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Kategorie: Drama

Episode 123: The Painted Bird (2019) – Wie viel Grausamkeit verträgt ein Film?

Wir sprechen über Václav Marhouls radikale Tragödie „The Painted Bird“ aus dem Jahr 2019. Auf dem kontroversen Roman von Jerzy Kosiński basierend erzählt er die Geschichte eines kleinen Jungen, der in den 1940ern durch das vom zweiten Weltkrieg verheerte Osteuropa irrt.

Um die Diskussion ein wenig vorwegzunehmen: Selten waren wir bei unserem Podcast so sehr unterschiedlicher Meinung. Während Plor in dem Film ein radikales Meisterwerk sieht, dass sowohl realistisch als auch parabolisch menschliche Abgründe darstellt, sieht Johannes darin eher einen übertriebenen Torture Porn, dessen pessimistisches Menschenbild ihn unzumutbar macht. So oder so, es handelt sich um einen speziellen, einen krassen Film, der Sehgewohnheiten herausfordert und dem Publikum einiges abverlangt.

Passend dazu listen wir in unseren Top 3 Filme auf, die uns gequält und zermartert haben, im guten wie im schlechten Sinne.

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Episode 122: The Apartment – Romantic Comedy mit gesellschaftskritischem Anspruch

Heute sprechen wir über Billy Wilders Tragikomödien-Klassiker „The Apartment“ aus dem Jahr 1960. Wir versuchen herauszufinden, was Wilders Regiekunst so charmant macht, wie er hier zwischen den Genres pendelt und wie weit ein Protagonist auch moralische Instanz sein muss, beziehungsweise wie viel Ambivalenz er verträgt.

In der passenden Bestenliste werfen wir einen Blick auf unsere liebsten everymen der Filmgeschichte, all die George Kaplans, Schultzes und Walter Mittys die da draußen unterwegs sind. Und im wie immer viel zu ausführlichen Sideplot geht es um Heinrich von Kleist und die Improvisationskunst, den Nice Guy Mythos, Karrierismus, sexuelles Fehlverhalten, den Hays Code, die Darstellung von Frauenfiguren im Kino der 50er und 60er Jahre sowie Tropes und Klischees des Romcom-Genres.

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Episode 120: Sneakers – Die Lautlosen

Achja, Sneakers. Mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich an diese kleine Heist-Perle aus dem Jahr 1992 denke. Um ehrlich zu sein, ich habe den Film ausgewählt, um Johannes mal eine kleine Verschnaufspause zu gönnen, von all dem Arthaus-Kram und weirden Exploitation-Zeug der letzten Monate. Ein Film, der ihm eigentlich gefallen müsste und den auch ich sehr schätze.

Die Sneakers sind eine eingeschworene Gruppe von Hackern und Ex-Ganoven, die sich – angeführt von Martin Bishop – von Unternehmen und Banken dafür bezahlen lässt, bei diesen einzubrechen, um so Schwächen in deren Sicherheitssystemen aufzudecken. Ihr neuester Job ist aber delikater als das, was sie für gewöhnlich tun. Die NSA heuert sie an, von einem Mathematiker eine kleine schwarze Box zu stehlen, die – wie sich schließlich herausstellt -, Hardware und Software erhält, mit der man sich in jedes Computersystem in den USA einhacken kann. Und so stehen die Sneakers plötzlich auf der Abschussliste diverser Geheimdienste sowie einer ominösen Vereinigung im Hintergrund, die mit einem dunklen Geheimnis aus Martins Vergangenheit in Zusammenhang steht.

Sneakers ist ein eleganter kleiner Heist-Movie, irgendwo zwischen Krimi und Ganovenkomödie. In erster Linie unterhaltsam, und doch besitzt dieser Film Zutaten, die ihn – auch ohne meine Nostalgiebrille – zu etwas Besonderem machen. Versuchen wir doch, dem gemeinsam auf die Schliche zu kommen. Und im Gegensatz zu vorangegangenen Episoden starten wir doch einfach mal mit einem kleinen Urteil. Ganz schlicht und einfach, Johannes: Hat dir der Film gefallen? Oder war das wenigstens ein bisschen Erholung von dem Kram, den ich dir sonst so vor den Latz knalle?

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Episode 119: I’m still here – Joaquin Phoenix trollt Hollywood

Für den Film “I’m Still Here” haben Casey Affleck und Joaquin Phoenix eine Produktionsfirma mit dem Namen “They Are Going to Kill Us Productions” gegründet. Dieser Name sagt eigentlich alles, was man über den Hintergrund des Films wissen muss. Ein 18-monatiger Stunt, ein Unfall in Zeitlupe, bei dem man nicht wegschauen kann.

Joaquin Phoenix gibt 2008 bekannt, dass er mit der Schauspielerei aufhören und sich seiner Leidenschaft, dem Hip Hop zuwenden will. Was folgt sind Monate der Entfremdung von Realität und Freunden sowie Geschäftspartnern – alten wie auch neuen.nSeinen Frust versucht er in Drogen und Exzessen zu ertränken und die Schuld am Misserfolg seinen Angestellten zu geben. Eine Abwärtsspirale die ihren Höhepunkt in einem massiv lustigen aber auch massiv traurigen Auftritt bei David Letterman erreicht.

Alles das wurde von Casey Affleck in billigen Wackelkameraaufnahmen festgehalten und als Dokumentarfilm veröffentlicht… bis er nur wenig später zugab: es war alles nur ein Stunt. Eine Satire. Er hat uns alle zum Narren gehalten.

Plor, hat dich damals dieser Stunt auch zum Narren gehalten? Oder hast du wie ich erst danach davon Wind bekommen, als schon klar war dass es eine Mockumentary ist?

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Episode 118: Russ Meyers Beyond the Valley of the Dolls – Sex and Drugs and Rock and Soap and Breasts and Trash and…

Once upon a time in Hollywood…. Kelly, Petronella und Casey, die zusammen die Band The Kelly Affair bilden, fahren zusammen mit ihrem Manager – Entschuldigung, Groupie – Harris nach Hollywood, um dort den großen Erfolg zu finden. Dank Kellys Tante Susan kommen sie in Kontakt mit dem exzentrischen Musikproduzenten Ronni Z-Man, der ihnen nicht nur zu einem Plattendeal und Ruhm verhilft, sondern sie auch in die dekadente Partyszene L.A.s einführt. Und da wir die Swinging Sixties haben, bedeutet das vor allem Sex and Drugsand Rock N Roll… and Soap.

Beyond the Valley of the Dolls aus dem Jahr 1970 ist ohne jeden Zweifel ein Film. Er hat einen Anfang und ein Ende. Und dazwischen geschehen Dinge. Viel zu viele, oder viel zu wenige, wahrscheinlich je nach Standpunkt. Russ Meyer hat ne Menge Filme gedreht, den hier kannte ich noch nicht. Ich war nie ein großer Fan von Meyer, aber der hier soll laut Eigenaussage sein definitivster Film sein. Also gehört er ja wohl irgendwie in den Kanon. Immerhin hat Roger Ebert das Drehbuch geschrieben. Und außerdem gibt es am Schluss einen vierfach Ritualmord und eine Dreifachhochzeit. Also gehört er ja wohl irgendwie in den Kanon… Ach verdammt, Johannes. Sag du doch auch mal was.

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Episode 116: Mrs Brisby und das Geheimnis von Nimh

Die 70er und 80er Jahre gelten gemeinhin als Dark Age – als dunkles Zeitalter des klassischen Disney-Zeichentrickfilms. Eine Zeit, in der die große Maus Probleme mit dem Kino hatte und maximal zweitklassige – oft zu düstere – Filme auf die Leinwand brachte.

Aber es muss ja nicht immer Disney sein. Aus dem Selbstfindungsprozess der großen Animationsschmiede entstammt Don Bluth, der 1979 mit Weggefährten seine eigene Trickfilmproduktion gründet und mit Secret of Nimh 1982 deren Debüt vorlegt.

Die verwitwete Maus Mrs. Brisby macht sich Sorgen um ihren Sohn Timmy, der unter einer schweren Lungenentzündung leidet, und das ausgerechnet vor dem “Moving Day”, an dem alle Tiere ihren Wohnort verlassen müssen, weil der Bauer mit seinen monströsen Maschinen über das Feld jagt. Hilfe erhofft sie sich von den Ratten, die im Rosenbusch neben dem Bauernhaus leben. Sie ahnt nicht, dass diese ein großes Geheimnis bergen, das direkt mit dem Schicksal ihres toten Mannes und auch ihrem eigenen im Zusammenhang steht.

Secret of Nimh ist – trotz tierischer Held*Innen – keine klassische Fabel, trotz Auseinandersetzung mit den Greuel des menschlichen Fortschritts keine Ökoparabel und trotz einer Menge Sword & Sorcery kein klassischer Fantasyfilm. Zeitgenossen warfen ihm vor, für einen Familienfilm zu düster zu sein, zu spirituell und mysteriös für eine Umweltgeschichte und zu politisch für ein Märchen.

Ja, und irgendwie haben sie ja alle recht. Secret of Nimh bewegt sich zwischen den Genres, Stimmungen und Erzähltechniken. Johannes, welche von diesen hat sich dir denn am stärksten eingeprägt? Das Fantastische, das Ökomoment, das kindlich Naive oder der politische Überbau?

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Episode 113: Blind Date – Olli Dittrichs und Anke Engelkes Improtheater

Olli Dittrich und Anke Engelke dürften selbst dem härtesten Fernseh- und deutsche Medienlandschaft – Muffel etwas sagen. Ich kenne Olli Dittrich vor allem aus “RTL Samstag Nacht”, wo er DER Parodist schlechthin war und Anke Engelke kenne ich seit der Wochenshow. Meine Güte bin ich alt.

Die beiden waren also in unterschiedlichen Comedyformaten im Fernsehen unter Vertrag. Und 2001 dachte Olli Dittrich sich offenbar: Die Anke von der Konkurrenz, die ist richtig gut! Mit der muss ich dringend mal was machen. Es schien nur wenig Zeit zu geben, also beschlossen sie eine Impro-Szene zu drehen. Das ganze scheint so erfolgreich gewesen zu sein, dass sie danach noch weitere 5 Folgen drehen durften – obwohl das Format schon wirklich sehr sperrig war, für die Zeit und die Sehgewohnheiten, für das RTL und Sat 1 Publikum.

Zwei Menschen, die sich eine Stunde lang oder gar länger in einem eng abgesteckten Raum begegnen. Das erste Mal ein Blind Date in einem Restaurant, dann in einem Taxi nach Schweinau, im Aufzug, in einem Zug, zur Elternsprechstunde und im Hotelzimmer. Immer überlegen sich beide ihre Rollen vorher, sagen dem anderen aber nicht, was sie sich ausgedacht haben und begegnen dann einander wie Fremde, die sich dann streiten, verlieben, rumjammern und angeben.
Das ganze klingt, als hätte es großes Potenzial zu scheitern. Mit etwas Pech bleibt es einfach nur “Before Sunset” für Arme. Aber! Es sind ja immer noch Olli Dittrich und Anke Engelke. Können die beiden dem Format Leben einhauchen, dem man eine Stunde oder eineinhalb zuschauen möchte? Was meinst du … ah! Moment, diese Frage is mir zu Lmae. nehmen wir lieber die Frage die die ruhige Ruth dem Uwe auf der Taxifahrt stellt: “Was passiert mit dem Loch, wenn der Käse weg ist?”

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Episode 110: Teorema von Pier Paolo Pasolini – Kunstkacke oder rätselhaftes Meisterwerk?

Pier Paolo Pasolini gilt als einer der widersprüchlichsten und kontroversesten Regisseure des 20. Jahrhunderts. Vom Schriftstellertum kommend entdeckte er in den 60er Jahren den Film, drehte einige Werke im Geist des italienischen Neorealismus, um dann seine ganz eigene Vision eines sozialkritischen, marxistischen Kinos zu entwickeln: In diesem ist Jesus ein Subproletarier, wird die sexuelle Entgleisung eines Marquis de Sade mit dem Faschismus der Moderne in Zusammenhang gebracht und – wie in Teorema aus dem Jahr 1968 – wird eine Kritik des Bürgertums anhand der Feiler Erotik, Liebe und Spiritualität entworfen:

Ein einfacher, handgeschriebener Zettel, überbracht von einem engelsgleichen Postboten kündigt von der Ankunft eines Besuchers. Dieser wird von der prototypischen großbürgerlichen Familie, die im Zentrum von Teorema steht, in Empfang genommen und bewirtet: Nach und nach erliegen sie alle seinem Charme (und seinem Schritt): Magd, Mutter, Sohn, Tochter und Vater. Und jeder macht in den anschließenden sexuellen Begegnungen eine Entwicklung durch: Die Magd entdeckt die Spiritualität und zieht zurück aufs Land, die Mutter erlebt einen zweiten sexuellen Frühling, der Sohn kann sich endlich seiner Homosexualität und unterdrückten künstlerischen Ader stellen. Die Tochter wird erwachsen und katatonisch und der Vater lässt alle bürgerlichen Statussymbole hinter sich.

Teorema lässt viel Raum für Interpretation. Ist hermetisch, kryptisch und schreit geradezu nach einer hermeneutischen Analyse, die Pasolinis ambivalentes Leben, Verhältnis zum Bürgertum, Sozialismus, Staat und Religion einschließt…

…Aber wir wollen hier ja auch ein bisschen Spaß haben. Also Johannes: Wenn du von einem gottgleichen Jüngling nochmal komplett aus der Spur gerissen wirst, wohin soll die Reise gehen? In die abstrakte Kunst? In die Arme zahlloser junger Männer? In die Katatonie? Als Wunderheiler aufs Land? Oder doch lieber nackt schreiend in die Wüste?

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Episode 108: Fight Club – Toxic Masculinity, Midlife Crisis und Faschismus

David Finchers Fight Club aus dem Jahr 1999 ist eine Verfilmung von Chuck Palahniuks gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1996.

Im Mittelpunkt steht ein namenloser, ungefähr 30jähriger Protagonist, der die Leere in seinem Leben durch Konsum und den Besuch diverser Selbsthilfegruppen zu füllen versucht. Auf einer Geschäftsreise lernt er im Flugzeug den Seifenverkäufer Tyler Durden kennen und fühlt sich von dessen anarchischer Lebensweise magisch angezogen. Gemeinsam gründen sie den Fight Club, einen Ort im Untergrund, an dem Männer noch Männer sein und sich gegenseitig die Fresse einschlagen dürfen. Doch schon bald muss unser Protagonist feststellen, dass Tyler Durdens Ambitionen deutlich weiter gehen, als bloß einen Ort für Hinterhofschlägereien zu verwalten.

Also dann: Stylishe Action, eine bizarre Geschichte mit komplexem Subtext, Basic CGI, Konsumkritik, Bullet Time Sex und ein Electroscore von den Dust Brothers. Also wenn das nicht End-90er ist, dann weiß ich es auch nicht. Anyway, Johannes, gegen wen würdest du denn gerne kämpfen?

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Episode 107: Schultze gets the Blues

„Schultze gets the Blues“ aus dem Jahr 2003 handelt von Schultze.

Schultze hat ein sehr eingetaktetes Leben in einem kleinen anhaltinischen Ort. Sein Leben pendelt zwischen Arbeit im Bergwerk, Kneipenbesuch, Schrebergarten, Musikverein und Angeln. Aber Schultze und seine Kumpels Manfred und Jürgen werden in den Vorruhestand geschickt.

Plötzlich gibt es eine Lücke im Leben zu füllen, die offenbart, dass Schultze vielleicht auch noch andere Ambitionen gehabt hätte. Er hört einen Song im Radio, der ihn erst zu schockieren, dann zu faszinieren scheint: Zydeco, Musik aus Louisiana – die er gleich an seinem Akkordeon ausprobiert. Irgendwie lässt es ihn nicht los, trotz seiner erfolglosen Versuche, die anderen für diese Musik zu begeistern.

Aber sein Musikverein erkennt seine Leidenschaft und schickt ihn zum Kulturaustausch nach Louisiana – wo er zur “Wurstfeier” mit Jodlern und deutscher Nationalhymne, seine Polka spielen soll.

Eine späte Reise zu neuen Leidenschaften.
Plor, welche Leidenschaften könntest du dir vorstellen im alter zu entdecken?

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