ein Drittel von diesem riesigen Studio besessen. Der Mann war einfach... Und das macht vielleicht auch nochmal deutlich, wenn wir jetzt zu seiner Beziehung zu Tippi Hedwig kommen, wie schwierig das war, diesem Machtmenschen zu begegnen und was für einen Einfluss der hatte und wie der auch diesen Einfluss ausgenutzt hat, um einfach mal ein künstlerischer Tyrann zu sein.
Johannes Franke: Bevor wir die Geschichte genauer auseinandernehmen und uns überlegen, ist das ein guter Film und auf welche Art und Weise ist das ein guter Film und warum... Würde ich sagen, gehen wir tatsächlich auch gleich in die Beziehung zu Tippi und vielleicht auch dem anderen Cast so ein kleines bisschen ein, damit wir ein bisschen einsortieren können, was dann passiert im Film, weil da durchaus ein, zwei Szenen passieren, die man dann mit einem anderen Blick sehen könnte.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Ich finde das extrem hart und ich hatte zwischendurch tatsächlich keine Lust mehr weiter zu recherchieren, weil ich gedacht habe, boah, hier kommen nur schlimme Sachen hoch. Die ganze Geschichte mit Tippi und Hitchcock hat angefangen, als Hitchcock einen Werbefilm gesehen hat. Mhm. Einfach nur einen Werbefilm und in meiner Vorstellung ist einfach Schock verliebt gewesen und hat gesagt, so Leute, ihr sucht mir jetzt diese Frau raus, ich habe keine Ahnung, wie die heißt, ihr findet schon raus, wo die herkommt und wer das ist. Und die bekommt halt irgendwann einen Anruf, wo original tatsächlich jemand am Telefon ist und sagt, bist du jetzt die aus der Werbung? Und sie, ja, bin ich. Also folgendes, die sind anscheinend wirklich durch alles mögliche durchgegangen, um sie zu finden. Und das nur, weil Hitchcock... irgendwo in der Werbung jemanden gesehen hat.
Florian Bayer: Eine kühle Blonde, ne? Das war sein Beuteschema. Hitchcock hat irgendwann mal gesagt, dass er diese Vorstellung hat, diese Traumvorstellung von einer Blondine, die so eiskalt ist und komplett reserviert und dann plötzlich anfängt an seiner Hose rumzufummeln. So wie aus dem Nichts heraus. Das war Hitchcocks Sexualfetisch und er hat ja diesen Fetisch auch immer wieder in seinen Film eingebaut und er hat auch immer wieder Schauspielerinnen gesucht, die genau diese Frauenrollen verkörpern konnten, so wie er sie sich vorgestellt hat. Und Und Tippi Hedren war sein neuster Fang. Und es wird sehr weird, die Geschichte zwischen Tippi Hedren und Alfred Hitchcock. Sie war damals 33. Das Studio hat sie jünger gemacht. Sie wurde als 28 präsentiert.
Johannes Franke: Irgendwann hat es ihr gereicht. Irgendwann nach, ich glaube, vier Jahrzehnten erst, hat sie dann irgendwann gesagt, Leute, ich bin fünf Jahre älter, als ihr alle glaubt. Das ist totaler Scheiß gewesen. Sie hatte keine Lust mehr darauf.
Florian Bayer: Und Hitchcock hat das wirklich so gemacht. Also der Film macht das ja schon ganz offensiv. In Fuse Sing, wir haben hier eine neue Darstellerin. Und Hitchcock hat das auch von Anfang an so gemacht. Das ist meine neue. Das ist die neue Grace Kelly. Das ist die, mit der ich jetzt zusammenarbeiten werde. Und er hat sie auch tatsächlich für das Casting, quasi Casting, hat er sie seine alten Rollen spielen lassen.
Johannes Franke: Ja, er hat mehrere Stücke rausgeholt, also Stücke, Drehbücher rausgeholt und hat ihr Szenen gegeben und hat dann für 25.000 Dollar sie ausstatten lassen. Für... für ein fucking Casting. Für Cameratests. Die haben ein richtiges Set aufgebaut. Die haben Edith Heed, die eine große Nummer ist in der Ausstattungswelt für Kostüm. Die hat für sie was designt. Auch für sie privat einfach so. Ist ein bisschen seltsam auch, weil das ja nicht aufhörte beim Professionellen, sondern dann privat wurde. Und dann haben sie das gedreht. Es gibt es auf YouTube zu sehen. Das könnt ihr euch anschauen. Das ist großartig. Es gibt sehr, sehr... Und interessante Varianten der Szenen, die man eigentlich aus den anderen Filmen auch kennt. Und Improvisationen, die zwischendurch passieren. Und die Stimme von Hitchcock aus dem Hintergrund. Er sagt, jetzt guckst du den an, jetzt kommst du zu mir, komm nach vorne, spiel in deinen Haaren rum, mach das, mach das, mach das. Man hört aus der Stimme ein bisschen raus, dass er durchaus diesen Fetisch hat, den Frauen sagen zu können, was sie machen sollen.
Florian Bayer: Und das hat er dann ja auch knallhart gemacht. Er hat mit ihr einen Vertrag gemacht. Sie hat 500 Dollar pro Woche gekriegt. Was absurd viel ist.
Johannes Franke: Das ist extrem viel Geld. Und der Vertrag ging sieben Jahre lang. Ja,
Florian Bayer: aber es war auch ganz klar, jetzt gehörst du mir. Deine Seele, deine Erscheinung, dein öffentliches Auftreten. Du bist jetzt meine Tippi Hedren und ich forme dich so, wie ich dich in der Öffentlichkeit präsentieren will, damit wir schön lange zusammenarbeiten können.
Johannes Franke: Ja, und das ging ja dann auch wiederum ins Private rein. Ja. Dass man wirklich auch sagt, was sie tragen darf und mit wem sie sich treffen darf und so weiter. Das hat sie sich nicht so gefallen lassen. Aber das war ganz schön hart. Also auch da widerstehen zu können, sagen zu können, nee. das mache ich jetzt nicht so, wie du das willst. Oder nein, ich möchte von dir nicht einfach so auf der Rückbank des Autos geküsst werden. Das waren schlimme Situationen, die sie erlebt hat.
Florian Bayer: Hitchcock war sexuell übergriffig.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und Hitchcock hat seine Macht extrem ausgespielt. Es gibt eine Dokumentation von Tippi Hedren und die wilden Tiere, wo es um die Entstehung von diesem Film geht, wo sie auch ein bisschen erzählt von ihrer Beziehung zu Hitchcock. Und Hitchcock war ein Scheusal und trotzdem war es auch eine ambivalente Beziehung.
Johannes Franke: Ja, natürlich. Sie sagt das auch immer wieder, sie betont immer wieder, es gab so große und lange und tolle Phasen, in der als... Coach. Als Genie, dass er auch war, dass die Filme gemacht hat, glänzen konnte und ihr zeigen konnte, wie es geht, weil sie einfach keine Schauspielerin war. Sie war Model vorher. Und dann kommt sie ans Set und hat keine Ahnung und ist natürlich dankbar dafür, dass er das wirklich sehr, sehr gut vermittelt und sagt, so nimmst du einen Text auseinander, so funktioniert ein Drehbuch, so macht man das Ganze technisch dahinter und so macht man das Ganze physisch davor. Also sie hat auch immer wieder betont, dass das sehr, sehr gut war. Aber es gab halt auch einfach diese düsteren Momente. Ja,
Florian Bayer: total. Und ja, es gibt ja viele Geschichten von Hitchcock. Vor allem von Hitchcocks Art zu arbeiten. Also wir haben, hört euch den Notsch an, da reden wir deutlich mehr über die Biografie von Hitchcock, wie er auch zum Beispiel mit seiner Frau zusammengearbeitet hat, die immer präsent war und die gleichzeitig halt immer mitgekriegt hat, wie er so seine Fetische hatte. Die Frauen, die er verehrt hat. Und da gibt es viele schlimme Geschichten, was für ein Tyrann er am Set war, wie ätzend er war, wie ätzend er vor allem zu Darstellerinnen war.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: und... Und gleichzeitig steht natürlich kein Zweifel dran, dass große Filme entstanden sind in dieser Tyrannei. Und dass er es auch geschafft hat, aus Leuten Sachen rauszuholen, die erstmal rausgeholt werden mussten. Weil wie gesagt, Tippi Hattron war ein Model, war eine Werbedarstellerin, die hat Joghurt präsentiert oder was auch immer.
Johannes Franke: Und die haben vorher alle gesagt, Alter, was willst du mit diesem Model? Und er hat das in ihr gesehen. von einmal so einen Werbespot zu sehen. Es ist ja nicht so wie heute mit Fernsehen und Internet, dass man sich den Werbespot immer mal wieder angucken kann. Der hat ihn halt einfach irgendwo gesehen und konnte nicht einfach zum Filmvorführer gehen und sagen, spüren wir nochmal ab. Und dann hat er in dem Moment einfach gesehen, was in ihr drin steckt. Und sie kann es ja wirklich. Wenn ich mir das anschaue, denke ich, absolut die Qualitäten, die er gesehen hat, sind da drin.
Florian Bayer: Tippi Hedren ist eine fantastische Schauspielerin. Und dann ist natürlich die Frage, wie viel ist davon, war sie einfach tatsächlich begabt? Wie viel davon ist Formung durch Hitchcock? Weil der hat ja auch noch so einen sehr spezifischen Stil, wie er seine Personen agieren lassen will.
Johannes Franke: Muss man auch sagen, ja.
Florian Bayer: Hitchcocks Personen agieren ja nicht, agieren immer am Rand des Realismus, aber haben natürlich auch was nicht Exaltiertes, aber sowas Störendes. Es gibt immer Sprüche im Spiel bei Hitchcock-Figuren, wo du denkst, so verhält sich jetzt aber ein Mensch eigentlich nicht. Irgendwas fühlt sich komisch an, irgendwas fühlt sich nicht richtig an.
Johannes Franke: Das stimmt.
Florian Bayer: Aber sie spielt genau das. Und sie trifft es und dann ist halt die Frage, wie viel Glück war das, wie viel war das wirklich von ihrer Begabung, wie viel war das einfach nur krasse Formung durch Hitchcock und auch Perra durch Hitchcock.
Johannes Franke: Wenn man sich die Screentests anschaut, da hat er noch nicht viel Zeit gehabt, sie zu formen. Also ein bisschen vielleicht vorher. Aber als sie die Screentests gemacht haben, haben sie noch keine zwei Filme zusammen gedreht. Da hat sie noch nicht alles gelernt gehabt. Und man sieht das. Man sieht, was sie kann und wie leichtfüßig sie teilweise Texte einfach... hinsprechen kann, was schon schwierig ist.
Florian Bayer: Das Krasse ist halt auch einfach, dieser Film ist natürlich wundervoll, um so eine Bandbreite zu zeigen von der Schlaflerin.
Johannes Franke: Ja, ja.
Florian Bayer: Weil sie spielt sowohl diese neckigen Rom-Com-Sachen, sag ich jetzt mal, spielt sie genauso überzeugend wie die psychische Spannung, die dritten ihr und Lydia, also der Mutter von Mitch und zum anderen Annie, der Ex-Freundin von Mitch besteht.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und dann schafft sie es aber auch, diesen Terror zu spielen, also dieses klassische Scream-Queen. Die angegriffen wird von einem Monster, in dem Fall von den Vögeln und einfach nur um ihr Leben rennt und um Hilfe schreit.
Johannes Franke: Sie erzählt relativ offen über diese ganzen sexuellen Probleme mit Hitchcock. Sie sagt immer wieder, dass das bei Birds passiert ist, dann sagt sie wieder, dass es mehr bei Marnie passiert. Und so ist es ein bisschen unsicher, wo der größte Teil einzusortieren ist. Aber für uns ist es, glaube ich, nicht so wichtig. Es ist jetzt über... über diesen Film einfach reingekommen, weil einfach hier Tippi das erste Mal auftaucht.
Florian Bayer: Ja, um das vielleicht noch abzuschließen, sie hat Gott sei Dank dann nichts mit Hitchcock angefangen, sondern hat Peter Griffith geheiratet und ihr gemeinsames Kind war die sehr bekannte Schauspielerin Melanie Griffith und wiederum deren Kind war die sehr bekannte Dakota Johnson, die man mittlerweile Gott sei Dank nicht nur aus Fifty Shades of Grey kennt, die auch tatsächlich eigentlich eine ziemlich gute Schauspielerin ist und... Es geschafft hat, sich da so ein bisschen rauszuspielen aus diesem Fifty Shades of Cradling. Insofern alles richtig. Tippi Hedren lebt übrigens auch noch. Gehört zu denen aus diesem Film, die noch leben. Sie ist mittlerweile, dürfte sie über 90 sein?
Johannes Franke: Ja, dürfte irgendwas bei den 90 sein. 92, 93 oder sowas. Ich glaube, sie ist 30 geboren.
Florian Bayer: Ja, 94.
Johannes Franke: Also 94, genau. Es gibt viele seltsame Geschichten, was alles passiert ist mit den beiden. Da müssen wir nicht alles rausholen. Es gibt so ein, zwei Sachen, die ich vielleicht sagen will. dass er sie zur Seite genommen hat und ihr irgendwelche Dirty Limericks ins Ohr geflüstert hat. Dass er ihr erzählt hat, an welchem Set er welche Boner hatte. Also das sind so Sachen, die man nicht hören möchte von einem Regisseur.
Florian Bayer: Und es ist genau das creepy, sexuell übergriffige Verhalten, was man von jemandem wie Hitchcock erwartet. Die Art, ne?
Johannes Franke: Noch mit diesem
Florian Bayer: Versteckt hinter so einem verschmitzten, halb väterlichen, halb
Johannes Franke: Ja, genau, dieses Onkel.
Florian Bayer: Was es nicht besser macht, was es wirklich nicht besser macht. Überhaupt. Wenn du zu Halshüttgock und würdest ihn fragen, würde er sagen, hab ich ja nur einen Spaß gemacht. War doch ganz witzig. Ich wollte mal gucken, wie sie reagiert. Ich wollte ihre Grenzen austesten.
Johannes Franke: Aber das ist genau das, was er gesagt hat. Er will ihre Grenzen austesten. Und das ist so ein Satz, den man einfach nicht mehr hören kann, wenn man irgendwann den zu oft aus den falschen Mündern gehört hat. Absolut. Und er hat der Tochter, wo du gerade mit der Tochter gekommen bist, irgendwann mal, nachdem er dutzendmal abgeblitzt ist und keine Lust mehr auf sie hatte und ihre Karriere ruiniert hat, wozu wir auch noch kommen müssen, der Tochter eine kleine Puppe geschenkt, die wie ihre Mutter aussah, die allerdings in einem kleinen Sarg wohnte. Was wirklich ein seltsames Geschenk ist, Alter.
Florian Bayer: Es ist total creepy. Es ist so widerlich.
Johannes Franke: Also ich meine, natürlich, er ist der Master des Suspense und der Horrorfilme. Da kann man das irgendwie so einsortieren, aber du kannst es nicht einem Kind schenken. Mit dem Abbild der Mutter.
Florian Bayer: Total absurd. Da,
Johannes Franke: fuck, Alter.
Florian Bayer: Und die Geschichte ging so, um es kurz zu machen. Du kannst gerne auch noch mal ein bisschen länger ausholen. Sie wollte irgendwann nicht mehr von ihm getatscht werden. Es ging immer wieder so, dass er versucht hat. Und dann hat sie irgendwann gesagt, es reicht jetzt. Und dann hat er gesagt, naja, so wie du dich gerade verhältst, so funktioniert das nicht. Das ist nicht die Beziehung, die ich mir vorgestellt habe. Die professionelle Beziehung, die ich mir vorgestellt habe. Gut, dann, wenn du nicht willst, dann halt nicht mehr. Ja. Und wir haben angesprochen, wie mächtig Hitchcock war. Hitchcock hatte sie unter Vertrag. Sprich, wenn er gesagt hat, dann nicht mehr, dann heißt das, sie dreht nicht mehr. Und das hat es auch bedeutet. Er hat ihr die kalte Schulter gezeigt und er hat dazu geführt, dass alle anderen ihr auch die kalte Schulter gezeigt haben.
Johannes Franke: Beziehungsweise mussten. Weil er den Vertrag hatte, konnte er François Taufot zum Beispiel einfach mal sagen, sorry, du kannst nicht mit ihr drehen. Ich habe sie unter Vertrag, auch wenn wir nichts drehen zusammen. Bin ich jetzt einfach mal derjenige, der für sie auswählt, was sie dreht und was nicht.
Florian Bayer: Und das war wirklich, er hat ihre Karriere komplett kalt gestellt für einige Jahre.
Johannes Franke: Sie hat dann 67 mit Charlie Chaplin seinen letzten Film gedreht. Allerdings in einer sehr kleinen Rolle. Es war mehr ein Cameo. Chaplin hat damals zu ihr gesagt, ja hier, ich will, dass du zusagst, bevor du das Drehbuch gesehen hast. Weil das geht nicht wegen irgendwelcher Legal Reasons. Und dann, naja, Chaplin fragt an... krasser alter Typ, sag ich mal ja. Und dann bekommt sie das Drehbuch, nachdem sie zugesagt hat und sie sieht, dass es wirklich nur so ein kleines Cameo-Ding ist. Und sie sagt, ja, aber Charlie, du hättest es mir sagen können, ich hätte es doch trotzdem gemacht. Und er so, ich hatte Angst, dass du es nicht machen würdest.
Florian Bayer: Wir haben ja auch über Charlie Chaplin geredet und Charlie Chaplin ist ja durchaus auch so ein Typ wie Hitchcock.
Johannes Franke: Naja,
Florian Bayer: auf eine andere Art und Weise, aber Charlie Chaplin war auch ein Machtmenschen. Charlie Chaplin war auch jemand, der seine Macht genutzt hat.
Johannes Franke: Da reden wir auch ausführlich drüber in unserer Folge über die BKV. Ja,
Florian Bayer: ja, verteidige nur deinen geliebten Chaplin. Verteidige ihn nur. Aber auch Fitchcock-Kacken. Na, auf jeden Fall, weil ihre Karriere war tot. Sie hat dann nur noch sehr kleinere Rollen gespielt. Ich finde, sehr aussagekräftig, aber auch ein bisschen spät Rache. dass sie 1994 in Die Vögel 2 die Rückkehr mitgespielt hat.
Johannes Franke: Aber in einer völlig anderen Rolle. Und was Kleineres.
Florian Bayer: Genau. Aber das war auch das B-Movie-Universum, in dem sie sich zur damaligen Zeit bewegt hat. Weil genau das war Die Vögel 2. Also ich habe ihn nicht gesehen.
Johannes Franke: Ich auch nicht.
Florian Bayer: Man muss ihn auch offensichtlich nicht sehen. Aber genau, das war ihre Karriere danach. Sie hat in irgendwelchen B-Movies mitgespielt, in den 70ern, 80ern. Wenn man sich anschaut, was sie gespielt hat, ich habe nichts davon gesehen.
Johannes Franke: Nee, ich auch nicht. Keine Ahnung und es tut mir so leid, weil ich traue der Frau so viel zu. Nachdem ich diesen Film gesehen habe und auch so ein bisschen noch recherchiert habe, aber auch allein durch das Angucken dieses Films, ich traue ihr viel zu.
Florian Bayer: Unabhängig von der Besetzung von Tippi Hedren, die Produktion vom Film.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und ich steige gleich nochmal mit Tippi Hedren ein, weil ich finde, das ist so der krasseste Funfact überhaupt. Es gibt diese eine Vogelankriss-Szene und wir werden noch dazu kommen, also Hitchcock hat... ganz viele verschiedene Arten der Tricks benutzt, um die Vögel zu zeigen.
Johannes Franke: Es gibt
Florian Bayer: Handpuppen, es gibt dressierte Vögel, es gibt animierte, mechanische Puppen, es gibt Rappen, es gibt auch nicht Greenscreen, sondern Yellowscreen, dazu werden wir noch kommen. Und dann gibt es diese eine Szene, in der Tippi Hedren von mehreren Vögeln angegriffen wird. Und wenn man so hört, wie sie davon erzählt und wenn man liest, wie das am Set war, muss man sich das so vorstellen. Sie liegt da und Hitchcock fängt an, seinem Kostümpelner zu sagen, du musst ihr hier ein paar Vögel hinschnallen. Hier und hier und hier noch. Dann, okay, und hier kommen die mechanischen Attrappen. So, und jetzt lieber Vogeltresur. Du hast deinen Vogelkäfig griffbereit. Eins, zwei, drei, Action und wirf! Und der Vogeltresur fängt an, Vögel nach Hattren zu werfen. Sie hat diese Vögel an sich hängen. Dazwischen sind diese mechanischen Attrappen. Und in meiner Vorstellung ist Hitchcock mit zwei Handpuppen mit Vögeln noch dabei und macht die ganze Zeit piep, piep, piep und greift sie an.
Johannes Franke: Ja. Und weißt du, man kann das vielleicht mal für einen halben Tag machen. Aber dieser Typ, Hitchcock, hat darauf bestanden, es fünf fucking Tage lang zu machen. Für nicht mal eine Minute Film. Ja. Und diese Minute ist schon zu lang. Ja.
Florian Bayer: Sie haben überall Vögel an ihr, sie haben sie festgemacht, sie haben mit Puppen auf sie geworfen, sie haben mit echten Vögeln auf sie geworfen. Ja. Und Tippi Hedren hat irgendwann ausgeschaltet und hat gesagt, es geht nicht mehr.
Johannes Franke: Tippi hat, also die Vögel waren vorne, die Schnäbel, die waren zugebunden mit so Gummibändern, damit sie eben nicht... Tippy wirklich da versuchen, weil man wird aggressiver als Vogel, wenn man geworfen wird, dass sie nicht wirklich angreifen. Und dann ist aber ein Vogel tatsächlich sehr, sehr nah an ihrem Auge gelandet mit einem Schnabel. Und dann hat sie so kleine Blutungen bekommen im Auge. Und das war der Moment, wo sie zusammengebrochen ist und geweint hat und gesagt hat, sie kann nicht mehr. Und dann kam ein Arzt und hat gesagt, Alter, das muss aufhören, das geht nicht. Die brauchen mindestens eine Woche Pause. Und dann hat Chirchhoff gesagt, nö, ich brauch diese Frau. Und dann hat der Arzt gesagt, willst du das wirklich umbringen oder was ist los? Und dann hat Hitchcock gesagt, ja, okay, gib ihr ein bisschen Pause. Und dann nach der Woche ist Hippie in ihrem besten Kleid richtig aufgeschuscht, wiedergekommen, hat sich richtig inszenieren lassen. Jemand musste die Tür aufmachen für sie, dass sie dann vor der ganzen Crew steht in voller Blüte mit einem Raben. auf der Schulter. Und hat gesagt, so es kann weitergehen.
Florian Bayer: Bad Ass. Geil. Total geil. Und so kacke Hitchcock zu ihr war, zu den Vögeln war er offensichtlich netter. Also zumindest gab es Leute, die drauf geachtet haben, dass man zu den Vögeln nett sein muss. Es gab nämlich die American Society for the Prevention of Cruelty to Animals, die das ganze Ding überwacht haben.
Johannes Franke: Aber wenn ich mir den Film angucke, muss ich ehrlich sagen, deren Standards können nicht sehr hoch gewesen sein.
Florian Bayer: Nein, die waren nicht sonderlich hoch. Wir waren in den 60ern, was damals als Nicht-Tier-Quellerei durchgegangen ist. Und wir sehen es ja auch an dem Film und es werden wirklich krasse Sachen mit den Vögeln gemacht. Aber wie gesagt, es gibt verschiedene Sachen, mit denen das mit den Vögeln gemacht hat. Wir haben diese Szenen, wo wirklich Vögel einfach auch von Tiertrainern platziert werden und auch tatsächlich quasi Stunts machen. Also auf... Zum Beispiel auf diesem Gerüst landen oder so. Ja, ja, ja. Aber selbst da musste technisch auch noch ein bisschen nachverholfen werden. Und wir haben einfach Szenen, wo Vögel so herabstürzen, fliegen sollen und so weiter. Ja. Und das auch machen. Aber dann haben wir natürlich neben den echten Vögeln, die am Set waren, haben wir noch die Puppen. Sowohl die, die von Menschen gesteuert werden, also wirklich Handpuppen. Ja. Als auch die mechanischen Puppen, die diese, genau, diese Vogel ertrappen, die mechanisch sind. Und dann hat Hitchcock tatsächlich... Prä-CGI gemacht.
Johannes Franke: Wollen wir auf den Yellow Screen eingehen? Genau.
Florian Bayer: Unfassbar viele Special Effects.
Johannes Franke: Hast du verstanden, wie das funktioniert?
Florian Bayer: Oder so halb?
Johannes Franke: So halb. Okay, ich erspare euch den Nerd-Scheiß dazu, weil das ist wirklich ein bisschen crazy, mit welcher Chemie da gearbeitet wird, damit das Richtige abgebildet wird. Bottomline ist, du hast eine Kamera, die zwei... Bilder gleichzeitig aufnimmt. Das eine Bild ist das normale Bild, was man von normalen Kameras kennt und das andere Bild ist mehr oder weniger schwarz-weiß dann am Ende. Also du hast von den Vögeln, die vor einem bestimmten Hintergrund gefilmt werden, dann weiße Ausschnitte. Vor schwarzem Grund.
Florian Bayer: Und diese Vögel-Szenen haben sie vorher gedreht, ne? Die sind losgegangen mit den Viechern und haben einfach mal überall gedreht am Himmel und haben die fliegen lassen und haben einfach geguckt, dass sie viel Material haben von Vögeln, die rumfliegen, die runterstürzen, die das machen, die das machen, die das machen, um das später da reinbringen zu können.
Johannes Franke: Na ja, das Problem ist aber, dass wenn du das vor dem Himmel machst, funktioniert das nicht so gut. Ich weiß nicht, ob sie auch sowas mit eingebaut haben, aber das, was hier gemacht wurde, ist ja vor einem ganz speziellen Hintergrund. Ja. Damit, ne, Yellow Screen in diesem Fall, wirkt leicht gelb, damit der Film auf eine bestimmte Art und Weise belichtet werden kann. Der Vorteil davon, dass du eben die Vögel, wie sie rumfliegen, in komplett weiß und den Rest in schwarz hast, ist, dass du sie dann später... im richtigen Film einmal isolieren kannst. Dass du sagen kannst, alles was schwarz ist, soll transparent werden. Jetzt digital gesprochen, was es damals nicht war. Und alles was weiß ist, was die Vögel ist, soll eben bleiben. Sodass du dann die Transparenz nutzen kannst, um die eigentliche Szene dahinter zu zeigen. Das heißt, du hast Vögel getrennt vom Hintergrund gefilmt und legst dann die Vögel auf diese Szene drauf. Und es sieht so aus, als wären die Vögel in der Szene gewesen.
Florian Bayer: Und Blue Screen hätte es damals auch schon gegeben und das wollte Hitchcock nicht, weil er gesagt hat, das franzt so aus, das sieht nicht schön aus.
Johannes Franke: Ja, wer schon mal Blue Screen gemacht hat, weiß, dass wenn Bewegungen schnell sind, du eine Bewegungsunschärfe hast und dann hast du quasi gleichzeitig blau Hintergrund und braun von einem Vogel im Vordergrund so leicht verschmiert übereinander liegen und dann kannst du das schlecht trennen voneinander.
Florian Bayer: B-Movies aus den 90ern kann man das noch oft sehen, das mit Blech im Blue Screen gearbeitet wird. Und nicht mal B-Movies, auch teurere Filme. Kann man teilweise sehen, wie das aussieht, wenn mit Blue Screen nicht so ganz sauber gearbeitet wird. Da hast du einfach diese Franzen. Manchmal hast du fast so ein Leuchten um die Personen, die gekiet sind und es sieht teilweise halt wirklich merkwürdig aus. Und dann hat er, es gibt diese geile Szene mit den Kindern auf dem Laufwand, ne?
Johannes Franke: Oh mein Gott.
Florian Bayer: Wenn die Kinder vor den Vögeln rennen, er hat die auf Laufwänder gestellt und hat die rennen lassen.
Johannes Franke: Ich will Outtakes davon sehen. Weil du hast... Kinder in drei Reihen hintereinander auf diesen Laufbändern und sobald ein Kind vorne stolpert, fallen sie alle um. Und Kinder kriegen das hin, die fallen halt um, was soll's. Die kriegen das hin, aber das ist schon ein paar Tage lang für die Kinder auch anstrengend dann. Und dann fallen die da übereinander und dann müssen sie wieder anfangen und dann müssen sie es irgendwie hinkriegen, diese Vögel, die dann eben... dazu erfunden werden über dieses Yellow Screen, dass die dann auf den Film nochmal draufgelegt werden. Die müssen ja auch perspektivisch passen und so weiter. Und da gab es echt Leute, die sich hingesetzt haben und das, was wir jetzt digital innerhalb von ein paar Minuten machen, echt aufwendig gemacht haben, dass sie die Perspektive, wenn der Vogel von hinten nach vorne anfliegt, um das Kind zu erwischen, das muss alles gemacht werden, Manuel. Dass du die Perspektive hinkriegst, dass du zoomen kannst quasi den Vogel, das ist schon... Wahnsinnige Technik für damals. Also sehr innovativ für die Zeit auch, muss man sagen. Ja.
Florian Bayer: Und wie gut hält sie heute?
Johannes Franke: Also, mein Credo ist immer, egal wie schlecht die Technik ist, es muss mir die Szene verkaufen. Und es verkauft mir in jedem Fall die Szene. Das ist schon mal Bottomline. Auf jeden Fall kaufe ich das und sage, die Geschichte erzählt es mir so weit, dass ich wirklich da sitze und denke, oh Gott, oh Gott, die Vögel, scheiße. Und wie sie da durch den Kamin kommen und so. Der Kamin, wie sie durch den Kamin kommen, ist ja tatsächlich echt. Nur dann im Raum selbst haben die Vögel sich halt hingesetzt und gechillt. Das war nicht so gut für den Film. Das heißt, aus dem Kamin ist echt und dann später haben sie dann die Vögel drauf projiziert quasi. Und ich finde, dass gerade diese Szene, das sieht man. Das sieht man schon. Und weil die nicht wirklich interagieren können. Weil die Schauspieler ohne die Vögel drehen mussten und dann irgendwo in der Gegend rumfuchteln. Mhm. Und dann hat Hitchcock natürlich gesagt, ja okay, wir müssen einfach so viele Vögel dahin machen, dass man nicht mehr sieht, welche Vögel sie erwischen oder nicht erwischen. Ja. Aber ich finde, man sieht's.
Florian Bayer: Ja, ich finde es ist so, es gibt in dem Film Special Effects, die meiner Meinung nach extrem gut gealtert sind. Wo ich auch, wenn ich so, keine Ahnung, auch so Big Budget Kino der 90er Jahre CGI mit Tieren oder so dagegen halte, wo ich sage, das ist überzeugender, das überzeugt mich mehr. Es gibt Szenen, wo man sagt. beeindruckend für die Zeit. Aber ja, ich sehe, es gibt so dieses dissoziative Moment. Und das haben viele Filme von damals, gerade die Filme von damals, die mit Blue Screen, Green Screen gearbeitet haben. Oder sogar tatsächlich mit Leinwand Film läuft ab und Personen agieren davor. Und da gibt es so ein dissoziatives Moment, wo du sagst, okay, ich sehe die Person gerade in einem Studio vor einer elektronischen Kulisse agieren. Und das ist auch in dem Film, ich meine, Kudos, der Film ist 60 Jahre alt. Ja. Das ist krass, dass trotzdem so viel so gut gealtert ist. Aber natürlich ist es ein 60 Jahre alter Film. Und dementsprechend gibt es einfach die Momente, wo man das bemerkt. Und das ist vor allem, ich finde, bei den alten Filmen fällt es mir besonders auf, bei allen Fahrzeug-Szenen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und bei allen Szenen, die so in engen Räumen stattfinden, aber Raum öffnen wollen, in der Telefonzelle zum Beispiel. Also alles, was so ein Inneres hat. und dann außerhalb, wo du weißt, dass außerhalb ist irgendwie reingefakt, da spürst du so eine Entfremdung von dem, was da drin ist und dem, was da draußen ist, was halt auch im schlimmsten Fall die Immersion ein bisschen kaputt macht. Und das gibt es auch in dem Film. Nicht so, dass ich sagen würde, es macht mir den Film kaputt komplett, aber es gibt diese einzelnen Szenen, wo ich sage, ah, ja, jetzt sehe ich es, jetzt kann ich nicht, ich kann es nicht nicht sehen.
Johannes Franke: Mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: Ich befürchte, wir befinden uns in einer Self-Promo.
Johannes Franke: Oh nein!
Florian Bayer: Shit! Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind. Also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr anbenutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren wollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de.
Johannes Franke: Genau. Schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah, das soll schnell durchkommen.
Florian Bayer: Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch. Bei der Telefonzelle weiß ich gerade nicht ganz genau, da weiß ich gar nicht, wie viel sie mit Projektion oder nicht gedreht haben. Ich weiß bloß, dass die Tage zuvor Tippi mal wieder gesagt hat, Hitchcock, das geht so nicht, ich gehe auf gar keinen Fall auf deine sexuellen Avancen ein. Und dann stand diese Telefonzellen-Szene an und ihr wurde versichert, dass die Scheiben durchaus bruchsicher sind. Der erste Vogel und der zweite Vogel sind tatsächlich abgeprallt, der dritte Vogel ist durch. und sie hat echt Verletzungen davon getragen, weil die Scheibe zersplittert ist und auch teilweise in ihrem Gesicht, glaube ich, Splitter gelandet sind, die rausgeholt werden mussten.
Florian Bayer: Ja, sie hat es teilweise echt übel abgekriegt.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: In dieser Szene sind es nicht so sehr die Vögel, die dagegen fliegen, sondern das, was im Hintergrund stattfindet.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Du siehst einfach...
Johannes Franke: Mit der Explosion und so?
Florian Bayer: Ich glaube, es liegt sogar daran, dass du hast diese mechanischen Vögel, diese Attrappen, die dagegen geworfen werden und diese echten Vögel, die dagegen geworfen werden und dann hast du aber gleichzeitig noch unglaublich viel Hintergrundgeschehen. und das Hintergrundgeschehen ist einfach losgelöst von dieser Telefonzelle. Hitchcock war ein Studio-Fan. Hitchcock hat gerne in Studios gedreht. Hitchcock hat zwar hier vor Ort gedreht, es war tatsächlich, der hat sich in diesen Ort irgendwann verliebt und hat gesagt, das will ich jetzt alles. Aber er hat trotzdem sehr Studio verliebt und hat deswegen auch sehr viel im Studio nachbauen lassen und sehr viel im Studio noch zusätzlich gemacht.
Johannes Franke: Stell dir auch mal den Vogeltrainer vor, der mit Möwen Und mit Raben kann man das vielleicht noch machen, die kommen vielleicht wieder, aber Möwen hauen doch einfach ab. Und deswegen haben die tatsächlich auch die Szenen, wo der Himmel zu sehen ist. Was du oft nicht glauben möchtest, dass das kein echter Himmel ist, das ist Studio. Weil die Vögel sonst abgehauen wären. Einen Vogel haben sie auch verloren. Den haben sie stundenlang gesucht und irgendwann wiedergefunden und den Schnabel wieder geöffnet, weil die haben den zugebunden. Der wäre elendig verreckt.
Florian Bayer: Was haben die Vögel sich dabei gedacht? Ja. Arschlöcher. Ihr bindet mir gerade eine Schnabel zu. Ihr werft mich hier raus. Ich haue ab. Ihr jagt mir hinterher. Für einen Film, in dem ich der Bösewicht bin? Was stimmt nicht mit euch?
Johannes Franke: Ja, das ist auch ein bisschen die Erklärung, die Hitchcock für den Film hatte, dass die Natur irgendwann sagt, you take me for granted, I will fight back.
Florian Bayer: Also was für mich vor allem hängen geblieben ist, ist aus dem Gespräch von Truffaut und Hitchcock, dieses aus diesen... Gesprächen, wie haben sie das gemacht, Herr Hitchcock, dass Truffaut sagt, oh, ich find's total geil, dass es in Die Vögel keine Erklärung gibt. Und Hitchcock sagt, ja genau, das hab ich mir auch gedacht. Ich will keine Erklärung. Das ist bei mir hängen geblieben. Aber wir sagen ja immer, und wir wollen ja Hitchcock auch nicht zu sehr hoch auf den Sockel heben, deswegen müssen wir unsere eigene Erklärung vielleicht finden für diesen Angriff der Vögel, für das, was da passiert.
Johannes Franke: Also ich finde auch, dass es gut ist, dass der Film sich da nicht festlegt. Aber sind wir schon in der Geschichte oder sind wir noch bei den Dreharbeiten?
Florian Bayer: Ich glaube jetzt. Wandern wir in die Geschichte rein.
Johannes Franke: Kannst du was mit der Geschichte anfangen an sich? Mit diesem Horror des Tieres, das wild geworden ist und uns angreift?
Florian Bayer: In dem Fall ja, absolut. Ich bin kein großer Tierhorror-Fan. Und ich finde auch die Öko-Horror-Geschichten ein bisschen lame, weil das so ein bisschen überdehnt ist. Weil es gibt so viele Geschichten, in die Natur zurückschlägt. Und irgendwann erfahren wir ja. Denn das eigentliche Monster ist der Mensch. Das ist so... Ist nicht so mein Ding, deswegen bin ich auch nicht so ein Fan von dieser ökologischen Interpretation. Ich kann hier total was damit anfangen, weil ich dieses Zusammenspiel von der romantisch-sexuellen Spannung und diesem Familientrauma im Kleinen und dem Vogelhorror auf der anderen Seite total überzeugend finde. Ich finde dieser Clash von zwei sehr unterschiedlichen Geschichten, die beide was total Unangenehmes haben, finde ich großartig gelöst.
Johannes Franke: Also ich finde auch, dass das voll aufgeht, was Hitchcock sich gedacht hat, nämlich dass er eine Screwball-Komödie anfängt und im Horror aufhört. Finde ich total eine gute Überlegung und Entscheidung.
Florian Bayer: Ich habe den Film schon lange nicht mehr gesehen und ich war überrascht, wie witzig der am Anfang ist.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: es gibt so viel lustige Zähne. Also angefangen in dieser absurden Tierhandlung.
Johannes Franke: Ja, also die schönste Tierhandlung. Die Handlung, die ich mir vorstellen kann, oder? Das mondänste überhaupt riesig und nur Vögel.
Florian Bayer: Und Affen. Ach ja, es wird schon fucking Affen.
Johannes Franke: Echt, hab ich verpasst.
Florian Bayer: Sie haben, ich seh keine Hunde, also außer die, die Hitchcock in seinem Cameo oft da rausführt. Die haben da Affen in Käfigen. Und was ist das für eine zweistöckige Zuhandlung, wo unten Affen und oben Vögel sind? Welcher Psycho hat dir dieses Ding gebaut? Na,
Johannes Franke: Hitchcock.
Florian Bayer: Und dann ist es aber einfach... Dann haben wir wirklich so eine ganz klassische Screwball-Szene. Wenn Melanie Daniels, unsere Protagonistin, zum ersten Mal auf Mitch trifft und er sie nach Vögeln fragt und sie das Spiel mitspielt, weil sie offensichtlich gewohnt ist, sowas zu machen.
Johannes Franke: Das ist so seltsam. Es ist aber auch wirklich seltsam, dass sie dann in dem Moment, also dass sie erst einsteigt und sagt, ich verarsche diesen Typen und er dann sagt, ha ha ha, andersrum, ich hab dich verarscht. Was ich, hä, was ist das denn jetzt?
Florian Bayer: Es ist mir auch etwas, es ist irgendwie schwer zu verstehen, was hier ihre Motivation ist und was seine Motivation ist.
Johannes Franke: Ja, total.
Florian Bayer: Wie kommt ihr darauf, dass das funktioniert? Weil offensichtlich hat der es ja von Anfang an vor, sie so vorzuführen. Wie kommt ihr darauf, dass sie nicht einfach sagt, nee, Entschuldigung, ich arbeite hier nicht. Ich war gerade schon am Feind des Vogels, lass mich in Ruhe, du komisches Muttersöhnchen.
Johannes Franke: Sehr, sehr seltsam. Also es ist schon ein bisschen konstruiert, muss man sagen. Aber hier kommt ein bisschen etwas zu tragen, was ich an Hitchcock auch immer ein kleines bisschen in den Filmen unangenehm finde. Weil ich das Gefühl habe, dass Hitchcock hier eine Figur aufmacht, die gleichzeitig independent ist, weil sie ja ihren eigenen Spaß treibt. Dann ist die aber auch gleichzeitig sehr creepy und sie wird mega bestraft dafür, dass sie independent ist. Also irgendwie will Hitchcock Frauen, die unabhängig sind, aber er will sie auch dafür bestrafen, dass sie unabhängig sind.
Florian Bayer: Wir wollen nicht mehr über Hitchcock reden.
Johannes Franke: Wir müssen über Hitchcock reden.
Florian Bayer: Wir müssen über diese...
Johannes Franke: Ich muss dir sagen, dass dieser Film schlechter geworden ist, weil Hitchcock ihn gemacht hat.
Florian Bayer: Wir müssen über diese fantastische Melanie reden, die sich von Hitchcock emanzipiert hat. Diese Rolle, die wirklich spannend ist. Wir haben hier nämlich eine Frau, wie du sagst, die independent ist und die bestraft werden soll.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Die das aber auch in die Hand nimmt und die halt gerade nicht bestraft wird. Sie ist ja die, sie ist die, die in dieser Geschichte triumphiert.
Johannes Franke: Sie ist am Ende katatonisch.
Florian Bayer: Nein, kommen wir dazu. Oh. Sie... Sie... Sie ist die große Gewinnerin dieser Geschichte. Oh Gott, ich bin gespannt. Ich bin voll bei der hysterischen Frau im Café, die sagt, Sie sind schuld an dem allen. Das ist meine erweiterte psychologische Interpretation. Okay. Und diese Melanie geht so in die Richtung Never judge a book by its cover. Oh, können wir übrigens einmal kurz festhalten, es gibt unglaublich gute Exposition-Dialoge in diesem Film. Ja, das stimmt. Wir sehen so viele Filme, wo wir sagen, ah, die sind ganz gut, aber diese, oh, die sind... Erklärbär-Dialoge nerven. Dieser Film hat extrem gute Exposition-Dialoge, wo du wirklich das Gefühl hast, hier wird uns erzählt, wie die Charaktere sind, ohne dass wir das Gefühl haben, dass es uns so auf dem Tablett serviert wird.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Egal, genau. Sie ist die Tochter eines großen Medienmoguls und sie ist offensichtlich irgendwie so eine Art It-Girl, Gossip-Girl, whatever.
Johannes Franke: Sie ist einfach Tochterberuflich.
Florian Bayer: Sie feiert Partys, hat Geld, sie ist Paris Hilton.
Johannes Franke: Ja, sie ist Paris Hilton.
Florian Bayer: Aber wir erfahren mehr und mehr über sie. Was zeigt, dass sie halt doch mehr ist. Sie ist zum einen extrem clever. Ja, die Berufe, die sie aufzählt, die sie macht, sind jetzt ein bisschen so, ja, okay. Du zeigst dich also auch hier in der Abendküche, um ein paar obdachlosen Essen zu kochen. Aber man merkt so nach und nach, dass das ein bisschen mehr in ihr steckt. Und was vor allem in ihr steckt, ist ein bedingungsloser Wille, sich das zu nehmen, was sie will. Und zwar aber auch dafür zu arbeiten. Also es arbeiten im Sinne von...
Johannes Franke: Im weiten Sinne.
Florian Bayer: Sie ist nicht der reiche Snob, der sagt, naja, ich krieg das schon alles, sondern sie macht sich die Mühe zu recherchieren. Und zwar ziemlich viel zu recherchieren. Sie fährt dahin. Sie ist eine echt gute Stalkerin.
Johannes Franke: Eine verdammt gute Stalkerin. Aber man muss auch sagen, dass dieser Shop-Owner, den sie da fragt, auch bereitwillig... alles an Informationen rausgegeben. Was? Sie wollen diesen Menschen stalken? Kein Problem. Ich gebe ihnen alles, was ich weiß. Und wenn ich nicht alles weiß, was sie brauchen, gebe ich ihnen sogar noch die Adresse der Frau, die es vielleicht wissen könnte. Es ist wirklich ein bisschen creepy. Vor allem, sie könnte kommen.
Florian Bayer: Um ihn umzubringen,
Johannes Franke: weißt du? Und dann sagt man, ach ja, ich geb dir einfach alles. Ach, sie wollen nicht, dass er bemerkt, dass sie ankommen. Ja, dann müssen sie über die Hintertür reingehen.
Florian Bayer: Es gibt ja auch den Punkt, wo du feststellst, okay, jetzt ist es ein Verbrechen. Nämlich mindestens dann, wenn sie in seiner leeren Wohnung steht.
Johannes Franke: Also es ist wirklich ein bisschen, also es wird heiter und idyllisch erzählt, aber wenn man sich das ein bisschen durch den Kopf gehen lässt, dann denkt man, oh mein Gott, was für eine creepy Frau. Absolut.
Florian Bayer: Und das ist aber auch ihre Stärke, ne? Ja. Sie hat was Böses an sich. Und sie hat ja auch diese Verrückte in dem Café. Ist ja nicht die Einzige, die sieht, dass diese Frau irgendwie was Böses an sich hat. Wenn wir mal uns anschauen, wie Lydia auf sie reagiert. Ja, Lydia legt jede Frau ab von mit.
Johannes Franke: Ja, genau. Da gibt es keine Auswahl. Aber Lydia...
Florian Bayer: Hat auch einen Sinn dafür, dass diese Frau Ärger bedeutet. Und Annie, Annie freundet sich mit Diana, aber Annie hat glaube ich auch ein Gespür dafür, dass diese Frau Ärger bedeutet. Ja. Und selbst Mitch denkt, weiß, ich meine er hat genug mit ihr mitgemacht dann ab einem gewissen Punkt, weiß, dass diese Frau Ärger bedeutet, findet das aber anziehend.
Johannes Franke: Ja, absolut. Was das nächste creepy Ding ist, wie seid ihr überhaupt zusammengekommen? Wie kann das sein? Diese Umstände sind wirklich Red Flags für beide Seiten auf dem Gebiet.
Florian Bayer: Aber ich sitze da in dieser ersten halben Stunde, bevor der erste Vogelangriff ist und lache die ganze Zeit und finde das voll witzig. Was für eine geile Rom-Com, auch weil es so eine Dark-Rom-Com ist, weil es ein Schuss drüber ist. Diese gegenseitige Abneigung ist nicht nur so eine Neckerei, sondern da ist eine Energie zu spüren, die deutlich darker ist als bei sowas wie Mr. und Mrs. Smith oder wie auch immer.
Johannes Franke: Total. Ich finde, dass die erste Szene das ja total mitbringt, dass diese sexuelle Energie da ist, aber gar nicht die romantische Energie. Ja. Weil das wirklich so ein, wir reiben uns aneinander und wir gucken mal, wie weit kann der eine mit dem anderen da irgendwie gehen und fast ausfällig beleidigend werden und so.
Florian Bayer: Er ist gut zu vögeln, sie ist gut zu vögeln.
Johannes Franke: Flo, danke, dass du das auch gesagt hast.
Florian Bayer: Danke.
Johannes Franke: Oh Gott, wir sind wirklich 16, Flo. Das ist unglaublich. Okay,
Florian Bayer: definitiv sehe ich auch so. Es ist eigentlich keine Rom-Com, sondern eine Sex-Com. Ja,
Johannes Franke: eigentlich ist es eine Sex-Com, genau. Und insofern lässt sich natürlich einiges reininterpretieren in diesen Vogelangriff, weil das für mich auch diese Gewalt, die da drin steckt, auch was voll Sexuelles hat irgendwie dann. Ja,
Florian Bayer: absolut. Und was wir erfahren, er ist ja ein Muttersöhnchen.
Johannes Franke: Das ist so absurd. Oh, dieser Mann. nennt seine Mutter Darling. Ja.
Florian Bayer: Ich komme nicht drauf klar.
Johannes Franke: Oh, ist das hart. Und dann zieht sich alles zusammen.
Florian Bayer: Ganz wichtige Frage, wie alt ist Mitch?
Johannes Franke: 47. Er ist eigentlich 33.
Florian Bayer: Aber er könnte auch 57 sein.
Johannes Franke: Ja. Er könnte so alt wie seine Mutter sein. Es könnten eigentlich ein paar sein.
Florian Bayer: Total gruselig. Und er lebt in dieser wirklich toxischen Beziehung zusammen mit seiner Mutter und seiner Tochter. Und wir erfahren so Bruchstücke über Annie, wie sie offensichtlich mal... seine Partnerin war und dass das überhaupt nicht geklappt hat, weil Lydia Menschen tötet. Und ich habe mir als Notiz gemacht, okay, nach dem ersten Vogelangriff, und jetzt sehen wir den Blick von Lydia, der ist schlimmer als der erste Vogelangriff. Der erste Blick von Lydia auf Melanie ist deutlich brutaler als dieser erste Angriff von der Möwe auf sie.
Johannes Franke: Dieses Altersding ist aber, muss man sagen, auch ein Problem, weil diese Frau, weil die Mutter, Lydia, die sieht aus, als hätte man mir künstlich die Haare grau gemacht und älter geschminkt. Die ist tatsächlich älter, die Schauspielerin. Auch in den 50ern, 55 oder sowas.
Florian Bayer: Jessica Tandy. 54 ist sie.
Johannes Franke: Die sieht aber so aus, als wäre sie eigentlich 30 und man hat sie nur darauf hingearbeitet. Es ist so weird irgendwie.
Florian Bayer: Ich finde Jessica Tandy so großartig.
Johannes Franke: Ja, ja, natürlich. Aber in diesem Zusammenhang ist es so ein bisschen uncanny.
Florian Bayer: Absolut, total. Auch genau aus dem Grund, weil Rod Taylor Ja. Ist... ist älter als sie, ist aber auch nur 20 Jahre jünger als sie. Ist aber auch nur 20 Jahre jünger als sie. Sie hat vielleicht jung das Kind gekriegt. Und er sieht halt auch älter aus, als er eigentlich ist. Er wirkt auch irgendwie älter.
Johannes Franke: Und Männer in der Zeit wirken alle aus, die von Anfang 20 bis Mitte 60 wirken, die wie Mitte 50.
Florian Bayer: Ein ganz wesentlicher Teil der Geschichte ist ja auch, dass er nichts auf die Reihe kriegen. Dass er nicht handlungsfähig ist, dass er nicht entscheidungsfähig ist. Was sich in dieser Geschichte eventuell durch die Option auf Sex mit dieser wundervollen Tippi Hedren ändert. Und es gibt ja diesen einen großen melodramatischen Moment zwischen Mutter und Sohn, wo sie sagt, du kriegst nichts auf die Reihe, wenn auch nur dein Vater hier.
Johannes Franke: Oh Gott, das ist aber auch so ein Satz von der Mutter.
Florian Bayer: Alter,
Johannes Franke: das gibt's ja nicht. Aber dann ist, wenn du Annie jetzt angesprochen hast, die Lehrerin. Die nicht die Blondine ist, die die Frau in der zweiten Reihe bei Hitchcock ist, die ich ehrlich gesagt sehr viel interessanter finde, teilweise als der Film anscheinend oder als Hitchcock.
Florian Bayer: Ja, also ich finde Annie nicht langweilig, aber ich finde Annie ist die einzige normale Person in diesem ganzen Ding und deswegen ist sie am uninteressantesten.
Johannes Franke: Ich finde sie nicht uninteressant, überhaupt nicht.
Florian Bayer: Ich finde diese ganzen, diese komplett verwirrten, merkwürdigen Charaktere, die finde ich spannend, aber Annie ist halt so... Annie ist geil. Also Annie ist voll cool.
Johannes Franke: Find Annie großartig und die Schauspielerin spielt die erste Szene, in der sie auftaucht, so gut hintersinnig und doppelbödig, dass ich bei ihr so viele Geheimnisse sehe, dass ich alles wissen will über diese Frau. Sie spielt das so gut. Das steckt vielleicht noch nicht einmal so sehr im Drehbuch drin, aber sie spielt das so gut.
Florian Bayer: Susanne Plachette, der Annie auf jeden Fall sowas extrem Wissendes mit... Also Annie bewegt sich auf Augenhöhe mit Melanie. Ja,
Johannes Franke: volle Kante.
Florian Bayer: Und die sind ja auch extrem offen und transparent am gewissen Punkt zueinander. Also nach dem Motto, du willst den flachlegen, ich habe auch schon mal versucht den flachzulegen, komm mal an seiner Mutter vorbei, viel Glück. Und es gibt meiner Meinung nach auch eine extreme Spannung zwischen Annie und Melanie. Und Annie ist ja auch eines der Todesopfer nachher. Und deswegen ist für mich auch so diese Deutung nicht die Verantwortung. Es geht ja um psychologische Deutungsmuster. Ja, das stimmt. Melanie ein großer Grund für diese Attacke ist, hier wird eine Nebenbuhlerin zur Seite geräumt, weil Annie, wir merken, es gibt diese Spannung zwischen Annie und Melanie, weil die verstehen, die sind Konkurrentin. Und Annie kann mir noch so viel erzählen wie, ja, jetzt bin ich nur noch, jetzt hab ich kein Interesse mehr, und bin mit Lydia befreundet, von wegen. Du willst da immer noch in die Hose von dem Typen. Ja,
Johannes Franke: deswegen ist sie ja da.
Florian Bayer: Genau.
Johannes Franke: Sie ist genauso eine Stalkerin eigentlich wie Melanie, muss man sagen.
Florian Bayer: Sie hasst diesen Ort.
Johannes Franke: Sie hasst den Ort und ist nur seinetwegen da. Sie ist extra dahin gezogen. Sie hat rausgefunden, wie Melanie, wo dieser Typ wohnt und hat sich da reingepflanzt. Wie Melanie das auch gerade macht. Also es ist schon ah, ich weiß nicht, ob der Film nicht eigentlich heißen müsste Single Unhappy Woman The Movie. Wirklich, weil die Mutter ist auch unhappy und eigentlich sind alle Frauen, die eine Bedeutung spielen, auch die in dem Diner Die Mutter von den beiden Kindern scheint auch alleinerziehend zu sein, vom Vibe her.
Florian Bayer: Aber das Ding ist ja, und das macht Annie so normal, Annie ist relativ glücklich. Annie hat abgeschlossen mit sich. Das stimmt. Also nicht abgeschlossen im Sinne, sie versucht es nicht mehr, aber sie akzeptiert Sachen, die sie sind. Und sie führt ein ganz gutes Leben.
Johannes Franke: Sie strahlt auch eine Ruhe aus, die die anderen nicht ausstrahlen.
Florian Bayer: Sie ist irgendwie cool und sie ist nicht so kommunikationsgestört. Das ist es vor allem. Die sind alle kommunikationsgestört. Keiner kann vernünftig reden in diesem Film.
Johannes Franke: Ja, damit der Plot weitergehen kann.
Florian Bayer: Die reden aneinander vorbei und glauben sich nicht. Und was zur Hölle findet man an Mitch eher attraktiv?
Johannes Franke: Das ist so seltsam, ne? Mitch ist ja der große Gockel in dem Film. Alle wollen was von Mitch. Selbst die Mutter will was von Mitch.
Florian Bayer: So was von. Und die Mutter ist am ehesten die, mit der er schon was hat.
Johannes Franke: Ja. Fuck, alle Leute, ich will nicht mehr.
Florian Bayer: Darling. Honey.
Johannes Franke: Fuck, Alter. Aber es ist wirklich hart. Das ist wirklich cringe in den Momenten, wo es wirklich ausgespielt wird.
Florian Bayer: Und Mitch ist so dieser spießige Boy, der bei seiner Mutter wohnt, der sich kochen lässt. Dein Mann kann keine Waschmaschine bedienen.
Johannes Franke: Nein, nein, der hat keine Ahnung, wie man lebt. Wenn man den alleine lassen würde, irgendwo aussetzen würde, der würde keine zwei Tage überleben. Das war's. Ich weiß nicht, ob ich dann auch kein Mitleid mit ihm habe, den ganzen Film über. Was ein bisschen vielleicht ein Problem des Films sein könnte. Aber so weit komme ich gar nicht erst. Ich bin zu sehr bei Melanie und bei Annie.
Florian Bayer: Wir haben ja auch relativ wenig von seiner Perspektive.
Johannes Franke: Ja, das stimmt.
Florian Bayer: Wir sind schon bei Melanie. Der Film gehört ganz eindeutig Melanie und Timmy Petron. Ja, wir haben auf jeden Fall dieses wirklich merkwürdige Setup, wo alle irgendwie komisch miteinander reden, sich gegenseitig nicht glauben. Und es permanent diese Sprache gibt. Spannung in der Luft gibt, dass Leute andere Menschen als Enttäuschung ansehen, sich viel zu schnell ihnen öffnen oder sich gar nicht öffnen. Aber irgendwie wirkt es die ganze Zeit so, als ob die gefangen wären in einer Welt, in der Kommunikation nicht vernünftig möglich ist. Päffi zum Beispiel, auch eine ganz kleine Rolle, die kleine Schwester von Päffi. Die unglaublich glücklich ist, als Melanie da ist und ihr gleich in die Arme fällt.
Johannes Franke: Wo man denkt, hä, du kennst sie nicht, du weißt überhaupt nichts über diese Frau. Du hast gerade erraten, dass die Vögel für dich sind. Was ist da los?
Florian Bayer: Die innerhalb von Sekunden,
Johannes Franke: also Kinder vertrauen schnell.
Florian Bayer: Die beste Freundin, die aber nicht so, Kinder verhalten sich nicht so. Und dann auch, das ist dann glaube ich wieder so ein Kinderdarsteller-Ding. Vielleicht erinnert ihr euch oder du erinnerst dich vielleicht, ich habe irgendwann mal über Kinderdarsteller aus verschiedenen Zeiten geredet. Ja, stimmt. Und gesagt, dass immer wenn ich einen 80er-Kinderdarsteller sehe, denke ich, boah krass, man merkt so krass den Unterschied zu heute.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Weil heute einfach die Kinderdarsteller deutlich besser sind als damals. Ja. Wenn man in die 60er guckt, fällt es meiner Meinung nach noch krasser auf. Und wenn ich sehe, wie Käfi sich verhält, glaube ich, es ist auch einfach so ein bisschen fehlende Schauspielkompetenz. Ja. Sehr steif, also bemüht herzlich und gleichzeitig unglaublich steif dabei verhält.
Johannes Franke: Ja, ich glaube, es ist aber auch die Zeit, die man irgendwie, hat man sie so rangezogen, weil die Studios haben ja auch die Kinder dann quasi besessen. Die hatten einen Vertrag mit denen gemacht und dann mussten die halt das tun, was denen gesagt wurde, was denen an Filme zugeschustert wurde. Dann gab es vielleicht noch Gesetze, die gesagt haben, du musst aber das Kind wenigstens so und so viele Stunden in der Woche zur Schule schicken. Aber das war es auch. Mehr Protection gab es auch in den 60ern nicht so richtig.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall wird diese Figur dadurch auch sehr weird. und irgendwie komisch steif und irgendwie ein bisschen ungelenk. Was meiner Meinung nach sehr viel zur Atmosphäre dieses Films beiträgt, um das nochmal zu sagen. Ich finde es total toll, dieses Setup. Ich finde die Familie großartig. Ich würde am liebsten bei denen einziehen und dann irgendwann nachts alle mit dem Hackebeil totschlagen.
Johannes Franke: Okay. Wollen wir mal ein bisschen die Vögel überhaupt reinholen? Ja,
Florian Bayer: genau, die Vögel. Kommen wir mal zu den eigentlichen Monstern dieses Films.
Johannes Franke: Also das beste Bild. des ganzen Films, benachbart von sehr ähnlichen Bildern, aber ich nehme mal das raus, ist, wie sie vor der Schule wartet und im Hintergrund die Vögel auf diesem Gerüst immer mehr werden. Und das ist so stark und so großartig und ein gutes Timing. Es gibt Stellen in dem Film, wo der Timing nicht so gut ist, wie zum Beispiel mit dem Feuer. Ich weiß nicht, ob du das erinnerst, aber Tipi guckt einmal in die eine Richtung, dann ist der Schnitt auf das, was dort passiert, Feuer. Plötzlich der Schnitt auf sie, wie sie mit einem völlig anderen Gesichtsausdruck völlig woanders hinschaut. Und dann wieder ihre Perspektive. Und das so drei, viermal hintereinander wie so ein Comic geschnitten, wo man denkt, what the fuck, wirst du jetzt zur Slapstick-Komödie oder was? Aber hier bei den Vögeln ein sehr, sehr guter Schnitt und sehr gut gesetzt.
Florian Bayer: Meiner Meinung nach die beste Suspense-Szene, die Hitchcock hier gedreht hat.
Johannes Franke: Das kann sein.
Florian Bayer: Wir haben viel über Suspense geredet und die klassische Suspense-Definition ist ja, du lässt den Zuschauer mehr wissen als deine Protagonisten. Und das ist hier formvollendet umgesetzt. Wie sie da sitzt, sich die Zigarette anzündet und wir haben ein paar Schnitte und wir sehen nach und nach, wie es mehr Vögel werden.
Johannes Franke: Ja, ist wirklich toll.
Florian Bayer: Es gibt einige gute Bedrohungsszenen, meiner Meinung nach, wo nicht die Vögel angreifen, sondern wo wir einfach Vögel sitzen sehen.
Johannes Franke: Wollte ich gerade sagen, weil das wirklich das ist, was am stärksten im Film ist, oder? Gar nicht die Vögel, die dann losfliegen und irgendwelchen Scheiß machen, sondern die Kinder, die auf der... auf diesem Laufband rumrennen und dann angegriffen werden. Nein, es sind die Szenen, wo die Vögel immer mehr werden. Das letzte Bild ist natürlich großartig, aber auch zwischendurch schon, wo die Vögel einfach da sitzen und dann die Kamera ganz genial die Perspektive von ihr nimmt, wie sie läuft und dann die Kamera mitläuft. Also auch gar keine Overshoulder, also man spürt sie nicht mit, sondern man sieht wirklich genau durch ihre Augen auf diese Perspektive, auf diese Vögel. Und wie sie dann wegläuft und das so parallaxmäßig, die Perspektive, kommt das Haus rein und verdeckt dann langsam die Vögel. Und diese Bedrohung ist so stark in dem Moment. Ich finde es ganz, ganz toll von hier heran gemacht.
Florian Bayer: Ja, auf jeden Fall. Es gibt halt auch so, also die Vögel sind halt omnipräsent. Das Ding fängt mit den Vögelgeräuschen an. Wir haben den Soundtrack die ganze Zeit, die Vogelgeräusche.
Johannes Franke: Soundtrack.
Florian Bayer: Es gibt quasi keine Musik, sondern nur diese Vogelgeräusche. Und dann haben wir auch ganz oft so zehn, ganz am Anfang guckt sie in den Himmel und wir sehen diese... Vogelschar am Himmel. Das ist halt doch gar nichts Bedrohliches oder so, aber wir sehen einfach so diese Antizipation des Horrors. Und dann haben wir diesen Streit von ihr mit Mitch und dann einfach nur dieser Blick auf die Stromleitungen. Auch da, niemand wird angegriffen, aber wir sehen die Stromleitungen, wo überall Vögel sitzen. Und das sorgt einfach für so eine grundbedrohliche Atmosphäre. Ja, die stark ist. Auch ganz banal, wenn der Vogel bei Annie und Melanie gegen die Tür fliegt. Ja. Nichts passiert, ne? Und sie machen die Tür auf und wir sehen einfach diesen toten Vogel da liegen. Und was ist da passiert? Offensichtlich ein Kamikaze-Flieger. Und dann gibt es ja wirklich den Punkt, wo es Schlag auf Schlag geht. Wir haben dann wirklich eine Folge von Vögelangriffen, im Prinzip die mehr als die zweite Hälfte des Films besteht, eigentlich nur noch aus Vögelangriffen und Menschen, die sich in dieser Stadt bewegen und eigentlich entweder auf der Flucht vor Vögeln sind oder drüber nachdenken, was passiert ist. Oder Leichen finden oder so.
Johannes Franke: Oder im Denial sind und sagen, nein, Vögel verhalten sich so nicht. Das geht nicht, das funktioniert gar nicht. Oder eben dann in der Ecke sitzt und sagt,
Florian Bayer: Welt,
Johannes Franke: Ende. Das Ende ist nah, ihr müsst, hört auf mich, hört auf mich. Ich finde diese Figuren da in Deiner, die sind wirklich absurd, oder?
Florian Bayer: Total schräg.
Johannes Franke: Eine seltsame Zusammenstellung.
Florian Bayer: Das sind so ein bisschen die Filmrezipienten, ne? Die darüber debattieren, was wir hier für Erklärungen finden können. Wir haben hier den religiösen Eiferer. Wir haben die Sittenwächterin, die die Sexualität verantwortlich macht. Und natürlich haben wir die Biologin, die einfach sagt, der Film ist Quatsch.
Johannes Franke: Ich finde es süß, ich finde es ein guter Kommentar. Das Problem ist ein kleines bisschen, dass das so aus dem Nichts kommt, dass ich plötzlich in diesem Diner bin und plötzlich diese ganzen Figuren auf mich einprasseln, dass ich denke, wenigstens diese Ornithologin oder was sie sein soll, Hätte man ja vorher mal etablieren können vielleicht.
Florian Bayer: Mrs. Bundy, die einfach eingeführt wird, die plötzlich da steht und sagt, ich habe das übrigens studiert. Was für ein Zufall? Können wir nochmal kurz über deine Rolle in diesem Geschehen reden? Hat sie die Vögel aufgehetzt?
Johannes Franke: Ja, also es ist wirklich ein bisschen aus dem Nichts. Da denke ich mir auch, naja, komm, also wenn du schon eine Expertin hast, die dann einmal erzählt, was geht und was nicht geht, damit du auch am Ende noch mehr das Gefühl hast, dass hier etwas passiert, was eigentlich völlig außerhalb der Norm ist, dann kannst du die doch vorher wenigstens einmal einführen, die Frau.
Florian Bayer: Ich find's geil, dass so... dass sie sie einfach einführen um diesen Horror, in dem wir jetzt mittlerweile sind. Wir sind richtig in einem Horrorfilm, ganz traditioneller Monster-Horrorfilm, wo dieses Setup einmal mit der Wissenschaft konfrontiert wird. Und diese Figur ist ja auch komplett, die leugnet einfach. Die sagt, ich glaube dir kein Wort. Und Melanie sagt, ich habe das mit eigenen Augen gesehen. Da wurden Leute getötet. Und sie sagt, nein, das gibt es nicht. Das passiert einfach nicht. Das ist nicht so. Vögel sind anders, ich weiß das und Ende. Darüber muss gar nicht geredet werden.
Johannes Franke: Ja, finde ich super. Das ist auch selten, dass man das in so Monsterfilmen sieht. So Zauberei oder sowas in irgendwelchen Fantasyfilmen ist oft. Ja gut, dann gibt es das jetzt. Es gibt sehr selten eine Figur, die sagt, nö. Also insofern habe ich da Respekt vor.
Florian Bayer: Ich finde es ganz geil, um nochmal einen Schritt zurückzugehen, was diese Horrorfilm-Tropes betrifft. Wir haben nicht nur diese tolle Suspense-Szene, wir haben auch einen ganz tollen Anti-Jump-Scare, würde ich fast behaupten. Nämlich, wenn Lydia die Leiche findet von diesem einen Farmer,
Johannes Franke: Mr.
Florian Bayer: Forceth. Sie kommt da rein in diesen Raum und dann haben wir den Schnitt auf die Leiche und die zerhackten Augen und sie stürmt dann raus und auch ohne Musik, wie der ganze Film. Und auch gar nicht so schnell als Schock inszeniert, sondern auf eine ganz merkwürdige, ja fast schon so verstörende Art, so ein bisschen dekonstruktivistisch, was das schon betrifft, gegen den Horroreffekt und damit aber deutlich effektiver.
Johannes Franke: Ja, deutlich effektiver. Der heutige Horrorfilm, der so... B-Movie-Qualitäten vielleicht hat, der würde da an der Stelle so ein Geräusch machen und dann so ein Jumpscare rein und hier, guck dir diese Augen an. Und hier habe ich echt aufgeschrieben, dass mich das sehr überrascht hat in dem Moment, dass Hitchcock das überhaupt macht so. Dass er wirklich so explizit jemanden darstellt, dessen Augen rausgepickt wurden und er da so ganz elendig daliegt. Und dass die Szene aber natürlich Hitchcock... typisch sehr genau inszeniert und fast schon doch setartig, weil nicht mehr real inszeniert ist vom Aufbau des Zimmers her und wie die Kamera da durchgeht und so. Sehr artifiziell, fast wie ein Gemälde.
Florian Bayer: Hitchcock ist, und unterbreche mich, wenn ich das falsch sage, Hitchcock ist meiner Meinung nach kein Regisseur der Gewalt zeigt. Selbst in dem Film, den er da vorgemacht hat, der so sein härtester Film war bis dahin wahrscheinlich, Psycho, hat er nicht so viel zeigt er die Gewalt nicht, sondern deutet sie an. Also diese Duschszene ist ja sehr bekannt dafür, dass wir das Messer sehen und dann Ausschnitte von Haut und dann Blut, das in den Abfluss fließt und Schokolade, damit es schöner aussieht im Schwarz-Weiß-Film. Und ich finde, bei Vögel ist es ungewohnt physisch für einen Hitchcock-Film, was so die Darstellung von Gewalt betrifft. Wir sehen Blut, wir sehen ausgehackte Augen, wir sehen Kinder, denen auf dem Kopf rumgehackt wird. Also es sind deutlich mehr Body-Horror-Momente zu finden als sonst bei Hitchcock.
Johannes Franke: Es wurde auch nicht... gänzlich gut aufgenommen dadurch. Also es gab schon echt viele Leute, die gesagt haben, Alter, das ist zu viel oder jetzt bist du geschmacklos geworden und so. Also da war nicht jeder zufrieden mit.
Florian Bayer: Es bewegt sich ja auch immer so am Rande der Geschmacklosigkeit, gerade dadurch, dass so zentral diese Szene steht, wo die Kinder wegrennen von den Vögeln. Und das ist ja schon echt ganz schön hart. Also er hat sehr viele Schnitte auf Kindergesichter, Kinder, die wirklich in Panik sind. teilweise echt in Panik. Und auf denen diese Vögel rumhacken und die dann auch hinfallen und so weiter. Also es ist ja wirklich eine krasse Szene.
Johannes Franke: Ja, also gerade das mit den Kindern habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Also ich kannte den Film von früher. Ich habe den ja nicht gewählt, weil ich gesagt habe, ich will den mal sehen, sondern ich habe ihn mal irgendwann gesehen und habe ihn aber echt ein bisschen anders in Erinnerung, muss ich sagen. Und auch ein bisschen besser in Erinnerung, als ich ihn jetzt fand. Aber vielleicht liegt es auch ein bisschen mit daran, dass ich zu viel über Hitchcock weiß und das nicht mehr trennen kann so richtig gut. Ich weiß nicht. Naja, aber ich fand tatsächlich zum Beispiel die Szene, die wir vorhin schon angedeutet haben, wie sie am Ende dann da hochgeht in diesen Raum, wo die Vögel dann komplett eingebrochen sind und sie dann auf sie einstürmen. Da hat sie ja am Set schon gefragt, Hitchcock, warum gehe ich da hoch? Und er so, because I say you do. Und das ist eine reine Machtsache. Und ich glaube, der Film hat dadurch verloren. Weil Hitchcock in dem Moment gesagt hat, nee, ich will das jetzt, dass du das jetzt so machst, weil ich das so sage. Und es gab vorher Pläne für eine Motivation dafür. Es gab eine Drehbuchversion, wo das drin stand. Und das war gut. Ich weiß nicht mehr genau, was da drin stand. Ich habe es in der Recherche nicht aufgeschrieben, aber es hat jemand vorgelesen und ich habe gedacht, ja, aber warum machst du das nicht? Warum erklärst du nicht, warum diese Frau einfach so, obwohl sie genau weiß, dass das da alles vollgeschissen von Vögeln ist, warum geht die da durch diese Tür? Was soll das? Völliger Quatsch.
Florian Bayer: Lass uns da gleich nochmal drauf kommen, wenn wir zu der Erklärung oder zu den Interpretationen kommen.
Johannes Franke: Okay. Ich bin mal gespannt.
Florian Bayer: Ja, ich finde, es gibt so einen gewissen Rhythmus in diesem Film, der Eskalation bedeutet. Ja. Und der führt halt von diesem Vögel tauchen sporadisch auf und greifen sporadisch an über den Fund der Leiche.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Über diesen Massenangriff den Kindern gegenüber. Ja. Zweimal, einmal auf der Party, dann auf der Schule. Bis hin zu dem, plötzlich steht die Stadt in Flammen, die Tankstelle explodiert. Und... Es gibt einfach so ein Staccato und am Schluss ist es tatsächlich einfach nur noch Mayhem. Das gehört zu den Momenten, die ich auch nicht mehr so in Erinnerung habe. Ich habe ganz viele Szenen, hatte ich noch sehr präsent, zum Beispiel diese Flucht der Kinder vor den Vögeln.
Johannes Franke: Ah, okay, ja.
Florian Bayer: Das hatte ich noch im Kopf, weil das ist bei mir auch damals einfach hängen geblieben. Und ich habe den Film auch jetzt doch schon ein paar Mal geguckt. Was ich nicht mehr in Erinnerung hatte, dass das am Schluss so eskaliert. Dass das am Schluss wirklich so ein Mayhem ist und dass es wirklich so, auch wenn alles darauf hindeutet, dass wir begrenzt sind in diesem Bodega Bay. Nachrichten, die wir hören, die so ein bisschen mehr offenbaren, dass es ein bisschen mehr außerhalb gibt, sagen ja auch alle, eigentlich ist das das Zentrum. Hier ist die Hölle. Ich hatte nicht mehr in Erinnerung, dass das so krass apokalyptisch wird, dass die Vögel so viel zerstören, dass die so viel kaputt machen, dass am Schluss die Stadt in Flammen steht. Finde ich aber tatsächlich gut, weil das ist genau der Moment, der es für mich zu so einem Horrorfilm macht. In dem Moment entwickelt es sich von diesem Psychospielchen zu einem handfesten Horror und da gehören... Ja, ich weiß, das kann man drüber streiten. Da gehören für mich auch diese Horrortropes rein, die so ein bisschen Stereotyp und so ein bisschen Klischee sind. Und das Horrortropes sagt einfach, ja, du bist unsere Screamqueen. Du gehst jetzt durch diese Tür. Du musst da durch, du musst da rein. Wir können auch eine psychologische Erklärung dafür finden, warum du das tust. Aber du musst einfach rein, weil du den Gesetzen dieses Films folgen musst.
Johannes Franke: Fuck. Es war zu der Zeit noch nicht so ein Klischee vielleicht, weil Horrorfilme sich ja auch erst entwickelt haben und man dann irgendwie sagt, okay, Final Girl und so weiter, dieses ganze Zeug, das kann man vielleicht noch machen, wenn es noch nicht so totgeritten ist oder wenn man, aber ich weiß nicht, nein, nein, nein, nein, nein. Keine Rechtfertigung dafür. Ich finde die Situation in jedem Film scheiße. Und in diesem Film auch.
Florian Bayer: Es war damals noch nicht so was, was gerade war. Wir sind ja in den 60ern. Wir sind noch nicht in der Zeit des modernen Horrorfilms. Was weiß ich, moderne Horrorfilme aus den 70ern, 80ern. Das ist so ein bisschen mit Psycho zusammen tatsächlich die Geburtsstunde dieses modernen Horrorfilms. Und ganz viele Tropes, die wir in den 70ern, 80ern finden, sei es im Monsterhorror, sei es im Slasherfilm, sei es im Science-Fiction-Horror. Wie auch immer, die haben hier auch einen Anfang genommen. Und in der Zeit, in der wir sind, ist das Peak-Horror, sind die Filme der Hammer Studios.
Johannes Franke: Also barocken Gemälde,
Florian Bayer: die auch viel Blut haben. Und was Hitchcock hier macht, ist halt noch mal was anderes.
Johannes Franke: Ja, und tatsächlich auch für die Zeit natürlich neu. Und das haben auch viele einfach nicht verstanden. Und dann ist der Film auch über die Jahre erst dann noch mal zum Klassiker geworden. Weil er damals nicht unbedingt so 100%... positiv aufgenommen wurde.
Florian Bayer: Warum greifen die Vögel an?
Johannes Franke: Warum greifen die Vögel an? Es gab ja einen Vorfall, den Hitchcock auch als Anlass genommen hat. Es gab den ja in einer Stadt, weiß gar nicht mehr genau wo, egal. Es gab ihn von Vögeln, die wirklich überall reingerast sind, kamikaze-mäßig, die seltsame Dinge in der Gegend rumgekotzt haben, wo man dachte, what the fuck, jetzt geht gleich die Welt unter. Und es waren toxische Sachen aus dem See, aus dem Meer. Die haben das gegessen und sind verrückt geworden damit. So, warum greifen sie hier an in diesem Film? Könnte man natürlich einfach so biologisch erklären, auf die gleiche Art und Weise. Aber ich gehe mit dem Film mit. Ich würde sagen, wir sollten keine Erklärung dafür finden, weil sonst verliert sich der Horror.
Florian Bayer: Ja, ich glaube, man muss unterscheiden zwischen einer logischen Erklärung, die im Rahmen dieser Filmhandlung stattfindet, zum Beispiel sie haben irgendwelche Gifte gegessen, sie wurden von Aliens verhext oder wie auch immer. Und das ist das eine. Da finde ich auch genau, muss der Film nicht geben. Es ist total gut, dass das nicht stattfindet. Und das zweite ist dann natürlich eine Deutung, eine symbolische Deutung. Was ja irgendwie auch nochmal ein Unterschied ist. Zum Beispiel bei der Vorlage von Daphne du Maurier. Da gibt es ja diese Deutung, dass es eigentlich ein Bildnis ist der Fliegerangriffe auf England im Zweiten Weltkrieg. Und ich sage jetzt erstmal gar nichts Neues. Es gibt ja so Erklärungsansätze wie die ökologische, dass wir hier die Natur haben, die zurückschlägt. Wird in dem Film auch angeboten. Die unsere Mrs. Bundy sagt ja, die Schlimmsten sind die Menschen. Sie sagt einmal Mankind.
Johannes Franke: Und sie sagt auch, wenn das, was überhaupt nicht möglich ist, dass die sich zusammenrotten. Wenn sie das tun und gemeinsam plotten. Dann sind wir sowas von verloren. Das war's.
Florian Bayer: Es gibt sehr viele Vögel auf diesem Planeten und sie können alle besser fliegen als wir. Dann gibt es natürlich sowas wie eine, eigentlich daran anschließend, aber ein bisschen universeller, so eine eschatologische, so eine Weltuntergangserklärung. Das ist das, was der Besoffene sagt. So christlich, das ist das Ende der Welt. Wir haben hier eine Apokalypse, die inszeniert wird. Finde ich auch ganz spannend, weil wir haben ja dieses, wir haben dieses Bild von einer brennenden Stadt irgendwann. Und überall sind die Vögel und es gibt kein The End, sondern wir sehen dieses Offene. Jetzt geht alles... zu Bruch.
Johannes Franke: Jetzt wo du schon die Vorlage vorgelegt hast, es ist ja so, dass es in der Vorlage überall ist. Es ist ja nicht nur in dieser einen Hafenstadt dort, sondern in der Vorlage ist es überall und der Typ, um den es da geht in der Vorlage, der Film ist ja sehr sehr viel geändert, im Grunde sind nur die Vögel im Film.
Florian Bayer: Daphne de Mirolier war auch nicht sehr glücklich mit dem Film. Nein,
Johannes Franke: war sie nicht. Mit Rebecca war sie einigermaßen glücklich.
Florian Bayer: Ja, war sie.
Johannes Franke: Aber, also weil Rebecca auch eben von ihr kam und Hitchcock hat es verfilmt. Und deswegen hatte sie, glaube ich, auch ein bisschen Vertrauen in Hitchcock. Und das wurde jetzt enttäuscht.
Florian Bayer: Ich glaube, sie war vor allem sauer auf Evan Hunter. Das ist der, der das Drehbuch umgebracht hat.
Johannes Franke: Ja, ja, stimmt.
Florian Bayer: Und der war ja so ein, der war offensichtlich so ein B-Movie-Autor. Oh! Der hat so, nicht B-Movie, sondern eher so Pulp-Romane. Der hat ganz viele Polizeigeschichten und sowas geschrieben.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Unter 10 Millionen Pseudonymen. Mm. Ed McBain war, glaube ich, sein berühmtes... Pseudonym. John Abbott, Kurt Cannon. Der hat ganz viele Romane veröffentlicht und hat ganz viele verschiedene Namen und immer geht es um irgendwelche Polizisten. Und wahrscheinlich war ja das zu viel Palp, was Hitchcock daraus gemacht hat.
Johannes Franke: Jedenfalls im Original gibt es diesen Typen, der das erlebt. Und der ist eigentlich auf einer Farm irgendwo in Cornwall, also in England und nicht in Amerika. Das fand sie auch irgendwie doof. Und der sitzt am Ende als einziger Überlebender da und merkt, okay, Diesen Angriff habe ich jetzt überlebt, aber ich rauche jetzt schon mal meine letzte Zigarette für den nächsten Angriff und weiß, dass ich den nicht überleben werde. Das ist schon sehr dark, das Ende bei ihr.
Florian Bayer: Ja, voll. Und hier haben wir es ja eher so, dass es doch immer mal wieder... angeteasert wird, dass das Zentrum der Angriffe dieser Ort ist, ausgleichend dieser kleine Ort. Und dass es tatsächlich angefangen hat, als Tippi Hedren eingefallen ist.
Johannes Franke: Okay, okay, komm, erzähl mit.
Florian Bayer: Nein, nein, langsam. Aber wir kommen jetzt natürlich zu der psychologischen Deutung. Und so die berühmteste psychologische Deutung ist, zumindest habe ich das Gefühl, dass ich die am öftesten gelesen habe, dass die Vögel ein Ausdruck von dem Zorn der Mutter sind. Der unterdrückte Zorn der Mutter, die eine Nebenbullerin sieht. Und das lebt sich halt dadurch aus, dass dann die Vögel kommen. Und sie wird wenig verletzt. Finde ich Quatsch, weil sie wird auch von Vögeln angegriffen. Sie hat auch Angst vor den Vögeln. Deswegen finde ich die nicht so ganz überzeugend. Was dann darüber hinausgeht, es werden verschiedene Spannungsmotive so genannt. Das könnte sein, dass das Annie ist. Der Zorn von Annie. Es könnte sein, dass das die sexuelle Spannung ist, die sich nicht wirklich entladen kann. Ich glaube, das ist so ein bisschen das,
Johannes Franke: wo ich so ein bisschen dran hänge.
Florian Bayer: Ich habe das Gefühl, es ist tatsächlich, wir haben hier auf jeden Fall einen Ausdruck von Spannung. Und diese Spannung entsteht auf ganz verschiedenen Arten. Es gibt so viele Spannungen zwischen einzelnen Charakteren. Und jeder kriegt mal was ab von dieser Spannungsentladung. Die erste, die angegriffen wird, ist ja tatsächlich Melanie. Also zumindest die erste, die wir sehen, wie sie angegriffen wird von der Möwe. Und gleichzeitig ist Melanie die, die dann am Schluss, wie gesagt, ganz gut noch rauskommt. Du sagst, sie ist katatonisch. Ja,
Johannes Franke: sie starrt vor sich her und muss rausgetragen werden, mehr oder weniger. Also alle anderen sind lebendiger als sie nach diesem Angriff.
Florian Bayer: Niemand ist mehr lebendig.
Johannes Franke: Ja, aber das Kind sagt sogar noch, lass uns doch unsere beiden Lovebirds mit.
Florian Bayer: Was stimmt nicht mit dir, Casey? Was stimmt mit diesem Kind nicht?
Johannes Franke: Ich glaube, das ist der Moment, wo Hitchcock sagt, keiner wird überleben. Weil die beiden Vögel werden die im Auto jederzeit kühlen.
Florian Bayer: Melanie sorgt dafür, dass die Vögel dort angreifen. Und ich weiß nicht warum, ich kann es nicht erklären. Aber Melanie bringt die Vögel mit. Melanie ist die, die in den Himmel guckt am Anfang in dieser Zuhandlung und die Vögel sieht. Meine Überlegung ist, dass es tatsächlich die größte Spannung in diesem Film ist, eigentlich die von Melanie, die... die sich in diesen Mitch verguckt hat. Und die aber feststellt, dass es extrem viele Hürden gibt zwischen ihr und Mitch. Annie, Lydia, der ganze Ort.
Johannes Franke: Und dass er ein Anwalt ist, der einen Fall gegen sie geführt hat.
Florian Bayer: Es scheint offensichtlich ihre Romanze nicht im Weg zu stehen. Und diese Hürden räumt sie nach und nach ab. Annie wird getötet.
Johannes Franke: Die Mutter kriegt einen fast mütterlichen Moment mit ihr am Ende.
Florian Bayer: Genau, die Mutter bricht ja auch irgendwann aus. Und der Ort wird einmal in die Luft gesprengt. Und alle sehen, dass sie gefährlich ist.
Johannes Franke: Stimmt, naja, nee. Der Typ, den sie befragt, wo Mitch wohnt und wie die Tochter heißt, der ist total oblivious.
Florian Bayer: Aber Annie sieht, dass sie ganz klar sich Mitch angeln will. Lydia sieht, dass sie ihren Sohn wegnehmen will. Diese Frau im Dorf, die sagt, du bist daran schuld. Die sieht es auch.
Johannes Franke: Hexe, Hexe! Das finde ich übrigens ein bisschen... Entweder ist da eine Kritik von Hitchcock drin oder es ist einfach nur... Die Dramatisierung der Situation.
Florian Bayer: Es ist aber natürlich auch darin eine Emanzipationsgeschichte. Weil wir kriegen die Vögel präsentiert am Anfang im Käfig gehalten. Und der Käfig wird, das ist quasi eine Sprengung dieses Käfigs. Sie ist in diesem Ort. Und es geht noch nicht mal so sehr um ihren Käfig, weil sie ist offensichtlich ein sehr freilebender Mensch. Und es wird ja so ein bisschen erzählt aus ihrer Vergangenheit, wie sie Partys feiert und so weiter. Sie versteht es zu leben. Wer aber in dem Käfig lebt, ist Mitch. Und Mitch lebt in diesem Käfig, den er sich selbst gebaut hat und der teilweise durch die Mutter aufgedrückt wurde. Er ist halt einfach dieses Muttersöhnchen. Und das streift Mitch nach und nach im Laufe der Handlung ab. Und irgendwann ist Mitch tatsächlich handlungsfähig und kämpft gegen die Vögel. Liegt seine Hand zahak dabei. Wir kommen nochmal zu der Szene, wo Annie nach oben geht. Nicht Annie, Melanie nach oben geht. Das ist nämlich der Moment, sie geht in dieses Zimmer und wird angegriffen. Und Mitch kommt und eilt zur Rettung.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Das ist der Moment, wo Mitch sich emanzipiert von diesem ganzen Shit. Und der eigentliche Ausbruch. Dank dieser Vögel ist das Mitch.
Johannes Franke: Aber dann ist sie Borderlinerin.
Florian Bayer: Absolut. Ich sage nicht, dass daran irgendwas gesund ist. Aber das ist für mich eine absolut plausible Erklärung. Und das ist eine sehr brutale Erklärung. Und vielleicht ist die auch ein bisschen misogyn.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Aber ich finde das emanzipatorische Moment da drin ganz spannend, dass die Frau ist es, die den Mann rettet, indem sie um ihn herum alles abfackelt.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Aber sag nochmal was zum Sex. Du hattest offensichtlich sehr viel Sex in deiner Interpretation. Nein,
Johannes Franke: nein, nein, gar nicht so viel. Ich habe bloß gemerkt, dass diese Vögel und diese Situation, die Spannung, die Hitchcock da aufbaut, sehr, sehr sexuell ist einfach zwischen den beiden. Und dass das einfach auch ein Ausdruck dessen ist. Und auch ihre Emanzipation, wie du sie vielleicht jetzt auch nennst, vielleicht einfach ich eher im sexuellen Sinne gesehen habe.
Florian Bayer: Aber to bird kann man nicht wörtlich übersetzen mit Vögel, ne? Nur um das nochmal klar zu machen. Ja,
Johannes Franke: okay.
Florian Bayer: Nee, ich sehe total, was du meinst. Und ich gehe auch voll mit dir mit, dass das Sexuelle in dieser Beziehung zwischen Mitch und Melanie deutlich stärker ist ganz lange als das Romantische. Wobei es dann auch irgendwann diese typischen Romantiken gibt, wenn sie sich küssen. Ah, Mitch, noch nie alone.
Johannes Franke: Ah, also ich habe auch ein bisschen das Gefühl, dass Hitchcock hier auch seinen eigenen Zwiespalt... Zu Frauen und wie Frauen sein sollen und wie sie nicht sein sollen und wie er sie gerne hätte. Ich glaube, er will eine emanzipierte Frau, die er dann brechen kann, was total absurd und scheiße ist. Aber er ikonisiert sie ja geradezu. Sie ist ja fast schon, sie ist ja eine schöne, psychopathische, kriminelle Frau. Er liebt es, dass sie irgendwie so ein bisschen verrückt in Anführungsstrichen ist und will sie dann einsperren.
Florian Bayer: Na, das ist natürlich diese Domestizierungsinterpretation. Liegt natürlich voll nah. Also das ist, wenn wir so ganz auf Hitchcock gehen und sagen, dieser Film ist ein Ausdruck von Hitchcocks Persönlichkeit und von seinen Wünschen. Dann hat er diese selbstbewusste blonde Frau, die sich alles nimmt, was sie will. Und die dann mit diesen Vögeln konfrontiert wird und dann klein gehackt wird. Und am Ende sagt Lydia, oh, poor thing. Also dann hat sie ja wirklich... Sie ist gebrochen. Sie ist gebrochen, genau.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Und dann kann der Held, der Mann, der jetzt wieder die Macht hat und die Übel hat, kann mit ihr wegfahren.
Johannes Franke: So sehe ich das halt aber vor allem eben aus der Haltung heraus, die ich so ein bisschen durchspüre durch den Film von Hitchcock. Und ich bin ein bisschen neidisch darauf, dass du es schaffst, das von der anderen Seite zu sehen, weil ich habe das so nicht, dieses positive Emanzipatorische habe ich nicht so gesehen. Auch wenn sie trotzdem, wenn man nicht sagen will, dass sie das richtig macht und dass sie das toll macht und dass das gut ist, wie sie so drauf ist. Aber es hat ja trotzdem einen positiven, emozipatorischen Ansatz, den du da bringst.
Florian Bayer: Aber das ist ja, ich meine, der Film gehört jetzt uns. Hitchcock lebt nicht mehr.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Der Film gehört jetzt uns. Wir dürfen mit dem Film machen, was wir wollen. Und ich mag diesen Film total. Und ich finde es deutlich spannender, diese Bruchstellen zu sehen. Und ich kann absolut sehen, dass Hitchcock, natürlich haben wir hier was, was Hitchcock vorgeschwebt ist. Aber diese Bruchstellen darin. Wo der Film quasi sich über Hitchcock hinaussetzt.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Das ist eigentlich ganz spannend.
Johannes Franke: Absolut, absolut. Diese Ermahnung kriege ich von dir ja im Grunde jede zweite Episode, dass man sich natürlich den Film nehmen kann als Zuschauer und sagen kann, ich mache jetzt mein eigenes Ding da draus. Weil was will der Filmemacher machen? Sich auf den Boden werfen und mit den Fäusten auf den Boden trommeln? Das bringt ihm nichts. Also ich verstehe total zu sagen, nö, ich mache jetzt einfach das draus, was ich darin sehe. Und habe meinen eigenen Vorteil und meine eigene Interpretation und vielleicht sagt mir der Film was ganz anderes, als der Filmemacher sagen wollte. Aber manchmal fällt es mir einfach schwer, weil ich das zu sehr durchblitzen spüre, was der Filmemacher eigentlich da drin reinbringen wollte. Ja,
Florian Bayer: absolut.
Johannes Franke: Oder mir aufdringeln wollte teilweise, weißt du.
Florian Bayer: Und es ist ja auch tatsächlich ganz interessant, das mit reinzunehmen. Wolfgang M. Schmidt habe ich nochmal gehört auf dem Weg zu dir. Der hat das, der... Ja. Meine liebste Hassfigur in der Filmkritik-Szene. Der Filmkritiker, die meisten kennen ihn wahrscheinlich, der hat gesagt, es gibt sieben Erklärungsansätze und hat dann angefangen zu zitieren, was man alles nehmen könnte. Und der musste natürlich auch noch eine soziologische mit reinbringen oder eine soziopolitische. Nämlich, dass wir hier sowas haben wie quasi eine Arbeiterschaft, die sich gegen ihre Unterdrücker auflehnt.
Johannes Franke: Ich sage dir, was meine Freundin gemacht hat. Die saß da und hat gesagt, ganz klar, Gentrifizierung.
Florian Bayer: Super. Auf jeden Fall. Und ich finde, das ist die Macht des Publikums und die Macht der Rezeption. Wir dürfen das machen. Ja,
Johannes Franke: absolut.
Florian Bayer: Wir können das machen. Und natürlich ist das, was hat sich der Richtige... Oh Gott. Johannes, bei dir bei den Nachbarn. Gibt es einen Vorhang, der wölbt sich wie ein Hinterteil. Es sieht aus, als würde jemand einen riesigen Hintern aus dem Fenster raushalten.
Johannes Franke: Was?
Florian Bayer: Guck mal, siehst du das? Deine Perspektive ist wahrscheinlich ein bisschen anders als meine. Da hängt so ein Tuch drüber. Und dann siehst du diese beiden Vorhänge. Die sich so nach außen wölben, weil durch die Wohnung durchgepustet wird und es sieht jetzt nicht mehr ganz so krass aus. Aber vorhin war das sehr weit nach außen gewölbt und das sah aus, als würde jemand einen riesigen Hintern aus dem Fenster halten.
Johannes Franke: Flo interpretiert wieder Wolken.
Florian Bayer: Wobei ich genau bei Hitchcocks Hintern. Das ist vielleicht nicht die spannendste, weil spannend ist halt auch, was können wir damit machen? Das kann man auch total als Spiel machen. Klar, man kann da alles reindeuten, was ich auch ganz witzig finde. Und dann kann man aber gucken, was findet man. Und natürlich steckt da so viel... So viel Freud und so viel Oedipus-Komplex und so viel sexuelle Spannung und inzestuöse Spannung so drin. Und das ist natürlich, das bietet sich anders zu nehmen und darauf zu pfropfen dann.
Johannes Franke: Wollen wir uns in unsere Top 3 flüchten, damit wir nicht diesen Film totreden müssen? Was wir vielleicht schon gemacht haben.
Florian Bayer: Ist das nicht unser Job? Filme totreden? Schengel.
Johannes Franke: unsere Top 3. Wir haben eine Top 3. Diese Top 3 heißt, was habe ich gesagt?
Florian Bayer: Natur ist ein Arschloch?
Johannes Franke: Ja, stimmt. Natur ist ein Arschloch. Ich fand es dann doch wieder gar nicht so leicht, weil ich muss sagen, was du vorhin gesagt hattest, dass es so Horrorfilme gibt, wo die Natur zurück schlägt und so. Das sind alles schlechte Filme.
Florian Bayer: Vor allem in den 70ern, auch dank die Vögel und natürlich auch dank der weiße Hai, haben plötzlich alle Tierhorror gemacht. Ja. Nenn irgendein Tier, es wurde ein Horrorfilm damit gemacht. Das ist schrecklich. Ja. Und Killerameisen und Killerbienen und Killerfrösche und irgendwann denkst du so, ja und es ist alles derselbe Schund.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Ich habe drei Nicht-Horrorfilme.
Johannes Franke: Du hast drei Nicht-Horrorfilme? Ja. Okay. Du musst anfangen, glaube ich.
Florian Bayer: Ah ja, ich muss anfangen. Platz 3, Into the Wild aus dem Jahre 2007, basiert auf einer Autobiografie von Jean-Pen Regie. Und es geht um einen jungen Mann, der aussteigen will und irgendwie versucht, in der Wildnis dieses Aussteigerleben zu finden. Und der sich so nach und nach immer mehr autonomisiert. Zuerst lebt er dann in so einer kleinen Hippie-Siedlung, dann hat er wirklich nur noch ein paar Leute um sich und ganz am Schluss lebt er ganz allein irgendwo in Nordamerika. Und dann stirbt er einfach, weil er es nicht hinkriegt.
Johannes Franke: Aber ist es nicht eine Autobiografie?
Florian Bayer: Ja, sie haben dann seine Aufzeichnung gefunden, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
Johannes Franke: Okay,
Florian Bayer: krass. Ich weiß nicht, ich... Müsst ihr jetzt selbst nochmal gucken, wo es... Nee, es ist nicht eine Autobiografie, es ist eine Reportage, die über eine Person geschrieben wurde, die da gestorben ist. Und es gibt einige krasse Szenen, wie gezeigt wird, wie er dieses Survival-Ding halt wirklich durchzieht. Und er hat sich ganz viel Zeug angelesen. Und dann gibt es diese eine krasse Szene, wo er wirklich hungrig ist und er schafft es, ein Tier zu erschießen. Und dann kommen aber die Fliegen und er weiß, er muss dieses Tier irgendwo hinschaffen. Und so und so ausnehmen und so und so kühlen, damit das Fleisch noch genießbar ist, bevor die Fliegen ihre Kacke und die Erde reinlegen.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und die Szene ist so hängen geblieben, die ist super stark. Weil wir sehen, wie er am Verzweifeln ist. Er weiß, er muss das jetzt schaffen. Er ist am Verhungern und er muss irgendwie diesen Tierkadaver rechtzeitig dahin bringen. Und er schafft es aber einfach nicht, weil überall um ihn herum Fliegen sind. Und er steht da ganz allein in der Natur. Und du weißt, niemand wird dir helfen. Und wenn du das jetzt nicht hinkriegst, dann stirbst du. Hast du kämpft verzweifelt gegen die Fliegen, die sich einfach um den Kadaver streiten. Und es ist wirklich eine krasse Szene und es ist auch ein wirklich guter Film.
Johannes Franke: Ich hatte so ein bisschen Verzweiflung zwischendurch und habe Sachen aufgeschrieben, die ich gar nicht so gut finde, wie The Happening.
Florian Bayer: Wow, wow, wow, wow, wow.
Johannes Franke: Er hat es nicht in die Liste geschafft, keine Sorge. Aber ich möchte es einmal sagen, weil M. Night Shyamalan, ich verteidige diesen Menschen immer wieder. Er hat natürlich Filme gemacht, wo man so, naja, wo man davor sitzt und denkt, ja, okay, vielleicht ist er gar nicht so gut. Aber ich... kann total würdigen, was dieser Mensch will, was der versucht teilweise und dass er halt eben immer wieder daneben haut, ist halt, na gut, okay. Und in The Happening muss Mark Wahlberg irgendwie rausfinden, wie er den Gift gasen von Pflanzen, wie war das? Ich weiß nicht mehr. Jedenfalls, die Natur bringt die Leute um. Es ist nicht wirklich gut. Okay, aber schaut ihn euch trotzdem an. Irgendwann müssen wir den mal gucken.
Florian Bayer: Einer der schlechtesten Filme, die ich kenne. Wirklich, ganz schrecklicher Film.
Johannes Franke: Ich habe auf Platz 3 The Revenant, wo Leonardo DiCaprio verzweifelt versucht, einen Oscar zu bekommen.
Florian Bayer: Das ist wirklich, was muss dieser arme Mann noch alles tun, um einen Oscar zu kriegen? Aber da hat er ihn gekriegt, ne?
Johannes Franke: Ich glaube, er hat ihn dafür bekommen.
Florian Bayer: Der letzte, okay. Ich lasse mich jetzt von einem Bären vergewaltigen. Bitte, gib mir endlich einen Oscar.
Johannes Franke: Schon krass. Von Alejandro Iniratu? Oder wie? Ina Ritu. Ich fand ihn damals schon beeindruckend, muss ich sagen. Die Bilder im Kino zu sehen, war wirklich krass. Und die Langsamkeit, mit der das einfach vorangewälzt wird, ist schon, die hinterlässt einem, also hinterlässt schon Spuren bei einem. Das ist schon gut gemacht.
Florian Bayer: Sehr starker Film.
Johannes Franke: Krasser Filmemacher einfach. Der hat auch fast andere Sachen gemacht. Egal. Du bist dran.
Florian Bayer: Mein Platz 2. Deliverance. Beim Sterben ist jeder der erste aus dem Jahr 1972, der so ein bisschen zeigt, wie die Natur dass Böse im Menschen hervorgeht. Und zwar geht es um eine Gruppe von Freunden, die einen Bootstrip machen, so Flussschnellen in Georgia herunter. Und die werden dann von Hinterwäldlern überfallen. Und einer von ihnen wird von denen vergewaltigt. Und dann beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel in der Wildnis, wo sie zuerst versuchen, von denen zu fliehen, dann aber gegen sie kämpfen. Und eventuell, man weiß es nicht genau, auch Unschuldige da mit reinziehen. Es ist auch die Naturwirt zur Bedrohung in diesem Film, nämlich in diesen Stromschnellen, wo sie fast untergehen, fast ertrinken. Aber vor allem zeigt es auch wie, es ist so ein bisschen auch so eine Parabel darauf, wie diese Natur, diese unbarmherzige Natur Menschen auch unbarmherzig werden lässt. Sowohl unsere Hinterwäldler, die wir da haben. Als auch unsere vermeintlich zivilisierten Städter, die irgendwann genauso zu Gewalttätern werden.
Johannes Franke: Mein Platz 2 ist ein bisschen gecheatet, weil eigentlich das Seltsame gar nicht so sehr durch die Natur kommt, sondern durch das, was damit gemacht wurde. Stalker. Aber sehr interessant irgendwie. Ich fand den Film jetzt nicht 100 Prozent...
Florian Bayer: Gut,
Johannes Franke: ich weiß nicht ganz genau, wie ich es formulieren soll. Ich glaube, ich habe unseren Gast damals ein bisschen verstört damit, dass ich doch durchaus Kritikpunkte hatte, die wohl nicht mitgerechnet hat, sagen wir so.
Florian Bayer: Aus dem Jahr 1979 von André Tarkowski.
Johannes Franke: Ja, und der hat schon Eindruck bei mir hinterlassen. Und die Prämisse ist, dass ein riesiges Gebiet, eine Zone, so völlig anders physikalisch funktioniert als der Rest der Welt. Irgendwas ist damit passiert. Und es gibt so einen Typen, der quasi berufsmäßig da reingeht und Leute da durchführt oder irgendwelche Sachen da rausholt oder solche Sachen macht. Und die Gegend ist wirklich weird und man läuft da halt sehr, sehr lange einfach durch. Und die ist von der Natur quasi wieder zurückerobert. Da sind irgendwelche Schienen und irgendwelche alten Autos, die da noch stehen und von der Natur wieder zurückgeholt wurden quasi. Und ein sehr seltsamer Film. Film lohnt sich vielleicht wirklich mal anzuschauen. und auch unsere Episode dazu zu hören.
Florian Bayer: Erst den Film gucken, dann uns hören. Wir labern ihn nämlich nicht tot. Mein Platz 1, Lars von Trier, Antichrist. Auch hier wieder das Thema, was macht die Natur mit den Menschen und wie kehrt die Natur das Böse und Dunkle des Menschen hinaus. Aus dem Jahr 2009 es geht darum, dass ein Paar nach dem Tod ihres Kindes in die Wälder fährt, damit sie dort ihre Depressionen auskurieren kann. Er ist ihr Therapeut, das ist echt eine tolle Kombi. Und... Sie beschäftigt sich mit Hexen und sie beschäftigt sich mit dem Bösen in der Natur. Und das Böse in der Natur übermannt sie irgendwann. Und es gibt eine sehr düstere Kastrationsszene. Und eine richtig, richtig abgefuckte klitorale Kastrationsszene. Es ist eher Beschneidung in dem Fall, was sie da macht. Oh, es ist so schrecklich.
Johannes Franke: Ich will nicht zurückgehen in die Erinnerung, weil ich habe diesen Film ausmachen zwischendurch. Ich musste ihn ausmachen zwischendurch, weil ich wirklich nicht mehr konnte. Dann habe ich kurz das Fenster geöffnet, habe ein-, zweimal durchgeatmet und dann habe ich ihn weitergeschaut.
Florian Bayer: Dieser Film steckt voller düsterer Bilder über natürlichen Schrecken. Wir sehen zum Beispiel einen, ich glaube, es war ein Fuchs. Nee, es war ein Reh, das den Kadaver seines Kindes... halb raushängen hat und das irgendwie so über den Boden schleift. Wir haben einen total zerfressenen Fuchs, der sowas sagt wie Chaos regiert. Es ist ein sehr schräger Film und er zeigt alles das, was mir in der Natur echt Angst macht. Natur macht mir manchmal Angst.
Johannes Franke: Okay, gehen wir zu was Schönerem oder, naja, Natur ist ein Arschloch. My Girl. Die Bienen. Die Bienen.
Florian Bayer: Oh Mann. Ich muss heulen. Dass du diesen Scheiß-Titel sagst, bringt mich zum Heulen.
Johannes Franke: Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Es ist so... Oh Gott, man sagt, Mark Harlekarken stirbt an einer Bienenallergie, Bienenstichallergie. Also Bienenstich, nicht der Kuchen, sondern die Bienen stechen ihn halt. Und es ist so traurig. Es ist so ein trauriger Film. Krass.
Florian Bayer: Oh, den würde ich auch gerne mal wieder sehen. Nimm den mal auf irgendeine Liste für... Den müssen wir mal wieder gucken. Ja, okay. Ich glaube, das ist nämlich ein unterschätzter Klassiker.
Johannes Franke: Ist der so unterschätzt? Jeder, den ich darauf anspreche, sagt, ja, großartiger Film.
Florian Bayer: Rede mal mit Kritikern. Mit Filmkritikern. Ich glaube, der hat nicht so die Anerkennung gekriegt. Damals hat der ganz stark auf dem Kevin-allein-zu-Haus-Trend mitgeschwommen. Also der war ja davor, aber der wurde danach nochmal im Videothekenregal ganz krass vermarktet mit, wir haben hier Kevin. Obwohl er nur eine Nebenrolle spielt und eigentlich einer Klamski hieß sie, glaube ich,
Johannes Franke: die Hauptrolle ist. Ja. Mit Anna Croyd, Jamie Lee Curtis und Emma Klumsky. Ja,
Florian Bayer: schöner Platz 1, trauriger Platz 1.
Johannes Franke: Trauriger Platz 1.
Florian Bayer: Zurück zu schönerem, zu den Vögeln.
Johannes Franke: Okay. Unsere Top 3. Gehen wir zurück in den Film The Birds.
Florian Bayer: Muss man diesen Film sehen? Hui,
Johannes Franke: also ich habe ihn vorgeschlagen, weil ich gedacht habe, man muss ihn sehen. Und jetzt habe ich ihn gesehen und habe gedacht, nicht so gut, wie ich gedacht habe, nicht so gut, wie ich ihn in Erinnerung habe. Es gibt wirklich Probleme mit dem Film. Ich weiß, du magst den Film, ich mag ihn irgendwie auch und ich mag ihn vor allem wegen Tippi, die das sehr, sehr gut macht und der ich wahnsinnig gerne zuschaue. Und dann sofort, wenn Annie auftaucht, will ich unbedingt mehr von Annie sehen, aber irgendwie... Hat ja zu viele Momente, die so ein bisschen daneben hauen, wo ich auch denke inszenatorisch, naja, es stimmt nicht ganz und irgendwie kommt da Hitchcocks Ego durch in manchen Stellen, auch wenn man es sich nicht erklären kann, wenn man die Hintergründe nicht kennt, aber es macht ein seltsames Gefühl zwischendurch, muss ich wirklich sagen. Und natürlich kann man es nicht auseinanderhalten, weil ich habe die Recherche gemacht und dann gucke ich mir diese Szene zum Beispiel, wo sie da auf dem Dachboden ist, beziehungsweise in einem großen Zimmer da, wo die Vögel durchgekommen sind und sehe mir die Szene an und denke. Die ist viel zu lang und die ist irgendwie zu echt. Die Frau hat wirklich gelitten und man sieht das irgendwie und das reißt einen ein bisschen in eine Richtung, die man nicht haben will in so einem Film, finde ich. Irgendwie, nee, es stimmt nicht ganz. Tut mir leid, Plor.
Florian Bayer: Lasst euch nichts erzählen. Absoluter Muss-Man-Sehen-Film. Einer der besten Hitchcock-Filme. Mit Sicherheit einer der ungewöhnlichsten Hitchcocks-Filme, der sehr aus diesem Hitchcock-Muster raussticht. Eben durch die Gewalt, durch den Terror, der deutlich weniger... auf subtiler Suspense basiert und deutlich mehr auf Action. Unglaublich spannender Film mit einem echt komplexen Überbau, der so viele Ansatzpunkte bietet zu interpretieren. Egal, ob man das sexuell interpretieren will, egal, ob man es als Hitchcocks verklemmte Fantasien interpretieren will oder als Befreiungsschlag einer Frau, die ein Muttersöhnchen aus dem eisigen Griff seiner Mutter rettet. Ganz toller Film, der heute meiner Meinung nach auch immer noch ziemlich gut funktioniert. Und neben diesem ganzen Terror und Horror am Anfang auch einfach ein sauwitziger Anti-Rom-Com ist mit einer ganz schrägen Romanze.
Johannes Franke: Diese Menschen in diesem Film sind wirklich schräg. Wirklich sehr, sehr seltsam.
Florian Bayer: Wenn ihr wissen wollt, was ich Johannes nächste Woche aufgebe, was ich... Bleibt kurz dran. Es wird auf jeden Fall gruselig. So viel kann ich schon mal versprechen.
Johannes Franke: Ich hab so Angst. Ich will nicht. Ich will nicht. Ich weiß nicht, was mir geht.
Florian Bayer: Ich bin so gespannt, wie ihr den Film findet und wie er den Film findet. Und dann geht's weiter in unserem... Hohoho, Monat!
Johannes Franke: Oktober! Oder was hast du letzte Woche so angeschaut?
Florian Bayer: Uah!
Johannes Franke: Okay. Ich bin vorbereitet, glaube ich.
Florian Bayer: Ich bin so gespannt. Du wirst überrascht sein. Es wird nicht das sein, was du erwartest, glaube ich. Ich möchte, dass du Skinner Maring aus dem Jahr 2022 guckst. Ein kanadischer Indie-Film.
Johannes Franke: Was?
Florian Bayer: Skinner Maring.
Johannes Franke: Okay. Du musst mir das aufschreiben.
Florian Bayer: Fällt natürlich in die Kategorie Post-Horror. Weil das einfach gerade das ist, was im Horror echt gut funktioniert.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Und ist ein bisschen experimentellerer Natur. Ja. Ich glaube, man sieht den... nach fünf Minuten denkt man, ah, ich verstehe, was ihr hier macht. Und dann ist die Frage, ob man das gut findet. Und dann dauert es noch fünf Minuten und dann ist die Frage, ob man es gruselig findet. Und wenn ja, wie es bei mir der Fall war, dann ist das unfassbar gruselig. Also es war der gruseligste Film, den ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe.
Johannes Franke: Scheiße. Oh Gott, ich will nicht. Ich hab Angst.
Florian Bayer: Gina Marink. S-K-I-N-A-M-A-R-I-N-K. Aus Kanada. Ja, 2022 von Kyle Edward Ball.
Johannes Franke: Ich quäle mich da durch. Und dann erzähle ich dir nächste Woche, warum ich den Podcast nicht mehr machen will.
Florian Bayer: Bis dahin,
Johannes Franke: ciao. Bis dahin, ciao.